Romeo und Julia – was wäre, wenn?

In Kooperation des Kollektivs „I can be your translator (icbyt) mit dem Schauspiel Dortmund hat sich Linda Fisahn (icbyt, 1984*, Dortmund), künstlerisch begleitet von Christoph Rogatz (icbyt), mit „Hurra, Romeo und Julia – Die Szene mit der Leiche, die habe ich gelöscht“ an ihre erste Regiearbeit gewagt. Seit April 2023 ist sie im Rahmen eines Außenarbeitsplatzes am Schauspiel Dortmund beschäftigt.



Die als Tragödie endende Liebesgeschichte von Romeo und Julia, sowie der andauernde unsägliche Streit zwischen den Familien Montague und Capulet liegen ihr am Herzen. Dabei spielt die intensive Beschäftigung mit der DVD zum Film „Romeo und Julia“ mit Claire Danes und Leonardo DiCaprio aus dem Jahr 1996 eine wesentliche Rolle. Da sie Gewalt verabscheut und die Liebesgeschichte ein gutes Ende haben soll, werden bei ihrer Inszenierung einige Änderungen vorgenommen…


Ein bunter Abend mit "Romeo und Julia" und dem Kollektiv „i can be your translator“: Christian Fleck, Marlena Keil, Lis Marie Diehl, Julia Hülsken, Anna Reizbikh, Ekkehard Freye und Laurens Wältken. Foto: (c) Birgit Hupfeld
Ein bunter Abend mit „Romeo und Julia“ und dem Kollektiv „i can be your translator“: Christian Fleck, Marlena Keil, Lis Marie Diehl, Julia Hülsken, Anna Reizbikh, Ekkehard Freye und Laurens Wältken. Foto: (c) Birgit Hupfeld

Am 05.05.2024 fand im Studio des Schauspiel Dortmund die Uraufführung des Stücks statt.

Bei diesem inklusiven Projekt stehen neben Menschen mit verschiedenen Behinderungen und nicht behinderten Personen (icbyt) gemeinsam mit Marlena Keil und Ekkehard Freye vom Schauspiel-Ensemble Dortmund auf der Bühne.

Für romantische Stimmung sorgte nicht nur das Bühnenbild oder Kostüme, sondern auch die roten Anti-Stress Herzen vom Schauspielhaus. Kleine Leinwände als Projektionsfläche waren geschickt and Wand angebracht. Hier bestand neben der Möglichkeit, das Geschehen mit der Kameraführung festzuhalten, zusätzlich die Gelegenheit, Szenen aus dem Film passend einzublenden. Musik (von Christian Fleck entwickelt) spielte eine große stimmungsgebende Rolle. Für jeden der Akteure auf der Bühne gab es ein spezielles Instrument, die vor einer dramatischen Situation effektvoll eingesetzt wurden.

Die Regisseurin nahm sich die Freiheit, selbst energisch in die Handlung einzugreifen. Sieben Mal ließ sie die Hochzeitsszene von Romeo und Julia in den verschiedensten Konstellationen wiederholen, oder regte sich extrem über den Vater (Ekkehard Freye) auf, als dieser seine Tochter Julia (Marlena Keil) mit einem reichen Mann verheiraten möchte. Das hatte für ihn unangenehme Konsequenzen[LL1] [LL2] .

Neben den romantisch-humorvollen Szenen wurde auch ein ernsterer Impro-Anteil mit Gesprächen über den Umgang mit Tod, Verlust oder wie man beerdigt werden möchte eingebaut. Außerdem gab es witzig-entlarvende Dialoge zwischen Vätern und Töchtern zu hören.

Neben der gemeinsamen Spielfreude überzeugte der Zusammenhalt aller auf der Bühne. Jeder hatte seine wichtige Rolle und alle haben sich gegenseitig unterstützt. Es zeigt sich. Menschen mit Handikap sind nicht behindert, sondern werden behindert.

Die tolle Leistung wurde mit sehr viel Applaus belohnt.

Informationen zu weiteren Aufführungsterminen erhalten Sie wie immer unter www.theaterdo.de oder Tel.: 0231/ 50 27 222




Amüsantes Schlager-Theater um „Haui“ Carpendale

Im Dortmunder Theater Fletch Bizzel konnte das Publikum am 04.05.2024 bei „Spuren im Sand“ mit dem Schauspieler, Sprecher und Musiker Heinz-Peter Lengkeit als Haui Carpendale einen witzigen musikalischen Theaterabend mit liebevoller Ironie erleben.



Regisseurin Gerburg Jahnke und HP Lengkeit haben ein wunderbares Programm um den Musiker, Mensch und das Phänomen Howard Carpendale entwickelt. Zur Seite stand Lengkeit kongenial der Gitarrist Peter Engelhardt (bis 2011 bei der Kultband Birth Control). Musikalische Qualität war da schon mal gesichert.

Schon von Beginn an ging der Schauspieler als Haui mit seiner perfekten Carpendale-Perücke direkt auf Paar Frauen im Publikum und rühmte ihre Schönheit. Ein kleiner Hinweis auf Hauis Vorliebe für schöne Frauen.

Es wurde ein Abend mit vielen Geschichten (einige davon wahr), Selbst-Ironie und einer großen Palette von Carpendale-Songs. Dabei konnte HP Lengkeit seine Qualität als Sänger unter Beweis stellen. Das gelang ihm auch, als er den Elvis Presley Hit „Suspicious minds“ auf die Bühne brachte.

Ob nun Howard Carpendale-Fan oder nicht, jeder wurde von den Ohrwurm-Refrains der Songs zum mitsingen oder summen animiert.

Die perfekten „Carpendale-Gesten“ oder Attitüden brachten viele zum Tränen lachen. Als „Running Gag“ zog sich die Eitelkeit des Künstlers im Bezug auf seine und andere „fantastische Frisuren“ durch den gesamten Abend. Die Obsession für das Golfen wurde natürlich auch selbstironisch eingebracht.

Ab und zu wurden einzelne Personen im Raum humorvoll angesprochen und einbezogen. Die Akteure hatten ihr Publikum im Griff und bescherten ihm fast zwei Stunden Unterhaltung und Ablenkung von den Problemen unserer Zeit.

Wer sich dieses Schlager-Theater-Programm erleben will, hat zudem die Gelegenheit an verschiedenen Terminen im Stratmanns Theater Europahaus (Essen). Es lohnt sich.




Wie umgehen mit den Ängsten?

Im Dortmunder Kinder und Jugendtheater (KJT) hatte am 19.04.2024 „Angst oder Hase“ (ab 12 Jahren) von Julia Haenni unter der Regie von Johanna Weißert seine Premiere.



Auf einer ganz in blau gehaltenen Bühnenkonstruktion mit zwei kleinen Leinwänden an den Seiten versuchen die vier Schauspieler*innen (Annika Hauffe, Bianka Lammert, Sar Adina Scheer, Jan Westphal) eine fetzige Mut-Mach-Show auf die Bühne zu bringen. Alle im knalligen Pink gekleidet und mit Perücken versehen. Ein unheimliches Geräusch stört sie und eine Angstspirale wird in Gang gesetzt…

Annika Hauffe, Jan Westphal, Bianka Lammert, Sar Adina Scheer in „Angst oder Hase“. Foto: (c) Florian Dürkopp

Unter den vier Personen entspinnt eine Diskussion darum, wer Angst hat und ein „Schisser“ ist. Nach und nach wird klar. Jeder von ihnen (auch jedes Lebewesen) hat seine Ängste. Viele versuchen sie zu verdrängen und möglichst zu verbergen, da Angst als „Schwäche und Uncool“ vor allem unter jungen Menschen gilt. Die Anzeichen einer Angstattacke, Herzrasen, Zittern Schweißausbrüche und mehr lassen sich jedoch nicht verbergen.

Das ausgestoßene Adrenalin und die Energie sind evolutionär als Überlebens-Alarmsignal vor Gefahren tief verankert. Es bietet die Möglichkeit, diese Situationen schnell einzuschätzen und sich ihnen bei Risikoabwägung entweder mutig zu stellen oder als Rettung zu fliehen. Die Ängste können sich bis zu Neurosen steigern und dazu verleiten, sich den auslösenden Objekten oder Situationen gänzlich zu entziehen. Das führt oft zur Isolation. Die Chance, schwierigen und bedrohlichen Erlebnissen mit Mut zu begegnen und gestärkt daraus heraus zu kommen, wird dann nicht gesehen. Um so wichtiger sind, wie das Stück zeigt – gute Freunde -, mit denen man offen und ehrlich über das Thema sprechen kann. So „outen“ sich auch die vier Protagonisten zu ihren ganz persönlichen „Angstproblemen“.

Mit einer interessanten Technik wird nebenbei die Hasenphobie von dem jungen Mann (Jan Westphal) erzählt. Zwei kleine Pappmodelle (Bad, Küche) wurden auf die Leinwand projiziert und von Sar Adina Scheer bedient.  

Ein links davon angebrachter Bildschirm sowie eine Kamera ermöglichte es dem Schauspieler, sich von der blauen Bühne aus in die Leinwandprojektion handelt und erzählend einzubringen. Da war Präzisionsarbeit nötig.

 Ein besonderer Einfall war der Auftritt eines knuffigen blauen Hasen (wunderbares Kostüm) im Hintergrund.

Das Geschehen wurde musikalisch und mit passender Geräuschkulisse von Peter Kirschke zielgenau begleitet.

Ein wichtiges Theaterstück gerade in diesen unruhigen, bedrohlich wirkenden und schnelllebigen digitalen Zeiten.

Informationen über weitere Aufführungstermine finden Sie wie immer unter www.theaterdo.de oder Tel.: 0231/ 50 27 222




Maschineller Einfluss auf musikalische Kompositionen

Am 16. Und 17.04.2024 stand beim 8. Philharmonischen Konzert in Dortmund das Thema „Mensch und Maschine“ auf dem Programm. Maschinen verschiedenster Art haben in der Geschichte des Ruhrgebiets ja eine wesentliche Rolle gespielt. Auch viele Komponisten konnten sich der unheimlichen Faszination und Präzision von Maschinen und Technik nicht entziehen.



Am Beispiel von fünf Kompositionen konnte sich das Publikum im Dortmunder Konzerthaus davon überzeugen.

Die Dortmunder Philharmoniker unter der temperamentvollen Leitung von Gabriel Feltz (GMD) meisterte die technisch und temporär höchst anspruchsvolle Aufgabe wie so oft mit scheinbarer Leichtigkeit.

Das rasante Orchesterwerk „Short Ride in a Fast Maschine“ von John Adams (*1947, USA) war nach kurzer „Höllenfahrt“ des Komponisten in einem schnellen Sportwagen entstanden. Für die Zuhörenden ein großer Spaß, für das Orchester eine nervenaufreibende Herausforderung.

Das folgende „Perpetuum mobile“ von Johann Strauß Sohn (1825-1899) erinnert eher an eine gemütliche Droschkenfahrt durch den Wiener Prater. Die „ewigen Bewegungen“ des Perpetuum mobile besteht aus einer elementaren Kadenz Folge, die unabhängig wiederholt und dabei in immer wieder abgewandelten melodischen sowie orchestralen Einkleidungen erscheint. Es ließ sich nur Humorvoll durch eine Megaphon-Ansage stoppen.

Auf eine spannende musikalische Reise ging es dann mit „Ein Amerikaner in Paris“ von George Gershwin (1898-1937). Das Publikum wird mit unterschiedlichen Musikstilen und Rhythmen (Jazz, Blues, und mehr) in die Erlebnis- und Gefühlswelt eines Amerikaners in dieser pulsierenden Stadt Paris emotional hineingezogen.

Ein besonderes Erlebnis war „Mysteries oft the Macabre“ von György Ligeti (1923-2006). Aus der einzigen Oper des ungarischen Komponisten „Le Grand Macabre“ wurde mit Hilfe eines Freundes drei Sopranarien hieraus zu einem durchgehenden Stück für Solotrompete und Koloratursopran und Kammerorchester entwickelt.

Hintergrund der Handlung bildet die drohende Ankündigung einer Katastrophe (Kometeneinschlag) des „Großen Macabren“. Mit humorvoller Ironie entsteht ein Spektakel zwischen „Halb-Nonsens-Text“, Ausdruck tragenden Lauten und starken expressiven Gesten und Bewegungen der Koloratursopranistin. Das Ganze wurde zu einer imaginär- absurde Szene verbunden. Die Koloratursopranistin Gloria Rehm verknüpfte die szenische Komponente sinnfällig mit dem Thema Maschinenwelt und begeisterte mit ihrer starken stimme und Ausdruckskraft.

Nach der Pause kam mit der „Sinfonie Nr. 8 F-Dur op. 93“ von Ludwig van Beethoven (1770-1827) die wichtigste Maschine des Musikerlebens zur Geltung. Im zweiten Satz der Sinfonie scheint man das Ticken des Metronoms zu hören. Ein würdiger Abschluss des Konzertes.




„Fell & Fashion“ – ?Delight? Your Darling

Die diesjährige Gemeinschaftsausstellung im Kunstbonbon beschäftigt sich mit dem Thema „Hundeboutique/Hundesalon“ und als weitere Auflage kam hinzu, dass die teilnehmenden Künstler:innen sich ein Pseudonym zulegen sollten. Damit erhielten sie sozusagen die Freiheit, auch einmal etwas ganz Untypisches zu schaffen, das sie vielleicht unter ihrem „richtigen“ Namen nicht ausstellen würden. Es wird also doppelt spannend: was werden wir zu sehen kriegen und wie werden die Künstler:innen heißen?



Ob und wer sein Pseudonym preisgibt, das wird offen bleiben. Zur Inspiration erhielten alle einen Link zu der Seite einer Hundeboutique aus Österreich, die die abgefahrensten und seltsamsten Dinge im Angebot hat. So zum Beispiel Abendgarderobe, Pyjamas, Schmuck und erschütternd teure Pflegeprodukte für Hunde.

In der Einladung wurde zwar gesagt, dass nichts albern oder verrückt genug sein kann und die Teilnehmer:innen sich einfach austoben sollten, aber es ist anzunehmen, dass unter den eingehenden Exponaten auch bitterböse und ironische Auslegungen des Themas sein werden, denn beim Nachdenken darüber kann man nicht übersehen, dass hier eigentlich mal wieder der Mensch im Fokus steht, den angebliche Tierliebe gelegentlich in die gefährliche Nähe von Tierquälerei treibt. Da es weder bei der Größe, noch beim künstlerischen Genre irgendwelche
Einschränkungen gab, können wir uns sicherlich auf eine abwechslungsreiche Ausstellung freuen, die vielleicht Malerei, Zeichnungen oder Illustrationen, Fotokunst, Collagen, Objekte und/oder Skulpturen zeigen wird.

Einige Pseudonyme versprechen internationale Kunst, denn es haben sich u.A. „Cognolina Rossi“, „Pompue de Pompiere“, „Hettie Bones“, „Dr. Knipoog“, „Herr u/o Frau Chen“ und Josy Aruko von „gassi robot“ aus Japan angemeldet.
Die Betreiberin der Hundeboutique – Wilma Whimper – kündigt auch erfreut an, dass es bei der Vernissage Gitarrenmusik von Udo Herbst (kein Pseudonym!) geben wird. Wer also bei musikalischer Begleitung die Werke der geheimnisvollen Künstler:innen sehen möchte und vielleicht erraten, wer hinter dem jeweiligen Pseudonym steckt, der
kann das ab dem 20.04.2024 um 15 Uhr tun. Spätere Besuche ohne Musik sind bis zum 18.05.2024 zu den üblichen Öffnungszeiten möglich.




Ausdrucksstarke Verbindung von Musik und Ballett

Am 13.04.2024 feierte der Ballettabend „Dawson“ in der Oper Dortmund seine Premiere. Das Ballett Dortmund – mit Unterstützung des NRW Juniorballetts – hatte die große Ehre und Gelegenheit, dem anwesenden Publikum ihr Können bei gleich zwei Choreografien des renommierten britischen Choreografen David Dawson (*1972) zu präsentieren.



Dawsons Kreationen bestechen mit seinem technisch höchst anspruchsvollen Niveau, Präzision, ausladenden Bewegungen und vor allem durch eine fast symbiotische Verbindung von inniger Musik und Tanz. Die Musik ist hier der Rahmen und Bühne für den Tanz. Was nicht aussprechbar ist, wird hier von den Tanzenden ausdrucksvoll vermittelt. Dabei sorgen die gleichen hellen Kostüme für einen einheitlichen Eindruck. Bunte Kleidung steht hier nicht im Vordergrund oder lenkt von der Dynamik ab.

Daria Suzi, Javier Cacheiro Alemán (Affairs of the Heart)
Foto: (c) Leszek Januszewski
Daria Suzi, Javier Cacheiro Alemán (Affairs of the Heart)
Foto: (c) Leszek Januszewski 

Sowohl „Metamorphosis“ wie auch „Affairs of the Heart“ waren beide in unterschiedlicher Weise von der Corona-Pandemie betroffen.

Metamorphosis konnte bei seiner damaligen Premiere nach verschiedenen Entwicklungsphasen zunächst nur digital stattfinden. Spürbar waren der wachsende Wunsch und die Hoffnung, als Metamorphose wieder vom Dunkeln in das Helle zu gelangen.

Die innig-starke Musik von Philip Glass wurde sensibel von der Pianistin Ana-Maria Dafova auf dem Klavier passend zum Geschehen auf der Bühne transportiert.

Nach der Pause verbreitete „Affairs of the Heart“ viel positive Energie und Vitalität, pure Lebensfreude über das Ende der Pandemie. Liebe und Nähe in verschiedenen Formen und Konstellationen sin in dem Werk zu spüren.

Wunderbar begleitet wurde die Choreografie musikalisch von der Dortmunder Philharmoniker unter der Leitung von Koji Ishizaka. Shinkyung Kim sorgte an der Solovioline für eine ganz eigenen Zauber bei der Interpretation der Musik von Marjan Mozetich (*1948 Kanada).

Beide Werke zeugen von einer Version, wie wir an Herausforderungen wachsen können. Die starke Leistung aller Beteiligten wurde vom Publikum mit viel Applaus belohnt.

Informationen zu weitere Aufführungsterminen erhalten Sie wie immer unter www.theaterdo.de oder Tel.: 0231/ 50 27 222




Über das Leben, Werden und Vergehen

Im Dortmunder Kinder und Jugendtheater (KJT) hatte am 12.04.2024 „Unterm Kindergarten“ (Eirik Fauske, deutsche Übersetzung : Geesche Wartemann) unter der Regie von Annette Müller seine Premiere.



Die Inszenierung für Menschen ab 4 Jahren beschäftigt sich sensibel mit dem Thema Tod, Vergehen aber auch dem Werden sowie dem Kreislauf des Lebens.

Unterm Kindergarten: Rainer Kleinespel als Giraffe und Thomas Ehrlichmann als Wal. (Foto: (c) Birgit Hupfeld)
Unterm Kindergarten: Rainer Kleinespel als Giraffe und Thomas Ehrlichmann als Wal. (Foto: (c) Birgit Hupfeld)

Die beiden Schauspieler Thomas Ehrlichmann und Rainer Kleinespel vom KJT-Ensemble führten zunächst behutsam und still pantomimisch in die Geschichte ein. Musik und Sound wurde passend von Michael Lohmann eingebaut.

In der Mitte des hell gestalteten Raums (Skelly) stand eine Holzkonstruktion mit Vorhang, die sowohl als Verortung für einen Kindergarten wie auch zur Projektionsfläche für verschiedene Bilder diente. Über einen Projektor wurden diese mit Hilfe diverser Folien als Mittel zur Geschichtserzählung auf die Leinwand projiziert.

Die traurige Ausgangssituation: Ein kleiner Vogel prallt bei seinem ersten Flug frontal an die Fensterscheibe des Kindergartens, stürzt ab und verstirbt. Ein Kind findet es und begräbt ihn. Es fragt sich, was passiert mit dem Tier? Was ist da los in der Erde? Ist da alles tot?

Daraus entwickelt sich eine wunderbar absurde, anarchisch-witzige große Geschichte. Um das Leben, Werden und Vergehen, sowie der Gleichwertigkeit aller Lebewesen. Letztendlich ist alles miteinander verbunden.

Die Schauspieler schlüpften mit viel Humor, wechselnden Mienenspiel in verschiedene fantasievoll gestaltete Kostüme. Ein Vogel oder Hahnkostüm dienten ihnen als humorvoll-lebendige Darstellung der Story. Zudem benutzten sie die großen Wale und Giraffen. Wie im Spiel erzählen sie mit Witz und Poesie von dem Vogelkind, der Giraffe, dem Wal, dem unermüdlichen Baggerfahrer, oder von Fossilien und einem in der Tiefe versunkenen Baum.

Ein Gebläse wird als Windsimulator benutzt, eine Bobby-Car als Laut-Instrument eingesetzt. Ehrlichman und Kleinespel bewiesen ihr Talent als Imitatoren unterschiedlichster Geräusche. Sprachlich wurden öfter kurze Sätze mit Wiederholungseffekt (Loop) genutzt. Das sorgte beim (jungen) Publikum für viele Lacher. Musik spielte bei der Aufführung eine wichtige Rolle.

Es wurde sogar ein Song über die Verbundenheit in Liebe und Tod live auf der Gitarre von Thomas Ehrlichmann gespielt.

Infos zu weiteren Aufführungsterminen erhalten Sie unter www.theaterdo.de oder Tel: 0231/ 50 22 416




Spannender Krimi im Umfeld des Gesundheitswesens

In ihrem neuesten Kriminalroman „Bad Business: Deal mit dem Tod“ hat sich die Autorin Lucie Flebbe ein brandaktuelles Thema als Plot vorgenommen. Es geht unter anderem um die Auswüchse von profitorientierten Privatisierungs- und Effizienzwahn im Gesundheitssektor.



Im Zentrum des Krimiplots steht Mieke Jentsch. Schon länger als stellvertretende Klinikverantwortliche tätig, begeht plötzlich ihr Vorgesetzter vorgeblich Suizid. Sie rückt in die Chefposition auf und wird mit einem gewissen Druck von außen beauftragt, Rehakliniken der Rentenversicherung an einen privaten Medizinkonzern zu verkaufen. Nach und nach kommen ihr nicht nur Zweifel an den Suizid, sondern auch an dem Verkaufskonzept. Mehrere Anschläge auf sie machen ihr klar. Sie ist längst zu einer Schachfigur in einem tödlichen Spiel geworden…

Flebbe überzeugt wieder mit einem packenden und in seiner Deutlichkeit teils schockierend emotionalen Story. Mit ihrer lässigen Erzählweise und schonungslosen Direktheit wird nicht nur der enormen Kostendruck (unter dem alle Beteiligten stehen) für die Leserinnen und Leser plastisch vor Augen geführt. In diesem Roman gibt es im Grunde keine Nebenrollen. Stattdessen zeigt Flebbe starke Frauenfiguren, vielschichtige Charaktere, die in komplexen Beziehungen zueinanderstehen. Eine wichtige Rolle in der Geschichte spielt noch Mo (Moritz) Blümel, bei dem Mieke an einem Führungskräfte-Coaching auf seiner Pferdranch teilnimmt.

Ein ständiger Perspektivwechsel zu den beteiligten verschiedenen Frauenfiguren und Mo erlaubt den Lesenden einen tiefen intimen Einblick in die verschiedenen Persönlichkeiten und ihre Hintergründe.

Jedes neue Kapitel des Buches ist mit den Vornamen (Kurzform) der jeweiligen Person aus deren Perspektive die Handlung dann gesehen wird, versehen. Deren Gedanken, Geheimnisse und emotionalen Zustände werden aus ihrer Sicht langsam und detailliert verdeutlicht. Am Anfang bedarf es etwas Konzentration, bei den vielen Wechsel die Übersicht zu behalten. Nach und nach werden die Zusammenhänge klarer und der Spannungsbogen steigt stetig Dramatisch- rasante und überraschende Momente führen zu einem furiosen Ende mit kleinem Überraschungseffekt.

Die teilweise genaue Beschreibung von brutalen Handlungen dürften für sehr empfindsame Menschen nicht so als Lesestoff geeignet sein.

Gewalt gegen Frauen, Flüchtlingsdrama, vor allem auch die Folgen der Privatisierung im Gesundheitssektor, wie Einsparungen beim Personal, Hygiene, beim Essen, schlechte Bezahlung usw. werden ungeschönt dargestellt.

Lucie Flebbe: Bad Business. Deal mit dem Tod 
Kriminalroman: 432 Seiten
Köln: Grafit in der Emons Verlag GmbH 2024
Originalausgabe: ISBN 978-3-98659-018-5
€ (D) 15.00 € (A) 15.50




INSOMNIA – Was uns schlaflos macht

Das Projekt „BE CONNECTED – Schlaflos in Dortmund“ hat über ein halbes Jahr junge Menschen mit Workshops in ihrer Kreativität und Darstellungsfreude gefördert. Passend dazu hat der Jugendclub 16Plus am Dortmunder Schauspiel unter der Regie von Sarah Jasinszczak ein neues Stück entwickelt.  Für die schöne Choreografie sorgte Birgit Götz.



„INSOMNIA – Wenn meine Gedanken Pyjamaparty machen“ feierte am 28.03.2024 im Studio des hiesigen Schauspiels seine Uraufführung.

Jugendclub 16Plus bei "Insomnia". (Foto: (c) Florian Dürkopp)
Jugendclub 16Plus bei „Insomnia“. (Foto: (c) Florian Dürkopp)

Die zwölf jungen Personen (darunter ein junger Mann) wurden atmosphärisch stimmig mit klassisch-hellen Pyjamas oder Nachthemden ausgestattet. Für den Schutz vor hellem Licht wurden sie mit pastellfarbenen Augenklappen ausgestattet. Jede(r) hatte ein plüschiges Kissen zur Verfügung. Dies wurde auch ausgiebig als multifunktionales Ausdrucksmittel genutzt.

Über ihnen schwebte eine weiße Wolke, auf der die jeweilige Uhrzeit während der Nacht eingeblendet wurde oder sich „Bernd das Brot“ mahnend meldete.

Eindrucksvoll stand auf der rechten Seite eine riesige leuchtende Vollmondkugel sowie auf der anderen ein offenes Hausgestell als Wohnungssymbol.

Das jugendliche Ensemble aus verschiedenen Perspektiven und Formationen auf die Farben der Nacht. Sie setzten sich mit ihren verborgenen Ängsten, dem gesellschaftlichen Druck (Familie, Schule, beruflicher Erfolg usw.), Versagensängsten, eventuell Mobbing u.a. auseinander, die zu Albträumen führen.

Außerdem spielen aber auch Wunschträume und Sehnsüchte eine Rolle, die zu einer Flucht in Träume führen können. Kurz wird auch die Möglichkeit, in seine Träume aktiv einzugreifen, angesprochen. Andere haben Angst vor dem Aufwachen, wenn sich nichts an ihrer prekären Situation ändert oder man wieder scheinbar hilflos den vielen Weltkrisen gegenübersteht.

Musik spielt eine große Rolle bei der gemeinsamen Stückentwicklung.

Patricia Kalde und Ley-Vannah Amani Monthé begeisterten mit ihren starken Stimmen mit einem Song aus der „Eisprinzessin“.

Am Ende steht der Song „Lila Wolken“ (Marteria, Yasha, Miss Platnum) für eine gemeinsame Feier des Lebens, egal wie reich oder klug man ist und woher man kommt.

Es bleibt spannend zu verfolgen, welche Wege die jungen Künstler*innen in der Zukunft beschreiten.

Die gelungene Premiere wurde mit einer ausgelassenen Aftershow-Party gebührend gefeiert.

Weitere Termine: 28.04 (18 Uhr), 9.5. (im Rahmen des Unruhr-Festivals)




Emotional aufwühlende Sinfonie in Umbruchzeiten

Die Konzerte der Dortmunder Philharmoniker haben in dieser Spielzeit einen Bezug zum Revier. Unter dem Titel „Im Ruhrgebiet geboren“ stand am 26. und 27.03.2024 beim 7. Philharmonischen Konzert die viersätzige 6. Sinfonie (a-Moll) von Gustav Mahler (1860-1911) auf dem Programm. Ars tremonia war am 26.03.2024 mit dabei.



Wie vielleicht nicht alle wissen, wurde die 6. Sinfonie 1906 in Essen (also in unserer Nachbarschaft) unter der persönlichen Leitung des Komponisten uraufgeführt. Sie endete als einzige in Moll und wurde die „Tragische“ genannt, obwohl sie viel mehr ist.

Gabriel Feltz (GMD), der einen besonderen Bezug zu dieser Sinfonie hat, dirigierte das Konzert mit großer Besetzung der hiesigen Philharmoniker. Für dieses expressive und anspruchsvolle Werk wird alles an Instrumenten aufgefahren.

Zur Zeit der Entstehung der Sinfonie war Mahler einerseits glücklich mit Alma Mahler-Werfel und seiner kleinen Familie, andererseits brodelten die Konflikte in der Monarchie Österreich-Ungarns. Im Balkangebiet regte sich vermehrt Widerstand und Unruhe.

Diese Kontraste, Glücksmomente, Zerrissenheit, Verzweiflung werden auch in der Musik deutlich spürbar.

In den vier Sätzen wechseln sich Marschcharaktere, romantische Nachklänge an Schubert, musikalische Gedanken, die von Mahlers Liebe zu Alma inspiriert sind, die Welt der Alpen hervorrufen, Volklieder, Tänze, Choräle bis hin zu Rutenhieben oder eindrucksvollen Hammerschlägen (zweimal) zwischen Moll und Es-Dur ab.

Der seelenvoll-trügerische Andante-Satz mit der „Alma“ und Choralthematik wurde bei dieser Aufführung an dritter Stelle nach dem dämonisch-distanzierten Scherzo-Satz gespielt. Das führte grandios als Kontrast zum furios-monumentalen Finalsatz bis hin zu seinem letzten Moll-Ton.

Das Konzert machte nicht nur auf die verschüttete Tradition aufmerksam, sondern wurde von der Dortmunder Philharmoniker und ihrem Dirigenten mit Herzblut, viel Empathie sowie Können interpretiert. Sie zogen das Publikum trotz der fast 90-minütigen Dauer in den ganz eigenen Bann der Sinfonie hinein.

Das wir im Augenblick auch in unruhigen Krisenzeiten leben, sorgt für ein spezielles Empfinden des musikalischen Erlebnisses.