Die Entführung aus dem Serail als märchenhaftes Puppenspiel

Zur Eröffnung der Saison zeigte die Dortmunder Oper eine gekürzte Fassung Mozarts „Entführung aus dem Serail“. Um den Corona bedingten Auflagen zu genügen, erzählten die Sänger*Innen und Regisseur Nikolaus Habjan die abenteuerliche Geschichte als 80-minütiges Puppenspiel.

Auch der musikalische Leiter Motonori Kobayashi musste sich mit einem elfköpfigen Ensemble der Dortmunder Philharmoniker begnügen. Die Ouverture klang noch ein wenig ungewohnt, aber schon nach kurzer Zeit hatte man sich auf die kleinere Orchestrierung eingestellt.

Die Oper erzählt wie die Spanierin Konstanze (Irina Simmes), ihre Zofe Blonde (Sooyeon Lee) und deren Freund Pedrillo (Fritz Steinbacher) nach einem Piratenüberfall auf einem Sklavenmarkt verkauft werden und so in die Hände des Bassa Selim fallen. Der Verlobte der Konstanze, Belmonte versucht alles um die Geliebte aus den Fängen des Herrschers und seines Aufsehers Osmin (Denis Velev) zu befreien.

Im Zentrum der Inszenierung steht ein Himmelbett mittig auf einer Drehbühne platziert. Dort sitzen Vater und Sohn auf dem Bett und da der Kleine noch mit einer spannenden Geschichte beschäftigt ist und nicht einschlafen will, entwickeln die Beiden die Entführung in Form einer Gute-Nacht-Geschichte. So erzählen und kommentieren sie die Rahmenhandlung der Oper. Regisseur und Puppenspieler Nikolaus Habjan spielt und spricht den Sohn, der verkörpert durch eine große Klappmaulpuppe. Er spielt dies mit großer Hingabe, Witz und ein gewissen Zärtlichkeit. Um das Himmelbett herum sind die Protagonisten als 1 Meter große Tischpuppen arrangiert. Geschickt werden sie durch Habjan immer wieder in die Entwicklung der Geschichte integriert. Im Hintergrund werden die Puppen auch von Manuela Linshalm gespielt.

Regisseur und Puppenspieler Nikolaus Habjan entführte die Zuschauer in eine märchenhafte Atmosphäre. V.l.n.r. Sungho Kim (Belmonte), Irina Simmes (Konstanze), Nikolaus Habjan (Puppenspiel), Sooyeon Kim (Blonde), Fritz Steinbacher (Pedrillo) (Foto: © Björn Hickmann)
Regisseur und Puppenspieler Nikolaus Habjan entführte die Zuschauer in eine märchenhafte Atmosphäre. V.l.n.r. Sungho Kim (Belmonte), Irina Simmes (Konstanze), Nikolaus Habjan (Puppenspiel), Sooyeon Kim (Blonde), Fritz Steinbacher (Pedrillo) (Foto: © Björn Hickmann)

Schwarz gekleidet stehen die Sänger*Innen mit großem Abstand auf den Außenseiten der Bühne, vor oder hinter einem schwarzen Vorhang , wo zum Teil nur die beleuchteten Gesichter zu sehen sind. Mit Livecam Projektionen der Sänger und Puppen gelingt es Handlung und Gesang in Einklang zu bringen und die Geschichte packend zu erzählen.

Einen starken Eindruck hinterläßt Denis Velev mit einem wunderbaren Bass. Er verkörpert den bedrohlichen und etwas tumben Aufseher des Bassas immer auch mit einer gewissen Komik. Sooyeon Lee als Blonde besticht in der Arie „Welche Freude , welche Lust“, als sie erfährt, dass Belmonte zu Ihrer Rettung naht. Eine etwas klarere Artikulation würde den Genuss noch erhöhen. In der Arie „Martern aller Art“, wird der dramatische Ausdruck der Irina Simmes Stimme verschmilzt bei der Arie „Martern aller Art“ mit dem verzweifelten Gesichtsausdruck der Puppe, als Konstanze sich entscheidet, sich nicht dem Bassa Selim zu ergeben.

Zum Ende der gekürzten Fassung scheinen beide Paare, anders als im Original, dem Henker zum Opfer zu fallen.

Weitere Vorstellungstermine sind: 3., 23., 24., 29., 30. Oktober, 1. Und 21. November




Eine getanzte Midsommernacht

In eine fantastische Welt zwischen Traum und Wirklichkeit tauchten die Premierenbesucher beim Ballett „Ein Mittsommernachtstraum“ im Dortmunder Opernhaus ein. Die deutsche Erstaufführung des spektakulären Stückes von Alexander Ekmann in 2015 uraufgeführt, gewährt aufregende Einblicke in das Werk des schwedischen Starchoreografen.

Bei der Heuernte herrscht ein lebendiges Treiben, rhythmisch wirbeln die Tänzer Heubüschel auf und nieder, schwingen paarweise zusammen, wirbeln das Heu durch die Luft und gleiten dann wieder in gemeinsamen Bewegungen über die Bühne. Ein Paar tanzt vorbei und turtelt ein wenig, alles strahlt Energie und Vorfreude auf die kommende Midsommernacht aus. Große Heuballen werden hereingerollt und dienen als einzelne Bühnen auf denen getanzt wird. Bald steht die eigentliche Feier bevor und aus einem fröhlichen Volksfest entwickelt sich eine ekstatische Nacht in der alle Grenzen verschwimmen. Phantasie und Realität sind miteinander verwoben. Beim intensiven gemeinsamen Gruppenknuddeln aller Tänzer unter dem Midsommerbaum bricht das Publikum in spontanes Gelächter aus. Die Konturen verschwimmen. Tische schweben durch die Luft, große Bäume wachsen aus dem Himmel, fliegende Fische schweben vorbei, ein Liebespaar liebt sich in der Öffentlichkeit direkt an der Festtafel, es wird geschlemmt, getanzt, getrunken und gesungen. Die ganze Nacht ist bestimmt durch extreme Erfahrungen und Grenzüberschreitung. Dennoch liegt über allem eine fröhliche Unbeschwertheit, gepaart mit Anflügen leichter Melancholie. Das erwartbare Ende der Nacht verstärkt die Lust am Übermut.

Das Corps de ballet hatte sichtlich viel Spaß mit dem Heu auf der Bühne. (Foto: © ©Leszek Januszewski)
Das Corps de ballet hatte sichtlich viel Spaß mit dem Heu auf der Bühne. (Foto: © ©Leszek Januszewski)

Sängerin Hannah Tolf wob mit glockenhellem, glasklarem Gesang gemeinsam mit dem Musikensemble, bestehend aus Streichern, Klavier und Percussion einen Klangteppich aus sphärischen Klängen und folkloristischen Variationen. Die Zuschauer wurden durch die sinnliche Musik und die fantastischen Bühnenbilder mit auf eine fantastische Reise genommen.

Bevor Alexander Ekmann 2006 seine Karriere als Tänzer beendete, tanzte er beim schwedischen Königlichen Ballett, beim Cullberg Ballett und beim Nederlands Dans Theater NDT 2. Danach widmete er sich ganz der Choreografie und entwickelte in seinen Werken eine phantasievolle, kreative und eigenständige Ausdrucksweise. Eine kongeniale Verbindung besteht seit einer ersten Zusammenarbeit in 2012 zwischen Ekmann und dem Komponisten Mikael Karlsson, die auch hier beim Midsommernachtraum wunderbar gelungen ist. Das begeisterte Publikum verausgabte sich bei stehenden Ovationen mit lang anhaltendem Applaus. Ein unglaublich inspirierender Ballettabend. Bitte mehr davon.

Die nächsten Vorstellungstermine sind der 27. und 28. Februar, der 08., 20., und 28. März.




Form und Farbe – Arbeiten von Angela Adele Möllenbeck im Torhaus

Abstrakte Malerei in ausdrucksstarker Farb- und Formensprache zeigt die Künstlerin Angela Adele Möllenbeck in der städtischen Galerie im Torhaus Rombergpark. Mit 15 Gemälden und fünf Skulpturen füllt sie Wände und Raum des Torhauses.

Obgleich die Bilder alle betitelt sind, lassen die meist großformatigen Werke dem Betrachter Raum seinen Vorstellungen und Assoziationen nachzuspüren. Dazu möchte die Malerin auch explizit einladen.

Offen erzählt die Künstlerin wie sie die Arbeit an ein Gemälde gestaltet. Wenn sie beginnt, hat sie eine bestimmte Vorstellung von Farbe und Format, dann übernimmt ihre Intuition die Führung. Nach zweistündiger Arbeit taucht sie wieder auf und bewertet, was bis dahin entstanden ist. Vielleicht ist das Bild dann schon fertig, vielleicht bedarf es dann weiterer Bearbeitung.

Angela Adele Möllenbeck zeigt abstrakte Arbeiten im Torhaus. (Foto: © Anja Cord)
Angela Adele Möllenbeck zeigt abstrakte Arbeiten im Torhaus. (Foto: © Anja Cord)

Das Zeichnen begleitet die Künstlerin täglich. In einer Kladde hält sie ihre Eindrücke und Vorstellungen fest. Diese Übungen geben ihr beim Malen in großen Formaten die nötige Sicherheit, die Linienführung und Anlage der Flächen sicher zu finden. Speziell ist auch ihre Methode, die Bilder auf dem Boden liegend in der Aufsicht zu malen.

Ähnlich geht sie in ihrer bildhauerischen Arbeit vor. Sie wählt gezielt die Steinart und die Steinform aus, dann beginnt die Reise zur Entstehung einer Skulptur. Während die gezeigten Bilder schon vor zehn Jahren entstanden, kommen die Skulpturen frisch aus dem Atelier.

In den fünf ausgestellten Arbeiten setzt sie sich mit dem Prinzip der Spannung zwischen konvexen und konkaven Formen und Linien auseinander. Die Oberflächen der Arbeiten aus Anröchter Kalksandstein und Granit Kiesel sind durch intensive Bearbeitung uneben gestaltet und schimmern durch die Behandlung mit Steinöl samtig matt.

Angela Adele Möllenbeck ist Mitglied im Bundesverband Bildender Künstlerinnen und Künstler (BBK), der Internationalen Gesellschaft der Bildenden Künste (IGBK), sowie der Künstlergruppe „Duktus“ Künstler im RuhrRevier.

Die Ausstellung läuft vom 9. Februar bis zum 1. März.




Wiener Abend beim Philharmonischen Konzert

Im Städteprogramm des Konzerthauses entführten die Dortmunder Philharmoniker im 4. Philharmonisches Konzert ihr Publikum nach Wien. Aus dem vielfältigen Repertoire der mit Wien verbundenen Komponisten fiel die Wahl auf Werke von Johann Strauß (Sohn), Joseph Haydn und Johannes Brahms. Ars tremonia besuchte das Philharmonische Konzert am 22. Januar 2020.

Naheliegend für Musik der Donaumetropole eröffneten die Musiker den Abend mit den „Geschichten aus dem Wienerwald“ von Johann Strauß (Sohn). Der Konzertwalzer, bestehend aus fünf Walzerstücken, nahm das Publikum mit in das vom Tanzen beseelte Wien des 19. Jahrhunderts. Verstärkt wurde diese fröhlich, beschwingte, zeitweilig melancholische Stimmung durch das überzeugende Zithersolo von Wolfgang Hubert.

Für das Konzert für Violoncello und Orchester C-Dur Hob. VIIb:1 von Joseph Haydn verkleinerte sich das Ensemble auf 26 Musiker. Als Solistin des teilweise Barock angelegten Konzertes brillierte die junge niederländische Cellistin Harriet Krijgh.

Die 29-jährige Musikerin ist eine der vielversprechendsten jungen Cellistinnen der Gegenwart. Sie spielte auf einem Violoncello von Giovanni Paolo Maggini aus dem Jahre 1620, das ihr von einem privaten Sammler zur Verfügung gestellt wird.

Zeigte ihr Können beim Konzert für Violoncello und Orchester in C-Dur von Haydn: Harriet Krijgh (Foto: © Marco Borggreve)
Zeigte ihr Können beim Konzert für Violoncello und Orchester in C-Dur von Haydn: Harriet Krijgh (Foto: © Marco Borggreve)

Die einleitende Melodie des ersten Satzes spielte das Orchester mit großer Klarheit, bevor Harriet Krijgh die Melodie aufnimmt. Alle drei Sätze des Werkes kennzeichnete der stetige Wechsel zwischen Soli und Tutti. Die Übergänge gelangen hier fließend. Die schnellen und hoch gespielten Läufe besonders im 2. Satz stellten höchste Ansprüche an die Virtuosität der Solistin, die sie brillant meisterte. Nach anhaltendem Applaus des begeisterten Publikum spielte sie am Mittwoch als Zugabe eine Sarabande von Bach.

Das Klavierquartett g-moll op. 25 von Brahms spielte das Orchester, hier wieder in voller Besetzung, nach einer Orchesterfassung von Arnold Schönberg. Dem wuchtigen Hauptthema des ersten Satzes, folgte ein sanfter, träumerischer zweiter Satz, getragen von Flöten und Oboenklängen. Nach einem etwas getragenen dritten Satz, der zwischenzeitlich durch donnernde Paukenschläge und einem marschähnlichen Rhythmus etwas martialisch daher kam, folgte ein rasanter vierter Satz. Das wild wirbelnde Rondo alla Zingarese verlangte den Musikern und auch dem Dirigenten höchste Aufmerksamkeit und Präzision ab. Das „Presto“ gespielte Stück war ein leidenschaftliches Bekenntnis Johannes Brahms’ zu seiner Begeisterung für ungarische Zigeunermusik und den Cardaskapellen. Durch die hohe Kennerschaft des Werkes von Brahms ist es Schönberg gelungen, aus einem Kammermusikstück ein berauschendes und doch in Teilen auch zartes Orchesterwerk zu schaffen.

Mit Bravour meisterte Dirigent Motonori Kobayashi die Herausforderung seine Musiker durch die so unterschiedlich gearteten Kompositionen zu führen. Im 5. Philharmonischen Konzert am 11. und 12. Februar 2020, geben die Philharmoniker die Messa da Requiem von Guiseppe Verdi.




Einblicke 2019 präsentiert Kunstankauf der Stadt Dortmund

Eine Standortbestimmung der aktuellen Dortmunder Künstlerszene zeigt die Ausstellung „Einblicke“ im Torhaus Rombergpark. Kurz nach der Schau der Ankäufe aus dem Jahr 2018, zeigt das Kulturbüro der Stadt Dortmund jetzt die ausgewählten Werke aus 2019.

Die Dortmunder Künstlerszene ist lebendig und vielfältig in ihrem Ausdruck. Mit dem Förderprogramm des städtischen Kunstankaufs unterstützt das Kulturbüro professionell arbeitende Künstlerinnen und Künstler vor Ort. Mit zurzeit 25.000 Euro jährlich werden Kunstwerke aller Sparten angekauft. Das Kulturbüro kümmert sich um die Archivierung der Arbeiten und stellt sie Institutionen der Stadt zur Ausleihe zur Verfügung.

Die Leiterin des Kulturbüros Hendrikje Spengler mit ihrer Kollegin Sophie Schmidt vor einem Bild der Dortmunder Künstlerin Martina Wernicke. (Foto: © Anja Cord)
Die Leiterin des Kulturbüros Hendrikje Spengler mit ihrer Kollegin Sophie Schmidt vor einem Bild der Dortmunder Künstlerin Martina Wernicke. (Foto: © Anja Cord)

Für den Ankauf 2019 reichten 78 Künstlerinnen und Künstler 152 Werke zur Auswahl ein. Dabei Arbeiten von 18 Künstlerinnen und sechs Künstlern wurden angekauft. Vertreten sind Werke vieler bekannter Künstler wie Ulla Kallert, Bernd Moenikes, Dina Nur, Axel Mosler, Bettina Brökelschen, Almut Rybarsch-Tarry oder auch Sebastian Wien. Erstmalig ist die Malerin Petra Ultsch vertreten, hier mit der abstrakten Arbeit „Reise“, in Öl auf Holz. Die Auswahl zeigt eine große Spannbreite der künstlerischen Positionen in Dortmund.

Wer wählt die Arbeiten aus? Es ist eine Laien-Jury aus Vertreterinnen und Vertretern des Kulturausschusses. Die Jury nimmt ihre eigenen Kriterien als. Dadurch ergibt sich durchaus automatisch ein Querschnitt durch das Schaffen professioneller Dortmunder Künstler.

Die Ausstellung kann bis zum 2. Februar 2020 besichtigt werden, der Eintritt ist frei. Die Öffnungszeiten sind dienstags bis samstags 14 Uhr bis 18 Uhr, sonntags 10 Uhr bis 18 Uhr.




Die Weihnachtsgeschichte durchgelüftet

Zur Einstimmung auf die anstehenden Festtage bot sich im Theater Fletch Bizzel mit „Drei Monarchen mit dem Weihrauchfass“ eine witzig-ironische Inszenierung an. In einer Mischung aus Kabarett, Musik und Klamauk streifen Leslie Sternenfeld und Stefan Keim in ihrem Stück durch die Weihnachtsgeschichte.

In einen roten und einen blauen Nikolausmantel gehüllt, mit tiefschwarzen Sonnenbrillen ziemlich cool aussehend, erschienen die Protagonisten auf der Bühne und intonierten zur Musik von „Highway to Hell“ den Text „Rentier zu schnell“ einen pompösen Auftakt. Der imaginierte Rentierschlitten geriet natürlich in eine Radarfalle und wurde geblitzt.

Die folgende Weihnachtsgeschichte wurde allerdings ganz neu erzählt. Denn: Eine Bibel wurde gefunden! Das Original! Geschrieben weit vor der uns bekannten! Sie enthält „Das Neue Testament nach Jussuf“ – eigentlich aus heutiger Sicht das älteste.

Drei Skatbrüder fungierten als die drei Könige, Stefan Keim als blindes Schaf Jossele kann nur bellen statt blöken und fragt ausdauernd „Wann sind wir da?“, ein Engel versichert, dass die Herberge noch zu besichtigen sei.

Zwischendurch fantasierten die Beiden über eine Neuinszenierung in Oberammergau. Der Ochsenkarren könnte durch einen E-Roller ersetzt werden, die Hirten durch Helikoptereltern, am Kreuz könnte eine feministische Maria hängen…

(v.l.n.r.) Stefan Keim als "Anita" und Leslie Sternenfeld als "Roy Black" in der skurrilen Weihnachtsshow "Drei Monarchen mit dem Weihrauchfass". (Foto: © Anja Cord)
(v.l.n.r.) Stefan Keim als „Anita“ und Leslie Sternenfeld als „Roy Black“ in der skurrilen Weihnachtsshow „Drei Monarchen mit dem Weihrauchfass“. (Foto: © Anja Cord)

Eine wilde Phantasie folgte der Nächsten. Abwechselnd singend oder am Piano spielend spickten Stefan Keim und Leslie Sternenfeld die Erzählung mit umgedichteten Schlagertexten. Auf den Song von Brings „Kölsche Jung“ dichteten sie: „Als kleiner Junge hab ich mich mal verlaufen, ich glaube ich wollte Jesuslatschen kaufen“

Neben der Weihnachtsgeschichte erfuhr in einem zweiten Erzählstrang die Hitparade mit Dieter Thomas (Stefan Keim) und dem Heck (Leslie Sternenfeld) eine Wiederbelebung. Im Countdown von acht Schlagerevergreens verpackten die Kaberettisten ihre neuen Texte in Ohrwürmer aus den siebziger Jahren oder auch der Neuen Deutschen Welle („Codo“ von DÖF). In schwarzen Glitzerjackets intonierten sie Songs von Roland Kaiser, Jürgen Marcus oder Udo Jürgens. Auf Platz eins landeten zum Höhepunkt der Vorstellung Roy Black und Anita, durch Stefan Keim mit blonden langen Zöpfen herzallerliebst dargestellt.

Mit viel Spaß am Wortwitz, manchmal absurden Gedankenkapriolen, aber immer mit viel Begeisterung und Phantasie bereiteten die Künstler ihrem Publikum einen sehr vergnüglichen Abend.

Eine weitere Vorstellung geht am Samstag, den 21. Dezember ab 20 Uhr im Fletch Bizzel (www.fletchbizzel.de) über die Bühne.




PeterLicht mit poetischem Programm im Schauspielhaus

Poetisch, melancholisch, ironisch, subversiv, kreativ; Vokabeln, die die Show des Künstlers PeterLicht nur annähernd beschreiben. Gemeinsam mit dem Multiinstrumentalisten Benedikt Fillebröck zelebrierte er ein Gesamtkunstwerk auf der Basis seines letzten Albums „Wenn wir alle anders sind“. Das Titelbild des Covers diente im Schauspielhaus auch als Bühnenbild. Es zeigte eine abstrahierte Stadtlandschaft, mit angedeuteten Hochhäusern und fraktalen Strukturen. In grellen Farben führt eine Autobahn durch die rechte Bildhälfte und zwischen allem schweben blaue Quallen sanft durch das Motiv.

Zum Einstieg startete PeterLicht etwas schwermütig mit „Die Nacht“ und besang danach „Das absolute Glück“, in dem der allerletzte Mensch mit den Füßen über den Rand der Erde baumelnd ein Glücksgefühl erlebt. Der Song stammt vom Album „Lieder vom Ende des Kapitalismus“.

Der Musiker spielt mit den Genres, legt sich nicht fest. PeterLicht wechselt von Elektro-Pop, zu Bossa Nova, über Reggae zur chilligen Fahrstuhlmusik. Die Texte erinnern in kurzen Passagen an die Nonsenssongs von Helge Schneider.

PeterLicht (Foto) gab ein Konzert mit dem Multiinstrumentalisten Benedikt Fillebröck. (Foto: Christian Knieps)
PeterLicht (Foto) gab ein Konzert mit dem Multiinstrumentalisten Benedikt Fillebröck. (Foto: Christian Knieps)

Dann wird die Rhythmusmaschine angeworfen und mit piepsiger Mickeymouse-Stimme, durch Autotune verfremdet, erklingt das „Umentscheidungslied“. Es könnte ein Ausdruck der Variationsbreite der menschlichen Natur sein. „Du hast dich vertätowiert, Ich habe mich verfönt, Sie hat sich veroperiert, Er hat sich vertippt.“ So viele Entscheidungsmöglichkeiten, man muss sich umentscheiden, um dennoch vielleicht wieder einen Fehler zu begehen. Dazu tanzt er in einer groß gepunkteten Jogginghose mit einem Burberrykäppi auf dem Kopf in ekstatischen Verrenkungen. Das Publikum kann sich vor Lachen kaum halten.

Mit einem Stapel kopierter Zettel quetschte sich PeterLicht durch die Stuhlreihen und verteilte den Liedtext „Die Emotionale“, zu singen auf die Melodie „Die Internationale“. Der Text ist ein Aufruf zum letzten Widerstand, witzig und trotzig zugleich. Das Publikum singt aus voller Kehle zum Beispiel: „Ungerechte und Gerechte! Es ist nicht auszuhalten! Haltet aus! Es geht nicht immer gradeaus, im Kreisverkehr geht es immer rund!“ Ein Volltreffer ist auch sein erster Hit „Sonnendeck“. Er spielt ihn schneller und druckvoller als das Original und kommt damit gut an.

Das begeisterte Publikum applaudierte nach dem 90 Minütigen Programm ausgiebig, bis das gut eingespielte Duo Licht und Fillebröck noch vier Lieder als Zugabe brachte.




The Silly Siblings werfen die Zeitmaschine an

Die Theaterband „The Silly Siblings“
entführte das Publikum im Fletch Bizzel in die 20er und 30er Jahre
des letzten Jahrhunderts. Unter dem Titel “Wermut, Schwermut und
Chansons“ warfen die Mitglieder der Kulturbrigaden einen
liebevollen, aber auch sehr kritischen Blick auf die ereignisreiche
und politisch brisante Zeit zwischen zwei Weltkriegen.

Die
zeitliche Einordnung der Revue lieferte zu Beginn ein Journalist. An
seiner Schreibmaschine sitzend hämmerte er eine Reportage über die
letzten Tage des ersten Weltkrieges in die Tasten. Eine Stimme aus
dem OFF lässt das Publikum an dem zu schreibenden Text teilhaben.
Der Kaiser dankt ab und geht ins Exil, der Krieg endet am 9. November
1918. Dies ist der Ausgangspunkt für die Erzählung des Abends, die
am Ende den nächsten Krieg am Horizont aufflackern sieht.

Kraftvoll und kämpferisch gesungen das Arbeiterlied „Brüder zur Sonne zur Freiheit“, frivol „die fesche Lola“ von Marlene Dietrich, verbittert ein Lied der Mütter, die ihre Söhne nicht im Krieg verheizen lassen wollten. Wunderbar zart und sehnsuchtsvoll rezitierte Anna Marienfeld Kurt Schwitters Gedicht „An Anna Blume“. Einzelne Gassenhauer wie „Mutter, der Mann mit dem Koks ist da“, fehlten nicht. In der dazugehörigen Szene wurde neben der schwarzen Kohle zugleich auch weißes Pulver mitgeliefert. Große Lacher erzeugte eine Schwarzmarktszene in der der Händler sich nach Art des Schlemils aus der Sesamstraße an potenzielle Käufer heranmachte.

Entführten die Zuschauer in die wilden Zwanziger und Dreißiger: The Silly Siblings (v.l.n.r.) Christiane Wilke, Anna Marienfeld, Rada Radojcic, Dixon Ra und Lennart Rybica. (Foto: © Anja Cord)
Entführten die Zuschauer in die wilden Zwanziger und Dreißiger: The Silly Siblings (v.l.n.r.) Christiane Wilke, Anna Marienfeld, Rada Radojcic, Dixon Ra und Lennart Rybica. (Foto: © Anja Cord)

Überzeugend schlüpften Regisseurin Rada Radojcic, Anna Marienfeld und Christiane Wilke in die Rollen der unterschiedlichsten Protagonisten. Schriftsteller, Arbeiter, Unternehmer, Hure, Tänzerin, Mutter oder Schwarzhändler. Stimmlich sehr überzeugend interpretierten sie die unterschiedlichsten Musikstücke mal ironisch, witzig oder auch mit großer Verve. Perfekt unterstützt durch die Musiker Dixon Ra & Lennart Rybica an Schlagzeug und Keyboard entrollten die Schauspielerinnen ein rauschhaftes Bild von Schmerz, Trauer, Lebensfreude, Liebe und Absinth- und Drogenexzessen. Geschickt sind die Übergänge und Kostümwechsel der einzelnen Szenen miteinander verwoben.

Die
Zuschauer honorierten die Darsteller immer wieder mit Szenenapplaus
und nach der Vorführung mit Standing Ovations.

Wer
sich auch in diese faszinierende Zeit entführen lassen möchte, kann
dies das nächste Mal am
31. Dezember
um 21
Uhr zur
Silvester-Sondervorstellung im
Theater im
Depot machen. Weitere Termine sind am 31.01.2020 um 20 Uhr und am
22.02.2020 um 20 Uhr (im Fletch Bizzel).




Kraftvoller Aufstand einer Fraueninitiative

Auf großes Interesse stieß die
Ausstellungseröffnung „Sich ins Geschehen werfen“ am Sonntag im
Hoesch-Museum. Im Rahmen des f2 Fotofestivals zeigt das Museum Fotos
und Exponate der Hoesch Fraueninitiative und ihrem Kampf zum Erhalt
der Stahlarbeitsplätze Anfang der 80ziger Jahre. Dieser hatte bis
jetzt im historischen Rückblick wenig Beachtung gefunden. Vor der
Museumstür schürte Museumsmitarbeiter Karl-Heinz Jenrich, stilecht
im silbernen Hitzeschutzanzug gekleidet, das Feuer in einer
Feuertonne.

Zur
Eröffnung der Ausstellung sprachen u.a. Dr. Karl Lauschke,
Vorsitzender der Freunde des Hoesch-Museums e.V. (2.v.li) und Isolde
Parussel (re.) einführende Worte. Die Leiterin des Hoesch-Museums
ordnete die 22 Fotos der Schau als zeithistorische Fotografien und
nicht als zeitgenössische Bilder ein. Der Betrachter könne erleben
wie zeitlos Solidarität ist und was ein gemeinsames Einstehen für
ein Ziel bewirken könne. Hier nahm sie auch Bezug auf die
Solidarität und Demonstrationsstärke der ehemaligen DDR-Bürger,
die den Fall der Mauer zur Folge hatte.

Dr. Karl Lauschke, Vorsitzender der Freunde des Hoesch-Museums e.V. (2.v.li) und Isolde Parussel (re.) bei der Eröffnung der Ausstellung.
Dr. Karl Lauschke, Vorsitzender der Freunde des Hoesch-Museums e.V. (2.v.li) und Isolde Parussel (re.) bei der Eröffnung der Ausstellung. (Foto: © Anja Cord)

Die
schwarzweiß Fotos des Dortmunder Fotografen Gisbert Gramberg stehen
im Zentrum der Ausstellung. Er begleitete damals die Aktionen der
Frauen mehrere Monate in einer freien Fotoarbeit, die heute einen
Einblick in das intensive Engagement der Protestierenden geben. Es
sind die Originalabzüge aus der damaligen Zeit. Aber auch die
Exponate wie die Unterschriftenlisten, ein Liederbuch der Initiative
oder ein Zeitungsbericht über die Hungerstreikenden vermitteln
eindrücklich die Intensität der Auseinandersetzung.

Auslöser
der Aktivitäten war die Stahlkrise der 70iger Jahre die in
Entlassungen und Werksschließungen zu enden drohte. Die beteiligten
Frauen, viele von Ihnen waren in anderen Berufen tätig, schlossen
sich aus Überzeugung mit den Stahlarbeiterfrauen zusammen um für
den Erhalt der Werke und damit der Arbeitsplätze zu kämpfen. Sie
organisierten zahlreiche Infostände in den Stadtteilen und
beteiligten sich an Demonstrationen. Mit dem Verkauf von
„Arbeitsplätzchen“ sammelten sie Spenden, an einem Tag vor der
Reinoldikirche sammelten sie gemeinsam mit den Stahlwerkern 13000
Unterschriften gegen die Werksschließungen. Der Slogan lautete
„Stahlwerk jetzt, später oder gar nicht?“

Große
Bewunderung und Unterstützung erlangten 7 Frauen der Initiative, die
Anfang Februar 1981 für drei Tage vor dem Tor 1 der Westfalenhütte
in einen Hungerstreik traten.

Mit
Rita Schenkmann-Raguse (re.)und Brigitte Sonnenthal-Walbersdorf (li.)
waren die zwei Zeitzeuginnen anwesend, die ihr Archivmaterial für
die Konzeption einer Ausstellung zur Verfügung gestellt hatten. Die
Auswertung der umfangreichen Unterlagen übernahmen Svenja Grawe von
der Ruhr Universität Bochum und Frederic Roth von der TU Dortmund.

Zwei Zeitzeuginnen: Rita Schenkmann-Raguse (re.)und Brigitte Sonnenthal-Walbersdorf (li.)
Zwei Zeitzeuginnen: Rita Schenkmann-Raguse (re.)und Brigitte Sonnenthal-Walbersdorf (li.) (Foto: © Anja Cord)

Die
Ausstellung läuft bis 9. Februar 2020. Öffnungszeiten des Museums
sind Di./Mi. 13h bis 17h, Do 9h bis 17h, So 10h bis 17h




Heidi – Der Berg ruft!

„Heidi“, Geißen, Gipfel,
Sensationen lautet der Titel der neuesten Theaterproduktion vom
Theater im Depot. Die klassische Vorlage des Romans von Johanna Spyri
erfährt eine fulminante Überarbeitung durch Regisseur und Autor
Stefan Keim.

Der
Plott der bekannten Erzählung bleibt im Grunde erhalten. Die junge
Heidi wird von ihrer Tante Dete zum Öhi auf die Alm abgegeben. Sie
hat Arbeit in Frankfurt gefunden und kann sich um das Kind nicht mehr
kümmern. Der Öhi gilt allgemein als ungesellig und etwas
sonderlich. Heidi hat jedoch ein sonniges Gemüt und kommt gut mit
dem Großvater klar. Erleichtert wird die Eingewöhnung durch den
Geißenpeter und einige Ziegen, die zu hüten sind. Nach einiger Zeit
erscheint Dete wieder auf der Bildfläche und nimmt Heidi mit nach
Frankfurt, um sie als Kameradin der behinderten Klara einzusetzen.
Nach einigen Anfangsschwierigkeiten arrangiert sich Heidi mit den
Gegebenheiten, vermisst jedoch das freie Leben auf der Alm. Nach
einiger Zeit in der fremden Stadt wird sie vor Heimweh krank und kann
kurz darauf in die Berge zurück. Nun muss sie allerdings Klara
zurücklassen, was Heidi auch nicht leicht fällt. Nach einigen
Monaten kommen Klara und deren Großmutter Frau Stresemann zu Besuch
auf die Alm. Durch gute Bergluft und eine Eifersuchtstat des
Geißenpeters schafft es Klara auf der Alm wieder laufen zu lernen.

Stefan Keim beginnt sein Stück mit einer Szene im Reisebüro. Ein Paar sucht einen Urlaubsort der beiden zusagt. Nach längerem Hin und her entscheiden sie sich fürs „Heidiland“. Inklusive Alphornklängen und Geißenkuscheln. Im Hintergrund ist eine Alpenkulisse auf eine Videowand projiziert. Hier schallen schon die ersten Lacher des Publikums Richtung Bühne. Danach beginnt die Erzählung über Heidis Abenteuer.

Vorbei mit der Alpenromantik! In Frankfurt muss Heidi (Cordula Hein, mitte) lernen wie man mit Messe und gabel isst. Angeleitet von Frl. Rottenmeier (Sandra Wickenburh) und Klara (Thorsten Strunk). (Foto: © Anja Cord)
Vorbei mit der Alpenromantik! In Frankfurt muss Heidi (Cordula Hein, mitte) lernen wie man mit Messe und gabel isst. Angeleitet von Frl. Rottenmeier (Sandra Wickenburg, links) und Klara (Thorsten Strunk). (Foto: © Anja Cord)

Die
drei SchauspielerInnen Cordula Hein (Heidi/Arzt), Sandra Wickenburg
(Der Öhi/Fräulein Rottenmeier) und Thorsten Strunk (der
Geißenpeter/Tante Dete/Klara/Großmutter) besetzen alle vorkommenden
Rollen. Mit Bravour wechseln sie in kürzester Zeit Outfit und
Haltung um in die jeweils nötige Rolle zu schlüpfen. Besonders
witzig und toll inszeniert ist der Auftritt der Herde,
ebenfalls genial durch die drei Schauspieler dargestellt. Beinah jede
Szene brachte das Publikum zum Kichern. Die Tiere
stehen auf einer leicht schrägen Fläche und kommentieren alle
Vorkommnisse auf der Alm. Dabei verhalten sie sich wie Nachbarn die
sich über den Gartenzaun oder aus dem Fenster heraus miteinander
unterhalten. Klatsch und Tratsch des Tages werden kommentiert.
Kreativ unterhalten sie sich durch Muuhs und Määhs, variieren den
Tonfall und beschreiben damit alles was Sie bewegt. Als
Übersetzungshilfe für das Publikum wird der ausführliche Text, man
glaubt ja nicht wie geschwätzig so eine Herde
sein kann, im Videobild aufgeschrieben.

Die
aktuelle Heidi ist ein aufgewecktes Kind, mit einem heiteren Gemüt
und einem positiven Blick auf die Menschen. Sie lässt sich auch vom
Großvater nicht einschüchtern der bei ihrem ersten Auftauchen mit
einer Axt auf sie und ihre Tante losgeht. Sandra Wikenburg verkörpert
den Öhi genauso glaubwürdig wie die Rolle des geifernden Fräulein
Rottenmeier. Thorsten Strunk stellt so viele Figuren da, das er
kurzfristig im Ablauf der Handlung auf der Bühne vom Geißenpeter
zur Klara mutiert.

Mit
neuen Texten versehen geben die Akteure zwischendurch kurze
Gesangseinlagen, wie zum Beispiel zu „La Montanara“ oder
„Frankreich, Frankreich“ von den Bläck Föös umgedichtet in
„Frankfurt, Frankfurt“. Auch das klassische Titellied zum Film
Heidi durfte natürlich nicht fehlen.

Die
Dialoge sind spritzig, Ironie tropft aus jeder Szene und es tut gut,
wenn alles mal nicht so ernst genommen wird

Das
begeisterte Publikum belohnte die Darsteller mit anhaltendem Applaus.

Die
nächsten Vorstellungen sind am 8. Und 9. November, jeweils 20h, am
10. November um 16h und am 22. Und 23. November wieder um 20h.