Beyond Gravity Festival, 03.10.2025

Vom 01.-05. Oktober 2025 wurden beim Beyond Gravity Festival 2025 künstlerische Forschung, digitale Innovation und gesellschaftspolitische Fragestellungen verhandelt. Veranstaltet wurde das Festival vom Theater im Depot, der Akademie für Theater und Digitalität sowie dem Kulturforum Witten, das regionalen und internationalen Künstler:innen eine Plattform für transkulturelle Zusammenarbeit, kritische Reflexion und künstlerisch-technologische Zukunftsentwürfe bot. Dafür vereinte das Festival ein Residenz- und Diskursprogramm mit einer Reihe aus kuratierten Gastspielen aus dem Ruhrgebiet, Deutschland und dem europäischen Ausland. Dabei setze das Programm einen klaren Schwerpunkt auf den Einsatz von Künstlicher Intelligenz in künstlerischen Produktionsprozessen sowie auf die Entwicklung hybrider Aufführungssituationen zwischen digitalen und physischen Räumen, Körpern und Narrativen.

Am 03. Oktober kreiste das Publikum um die Spielorte Akademie für Theater und Digitalität am Dortmunder Hafen und das Depot am Fredenbaumpark, in dem die große Mittelhalle, das A29 und das Studio 2 bespielt wurden. Die Performance „Breath‘In You“ von Laura Waltz vereinte klassische Choreografie und Körperarbeit mit digitalen Mitteln. Während sich die Performerin Waltz dynamisch über die Bühne bewegte, fächerte sich nach und nach ein Mosaik digitaler Abbilder ihrer Bewegungen auf den Wänden um sie herum auf – ein wechselseitiger Tanz zwischen Körper und digitalem Avatar.

Climb a mountain / MIRA-Julia Riera
Climb a mountain / MIRA-Julia Riera

In der Mittelhalle des Depots und dem Raum A29 konnten unterschiedliche Installationen besucht werden, die durch kleine und große Bildschirme eine Reflexion des Sozialen im Digitalen erfahrbar machten. Eine dieser Arbeiten mutierte am Abend des Freitags zu einer Live-Performance, bei der das Publikum über drei Screens – zwei von der Größe einer Kinoleinwand und einer XR-Brille – in eine jenseitige Welt abtauchen konnte. Norbert Pape & Simon Speiser entführten die Besucher:innen durch die Mehrkanal-Video- und Extended Reality (XR)-Installation in eine Sphäre jenseits anthropozentrischer Weltbilder.

Beim abendlichen Symposium „Beyond Gravity Reflexionen“ im Studio 2 kamen interessierte Besucher:innen und Fachpublikum in den Austausch über die Fragestellungen des Festivals und seiner Arbeiten. Die performative Aktivierung „Vector 0.002: We Make with Memory“ vom Pangea IA Collective flankierte die Gesprächsrunde des Symposiums mit einer mit dekolonialen Perspektive auf die blinden Flecken sowie die Potenziale von künstlicher Intelligenz.




Beyond Gravity 2025

Vom 01. bis 05. Oktober 2025 fand die zweite Ausgabe des Festivals „Beyond Gravity“ statt – ein Festival für digitale Kunst, Tanz und Performance. Wie bereits vor zwei Jahren wurden die Veranstaltungen hauptsächlich im Theater im Depot und in der Akademie für Theater und Digitalität gezeigt. Neu dabei war in diesem Jahr auch das Kulturforum Witten.
Zusätzlich war ein Residenzprogramm unter dem Titel „Decolonising the Digital“ integriert. Im Mittelpunkt stand die Frage, wie digitale Technologien gesellschaftliche Ungleichheiten verstärken können – und wie Kunst dazu beitragen kann, diese sichtbar zu machen und Alternativen zu entwickeln. Dafür wurden zwischen Juni und Oktober 2025 drei Künstler*innen-Teams aus dem sogenannten „Global South“ eingeladen, die gemeinsam mit Partnern aus dem Ruhrgebiet neue Projekte entwickelten.

„Früher war mehr Lametta“, heißt es bei Loriot. Vor zwei Jahren boten Programme wie „I AM (VR)“ von Susanne Kennedy und Markus Selg atemberaubende Erlebnisse. Dieser Wow-Effekt fehlte mir in dieser Ausgabe ein wenig. Am ehesten kam noch „Turbulence“ von Norbert Pape und Simon Speiser heran, das mich im Meer schwimmen und Muscheln berühren ließ. Die beiden zeichneten auch verantwortlich für „Touching Clouds“, das vor zwei Jahren gezeigt wurde. Darüber hinaus gab es in der Mittelhalle des Depots verschiedene Games, die zum Mitspielen einluden.

Ein fotografischer Einblick in die Arbeit "Turbulence" von Norbert Pape & Simon Speiser.
Ein fotografischer Einblick in die Arbeit „Turbulence“ von Norbert Pape & Simon Speiser.

Im Theatersaal des Depots sah ich am 01. Oktober „Dear Dead Doctor“, ein Stück von Kiran Kumār über seinen Großvater, der in Indien in westlicher Medizin ausgebildet wurde. Kumār nimmt Ivan Illich zum Vorbild, um die westliche Medizin zu kritisieren. Illich argumentierte, dass die moderne Medizin ein „iatrogenes“ System hervorgebracht habe – also mehr Schaden anrichte, als sie heile, indem sie Menschen passiv mache, ihnen Eigenverantwortung entziehe und das Leben pathologisiere. Als säkularer Humanist lehne ich diese normativen Kritikpunkte von Illich – und damit auch von Kumār – ab. Für mich wären vielmehr Aufklärung, Partizipation der Patient:innen, transparente Entscheidungsprozesse und Zugangsgerechtigkeit zentrale Forderungen, um die Medizin menschlicher zu gestalten.
Die Umsetzung des Stücks war jedoch sehr gelungen: Zwei Darstellerinnen hängten Stoffbahnen nebeneinander, auf denen Fotos, Tagebuchauszüge und auch Tanzszenen projiziert wurden. Das erinnerte ein wenig an eine Petersburger Hängung.

Am nächsten Tag verbrachte ich die Zeit in der Akademie für Theater und Digitalität. Das erste Stück führte die Besucher:innen nach Kamerun und stellte die Frage: Welche Kriterien muss ein Häuptling oder König erfüllen, um als würdig zu gelten? „KAM (noble)“ zeigt, dass dies kein angeborener Wert ist, sondern innerhalb der Gemeinschaft erworben werden muss, die darüber genau wacht. Dies wurde in einem Animationsfilm verdeutlicht.

Den Abschluss bildete „Climb a Mountain: Mira“ von Julia Riera. Es erinnerte mich etwas an „The Dead Code Must Be Alive“ von Brigitte Huezo damals, doch es ist immer wieder faszinierend, welche Wirkung die auftauchenden digitalen Körper auf den Leinwänden entfalten.