Von Radiohead bis Dornröschen: Gala voller Kontraste

Die 41. Internationale Ballettgala im Dortmunder Opernhaus am 27. und 28. September 2025 stand ganz im Zeichen eines Neuanfangs. Auch der ehemalige Intendant Xin Peng Wang ließ es sich am 27. September nicht nehmen, dabei zu sein.

Ars tremonia war am ersten Abend vor Ort. Kammersänger Hannes Brock führte mit seiner gewohnt humorvoll-ironischen Moderation durch den Abend und bleibt dieser beliebten Gala – traditionell zu Beginn und am Ende der Spielzeit – weiterhin treu.

Neben dem neuen Intendanten Dr. Jaš Otrin (Gesamtleitung) für das Ballett Dortmund und das NRW Juniorballett wurden auch die beiden Artists in Residence, Annabelle Lopez Ochoa und Edward Clug, vorgestellt. Mit ihrer unverwechselbaren Handschrift sollen sie die künstlerische Ausrichtung der Sparte prägen.

Sae Tamura, Simon Jones (Ballett Dortmund), Ballett Dortmund, NRW Juniorballett in O Fortuna aus Carmina Burana; Choreografie Edward Clug(c) Leszek Januszewski
Sae Tamura, Simon Jones (Ballett Dortmund), Ballett Dortmund, NRW Juniorballett in O Fortuna aus Carmina Burana; Choreografie Edward Clug
(c) Leszek Januszewski

Annabelle Lopez Ochoa nutzt eine poetische Bildsprache und hat – ihrer lateinamerikanischen Herkunft entsprechend – eine besondere Vorliebe für Farbenreichtum. Sie setzt sich in Handlungsballetten mit bekannten, oft schwer zu fassenden Frauenpersönlichkeiten wie Coco Chanel, Evita Perón oder Frida Kahlo auseinander. Davon erhielt das Publikum einige Einblicke durch Auszüge, getanzt von internationalen Gästen des Ballet Hispánico, des American Ballet Theatre, des Het Nationale Ballet, dem Dortmunder Ballett sowie dem NRW Juniorballett. Deutlich spürbar war ihre Affinität zu Jazz und Flamenco, aber auch die Verbindung von Jazz mit rockigen Elementen, etwa in „One for All“ (Ballett Dortmund/NRW Juniorballett).

Die Arbeiten von Edward Clug (geboren in Rumänien) bestechen durch Feinsinn, eine Prise Humor, Klarheit und Expressivität. Selbst einst Tänzer am Slowenischen Nationaltheater Maribor, dessen Direktor heute der Slowene Dr. Jaš Otrin ist, bindet er regelmäßig Ensemblemitglieder dieses Hauses in seine Produktionen ein.

Nicht nur die Handschrift dieser beiden starken Persönlichkeiten, sondern auch die Interpretationen internationaler Gäste – etwa vom Bayerischen Staatsballett – machten den Abend zu einem besonderen Erlebnis. Ein Höhepunkt war unter anderem „Radio and Juliet“ (Musik: Radiohead, Choreografie: Edward Clug) mit Ksenia Shevtsova und Jacob Feyferlik (Bayerisches Staatsballett).

Auch die Freunde des klassischen Balletts kamen bei Auszügen aus „Dornröschen“, „Satanella“ und „Diana und Actaeon“ auf ihre Kosten.

Gleich zu Beginn stimmte „O Fortuna“ (Carmina Burana von Carl Orff) mit seiner dramatischen Wucht auf eine spartenübergreifende Produktion ein: ein Ballett von Edward Clug in Kooperation mit der Oper Dortmund und den Dortmunder Philharmonikern. Premiere ist am 18. Oktober 2025.

Um das Dortmunder Ballett und das NRW Juniorballett innovativ neu aufzustellen, sind strukturelle Änderungen in Form eines Drei-Säulen-Modells vorgesehen, bestehend aus Kreativ-, Förder- und Kompetenzzentrum.

Wir dürfen gespannt sein.




Täuschung im Chat: „Cyber Cyrano“ am KJT Dortmund

Mit „Cyber Cyrano“ von István Tasnádi in der Regie von Johanna Weißert präsentierte das Kinder- und Jugendtheater Dortmund am 27. September 2025 ein Stück, das Motive des bekannten Dramas „Cyrano de Bergerac“ von Edmond Rostand aufgreift. In Rostands Stück verliebt sich der Titelheld Cyrano in seine Cousine Roxane. Cyrano ist ein Meister der Worte, leidet jedoch unter seiner großen Nase. Roxane wiederum schwärmt für Christian, den Cyrano heimlich mit seiner Sprachgewandtheit unterstützt.

Tasnádi stellt diese Grundidee auf den Kopf. Hier ist es nicht der „hässliche“ Mann, der dem hübschen, aber einfältigen Rivalen hilft, sondern die Schülerin Zoe (Sar Adina Scheer), die sich in ihren langjährigen Klassenkameraden Mats (Jan Westphal) verliebt hat. Dieser wiederum scheint Gefühle für die neue Mitschülerin Lina (Annika Hauffe) zu entwickeln. Aus Eifersucht erfindet Zoe ein wohlhabendes Geschwisterpaar, Viktor und Moira, mit denen sie angeblich befreundet ist. In Wahrheit steckt jedoch sie selbst hinter deren Chatnachrichten: Viktor schreibt mit Lina, Moira mit Mats.

Jan Westphal, Annika Hauffe, Sar Adina Scheer(Foto: ©Birgit Hupfeld)
Jan Westphal, Annika Hauffe, Sar Adina Scheer
(Foto: ©Birgit Hupfeld)

Schon das Bühnenbild macht die Szenerie klar: Wir befinden uns in einer Schule. Rechts stehen zwei Schulbänke mit Tafel, links deutet sich eine Aula an, in der Lina und Mats eine Choreografie zu einem Song von Taylor Swift proben – sehr zum Missfallen von Zoe. Wenn sie über ihre Intrigen nachdenkt, nimmt sie Platz in einem Ball Chair.

Das Stück, das sowohl komische als auch nachdenkliche Momente bietet, wirft die Frage auf: Sind junge Menschen tatsächlich so leichtgläubig, dass sie jede Nachricht auf dem Smartphone unhinterfragt akzeptieren? Selbst Menschen mit Lebenserfahrung haben sich schon von angeblichen „Prinzen“ aus Nigeria täuschen lassen, die ihnen Millionen versprachen. Ähnlich überzogen wirken die Geschichten des angehenden Diplomaten Viktor, der mit eigenem Segelboot und angeblicher Fähigkeit in die Zukunft zu blicken daherkommt – oder Moira, die angeblich schon mit 14 als Model um die Welt reiste. Erst sehr spät überprüft Mats die Erzählungen und entlarvt Zoe, was schließlich zu ihrem Rauswurf aus der Schule führt.

„Cyber Cyrano“ ist somit keine Liebesgeschichte und auch keine Tragödie, sondern vielmehr ein Appell an die Medienkompetenz: Glaubt nicht alles, was in Chats oder sozialen Medien steht, und überprüft Informationen kritisch – vor allem dann, wenn sie zu schön klingen, um wahr zu sein.

Die Inszenierung richtet sich sprachlich klar an ein jugendliches Publikum, ohne dabei in künstlichen Jugendslang zu verfallen. Zudem hatte das Stück durchaus poetische Momente. Sar Adina Scheer, Jan Westphal und Annika Hauffe überzeugten durch lebendiges Spiel und wurden vom fast ausverkauften Saal mit großem Applaus belohnt.

So zeigt „Cyber Cyrano“, dass es nicht nur pädagogisch relevant, sondern auch als Theatererlebnis sehenswert ist.