Gloria – eine Messe im Operngewand

Sein 175jähres Jubiläum feierte der Philharmonische Chor des Dortmunder Musikvereins im Rahmen des Klangvokal Festivals im Konzerthaus Dortmund. Corona bedingt hatte der Chor die Feierlichkeiten im letzten Jahr ausfallen lassen müssen.

Mit einem musikalischen Leckerbissen startete der Chor in seine neue Spielzeit.

Zum Auftakt erklang „A Raffaello Devino“ von Marco Enrico Bossi, instrumentiert von Chorleiter Granville Walker, danach folgte Guglielmo Ratcliff: Intermezzo von Pietro Mascagni. Der Schwerpunkt des Abends gehörte der „Messa di Gloria“ ebenfalls von Pietro Mascagni. Sie wurde wirklich gloriös gestaltet.

Gerado Garciano, Pene Pati und Granville Walker nach dem Konzert. (Foto: © Buba Gogiberidze)
Gerado Garciano, Pene Pati und Granville Walker nach dem Konzert. (Foto: © Buba Gogiberidze)

Das Stück, das in Italien häufig aufgeführt wird, ist bei uns kaum bekannt. Was sehr schade ist. Geläufiger ist die „Cavalleria rusticana“, die besonders als Filmmusik im „Pate III“ Filmliebhabern in Erinnerung blieb.

Das geistliche Werk der Messa di Gloria folgt dem liturgischen Aufbau einer Messe. Der Operneinakter wird dem Verismo zugeordnet. Ein Wechsel zwischen dramatischem Flehen und zarten, melancholischen Tönen hält den Spannungsbogen vom Beginn des Kyrie bis zum Ausklingen des Agnus Dei.

Eine wahre Entdeckung ist der junge Tenor Pene Pati, der erstmalig auf einer deutschen Bühne stand. Mit seiner einfühlsamen Stimme die kraftvoll, und dennoch sensible, mit warmen Timbre das Werk interpretierte, eroberte er die Zuhörer im Saal. Bariton Gerado Garciano übernahm die besonders melancholischen, lyrischen Sätze und sang diese sehr überzeugend. Überraschend war sein Äußeres, mit grauem Vollbart war er kaum wiederzuerkennen.

Die Messa war ein leidenschaftliches, klanggewaltiges Glaubensbekenntnis, das jedoch nie überzogen pompös wirkte.

Chorleiter Granville Walker bereitete mit seinen Philharmonischen Chor, den Solisten und der Neuen Philharmonie Westfalen einen wunderbaren Abend für die Konzertbesucher. Sie belohnten die Künstler mit anhaltenden Standing Ovations.




Offertorium – Zweites Philharmonisches Konzert

Ein beeindruckendes Werk, von einer beeindruckenden Frau. Das „Offertorium“, titelgebend für das 2. Philharmonische Konzert im Konzerthaus Dortmund war ein echtes Highlight.

Sofia Gubaidulinas Konzert für Violine und Orchester thematisierte eine Opfergabe. Opfer oder Opfergaben begleiten die Menschen durch alle Kulturen und Religionen. Die Komponistin nahm das Thema regium aus dem Musikalischen Opfer von Johann Sebastian Bachs Musikalischem Opfer als Grundlage für ihr Werk. Ihr Opfer sind die jeweils erste und letzte Note des „regiums“ Nach und nach „verlor“ das Orchester die Noten bis nach vielfachen Schleifen nur ein Ton übrigblieb. Sehr leise und deshalb umso intensiver stand der Ton ein paar Takte im Raum. Von hier aus baute sich das Thema dann wieder auf, bis es wieder vollständig erklang. Linus Roth an der Solovioline spielte virtuos die schwierigen, teils kakofonischen Klangpassagen.

Das Hornsolo bringt den "Lichtstrahl" in die 5. Sinfonie von Tschaikowsky. (Foto: © Sabine Schmidt / pixelio.de)
Das Hornsolo bringt den „Lichtstrahl“ in die 5. Sinfonie von Tschaikowsky. (Foto: © Sabine Schmidt / pixelio.de)

Das Philharmonische Orchester war in voller Besetzung auf der Bühne. Die Streicher bewältigten die schwierige Herausforderung mit Bravour. Die fünf Musiker an den verschiedenen Schlagwerken waren ungewöhnlich viel beschäftigt. Vom leisen Triangelton, bis zum donnernden, ohrenbetäubenden Trommelwirbel waren sie ständig gefordert. Schon in ihrer Zeit in der Sowjetunion interessierte sich Sofia Gubaidulina für Dodekaphonie, Serialismus und Elektronik. Gerade ihre Liebe zum Seriellen zeigt sich in diesem Stück in Schleifen, die das Thema immer wieder einkreisen. Das waren herausfordernde, aber inspirierende 40 Minuten.

Die zweite Hälfte des Abends füllte Tschaikowskys 5. Sinfonie in e-moll. Die vom Komponisten als unzureichend empfunden Sinfonie gilt heute als eines seiner wichtigsten und modernsten Kompositionen. Tschaikowsky bearbeitete in seiner Sinfonie das „Schicksalsthema“. Nach seiner Auffassung musste der Mensch sich seinem Schicksal beugen beziehungsweise war er der Vorsehung ausgeliefert. Dieses Thema zieht sich durch die Sinfonie. Sie beginnt mit einem dunklen Trauermarsch, die Blechbläser symbolisieren durch kurze, laute Einwürfe immer wieder die Macht des Schicksals. Der zweite Satz beginnt ebenfalls getragen mit den Streichern, ein Hornsolo und dazukommende Klarinetten lassen einen Hoffnungsschimmer aufkeimen. In eine beschwingte Walzermelodie verpackt Tschaikowsky sein Schicksalsthema im dritten Satz. Nach der Leichtigkeit folgt erneut eine Hinwendung zum pathetischen Ausgeliefertsein. Mit einer sich ständig steigernden Einsatz der Klangstärke des Orchesters endet das Stück in einem gewaltigen pathetischen Finale. Dirigent des Abends war Leo McFall. Er ist Preisträger des diesjährigen Opus Klassik 2021 in der Kategorie Sinfonische Einspielung/Musik 19. Jahrhundert.




Torhaus Rombergpark zeigt Arbeiten von Monika Jährig

Werke der Künstlerin Monika Jährig sind ab Sonntag im Torhaus am Rombergpark zu sehen. Während zahlreicher Spaziergänge durch die Natur haben sie die Schattenwürfe von Pflanzen, Blättern und Bäumen fasziniert. Fotos, die sie auf Reisen gemacht hat, nutzte Monika Jährig zur Anregung für ihre Einzelausstellung.

Unter dem Titel „Schattengewächse“ hat sie alle Exponate nach einem geschlossenen Konzept neu entwickelt. Es sind Malereien, Zeichnungen, Drahtobjekte für Wand und Boden und eine komplexe Bodeninstallation entstanden. Die Installation besteht aus Drahtobjekten in verschiedenen Höhen und Formationen. Auf dem Boden liegen transparente Bodenplatten, auf die mit Edding gezeichnete Schatten auf einer Wasseroberfläche imitieren. Die reellen Schatten der Drahtobjekte verschwimmen mit den vorgegebenen Schatten und sind so in ständige Wandlung. Eine Wandinstallation aus 24 kleinformatigen Tuschezeichnungen mit organischen Schattenmotiven vervollständigt den harmonischen Gesamteindruck.

Monika Jährig bei ihrer Bodeninstallation aus Drahtobjekten und weiteren Materialien. (Foto: © Anja Cord)
Monika Jährig bei ihrer Bodeninstallation aus Drahtobjekten und weiteren Materialien. (Foto: © Anja Cord)

Monika Jährig studierte Kunst an der Universität Dortmund und blickt auf zahlreiche Einzelausstellungen und Ausstellungsbeteiligungen zurück. Ihre Arbeiten befinden sich im öffentlichen und privaten Besitz. Sie lebt und arbeitet in Marl und Waging am See (Bayern). Monika Jährig ist Mitglied im Bundesverband Bildender Künstler Westfalen e. V. und bei ver.di Kunst und Medien.
Die Ausstellung wird veranstaltet vom Kulturbüro der Stadt Dortmund in Zusammenarbeit mit dem Bundesverband Bildender Künstler Westfalen.

Monika Jährig ist am Sonntag, dem 26. September von 10h bis 13h anwesend.

Die Ausstellung kann vom 26. September bis 17. Oktober in der städtischen Galerie Torhaus Rombergpark besichtigt werden. Ein Rundgang durch die Ausstellung ist auch unter www.virtuellegalerie-dortmund.de möglich.




Persona – Uraufführung der Jungen Oper

Schon immer war die Pubertät für die meisten Jugendlichen eine Zeit der Unsicherheit, des Suchens und des Infragestellens. Wer bin ich? Wer will ich sein? Wie sehen mich die anderen?

Die Junge Oper Dortmund thematisiert in der Uraufführung ihres Stückes „Persona“ den Einfluss sozialer Medien auf heranwachsende Jugendliche. Allesamt Digital Natives, die eine Zeit ohne digitale Medien für kaum vorstellbar halten. Teilen sie ihr Leben im Netz oder formt das Netz durch die Suche nach Anerkennung mit Likes und hohen Followerzahlen ihr Verhalten viel stärker als ihnen bewusst ist? Was ist reales Leben, was ist Fake?

Komponist und Composer in residence ist Thierry Tidrow, das Libretto stammt aus der Feder von Franziska vom Heede. Die Oper für Jugendliche ab 12 Jahren entstand in Kooperation mit der Akademie für Theater und Digitalität.

Das Bühnenbild von Dina Nur zeigt drei nebeneinander liegende durch Vorhänge abgeteilte Räume, die Protagonisten sitzen in lockeren Joggingoutfit auf einem Schleiflackmöbel. Ein durchgehender durchsichtiger Vorhang schließt an der Bühnenkante ab und dient als Projektionsfläche für die Inhalte der Smartphones. Ein stilisiertes Gesicht erscheint als Hologramm über den jeweils agierenden Schauspielern. Jeder hat eine Webcam vor sich stehen, und inszeniert sich davor. Sobald sie ausgeschaltet ist fallen die gute Laune Imitatoren in sich zusammen und stellen sich ihren Selbstzweifeln. Diese emotionalen Passagen werden meist gesungen.

Ruth Katharina Peek (Alex), Anna Lucia Struck (Charly), Marcelo de Souza Felix (Rocco) (Foto: © Björn Hickmann, Stage Picture)
Ruth Katharina Peek (Alex), Anna Lucia Struck (Charly), Marcelo de Souza Felix (Rocco) (Foto: © Björn Hickmann, Stage Picture)

Während Charly einen Fitnessaccount betreibt, zeigt Rocco sich auf der Suche nach seiner männlichen Identität zeitweilig als Rocafella Dragella, einer grell geschminkten Dragqueen mit pinker Stola. Alex, die ihren Account gerade erst erstellt und sehr unsicher ist, begeht einen bösen Fauxpas. Nachdem eine sehr kritische, fast selbstzerstörerische Analyse ihrer Selfies kein brauchbares Profilbild übrig lässt, nutzt sie das Bild der erfolgreichen Influencerin Charly. Das führt zu einigen Missverständnissen, findet aber in einem klärenden Gespräch, natürlich digital, eine positive Wendung.

Die Oper ist als interaktive Vorführung angelegt. An drei Stellen im Verlauf des Stückes können die Jugendlichen per QR-Code den Verlauf der Geschichte beeinflussen. Jedes Mal kann zwischen drei Antworten gewählt werden. Es gibt zwölf verschiedene Varianten der Geschichte.

Dies stellt alle Beteiligten vor große Herausforderungen. Text und Musik für 2,5 Stunden sind erarbeitet worden. Mediaartist und Operator Alexander Hügel muss ständig auf Zack sein, da er alle Projektionen und Textbausteine per Click einspielen muss. Die abstrakte Musik wird nicht chronologisch Seite für Seite gespielt, sondern ist den einzelnen Charakteren zugeordnet. Christoph JK Müller leistet hervorragende Arbeit, während er die Musiker durch die verschiedenen Themen lotst. Auch für die Schauspieler gilt: Je nach Wahl des Publikums variieren Texte und Abläufe. Dies macht das Stück zu einer interessanten Herausforderung für alle Beteiligten und ist auch für die Zuschauer eine anspruchsvolle Aufgabe.

Der jungen Oper ist eine spannende Inszenierung gelungen, die wahrscheinlich auch nach der Vorstellung für Gesprächsstoff unter den jugendlichen Zuschauern sorgen kann.

Weitere Vorstellungen gibt es am 24. 9. 11h, 25.9.15h, 29.9. um 11h. Auch im November gibt es diverse Termine.




Geschichten über das Wasser auf der Kokerei Hansa

Ein spannendes Erlebnis bot die performative Führung des Kinder und Jugendtheaters Dortmund bei der Premiere von „Nachdem der Himmel glühte“ auf der Kokerei Hansa. Mit einem Spaziergang über das Gelände brachten die Schauspieler des KJT die Jugendlichen mit dem Thema Wasser in Kontakt . Auf dem Weg durch das Industriedenkmal erlebten die Jugendlichen die verschiedensten Szenarien und Geschichten rund um dieses aktuelle Thema.

Ausgerüstet mit Tablets und Kopfhörern folgte die Gruppe dem jungen Calvin, gespielt von Max Ranft. Er brachte die Gedanken ins Rollen, indem er von den industriellen Zeiten erzählte, wo Wasser zur Kühlung der Kokskohle tonnenweise verbraucht wurde und man sich wenig Gedanken über die wertvolle Ressource machte. Dennoch gab es auf dem Gelände eine Art Kreislaufsystem, durch Wasserbecken und Sickeranlagen konnten 40 % des Wassers wieder verwendet werden. Der Rest wurde, mehr oder weniger verschmutzt, in die Emscher geleitet. Einen Bogen zur heutigen Klimaproblematik schlägt der Erzähler mit Unterstützung liebevoll inszenierte Kurzvideos, die an verschiedenen Punkten der Führung gemeinsam abgerufen wurden. In kleinen Erzählstücken berichtete zum Beispiel der Opa von Calvin seine Geschichte als Lokführer auf der Kohlenbahn der Kokerei, das Wasser selbst erhält ebenfalls eine Stimme und klagt, dass es jetzt für immer verschwinden wolle, da es zu wenig Beachtung und Wertschätzung von den Menschen erhielte.

Max Ranft als Calvin in der Kokerei Hansa. (Foto: © Birgit Hupfeld)
Max Ranft als Calvin in der Kokerei Hansa. (Foto: © Birgit Hupfeld)

Calvin berichtete von einer Verbündeten die der Mensch im Kampf um das Wasser habe. Gemeinsam machten sich deshalb alle auf die Suche nach der Regentrude. Ein Fabelwesen mit besonderer mystischen Beziehung zum Wasser. Auf der Suche nach der Regentrude fing es tatsächlich an zu regnen. Während wir in einem der großen Türme bis in die oberste Etage kletterten kam auch noch ein kräftiges donnern dazu, irgendwie schien das Wetter zur Geschichte zu passen. Der Regen kommt, der Regen geht die Sonne strahlt, die Wolken ziehen vorbei und wieder donnert es. Die Regentrude wurde gefunden, allerdings kann auch sie nicht mehr helfen, da das Wasser aktiv beschlossen hat abzutauchen. Ab hier versuchen Calvin und die Jugendlichen Lösungen zu finden, um das Wasser zu behalten. Sie schrieben Demo-Plakate mit ihren eigenen Parolen und zogen als Demonstranten durch das Kokerei Gebäude. Dabei skandierten sie ihre Wünsche nach einer besseren Umwelt. .

Bei einer kleinen Erfrischung erfuhren die Jugendlichen, dass auch Kinder vor Gericht ziehen können um für eine bessere Klimapolitik zu kämpfen.

Zum Ende der eindrucksvollen Führung wurde ein kleiner Demonstrationszug vor einer aufwallenden Wasserkaskade gefilmt.

Die Führung war mit kleinen Zwischensprints auf der Suche nach der Regentrude und dem Aufstieg in den Turm durchaus sportlich angelegt. Der fließende Übergang zwischen spielerischer Begeisterung, Informationen und eigenen Aktionen begeisterte die ganze Gruppe.

Diese Uraufführung des KJTs entstand in Kooperation mit dem Künstlerkollektiv pulk fiktion und der Stiftung Industriedenkmalpflege und Geschichtskultur.

Weitere Termine mit jeweils vier Timeslots gibt es am 29. August, 8., 12. und 14. September.




Spielzeiteröffnung des KJT auf der Kokerei Hansa

„Nachdem der Himmel glühte“

Rund ums Wasser dreht sich alles bei einem performativen Spaziergang über das Gelände der Kokerei Hansa in Huckarde. In Kooperation mit dem Künstlerkollektiv pulk fiktion und der Stiftung Industriedenkmalpflege und Geschichtskultur startet das Kinder-und Jugendtheater seine neue Spielzeit mit einer Uraufführung in aufregendem Ambiente.

Die letzten Sommer waren warm, trocken, oft zu heiß, es gab Sonne satt. Doch wohin geht das Wasser, wenn es nicht regnet? Geht es verloren, sammelt es sich irgendwo? In diesem Jahr dann das krasse Gegenteil mit häufigen Starkregen bis zur Hochwasserkatastrophe in der Eifel. Ob Wasserknappheit oder Überschwemmungen, anhand des Beispiels Wasser lässt sich der Klimawandel anschaulich verdeutlichen. pulk fiktion nimmt die Zuschauenden mit ins Gelände der Kokerei. Sie erkunden den Ort, folgen dem Verlauf des Wassers, verlieren dessen Fährte, begegnen Regenmacher*innen, kämpfen sich durch eine Dürre und suchen nach Lösungen.

Beim Pressetermin am Donnerstag betonte Ursula Mehrfeld, Geschäftsführerin der Stiftung, wie wichtig Ihnen eine regelmäßige Zusammenarbeit mit verschiedenen Künstler*innen sei: „Wir laden gerne Menschen ein, um sich mit diesem Ort zu beschäftigen, damit er nicht als Industriedenkmal nur nackte Kulisse ist, sondern ein lebendiger Ort mit einer inhaltlichen Brücke von heute zur Geschichte.“ Über den spannenden Ort sagte KJT-Intendant Andreas Gruhn: „Was ich so an der Kokerei Hansa liebe, ist, dass man alles sieht, was hier in der Vergangenheit passiert ist, aber gleichzeitig auch, wie sich die Natur wieder alles zurückerobert.“ Diese Mischung sei auch für den Abend „Nachdem der Himmel glühte“ wichtig, die Wahrnehmung des Geländes mische sich mit der Geschichte, die reale Welt mit der virtuellen.


Unser Foto vor dem alten Löschturm zeigt v.li. Matthias Schlensker, Unterstützer des Projektes, Ursula Mehrfeld, Geschäftsführerin der Stiftung Industriedenkmalpflege und Geschichtskultur, Norman Grotegut von pulk fiktion, Milena Kowalski, Intendant KJT, Andreas Gruhn, Leiter KJT und Amelie Barth ebenfalls pulk fiktion. (Foto: © Anja Cord)
Unser Foto vor dem alten Löschturm zeigt v.li. Matthias Schlensker, Unterstützer des Projektes, Ursula Mehrfeld, Geschäftsführerin der Stiftung Industriedenkmalpflege und Geschichtskultur, Norman Grotegut von pulk fiktion, Milena Kowalski, Intendant KJT, Andreas Gruhn, Leiter KJT und Amelie Barth ebenfalls pulk fiktion. (Foto: © Anja Cord)

Die Zuschauenden spazieren, teilweise auch mit Tablets und Videosequenzen, zu verschiedenen Stationen auf dem Gelände, wo sie auf die Schauspieler*innen des KJT-Ensembles treffen. „Es ist eine Reise in eine phantastische Welt, die wieder zurückgeführt wird zur Realität, wo es dann auch sehr konkret wird. Der Bezug zum Kernthema „Wasser“ ist zum Beispiel durch den Opa eines Guides gegeben, der Löschwagenfahrer war“, erzählt Norman Grotegut von pulk fiktion. Das Publikum werde interaktiv eingebunden und sollte festes Schuhwerk und wetterfeste Kleidung tragen, denn gespielt wird auch bei Regen. Der anderthalbstündige Spaziergang sei durchaus körperlich aktiv und es gehe auch auf den Kühlturm rauf.

Wer neugierig geworden ist und gerne mit dabei sein möchte am 22. August gibt es vier Vorstellungen á 90 Minuten, die erste beginnt um 18h, die folgenden Uhrzeiten sind 18.45h, 19.45h, 20.30h.




Ein schwacher Held – Faust unterliegt Frauenpower

Starke Frauen stehen im Mittelpunkt einer modernen Fassung des Faust. Mephisto, verkörpert von Antje Prust überzeugt genauso wie Margarete (Marlena Keil). Als Vorlage der Inszenierung dienten Auszüge aus den Romanen Eis und Bro von Vladimir Sorokin. Die Proben fanden unter erschwerten Bedingungen statt, da die Regisseurin Mizgin Bilmen eine Woche vor der Premiere erkrankt war. Intendantin Julia Wissert und ihre Dramaturgin Kirsten Müller vollendeten die Inszenierung in dieser heißen Probenphase gemeinsam mit dem Ensemble. Der Chor der Studierenden, bestehend aus Studierenden der Folkwang Universität musste Coronabedingt per Audioaufzeichnung eingespielt werden.

Als der Vorhang sich hebt, blicken die Zuschauer in einen weißen Raum, im Hintergrund führt eine Treppe zu einer Tür in der ersten Etage. Zu Beginn erscheint Faust (Linus Ebner) als verzweifelter Künstler auf der Suche nach größerer Inspiration und Bedeutung. Mit großen ausladenden Bewegungen zeichnet er seine Verzweiflung mit dynamische Linien auf die weißen Wände. Möglich wird dies durch virtuos eingesetzte Beamertechnik, gestaltet durch Tobias Hoeft, der für Bühne und Visual Art verantwortlich zeichnet.

Statt in einer Studierstube erlebt man den Faust wie in einem überdimensionierten Atelier. Er fühlt sich zu Höherem berufen. Gelangweilt vom Alltag, getragen von einer Art Hybris giert er nach Verführung, Abenteuer und Extase. Erdgeister und Hexen krauchen über die Bühne, Mephisto sieht die Chance gekommen den Verzweifelten mit Erlösung zu locken. Sexy gekleidet mit schwarzem, durchsichtigem Bodysuit, ist Antje Prust auf der Bühne in ständiger Bewegung. Während die Geschichte ihren Lauf nimmt, färben sich die Wände in immer stärkeres Violett, die feministische Kraft und das Geistige symbolisierend. Machtbewusst setzt Mephisto ihre zerstörerischen Kräfte ein. Mit teuflischen Gesten, als Pudel bellend und strampelnd beherrscht sie das Geschehen. Nachdem der Pakt mit Faust geschlossen ist, verfällt dieser im Liebeswahn der Margarete. Die Schauspielerin ist als moderne junge Frau gekleidet, ganz in schwarz mit kurzem Rock und dicken Boots. Kein Gretchen, sondern eine Margarete, die auch einmal laut Scheiße brüllt, nicht nur Opfer ist, sondern auch handlungsfähig. Entzückend gespielt ist die Liebesszene als Faust und Margarete einander verfallen.

Faust ist ein schwacher Held, zur Walpurgisnacht darf er nicht kommen, sondern Margarete nimmt daran teil. Selbst bei der Befreiung aus dem Kerker hockt er nur schwach im hinteren Bühnenbereich und sieht passiv zu wie Margarete durch Mephisto und die Hexen erlöst wird.

Das Ende der 100minütigen Vorstellung ist unverhofft ein wenig kraftlos geraten. Obwohl zur Bildung einer widerständigen Bewegung aufgerufen wird, verpufft die Kraft der Worte. Ein starkes Bild ist jedoch Mephisto mit Flügeln aus Fleischhälften gekleidet, die Rolle der Lilith zitierend.

Die nächsten Vorstellungen sind am 2. und 3. Dezember geplant.

Faust (Linus Ebner) ist nicht nur in diesem Bild im Hintergrund. In der Inszenierung dominieren starke Frauen wie margarete (Marlena Keil) und Mesphisto (Antje Prust). (Foto: © Birgit Hupfeld)
Faust (Linus Ebner) ist nicht nur in diesem Bild im Hintergrund. In der Inszenierung dominieren starke Frauen (v.l.n.r.) wie Margarete (Marlena Keil) und Mesphisto (Antje Prust). (Foto: © Birgit Hupfeld)



Groove Symphony in vier Jahreszeiten

Beim ersten Konzert für junge Leute erwarteten die Besucher die „Four seasons reloaded“ aus der Reihe der Groove Symphony. Ein Remix des beliebten Klassikers von Antonio Vivaldi nach einer Bearbeitung von Max Richter.

Die Dortmunder Philharmoniker dirigiert von Christoph JK Müller, das Live-Elektronik Duo Cylvester und Poetry Slammerin Jule Weber beschäftigten sich mit den Folgen des Klimawandels und daraus resultierenden drängenden Fragen unsere Zukunft.

Das zyklisch Wiederkehrende der Jahreszeiten wird dadurch verstärkt, dass die Musiker und auch Yule Weber sich in ihren Vorträgen an die Abfolge von Frühling, Herbst, Sommer und Winter halten. Jeder beschäftigt sich auf seine Art mit der jeweiligen Jahreszeit und der Interpretation dazu. Das ist im Herbst etwas langatmig, da sich der Wiederholungseffekt etwas abschleift. Die Poetry Slammerin Yule Weber bildet mit ihren Texten die Klammer zwischen den musikalischen Stücken. Poetisch, wortgewandt, lyrisch, politisch steht sie bildlich gesehen an ihrem Fenster, beobachtet den Wandel der Jahreszeiten beschreibt ihre Gedanken dazu.

Eines der letzten Veranstaltungen im Konzerthaus vor dem Lockdown im November war das "Konzert für junge Leute". (Foto: © Anja Cord)
Eines der letzten Veranstaltungen im Konzerthaus vor dem Lockdown im November war das „Konzert für junge Leute“. (Foto: © Anja Cord)

Das Kölner Elektronik Duo, bestehend aus den Künstlern Max Schweder und Tobias Hartmann ist hinter den Philharmonikern unter einer großen Videoleinwand platziert. Dort sind sie die Herren über Sampler, Synthesizer und Sequenzer. Die reaktive Performance der Musiker wurde an der Akademie für Theater und Digitalität in Dortmund entwickelt. Reaktiv bedeutet, dass Bilder auf Rhythmus, Klänge und Bewegung der Musiker reagieren.

In drei von vier Tracks, G5, Sun, Frank und Foto verarbeitet Cylvester die Eindrücke der diesjährigen Jahreszeiten in extra überzeichneten Bildern, um die Besonderheiten herauszustellen. Einen euphorischen Frühling mit impressionistisch verlaufenden Landschaftsbildern, der hitzeflirrende Sommer zeigt eine gefährliche Grimasse und ein Herbst der wie eine Atempause gebremst auf den Winter wartet. Der vierte Track „Foto“ ist extra für das gemeinsame Spiel mit den Philharmonikern komponiert. Die dicht verwobene gemeinsame Musik wird bildgewaltig auf der Leinwand verstärkt. Kraftvolle Bilder mit kosmischen Motiven leiten den Blick in die Zukunft, die gemeinsam und nachhaltig gestaltet werden sollte. Unterstrichen werden die Darbietungen durch die rhythmisch blinkende, farbig abgestimmte Saalbeleuchtung. Im dramatischen Sommer gesteigert bis ins Stakkato, so dass man sich beinah auf der Tanzfläche eines Clubs wähnt. Die Visuellen Effekte, Bilder und Videos entwickelte Visual Jockey Alexander Rechberg. Das Konzertdesign gestaltete Andrea Hoever, die Theaterpädagogin der Philharmonie.

Die vielfältigen Eindrücke fordern den ganzen Zuschauer. Alle Sinne sind beansprucht um dem Vortrag zu folgen.Zwischendurch war es ganz entspannend kurz die Augen zu schließen und nur der Musik zu lauschen.

Die Vier Jahreszeiten von Max Richter klingen an vielen Stellen stark zurückgenommen. Man erlebt die typischen Jahreszeiten in jeweils drei Sätze eingeteilt. Vögel zwitschern, Wasser plätschert, Sturm weht, allerdings fehlt an manchen Stellen die Dynamik, die den Zuhörer empathisch in die Stimmung der Jahreszeit eintauchen lässt.




„Gefangen im Netz der Intrige“ Zwei Komponisten aus zwei Jahrhunderten begeisterten das Konzerthaus-Publikum

Star des Konzerts für Klavier und Orchester Nr.2 f-moll war der virtuos spielende Pianist Bernd Glemser. Das Werk von Frédéric Chopin ist im Geist des „Style brilliant“ komponiert. Dies bedeutet, dass das Orchester neben dem Klavier eine zurückgenommene Rolle spielt und das Tasteninstrument in den Mittelpunkt des Konzertes rückt. Hierfür war Glemser genau der Richtige. Der als „ deutscher Klaviermagier“ und Solist von Weltrang bekannte Musiker entwickelte den majestätischen ersten Satz in romantisch melancholischer Anmutung. Die Glissandi perlten in beschwingten Passagen und verführten zum Träumen. Das romantische Larghetto des zweiten Satzes ist eine Liebeserklärung an die von Chopin verehrte Sängerin Konstancja Gladkowska. Das Allegro vivace des dritten Satzes entwickelt sich aus einer melancholischen Stimmung zu einem beschwingten Walzer mit einem fulminanten Finale. Mit anhaltendem Applaus belohnte das Publikum Pianisten und Orchester.

Die wahre Entdeckung des Abends erwartete die Besucher dann nach der Pause. Die Symphonische Serenade B-Dur von Erich Wolfgang Korngold war ein Musikerlebnis von höchster Qualität. Im Programmheft mit „Herbe Nachtmusik“ betitelt folgten die Zuhörer gebannt dem Stück in drei Sätzen. Mitreißend, spannend, von starken Rhythmen voran getrieben, dann wieder sanft dahin gleitend waren Orchester, Dirigent Feltz sowie das Publikum gleichermaßen von der anspruchsvollen Partitur gefordert. Besonders in Erinnerung bleibt der gezupfte Teil des zweiten Satzes.

Bernd Glemser verzückte das Konzertpublikum mit Chopin. (Foto: © Werner Kmetitsch)
Bernd Glemser verzückte das Konzertpublikum mit Chopin. (Foto: © Werner Kmetitsch)

Korngold emigrierte in den 30iger Jahren in die USA. Dort stieg er ins Filmbusiness ein und schrieb Filmmusiken für 18 Hollywoodfilme. Später, unter dem Eindruck des zerstörerischen Weltkrieges und dessen erschütternden Nachwirkungen, schrieb er 1946/47 diese Serenade, die mit diversen starken Dissonanzen spielt. Ein Konzerterlebnis, das man gerne wiederholen möchte.

Der 3. Philharmonische Konzertabend am 10. Und 11. November läuft unter dem Tiel „Orte der Sehnsucht“ mit Werken von Bruch, Tschaikowsky und Mendelson-Bartholdy.




Trotz kleinerer Besetzung: Carmina Burana verzückte Publikum

Eine begeisternde Eröffnung gelang den Dortmunder Philharmonikern mit der „Carmina Burana“. Ein kraftvoller, monumentaler Auftakt mit dem beliebten „Oh Fortuna“ riss das Publikum schon zu Beginn des Konzertes mit. Aufgeführt wurde eine reduzierte Orchesterfassung in der Bearbeitung von Andreas Högstedt. Die kleinere Besetzung tat dem Genuss keinen Abbruch, im Gegenteil: der kammermusikalische Klang überzeugte auf Anhieb.

Um alle Abstände einzuhalten, saßen nur 31 Musiker auf der Bühne, die Sänger des Philharmonischen Chores Brno waren auf den Emporen verteilt, der Kinderchor der Chorakademie sang aus den Foyers durch die geöffneten Saaltüren und war praktisch nicht zu sehen. In dieser etwas unbequemen Anordnung aller Beteiligten die Fäden in der Hand zu halten gelang Dirigent Gabriel Feltz hervorragend.

Carl Orff schuf mit seiner Carmina Burana ein Meisterwerk der Musikgeschichte. Die Texte von mittelalterlichen Liedern und Schwänken fand er in einem Antiquariatskatalog bebildert mit dem Rad der Fortuna, war sofort inspiriert. Er schuf noch am gleichen Tag den das gesamte Werk einrahmenden Chor der Fortuna. Orff zieht die Zuhörer mit in verschiedene Szenerien, sie reichen vom Anbrechen des Frühlings, gefolgt von „Auf dem Anger“ und in der Taverne bis zum „Cour d‘ Amour“, dem Hof der Liebesabenteuer. Die meisten Texte sind in Latein verfasst, wenige in mittelhochdeutsch. Musikalisch sehr abwechslungsreich vom fröhlichen, deftigem Bauerntanz, zu leisen weichen Melodien und fast jazzigen, Gershwin ähnlichen Klängen, setzten die Musiker das Werk temporeich und forciert um.

Das Konzerthaus hat ebenfalls ein ausgeklügeltes Corona-Konzept für Konzerte entwickelt. (Foto: © Anja Cord)
Das Konzerthaus hat ebenfalls ein ausgeklügeltes Corona-Konzept für Konzerte entwickelt. (Foto: © Anja Cord)

Die Solisten Aleksandra Jovanovic (Sopran), Cornel Frey (Tenor), Thomas Mohr (Bariton) brillierten mit ihren Auftritten. Besonders Bariton Thomas Mohr erwies sich als schauspielerisches Talent mit ausgeprägter Mimik und Ansätzen zur Komik.

Das Publikum belohnte den gelungenen Start unter Coronabedingungen mit Standing Ovations.