Westfalen feiert in Dortmund

Bereits 1919 typisch für Westfalen: Pumpernickel. (Foto: © Heinrich Genau, LWL-Medienzentrum)
Bereits 1919 typisch für Westfalen: Pumpernickel. (Foto: © Heinrich Genau, LWL-Medienzentrum)

Westfalen wird 200. Das feiert das Museum für Kunst und Kulturgeschichte mit der Ausstellung „200 Jahre Westfalen. Jetzt!“ vom 28. August 2015 bis zum 28. Februar 2016. Sie möchte die Besucher auf eine Zeitreise durch die Geschichte Westfalen von der preußischen Provinz bis zum Teil Nordrhein-Westfalens einladen.

Ich bin Dortmunder und Ruhrpottler. Aber bin ich auch Westfale? Die Frage der Identität wird in der Ausstellung unter dem Stichwort „Heimatkunde“ gestellt. Wie hat sich Westfalen entwickelt, gab oder gibt es eine westfälische Identität? Was prägte die Region?

Ein wesentlicher Kern der Ausstellung wird das „Territorium“ sein. Der zentrale Raum wird sich alle zwei Monate verändern. Begonnen wird mit „Industrie und Mobilität“. Die Industrie hat Westfalen nachhaltig geprägt: Von der Dampfmaschine bis hin über Kohle, Stahl und Textil.

Im zweiten Teil dreht sich alles um die Wasserkraft. Auch das Wasser prägte Westfalen durch ihre Flüsse, Kanäle und Talsperren. Zum Schluss geht es um „Gegensätze und Toleranz“. Westfalen war auch schon immer ein Einwanderungsland. Denn die Industrie brauchte Arbeitskräfte.

Für diese Arbeitskräfte wurden Siedlung gebaut. Daher gibt es eine Art Museumssiedlung. Hier lädt ein Arbeiter die Besucher in seine gute Stube ein. In einem Jugendzimmer hat ein Zwillingspaar völlig unterschiedliche Neigungen: Der eine ist BVB-Fan und der andere hält zu Schalke 04. Auch ein typisches Vereinsheim mit Pokalen, Bier und westfälische Küche ist dort anzutreffen.

Zu dieser Ausstellung gibt es ein Rahmenprogramm. Schulklassen können eine Fahrt zur Ausstellung gewinnen, Kinder ihren Geburtstag im Museum feiern und Erwachsene können beispielsweise Westfalen kulinarisch entdecken.

Einen Ausstellungskatalog wird es auch geben, er wird ab August 2015 erhältlich sein.

Mehr Infos über Ausstellung und Rahmenprogramm: www.mkk-westfalen.dortmund.de und http://200jahrewestfalen.jetzt.

 




20 Jahre Kulturbetriebe – Einigkeit macht stark

Sie galten vor zwanzig Jahren als Erfolgsmodell – die kommunalen Eigenbetriebe. In Dortmund wurden unter diesem Modell die Kultureinrichtungen unter einem Dach vereinigt, um so Personal, Finanzen und Organisation zu bündeln.

„Das Ziel der Gründung der Eigenbetriebe vor 20 Jahren erfolgte auch aus finanziellen Engpässen“, gab Kurt Eichler, der Geschäftsführer des Eigenbetriebs Kulturbetriebe zu. Doch schnell entdeckte man, dass unter einem gemeinsamen Dach mehr möglich war. Waren vorher die Kultureinrichtungen autark, aber schwach, konnten sie im Eigenbetrieb mehr gemeinsame Projekte machen.

Die Gliederung der Kulturbetrieb sieht wie folgt aus: Unter der Geschäftsleitung gibt es acht Geschäftsbereiche. Kulturbüro, Bibliotheken, Museen, Musikschule, Dietrich-Keuning-Haus, Volkshochschule, Stadtarchiv und Dortmund U.

Heinz Bünger, der Geschäftsführer der Volkshochschule, sah die Möglichkeit, Rücklagen zu bilden, als eines der Vorteile des Eigenbetriebes. Auch die Erschließung neuer Kundensegmente ging durch die Hilfe des Eigenbetriebes besser vonstatten.

Das Kulturbüro organisiert im Jahr 300 Veranstaltungen und ist vor allem für die freie Kulturszene da, das Stadtarchiv kümmert sich um das Schriftgut, daneben bringt es Zeitschriften heraus und ist für die Mahn- und Gedenkstätte „Steinwache“ verantwortlich.

Doch die Geschäftsbereiche haben eine weitere Funktion: Sie sind in den Stadtbezirken vertreten und sorgen dort für Kultur. Angefangen von den Zweigstellen der Stadt- und Landesbibliothek über Raus Rodenberg bis hin zum Westfälischen Schulmuseum.

In den acht genannten Geschäftsbereichen der Kulturbetriebe arbeiten heute 525 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter; das Gesamtbudget beläuft sich auf über 52 Millionen Euro, wovon knapp 40 Millionen Euro städtischer Zuschuss sind. Die Eigeneinnahmen, aber auch die externen Förderungen konnten im Laufe der Jahre stetig erweitert werden.




MO Kunstpreis 2015 für Ben Patterson

Ben Patterson (* 1934) “Two for violins” – Patterson , after “One for violins” - Paik, 1991 Teile zweier Violinen, Holztürattrappen, zwei Spieluhren 78,7 x 48,3 x 10,2 cm
Ben Patterson (* 1934)
“Two for violins” – Patterson , after “One for violins” – Paik, 1991
Teile zweier Violinen, Holztürattrappen, zwei Spieluhren
78,7 x 48,3 x 10,2 cm

Das Juryergebnis steht fest. Die Freunde des Museums Ostwall vergeben 2015 den MO Kunstpreis „Follow me Dada und Fluxus“ an den Fluxus-Künstler und Musiker Ben Patterson. Im September wird der Künstler den Preis entgegen nehmen.

„Patterson kommt aus der klassischen Musik“, charakterisierte Kuratorin Nicole Grothe den Künstler. Der Kontrabassist hatte es zunächst schwer, sich als Afroamerikaner einen Platz in einem Sinfonieorchester zu erspielen. Ab den 60er Jahren gehört Patterson zu den Protagonisten der Fluxus-Bewegung.

Die Preisvergabe soll natürlich auch dazu dienen, die Sammlung des Museums Ostwall zu erweitern. Daher wird das Werk „Two for violins – Patterson, after „One for violins“ aus dem Jahre 1991 Teil der Fluxus-Sammlung. Das Werk besteht aus den Einzelteilen einer Violine und zwei Spieluhren und ist eine Hommage an Nam June Paik, der 1962 ein Fluxus-Konzert gegeben hatte. Paik hob im Zeitlupentempo eine Violine über seinen Kopf, um sie plötzlich mit einem Schlag zu zerstören. „Fluxuskünstler haben oft Werke anderer Künstler aufgeführt“, erzählte Grothe. Zumal es ja häufig Performances waren, das heißt, nach der Aufführung bleibt nichts mehr von dem Kunstwerk übrig.

Patterson hat aber die Relikte seiner Performance aufgehoben und ist mit ihren gestalterisch umgegangen. So ist die Violine quasi von allen Seiten gleichzeitig zu sehen.

Das Werk wird ab dem 19. September 2015 in einer Ausstellung im MO Schaufenster zu sehen sein zusammen mit anderen Werken von Ben Patterson. Zur Eröffnung der Ausstellung am 18. September findet die Preisübergabe an den Künstler statt.




Da schlägt’s Zwölf

Es gibt 12 Geschworene, 12 Apostel, der Tag hat zwei mal 12 Stunden, das Jahr 12 Monate und im Dutzend ist alles billiger. Im „Theater im Depot“ beschäftigten sich unter der choreographischen Leitung von Birgit Götz sechzehn Tänzerinnen und ein Tänzer in dem Stück „Ein Dutzend Ich“ (Tanztheater).mit dieser besonderen Zahl.

Doch auch ein Mensch kann dutzende verschiedene Rollen spielen: Zum Beispiel als Mutter, Schwester, Kind, Arbeitskollege oder Nachbar.

Mit kleinen Statements, schönen Choreografien und fein abgestimmter musikalischer Untermalung setzte sich die Gruppe humorvoll nachdenklich mit der Thematik auseinander.

Hilfreich und anschaulich war dabei, dass für jeden der Tänzer/innen ein “Würfel“ mit Zahl, Buchstaben und seinem jeweiligen Konterfei sowie verschiedene Utensilien in die Choreografie eingearbeitet wurde. Sie konnten spielerisch mit den „Würfeln“ ihre Identität zeigen und „auswechseln“. Optisch sehr lustig wurde es , als die Tänzer/innen vor den Augen des Publikums sich irgendwie zwölf Strümpfe, zwölf Kleider u.s.w. über zu ziehen.

Eindrucksvoll verwoben und verschwammen später die die Gesichter der verschiedenen Personen mittels einer Videoprojektion an der Wand. Jeder wurde visuell ein Teil der Anderen in der Gruppe und blieb doch zugleich ein Individuum.




Frauenfilmfestival in der Komfortzone

Bild aus dem Film "Les règles du jeu". (© AGAT_Films__Cie_-_Les_films_du_Parotier)
Bild aus dem Film „Les règles du jeu“. (© AGAT_Films__Cie_-_Les_films_du_Parotier)

Das Internationale Frauenfilmfestival in Dortmund vom 14. bis 19. April 2015 hat den Themenschwerpunkt „Komfort“. Dabei dreht sich alles um Wunsch nach Komfort, aber auch welche Folgen das für die andere Seite hat: Die Schere zwischen Arm und Reich vergrößert sich immer mehr und die Ausbeutung natürlicher Ressourcen nimmt dramatische Züge an.

„Komfort heißt nicht Kuschelecke“, stellte Silke J. Räbiger, die Festivalleiterin. „Wir wollen den Begriff gegen den Strich bürsten. Denn Komfort kostet etwas und geht auch auf Kosten anderer.“ Vor allem die Dokumentarfilme auf dem Festival machen dieses Dilemma deutlich.

Wenn das Filmfestival wieder in Dortmund stattfindet (alle zwei Jahre im Wechsel mit Köln), dann steht passenderweise auch das Ruhrgebiet und die Arbeit im Mittelpunkt. Es wird einen Filmblock geben, der die Werke der Dortmunder Filmpionierin Elisabeth Wilms präsentiert. Wilms hat vor allem das Leben im bombenzerstörten Dortmund und den Wiederaufbau festgehalten.

Der Film „Warum ist Frau B. Glücklich“ von Erika Runge aus dem Jahre 1968 erzählt die Geschichte einer Arbeiterfrau aus Duisburg.

Die Vororte von Paris sind Schauplätze zweier Filme. „Les règles du jeu“ von Claudine Bories und Patrice Chagnard aus dem Jahre 2014 zeigt das Leben dreier jungen Menschen, die von einer privaten Vermittlungsfirma für den Arbeitsmarkt passend gemacht werden sollen. Der Supermarkt von Ali ist der Schauplatz des Film „Alimentation Générale“ (2005). Er ist Treffpunkt des ganzen Viertels.

Der Dortmunder Kunstverein am Dortmunder U wird während des Internationalen Frauenfilmfestivals zum Festivalzentrum. Zusätzlich wird die Klasse von Shana Moulton, Professorin an der Kunstakademie Münster, eine Komfortzone einrichten. Licht, Farbe, Sound, Musik und Gerüche werden alle Sinne ansprechen. Der Titel wird lauten: „To Seek Out, to Explore, to Doze, to Snooze“.

Weitere Programme auf dem Filmfestival sind unter anderem: Stummfilme von Rosa Porten und der Internationale Spielfilmwettbewerb.

Mehr Informationen unter www.frauenfilmfestival.eu




Neue belletristische Lesereihe

Dr. Johannes Borbach-Jaehne (kommissarischer Leiter der Stadt- und Landesbibliothek) freut sich auf die Premierenlesung der neuen Reihe mit der Autorin Stephanie Bischoff.
Dr. Johannes Borbach-Jaehne (kommissarischer Leiter der Stadt- und Landesbibliothek) freut sich auf die Premierenlesung der neuen Reihe mit der Autorin Stephanie Bischoff.

Am 11. Februar 2015 um 19:30 Uhr ist Premiere der neuen Lesereihe „lesung am montag“. Hier stellen junge Autorinnen und Autoren ihr Buch vor. Das besondere daran: das Thema ist Belletristik und es ist ein Forum für Erstlingswerke.

„Das ‚junge‘ hängt nicht vom Alter ab, sondern es geht eher um ein Debüt“, stellt Claudia Görg, zuständig für Öffentlichkeit und Veranstaltungen in der Stadt- und Landesbibliothek, klar. Die Vorlesereihe soll für die Autorinnen und Autoren die Chance bieten, sich einem breiteren Publikum vorzustellen und ins Gespräch zu kommen. Ein weiterer wichtiger Punkt ist die regionale Verhaftung. Gesucht werden Talente aus Dortmund sowie dem Kreis Unna.

Geplant ist die „lesung am montag“ zwei bis dreimal im Jahr durchzuführen. Wer sich bewerben möchte, kann eine Email an cgoerg@stadtdo.de schicken. Gewünscht ist eine Beschreibung/Inhaltsangabe des Buches, den Verlag und eine kurze Vita des Autoren/der Autorin.

Im Literaturbeirat, der aus Vertretern von verschiedenen literarischen Organisationen wie der Bibliothek, dem Literaturhaus und anderen besteht, wird das Lesungsprogramm für das jeweils nächste Halbjahr festgelegt.

Den Beginn macht Stephanie Bischoff. Sie liest am 11. Februar 2015 um 19:30 Uhr aus ihrem Werk „Dolls“. In ihrem Buch geht es um die „Kreaturen der Nacht“, um die sich Lügen, Intrigen und Geheimnisse spinnen. Die Lesung findet im Studio B der Stadt- und Landesbibliothek Dortmund statt. Der Eintritt beträgt 2,50 €.




Der Feind im oberen Stockwerk

Mit dem Stück „Üst Kattaki Terörist“ (Der Terrorist aus dem ersten Stock) wurde am 18. Januar 2015 im Studio des Dortmunder Schauspielhauses die Reihe „Szene Istanbul“ fortgesetzt. Die Tragikomödie fesselte nicht nur durch sein Thema, sondern auch von der Spielfreude des jungen Hauptdarstellers.

Ins Haus des zwölfjährigen Nurettin zieht ein junger Student, Semih, in den ersten Stock. Das Problem: Semih ist Kurde und Nurettins Bruder wurde vor fünf Jahren durch eine Tretmine im türkisch-kurdischen Konflikt getötet. Nurettin hält alle Kurden für Terroristen, somit auch Semih. Semih muss getötet werden, wenn da nicht Semihs Freundin wäre, in die sich Nurettin ein klein wenig verliebt.

Das Stück ist eine Bearbeitung einer Kurzgeschichte von Emrah Serbes aus seinem Band „Erken Kaybedenler“ („Junge Verlierer“). Das Theater „Ikincikat Tiyatro“ aus Istanbul machte daraus eine tragikomische Geschichte über das Erwachsenwerden.

Nurettin sieht sich als Rächer seines Bruders, der beim Militärdienst umgekommen ist. Schon früh wurde er in die Rolle des „Rächers“ gedrängt. Er durfte nicht weinen, weil man ihm gesagt hat, das würde die Terroristen freuen. Nun zieht mit dem Kurden Semih ausgerechnet ein „Terrorist“ über ihn ein. Eins steht fest: Denizhan Akbaba, der Darsteller des Nurettin, ist der absolute Star des Stückes. Mit seiner Naivität, seinem kindlichen Nationalismus und seinen Plänen bringt er das Publikum zum Lachen.

Doch schnell wird klar, wie verführbar Menschen sind. Parolen wie „Die Kurden müssen alle sterben“ werden selbst von Kindermund zu gefährlichen Drohungen. Wenn Nurettin bei den rechtsextremen „Grauen Wölfen“ dafür sorgt, dass Semih verprügelt wird oder die Kontrollen im Wohnungsheim von Semihs Freundin verstärkt werden, so dass sie ihn nicht mehr so oft besuchen kann, spürt der Zuschauer wie aus kindlichen Ideen handfeste Probleme erwachsen.

Zum Erwachsenwerden gehört auch das erste Verliebtsein. Ausgerechnet für Semihs Freundin Evin schwärmt Nurettin, obwohl sie Halbkurdin ist. Sein Gefühlschaos wird sehr gut in Szene gesetzt, wenn er plötzlich Stammgast im oberen Stockwerk ist. Nurettins Mutter ist mit seiner Erziehung überfordert und der Vater ist im Stück abwesend.

„Üst Kattaki Terörist“ ist eine wunderbare Geschichte, die zeigt, wie der Saat der Freundschaft langsam den Hass überwuchern kann. Zum Schluss geht Nurettin sogar auf eine Studentendemo mit Semih mit und bekommt die Gewalt des türkischen Staates, auf den er ja so stolz ist, selbst zu spüren.

Neben Akbaba spielten Banu Çiçek Barutçugil, Bedir Bedir und Gozde Kacaoğlu ihre Rollen sehr sensibel.




Einmal Currywurst scharf, bitte

Die Hossa Boys (alias Martin F. Risse und Roman Henri MArczewski) heizten dem Publikum wieder ordentlich ein. (Foto: © StandOut)
Die Hossa Boys (alias Martin F. Risse und Roman Henri Marczewski) heizten dem Publikum wieder ordentlich ein. (Foto: © StandOut)

Ruhrpottkarneval mit Comedy und einer Prise Schärfe vom politischen Kabarett: das ist der Geierabend. Auch in dieser Session setzt das Ensemble einige schmerzhafte Nadelstiche. Ein Premierenbericht aus dem Industriemuseum Zollern II vom 02. Januar 2015.

Man kann nicht sagen, dass 2014 an Themen arm gewesen wäre. Neonazis in Dortmund, das neue DFB-Museum, Salafisten, das Ende von Opel in Bochum und der aktuelle Tabellenstand des BVB nach 17 Spieltagen. Aus diesem Pool konnten die Akteure aus Herzenslust schöpfen. Heraus kamen Beiträge wie „Der Salatfist“ über Fundamentalistenterror mit der Schrebergartenordnung oder ein bitterböses Polizeikasper-Stück mit dem Titel „Notwehr in Pfeffergeschmack“, in dem über das blinde rechte Auge der Dortmunder Polizei.

Aber auch die traditionellen Elemente hatten ihren Platz: Die „Zwei vonne Südtribüne“ waren ebenfalls wieder da, genauso wie Joachim Schlendersack aus Schnöttentropp, der Präsident (der gegen Ende noch eine besondere Rolle spielte) und der Steiger, um nur einige zu nennen.

Selbstverständlich gab es auch die bewährten Stücke, die mehr Richtung Comedy gehen wie die „Melli und Elli“ mit ihrer fast dadaistischen Komik oder „Jessica Schmottke“ mit dem sprachlichen Parfum des Prekariats.

Die aus dem „Geierabend 2014“ noch in guter Erinnerung gebliebene Figur der überforderten vielfachen Mutter „prolligen Jessika Schmottke, dargestellt von Sandra Schmitz mit ihrer Tochter „Kimberly“ war in diesem Jahr einen Hauch zu übertrieben vulgär geraten.

Hatte der Steiger in der vergangenen Session noch in jeder Vorstellung eine andere homöopathische Zuckerkugel Packungsweise verdrückt, blieb seine Hauptaufgabe bei der Premiere die Vorstellung der beiden Kandidaten für den „Pannekopp des Jahres“. Den 28,5 kg schweren Karnevalsorden aus Stahlschrott hat sich laut Premierenpublikum der Dortmunder Polizeipräsident Gregor Lange verdient. Der Recklinghäuser Kreistag hatte dagegen keine Chance. Ich vermute stark, dieses Ergebnis ist auch bei den anderen Abstimmungen bei den Vorstellungen zu erwarten.

Musikalisch hatte der Geierabend ebenfalls viel zu bieten. Begleitet von der gut aufgelegten Band gab es für die Zuschauer ordentlich auf die Ohren, wenn der „Opel Fanclub“ die Hymne „Born in nem Opel Kadett“ nach Bruce Springsteen zum besten gab. Zwei absolute Highlights waren der Auftritt der „Hossa Boys“ und die Gesangseinlage von Stargast Conchita Wurst.

Bei einer Currywurst kommt es nicht nur auf die Wurst an, sondern auch auf die richtige Mischung der dazugehörigen Currysauce. Die Mischung ist perfekt abgerundet für einen schönen Geierabend.

 

Allgemeine Informationen zum Geierabend 2015

vom 02.01.2015 – 17.02.2015 / insgesamt 37 Vorstellungen im LWL Industriemuseum Zeche Zollern II/IV, Dortmund

Do.-So. 08.01. – 11.01. 2015
Mi.-So. 14.01. – 18.01. 2015
Mi.-So. 21.01. – 25.01. 2015
Di.-So. 27.01. – 01.02. 2015
Di.-So. 03.02. – 08.02. 2015
Di.-Di. 10.02. – 17.02. 2015

ZUSATZSHOW: 20.01.2015

Zeiten: Einlass ins LWL Industriemuseum: 17 Uhr, Einlass: 18.30 Uhr / Beginn: 19.30 Uhr (Sonntags: 17.30 Uhr / 18.30 Uhr)
Ort: LWL Industriemuseum, Zeche Zollern II/IV,Grubenweg 5, Dortmund-Bövinghausen
Preise: 35,00 Euro,ermäßigt 20,90 Euro, inklusive VVK-Gebühr

Tickets:
Theater Fletch Bizzel, Humboldtstraße 45, 44137 Dortmund
Telefon 0231 – 142525
Mo-Fr: 10.00 – 18.00 Uhr

Leserladen der Westfälischen Rundschau
Ostenhellweg 42-48, 44135 Dortmund
Telefon 0800 – 60 60 -710 | -730,
Mo-Fr 10.00 Uhr – 18.00 Uhr, Sa 10.00 Uhr -14.00 Uhr

Tante Amanda
Mosselde 149, Dortmund-Westerfilde,
Telefon 0231 – 37 22 30,
täglich 12.00 Uhr – 24.00 Uhr

Vorverkaufsstellen außerhalb Dortmunds:
Leserläden der WAZ und LeserServices mit Ticketverkauf.

Online Verkauf : www.geierabend.de




Wenn Naivität blind macht

Désirée von Delft als Lola Blau mit ihrem Pianisten Nicolas Krüger.
Désirée von Delft als Lola Blau mit ihrem Pianisten Nicolas Krüger. (Foto: © Martin Bettermann)

In Georg Kreislers „Musical für eine Schauspielerin“ mit dem Titel „Lola Blau“ geht es um das jüdische Mädchen Lola Blau, das kurz vor dem Beginn ihrer Schauspielkarriere von den politischen Ereignissen in Österreich der späten 30er Jahre überrascht wird. Gespielt und gesungen wird Lola von Désiré von Delft und aufgeführt wird es im Kino im Dortmunder U. Die Premiere ist am 29. November um 20 Uhr.

„Sie ist politisch ziemlich naiv“, charakterisiert die Regisseurin Isabel Stahl die Titelheldin. Das Stück beginnt im Jahre 1938. Blau steht kurz vor ihrem ersten Engagement am Theater in Linz, wird dann aber nicht angenommen, weil sie Jüdin ist. Über den Umweg Schweiz gelangt sie in den USA, wo sie ein Star wird. Doch sie vermisst ihre große Liebe Leo. nach dem Krieg kehrt sie zurück nach Wien und trifft dort Leo, der im KZ Dachau inhaftiert war. Lola stösst in Wien der NAchkriegszeit auf die Verdrängung, die auch sie gelebt hat. Das Stück endet 1947/48.

Das Kino im U ist natürlich kein Theater, daher mussten sich Anja Lichtenegger (Bühne) und Theresa Mielich (Kostüme) den besonderen Verhältnissen anpassen. „Ich versuche die politische Geschichte sichtbar zu machen,  aber ohne sie in den Vordergrund zu stellen“, so Lichtenegger. So wecken Kleider- und Schuhhaufen Erinnerungen an die Bilder aus den KZ. da keine großen Kulissenwechsel möglich sind, wird das Stück per Video verortet. In den Videos werden Günther Lüer und Andreas Ksienzyk zu sehen und hören sein, die Lola Blau auf der Überfahrt nach Wien über die Geschehnisse in Europa aus verschiedenen Blickwinkel erzählen.

Mit „Lola Blau“ hat Georg Kreisler kein trauriges Stück geschrieben, es hat durchaus lustige Stellen. „Der Wortwitz von kreisler kommt vor allem bei den Auftrittsnummern von Lola zur Geltung“, findet Désirée von Delft. Die meisten der 15 bis 17 Lieder sind auf Deutsch, nur eines ist auf Englisch.

Begleitet wird von Delft vom Pianisten Nicolas Krüger, die Choreografie wurde von Joeri Burger entwickelt, der im vergangenen Jahr den „Pinocchio“ spielte und für das aktuelle Weihnachtsmärchen „Peters Reise zum Mond“ ebenfalls die Choreografie schuf.

Neben der Premiere gibt es weitere Termine am 13. Dezember 2014 um 20 Uhr, am 20. Dezember um 20 Uhr und am 21. Dezember um 18 Uhr.




Wenn Thomasmänner auf Reisen gehen

Die einen brauchten Fett, die anderen brauchten Dünger. So war es nur logisch, dass Stahlarbeiter von Hoesch Urlaub in der Gemeinde Ladbergen (Tecklenburger Land) machten. Im Gepäck hatten sie Thomassmehl, ein Abfallprodukt bei der Herstellung von Thomasstahl, das aber viel Phosphor enthielt. Daher wurden sie Thomasmänner oder Thomaskerle genannt. Begonnen hatte die Tradition direkt nach dem Zweiten Weltkrieg und hielt bis Mitte der 50er Jahre. Wilfried Stockhaus, ein Mitarbeiter des Hoesch-Museums, hat die Geschichte der Thomasmänner in den „Industriegeschichtlichen Blättern“ zusammengestellt. Es ist für 3 € im Hoesch-Museum erhältlich.

„Wir brauchten Fettigkeiten“, erzählte Horst Klaffke, einer der Zeitzeugen. Er kam 1955 als Urlauber nach Ladbergen. Dafür, dass sie verpflegt wurden, bekamen die Bauern das sogenannte Thomassmehl, ein Phosphat-haltiges Abfallprodukt der Stahlherstellung, das als Düngemeittel hochbegehrt war. Neudeutsch würde man von einer Win-Win-Situation sprechen. Der Urlaub dauerte 14 Tage. Das Essen bekam Klaffke zunächst auf sein Zimme, doch er „wollte bei den Bewohnern essen“ und stellte fest, dass auch bei den Bauern nicht jeden Tag Fleisch auf dem Tisch kam.

Thomassmehl war aber auch für die Daheimgebliebenen wichtig, denn es wurde gegen Kartoffeln oder Lebensmittelmarken eingetauscht. Noch bis in die 70er Jahre wurde Thomasmehl in den Geschäften von Hoesch verkauft, vor allem von Arbeitern, die einen Schrebergarten hatten.

Insgesamt waren über die Jahre verteilt mehr als 10.000 Werksangehörige in Ladbergen. Etwa 1.000 pro Jahr durften ihren Urlaub dort verbringen. Natürlich entstanden auch längerfristige Beziehungen von Thomasmännern zu ihren Gastfamilien, so gab es Wiedersehensbesuche und Ehen wurden geschlossen.