Musik voll Melancholie, Zweifel und euphorischer Zuversicht

Das 3. Philharmonische Konzert am 02.12.2025 im Dortmunder Konzerthaus stand ganz im Zeichen der Romantik.
Der 1979 in London geborene Dirigent Alexander Shelley führte die gut gestimmten Dortmunder Philharmoniker empathisch und souverän durch den Abend.

Neben zwei Werken bekannter romantischer Komponisten wie Robert Schumann (1810–1856) und Peter Tschaikowsky (1840–1893) eröffnete das neoromantische Orchesterwerk This Midnight Hour (I. Ferocious with drive, Viertel = 136) der britischen Komponistin und Malerin Anna Clyne (*1980) das Programm.
Die Komponistin verbindet traditionell wirkende konsonante Harmonik und romantische Melodik mit Einflüssen aktueller Musik (z. B. John Adams). Clyne möchte ihr Publikum vor allem emotional ansprechen und lässt sich häufig von bildender Kunst oder Literatur inspirieren (u. a. Gerhard Richter, Rilke).

Für dieses Werk diente ein Gedicht des spanischen Dichters Juan Ramón Jiménez (1881–1958) als Ausgangspunkt. Darin wird die Musik als nackte Frau beschrieben, die „wie verrückt durch die reine Nacht hetzt“.
Dies spürt man als Zuhörerin oder Zuhörer von Beginn an: tief flirrende Streicher, pochende Pauken und eine insgesamt bildgewaltige, packende musikalische Sprache. Immer wieder führt die Musik in romantische Gefühlswelten, um unvermittelt in dramatische Passagen umzuschlagen.

das 3. Philharmonische Konzert führte in die Romantik.
das 3. Philharmonische Konzert führte in die Romanti

Es folgte das Klavierkonzert a-Moll op. 54 von Robert Schumann – ein Prototyp der romantischen Klavierliteratur. Das seiner geliebten Frau Clara Schumann (1819–1896) gewidmete Werk enthält die berühmte Tonbuchstabenfolge C-H-A-A (für Chiara / Clara). Der französische Pianist David Fray (*1981) interpretierte das Konzert virtuos und zugleich sensibel, stets in enger dialogischer Verbindung mit dem Orchester.

Nach der Pause erlebte das Publikum die gesamte musikalische Intensität und emotionale Spannweite in Peter Tschaikowskys Sinfonie Nr. 5 e-Moll op. 64.
Jeder der vier Sätze besitzt ein eigenes charakteristisches Profil: Während der Kopfsatz von einem dramatischen Auf und Ab der Stimmungen geprägt ist, entfaltet sich der zweite Satz als weitgespannte lyrische Szene.
Der dritte Satz im Walzertakt führt in eine heiter-gesellschaftliche Atmosphäre, bevor der optimistische und kraftvolle Finalsatz zu einem glanzvollen Abschluss führt.

Ein Gefühlsrausch der besonderen Art für das Publikum.




Turandot – oder Liebe ist stärker als der Tod

Die Oper „Turandot“ von Giacomo Puccini (1858-1924) – angelehnt an eine alte orientalische Märchenfabel – hatte als neue Inszenierung von Tomo Sagao in der Oper Dortmund am 30.11.2025 seine Premiere. Das Schlussduett und Finale der Oper wurde nach dem Tod von Puccini von Franco Alfano vervollständigt. (Libretto von Giuseppe Adami und Carlo Gozzi).

Turandot, chinesische Prinzessin, gibt aus Rache und Verbitterung allen Bewerbern um ihre Gunst drei Rätsel aufgibt. Wer sie lösen kann, darf sie heiraten – andernfalls wartet der Henker. So sind schon viele Prinzen ums Leben gebracht worden. Calàf, der Sohn des entthronten Tatarenkönig Timur stellt sich mutig und entschlossen den Prüfungen. Er löst die Rätsel, Turandot will sich ihm aber nicht ausliefern. Er bietet ihr darauf sein Leben an, wenn sie das Geheimnis um seinen Namen bis zum Morgengrauen lüftet. Die zerbrechlich-zarte Slavin Liù (Ihr Herr ist Timur), setzt ihre ganze Opferbereitschaft bist zur Selbsttötung für ihr heimliche große Liebe ein….

Musikalisch begleitet wurde die Aufführung mit viel Einfühlungsgabe von der Dortmunder Philharmoniker unter der Leitung von GMD Jordan de Souza

Eine gewichtige Rolle als abwechselnd geifernd-voyeuristisches und dann wieder erschrocken- erstarrtes Volk spielte der Opernchor Theater Dortmund-Projekt-Extrachor, Leitung Fabio Mancini). Sie zeigten deutlich, wie leicht sich Menschen (wie auch heutzutage) aufwiegeln und beeinflussen lassen. Eine kleine Rolle übernahm auch die Statisterie und Kinderstatisterie.

Kostüme aus dem alten China, ein leicht düsteres Bühnenbild und geschickter Einsatz von Lichteffekten.

Bianca Mărgean, Alfred Kim, Statisterie Theater DortmundFoto (c) Björn Hickmann
Bianca Mărgean, Alfred Kim, Statisterie Theater Dortmund
Foto (c) Björn Hickmann

Die Oper ist geprägt von einerseits leidenschaftlichen italienischen Emotionen, und der ungeschönten Darstellung von Gewalt.

Eindringlich dargestellt nicht nur von Turandot, sondern vor allem auch durch das zynisch-groteske Verhalten zwischen Komik und Grausamkeit von Kanzler Ping (Daegyun Jeong), Marshall Pang (Min Lee) sowie Küchenmeister Pong (Sangho Kim).

Turandot, mit starker Stimme und Leidenschaft verkörpert von Bianca Märgean verkörpert, hat sich nicht nur in Form ihrer Kleidung einen seelischen Schutzpanzer angelegt. Traumatisiert durch den Missbrauch an ihrer Ahnin ist es sehr schwer, Männern in einer patriarchalisch geprägten Welt zu vertraue

Diesen Panzer durchdringen gelingt nur durch das Zeichen einer selbstlosen Liebe der Sklavin Liù zu Calàf bis in den Tod. Anna Sohn überzeugte ihr Dortmunder Publikum wieder durch ihren ausdruckstarken Gesang und empathischen Darstellung der Liù.

Altoum, der Kaiser von China und Vater von Turandot sowie Artyom Wasnetsov als Timur spielten glaubhaft ihre Rolle als Personen, die an den Umständen fast verzweifeln.

Ein Höhepunkt in der Oper ist zweifellos die wohl die durch Paverotti oder Paul Potts bekannte sehr emotionale Arie „Nessun dorma“ (Keiner schlafe). Nicht nur hier bewies Alfred Kim als Calàf seine Stimmgewalt.

Eine Oper zwischen italienischer Tradition, „chinesischer Exotik“ und dem Weg in eine musikalische Zukunft (beeinflusst von Richard Wagner).

Das Publikum dankte mit viel Applaus.

Infos zu weiteren Aufführungsterminen erhalten Sie wie immer unter www.theaterdo.de oder Tel.: 0231/ 50 27 222




Mao Fujita – ein Abend voller Klarheit, Ausdruck und musikalischer Tiefe

Mit einem anspruchsvollen und dramaturgisch klug aufgebauten Programm präsentierte sich der japanische Pianist Mao Fujita am 18. November 2025 dem Publikum. Der Abend führte von Beethoven über Wagner, Berg und Mendelssohn bis hin zu Brahms – eine Reise durch Klassik, Romantik und Frühmoderne, die Fujita mit technischer Brillanz und poetischer Sensibilität meisterte. Schon nach wenigen Minuten zeigte sich, warum er als einer der interessantesten Pianisten seiner Generation gilt: Sein Spiel verbindet strukturelle Übersicht mit berührender Ausdruckskraft.

 

Beethoven – Musik, die atmet

Zum Auftakt erklang Ludwig van Beethovens Klaviersonate Nr. 7 in D-Dur, op. 10 Nr. 3.
Fujita gestaltete den ersten Satz (Presto) mit federnder Energie und klar konturierten Linien. Im Largo e mesto entfaltete Fujita eine meditative Intensität: Er ließ die Pausen bewusst sprechen und schuf eine Atmosphäre schlichter, fast kammermusikalischer Innerlichkeit. Das anschließende Menuetto klang leicht und kantabel, ehe das Rondo mit seiner Mischung aus Brillanz und Leichtigkeit den ersten Höhepunkt des Abends markierte.

 

Wagner, Berg und Mendelssohn – ein poetischer Mittelteil

Ein kurzer Moment zarter Lyrik folgte mit Richard Wagners Albumblatt „In das Album der Fürstin Metternich“ (WWV 94). Fujita verlieh dem selten gespielten Stück einen schwebenden Klang und hielt die spätromantische Geste transparent, ohne sie zu überladen.

Die „Zwölf Variationen über ein eigenes Thema“ (1908) von Alban Berg bildeten den strukturell anspruchsvollsten Abschnitt des Programms. Fujita navigierte durch die oft spröden und atonalen Miniaturen mit bewundernswerter Klarheit. Jede Variation erhielt einen eigenen Charakter – mal filigran und leise tastend, mal eruptiv und kraftvoll.

mao Fujita spielte sein zweites Konzert im Rahmen der "jungen Wilden" im Konzerthaus. (Foto: Daniel Sumesgutner)
mao Fujita spielte sein zweites Konzert im Rahmen der „jungen Wilden“ im Konzerthaus. (Foto: Daniel Sumesgutner)

Zum Abschluss vor der Pause erklangen Felix Mendelssohn Bartholdys Variations sérieuses op. 54. Fujita präsentierte das Werk mit elektrisierender Energie und dennoch äußerster Präzision. Der dramaturgische Aufbau – vom verhaltenen Beginn bis zum virtuos aufwallenden Finale – wirkte stringent und organisch. Mendelssohns Mischung aus klassischer Formstrenge und romantischer Leidenschaft traf Fujita mit sicherem Gespür.

 

Brahms – jugendliche Kraft und lyrische Tiefe

Nach der Pause kehrte Fujita mit Johannes Brahms’ Sonate Nr. 1 C-Dur, op. 1 zurück – einem Monument der frühen Romantik, das pianistisch wie emotional große Spannweite verlangt.

Das Andante, basierend auf dem Volkslied „Verstohlen geht der Mond auf“, spielte er erzählerisch und mit großer Innigkeit.

Im Scherzo dominierten klare rhythmische Konturen und druckvolle, aber nie harte Akzente. Das Finale verband Virtuosität mit strukturellem Bewusstsein.

 

Wagner als würdiger Abschluss

Den emotionalen Schlusspunkt setzte Fujita mit Wagners „Albumblatt für Frau Betty Schott“ (WWV 90) – einer Miniatur voller spätromantischer Intensität. Fujita verband warme Mittellagen, gesangliche Spannungsführung und eine kontrollierte Klangfülle zu einem würdevollen Abschluss.

 

Fazit: Ein Abend, der lange nachhallt

Mao Fujita präsentierte ein Programm, das stilistisch wie technisch höchste Anforderungen stellte – und er erfüllte sie mit einer Mischung aus analytischer Klarheit, erzählerischer Tiefe und poetischer Sensibilität.

Das Publikum feierte ihn mit langanhaltendem Applaus – völlig zu Recht. Fujita bestätigte eindrucksvoll, dass er zu den bemerkenswertesten Pianisten seiner Generation zählt.