Musical über Mobbing und religiösen Fanatismus

Als neues partizipatorisches Projekt der Jungen Oper Dortmund (ab 16 Jahren) präsentierten die OpernYoungsters und YoungSymphonics am 17.05.2025 im Operntreff des Dortmunder Theaters die Inszenierung Carrie – Das Musical, basierend auf dem Buch von Lawrence D. Cohen und dem gleichnamigen Roman von Stephen King. Regie führte Alexander Becker, die musikalische Leitung der Projektband übernahm Andreas Reukauf. Die Songtexte stammen von Dean Pitchford, die Musik von Michael Gore. Die deutsche Textfassung wurde von Martin Wessels-Behrens und Judith Behrens erstellt.

Zwischen innerer Zerrissenheit und gesellschaftlichem Grauen

Carrie ist ein Klassiker des Horrorgenres, der die verheerenden Folgen von Mobbing und Ausgrenzung an amerikanischen Highschools thematisiert – und dabei nichts an Aktualität eingebüßt hat. Zwar spielen übernatürliche und paranoide Elemente eine zentrale Rolle, doch liegt der Fokus dieser Inszenierung deutlich auf den emotionalen Innenwelten der Hauptfiguren. Die jungen Darsteller*innen vermittelten diese mit großer Offenheit und spürbarer Empathie – stets nah am Publikum.

Schon vor Beginn der Aufführung deuteten weiße, blutbefleckte Tücher auf dem Boden, unter denen sich Körper verbergen, das erste Horrorelement an. Die Handlung wird rückblickend erzählt.

Tabitha Affeldt 8und die OpernYoungsters. (Foto: (C) Björn Hickmann)
Tabitha Affeldt 8und die OpernYoungsters. (Foto: (C) Björn Hickmann)

Ein fragiler Abend – und sein zerstörerisches Ende

Im Mittelpunkt steht die 16-jährige Außenseiterin Carrie White – im Musical zusätzlich als übergewichtig dargestellt –, die von Tabitha Affeldt beeindruckend verkörpert wurde. Carrie wächst isoliert und unter der Kontrolle ihrer fanatisch religiösen Mutter Margaret White auf. Das Bühnenbild ist entsprechend düster und karg gehalten. Susanna Panzner (ehemaliges Ensemblemitglied der Oper Dortmund) zeichnete ein intensives Porträt dieser von Angst und Wahnvorstellungen geprägten Mutterfigur.

Carolin Bernhard als engagierte Sportlehrerin Miss Gardner versucht, den Schikanen der beiden Hauptmobber Chris Hargensen (Jule Giesenkirchen) und Billy Nolan (Jan Kamischke) entgegenzuwirken, indem sie die beiden vom Abschlussball ausschließt. Die beiden Unruhestifter suchen daraufhin in Carrie ein neues Opfer.

Im Gegensatz dazu zeigt sich Carries Mitschülerin Sue Snell (Selma Kirketerp) reumütig. Von Schuldgefühlen geplagt, bittet sie ihren sensiblen Freund Tommy Ross (Lennart Pannek), Carrie an ihrer Stelle zum Abschlussball zu begleiten. Was als versöhnlicher Abend beginnt, endet schließlich in einer dramatischen Katastrophe …

Die Inszenierung überzeugte durch ihre eindringliche Erzählweise und die stimmige musikalische Begleitung – eine kraftvolle Mischung aus dramatischen Rock- und Popsongs sowie gefühlvollen Balladen.

Weitere Informationen zu Aufführungsterminen finden Sie unter www.theaterdo.de oder telefonisch unter 0231 / 50 27 222.




Ein Familienstück über das „Anderssein“

Am Sonntag, den 18.05.2025, feierte im Rahmen des Kinder- und Familienprogramms der Kulturbrigaden unter der Regie von Rada Radojčić das Stück Irgendwie Anders im Dortmunder Theater Fletch Bizzel seine Premiere. Die Inszenierung richtet sich an Kinder ab vier Jahren und basiert auf dem bekannten Kinderbuch Something Else von Kathryn Cave mit den ausdrucksstarken Illustrationen von Chris Riddell.

Von Ausgrenzung und Begegnung

Die Bühnenausstattung – etwa ein gemütlicher Ohrensessel – und die fantasievollen Kostüme orientierten sich eng an der Buchvorlage. Im Zentrum der Geschichte steht ein kleines Wesen, das allein in einem Haus auf einem Berg lebt und sich in vielerlei Hinsicht von den Dorfbewohnern (wie einem Maler oder tierischen Figuren) im Tal unterscheidet. Trotz aller Bemühungen wird es ausgeschlossen und fühlt sich oft einsam. Eines Tages jedoch klopft ein temperamentvolles und lautes „Etwas“ an seine Tür …

Sandra Schmitz verkörperte die Figur „Irgendwie Anders“ und sprach das junge Publikum direkt und emotional an. Vielen dürfte sie aus dem Ensemble des Geierabends bekannt sein. Schauspielerin Christiane Wilke überzeugte mit Spielfreude und Energie nicht nur als quirliges „Etwas“, sondern auch in den Rollen der verschiedenen Wesen im Tal. Mit viel Humor wurde getanzt, gesprungen und gesungen. Die Kinder im Publikum reagierten begeistert, beteiligten sich aktiv und wurden durch gezielte Ansprache geschickt in das Geschehen eingebunden.

Sandra Schmitz (links) und Christiane Wilke in "Irgendwie anders". (Foto;: (c) Kulturbrigaden)
Sandra Schmitz (links) und Christiane Wilke in „Irgendwie anders“. (Foto;: (c) Kulturbrigaden)

Ein wichtiger Bestandteil des Gesamt­erlebnisses war auch die stimmige und situationsbezogene musikalische Begleitung. Es hat sich aus organisatorischen Gründen ergeben, dass am kommenden Donnerstag, den 22. Mai um 10 Uhr NICHT „ZWEI MONSTER“ gespielt wird, sondern eine weitere Vorstellung von „IRGENDWIE ANDERS“.

Weitere Informationen unter: www.fletch-bizzel.de




Randall Goosby und schwarze Stimmen in der klassischen Musik

Die Welt der klassischen Musik wurde über Jahrhunderte hinweg nahezu ausschließlich von weißen männlichen Komponisten geprägt – von Bach über Mozart bis hin zu Mahler. In den vergangenen Jahren hat sich das Bewusstsein für Geschlechtergerechtigkeit zwar spürbar entwickelt: Werke von Komponistinnen wie Clara Schumann, Louise Farrenc oder Florence Price finden zunehmend Eingang in die Konzertprogramme. Doch schwarze Komponist:innen bleiben nach wie vor weitgehend im Hintergrund. Ihre Beiträge zur Musikgeschichte – etwa von Joseph Bologne, Samuel Coleridge-Taylor oder William Grant Still – werden noch immer selten aufgeführt und oft kaum wahrgenommen. Die Repertoirelandschaft vieler Konzertsäle bildet somit die tatsächliche Vielfalt der Musikgeschichte nur unzureichend ab.

Der Violinist Randall Goosby hat mit seinem Konzertprogramm am 13.05.25 unter der Rubrik „Junge Wilde“ im Konzerthaus ein bemerkenswert vielfältiges Repertoire zusammengestellt, das nicht nur musikalisch überzeugt, sondern zugleich eine klare kulturhistorische Aussage trifft.

Ein Programm mit Haltung

Er eröffnet den Abend mit einer Sonate des afrofranzösischen Komponisten Joseph Bologne (1745–1799), einem Zeitgenossen Mozarts. Dass Goosby das Konzert mit Bologne beginnt, ist ein starkes Zeichen: Bologne war nicht nur ein gefeierter Virtuose und Komponist, sondern auch eine Ausnahmeerscheinung – ein Schwarzer in der höfischen Musikwelt des Ancien Régime.

Randall Goosby begeisterte das Publikum durch sein Spiel. (Foto: (c) Kaupo Kikkas)
Randall Goosby begeisterte das Publikum durch sein Spiel. (Foto: (c) Kaupo Kikkas)

Mozarts e-Moll-Sonate, die einzige seiner Violinsonaten in Moll, verleiht der Violine große Ausdruckstiefe. Goosby nutzt diesen Raum für eine fein nuancierte Interpretation.
Franz Schuberts Rondo D 895, ein spätes Werk voller technischer Raffinesse, beschließt den ersten Programmteil mit einem kraftvollen Ausbruch romantischer Virtuosität.

Unsichtbares hörbar machen

Im zweiten Teil des Konzerts stellt Goosby dann sein zentrales künstlerisches Anliegen in den Vordergrund: die Sichtbarmachung schwarzer Stimmen innerhalb der klassischen Musik. Jeder der drei präsentierten Komponisten entwickelt dabei eine ganz eigene musikalische Sprache, die das klassische Idiom auf besondere Weise bereichert.

Samuel Coleridge-Taylor, ein britischer Komponist mit afrokaribischen Wurzeln, zeigt in seiner Suite de pièces op. 3 spätromantische Eleganz und lyrische Finesse – geschrieben zu Beginn seiner Karriere.

Florence Price, eine der bedeutendsten afroamerikanischen Komponistinnen des 20. Jahrhunderts, verbindet in ihrer Fantasie Nr. 2 in fis-Moll romantische Klangwelten mit Elementen aus Spirituals und afroamerikanischer Volksmusik. Ihre Tonsprache ist emotional unmittelbar und gleichzeitig tief verwurzelt in afroamerikanischen Traditionen.

William Grant Still schließlich gilt als „Dean“ afroamerikanischer Komponisten. Seine Suite für Violine und Klavier kombiniert klassische Formen mit jazzigen Rhythmen, bluesartigen Linien und volkstümlichen Motiven – ein ausdrucksstarkes Finale.

Randall Goosby ist jedoch nicht nur ein engagierter Botschafter für schwarze Komponist:innen – er ist auch ein Musiker von außergewöhnlichem Format. Seine technische Präzision, gepaart mit großer interpretatorischer Tiefe, prägten diesen Abend entscheidend. Gemeinsam mit dem Pianisten Zhu Wang bildete er ein harmonisches Duo, das musikalisch wie emotional überzeugte – und vom Publikum zu Recht begeistert gefeiert wurde. Kein Wunder, dass Goosby sich mit zwei Zugaben verabschieden musste.

 




Vom Suchen und Finden

„Wer suchet, der findet“, „Die Suche ist wichtiger als das Finden“ – zahllose Sprichwörter beschäftigen sich mit dem Thema des Suchens und Findens. Sechs Künstler:innen haben sich nun unter diesem Leitmotiv zur Ausstellung „Vom Suchen und Finden“ im Kunstraum 1a zusammengefunden. Kuratiert wurde die Ausstellung von Elly Valk-Verheijen, die damit eine ebenso poetische wie nachdenkliche Spurensuche inszeniert.

Zwischen Utopie und Unsicherheit

Marc Bühren nahm 2023 am Wettbewerb KUNSTstein teil. Dort zeigte er erstmals ein Kunstwerk, an dem er seit 2020 gearbeitet hatte: ein Video auf gefaltetem Papier, das durch seine Präsentation ein besonderes Raumerlebnis schuf. In der aktuellen Ausstellung präsentiert er „DYSTOPIAN COCOON II | cozy cathedral“ – eine Installation aus Ton, Bild und Raum. Sie thematisiert die Verletzlichkeit des Menschen im Zeitalter des Anthropozäns. Bühren verwendet Papierformen, Kuppeln, Projektionen und Klanglandschaften, um Räume zu gestalten, in denen man sich zugleich geborgen und bedroht fühlt. Seine Arbeit regt zur Auseinandersetzung mit der Frage an: Wie lässt sich in einer unsicheren Welt überleben?

Im Raum 1A, in Dortmund-Lütgendortmund, ist die Ausstellung "Vom Suchen und Finden" bis zum 25.06.25 zu sehen.
Im Raum 1A, in Dortmund-Lütgendortmund, ist die Ausstellung „Vom Suchen und Finden“ bis zum 25.06.25 zu sehen.

Auch Anett Frontzek nähert sich dem Thema forschend. Sie untersucht in ihrer Kunst Strukturen aus Stadtplanung, Architektur oder Biologie und nutzt Karten, wissenschaftliche Daten und Statistiken als Ausgangspunkt. Ihre Werke basieren stets auf realen Beobachtungen, ergänzt durch eigene Fotos, Gespräche und Fundstücke. Für diese Ausstellung arbeitete sie mit Spuren des Sammlers Karl Ernst Osthaus – dem Gründer des Hagener Folkwang-Museums – und erforschte dessen Wirken im Stadtbild von Hagen anlässlich seines 150. Geburtstags.

Worte, Fundstücke und Erinnerungsschichten

Christel Koerdt lässt sich von Peter Bichsels Kurzgeschichte „Ein Tisch ist ein Tisch“ inspirieren, in der ein alter Mann durch das Neubenennen von Dingen in die Einsamkeit gerät. Für die Ausstellung hat Koerdt den gesamten Text ohne Satzzeichen oder Leerzeichen auf weiße Folie gedruckt und auf eine Wand appliziert. Darüber legte sie weiße, dreidimensionale Buchstaben – das Ergebnis ist ein strukturiertes, aber kaum lesbares Textfeld, das aus der Distanz an Brailleschrift erinnert. Ihr Werk kreist um die Themen Suchen und Finden, aber auch um Verstecken und Verlieren.

Maria Schleiner hingegen lässt sich vom Zufall leiten. Ihre Kunst beginnt oft mit Fundstücken wie Steinen, Zweigen oder Tonabdrücken. Auch Überreste anderer Kunstprojekte – selbst beschädigte Materialien – finden bei ihr neue Verwendung. Sie interessiert sich für kleine Strukturen, Farbveränderungen und ungewöhnliche Formen. Aus ausgeschnittenen Zeichnungen entstehen dreidimensionale Objekte, häufig in Serien. Durch genaue Beobachtung von Formen, Farben und Materialität sucht sie nach dem Besonderen im Alltäglichen.

Mira Schumann sammelt gebrauchte Alltagsgegenstände – etwa Tapetenreste, Holzstücke oder alte Teppiche –, die Spuren vergangener Orte und Situationen in sich tragen. Auch wenn sie ausrangiert sind, bleibt ihre Geschichte spürbar. In neuen Zusammenhängen entfalten sie neue Bedeutungen und erzählen andere Geschichten.

Elly Valk-Verheijen, die Kuratorin, ist selbst mit einer Arbeit vertreten. Sie fotografiert weiße Wände und bearbeitet die Bilder digital. Aus den dabei entstehenden Farb- und Formspielen entwickelt sie Wandmalereien, die reale und virtuelle Elemente verbinden. Ihr Werk zeigt beispielsweise die Lichtverhältnisse eines bestimmten Moments in Dortmund-Lütgendortmund und thematisiert das Wechselspiel von Licht, Schatten und Farbe im Lauf der Zeit.

Die Ausstellung ist bis zum 25.06.2025 zu sehen. Der Raum 1A in der Werner Straße 2 ist Mittwoch und Samstag von 11 Uhr bis 15 Uhr.