Große Themen, starke Stimmen: Die Preisträger*innen des IFFF Dortmund+Köln 2025

Mit einer feierlichen Preisverleihung in der Dortmunder Schauburg ging am Sonntagabend das 42. Internationale Frauen* Film Fest Dortmund+Köln zu Ende. Insgesamt wurden fünf Preise im Gesamtwert von 22.000 Euro vergeben – darunter der renommierte Internationale Spielfilmpreis, der zum elften Mal verliehen wurde.

„Village Rockstars 2“ gewinnt den Internationalen Spielfilmpreis

Der mit 15.000 Euro dotierte Hauptpreis ging an Village Rockstars 2 von Rima Das. In ihrem neuen Spielfilm begleitet die indische Regisseurin erneut Dhunu, die junge Protagonistin ihres gefeierten Debüts von 2016. Inzwischen 17 Jahre alt, kämpft Dhunu zwischen dem Traum, Musikerin zu werden, und den Herausforderungen eines harten Alltags in Assam – geprägt von patriarchalen Strukturen, familiärer Verantwortung und den spürbaren Folgen des Klimawandels.
Die Jury – bestehend aus der afroamerikanischen Regie-Ikone Julie Dash, der deutschen Regisseurin Yasemin Şamdereli und Hei-rim Hwang, Programmleiterin des Seoul International Women’s Film Festival – lobte die visuelle Kraft des Films und Das’ künstlerische Eigenständigkeit. In ihrer Begründung heißt es:

„Mit zärtlichem Blick und großer erzählerischer Präzision gelingt es Rima Das, über sieben Jahre hinweg das Leben junger Frauen einzufangen – ehrlich, mutig und tief verbunden mit ihrer Heimat.“

Da Rima Das den Preis nicht persönlich entgegennehmen konnte, bedankte sie sich per Videobotschaft. Die Preisgelder teilen sich die Regisseurin (10.000 Euro) und ein zukünftiger deutscher Verleih (5.000 Euro), um den Kinostart hierzulande zu unterstützen – bislang hat der Film in Deutschland noch keinen Verleih.

Die Festivalleiterin mit Preisträgerinnen, Sponsoren und Oorganisatorinnen: Maxa-Zoller, Nicole-Rebmann, Solveig Klassen, Zoe-Dumas, Conny Beissler, Lisa Buehl_Chris Baur, Andac Karabeyoglu Foto: (c) Julia Reschucha.
Die Festivalleiterin mit Preisträgerinnen, Sponsoren und Oorganisatorinnen: Maxa-Zoller, Nicole-Rebmann, Solveig Klassen, Zoe-Dumas, Conny Beissler, Lisa Buehl_Chris Baur, Andac Karabeyoglu Foto: (c) Julia Reschucha.

Publikumspreis für „Sudan, Remember Us“

Den mit 1.000 Euro dotierten Publikumspreis der Sparkasse Dortmund erhielt Sudan, Remember Us von Hind Meddeb. Der Dokumentarfilm zeigt mit feinem Gespür die Jugend Khartums im Widerstand gegen ein diktatorisches Regime – und für ein freieres Leben. Die berührende filmische Nahaufnahme feierte beim IFFF ihre Deutschlandpremiere und überzeugte die Zuschauer*innen mit ihrer Intensität und Aktualität.

Weitere Auszeichnungen: Vielfalt und Nachwuchsförderung

Auch in den anderen Wettbewerben gab es starke Gewinner*innen:
ECFA Short Film Award: Hannah und das Krokodil von Lore Mechelaere (Belgien) thematisiert Essstörungen bei Jugendlichen auf eindrucksvolle Weise – animiert, dokumentarisch und symbolisch. Die Jury lobte die besondere Ehrlichkeit und erzählerische Tiefe des Films.
Female Gaze – CineOne & sPOTTlight Nachwuchspreis für Bildgestaltung in NRW: Zoe Dumas, Absolventin der ifs Köln, überzeugte mit der Kameraarbeit ihres Films El Mártir. Die Jury hob die Reife, Sensibilität und Komposition ihrer Bildsprache hervor.
Shoot – Nachwuchspreis der KHM & IFFF: Lisa Bühl wurde für El Sueño (Co-Regie: Carolina Jimenez) ausgezeichnet – ein poetischer Blick auf das Leben von Kindern an der kolumbianischen Pazifikküste. Die Jury zeigte sich beeindruckt von der künstlerischen Handschrift und der engen Zusammenarbeit mit den jungen Protagonist*innen.
Festival mit Haltung und Wirkung
Die diesjährige Ausgabe des IFFF stand im Zeichen gesellschaftlicher und politischer Dringlichkeit. Über 100 Filme in verschiedenen Sektionen warfen Fragen zu Feminismus, Ökologie, Machtverhältnissen und Identität auf – oft aus radikal persönlicher Perspektive.
Ob im Spielfilm Family Therapy, der die neoliberale Familie seziert, in Faruk, einer ironisch-bitteren Auseinandersetzung mit Gentrifizierung in Istanbul, oder in Sima’s Song von Roya Sadat über das Leben von Frauen in Afghanistan – das Festival bot starke filmische Positionen. Union, der Dokumentarfilm über Amazon-Arbeiter*innen in den USA, wirkte dabei als klares Signal für globale Solidarität.
Künstlerische Leiterin Dr. Maxa Zoller zieht Bilanz:

„Die Debatten waren intensiv, das Feedback aus dem Publikum überwältigend. Gerade in einer Zeit, in der sich die Weltlage zuspitzt, braucht es solche Räume der Reflexion und des Austauschs. Wir verbinden Filmkunst mit gesellschaftlicher Relevanz – lokal wie global.“

Das Internationale Frauen* Film Fest bleibt ein Ort für neue Perspektiven, mutige Geschichten und kreative Netzwerke – und bringt Köln genauso auf die Landkarte wie Manila, Lüttgendortmund oder Windhoek.
Save the Date: Die 43. Festivalausgabe findet vom 21. bis 26. April 2026 in Köln statt.

Unsere Berichte zum Internationalen Frauenfilmfestival 2025




SPOT ON, NRW! – Die Freie Szene Film Dortmund e.V. präsentiert ein Kaleidoskop lokaler Kurzfilme

Am 02.04.2025 brachte das IFFF Dortmund+Köln mit der Sektion „Spot on, NRW!“ sechs Kurzfilme aus der Region auf die Leinwand. Nach der kürzlichen Gründung des Freie Szene Film Dortmund e.V. rückte der Verein die lokale Filmszene der Stadt in den Fokus und präsentierte ein Kurzfilmprogramm im Spannungsfeld zwischen der Suche nach Schutzräumen und dem Erobern neuer Orte. Mit dabei waren Filme von Nicola Gördes & Stella Rossié, Lilith Gosmann, schubert-stegemann & Mirella Drosten, Linda Verweyen, Gina Wenzel und Artiom Zavadovsky.
Unterschiedlichste Ästhetiken und Erzählweisen trafen in dem von Alissa Larkamp kuratierten Programm aufeinander. So vielfältig die Bildsprachen und Zugriffe auf Themen wie Liebe, Macht, Altern, Diversität und weitere waren, so kreisten alle Filme auf ihre Weise um Formen der Rebellion: ein widerständiger Akt, ein abweichendes Lebenskonzept, ein aufmüpfiges Gemälde oder ein ungehorsamer Gedanke.

Rebellion und Reflexion in sechs filmischen Perspektiven

Die Filme Female Walk und Letzte Nacht zeigen beide auf ihre Weise einen Horror des Sozialen. In Female Walk von Lilith Gosmann ist es eine groteske Tischgesellschaft, die in überspitzter Form patriarchale Typen und Verhaltensweisen abbildet. Unabhängig vom Geschlecht der Anwesenden werden an dieser Tafel patriarchale Gesten, Codes und Bewegungsmuster performt. Wie durch ein Vergrößerungsglas nimmt die Kamera diese Typen in den Blick und lässt die alptraumhafte Atmosphäre der geschlossenen Gesellschaft auf das Publikum wirken. Die Protagonistin versucht, diesem Horror zu entfliehen, begibt sich in einen Raum der inneren Reflexion und des individuellen Kampfes gegen die erlebten Zwänge und schafft es schließlich, sich zu ermächtigen.

Filmstill aus dem Film "Mutterstadt" von Mirella Drosten und schubert-stegemann .
Filmstill aus dem Film „Mutterstadt“ von Mirella Drosten und schubert-stegemann .

Ebenfalls im Setting einer geschlossenen Gesellschaft spielt die Kneipenszenerie in Die letzte Nacht von Nicola Gördes & Stella Rossié. Eine verbrauchte Gesellschaft aus gelangweilten, erschöpften, wütenden und einsamen Gestalten begegnet dem Publikum in einer Kamerafahrt durch die Ecken des Lokals. Unklar, ob es sich bei dieser Szenerie um Dystopie oder Realität, um Vergangenheit, Gegenwart oder Zukunft handelt, zeichnen Gördes und Rossié ein Bild einer absurden, abgekämpften und brutalen Welt, die schließlich in ihrer eigenen Dysfunktionalität zugrunde geht.

Der Kurzfilm Mutterstadt von Mirella Drosten und schubert-stegemann präsentiert den Dortmunder Stadtraum als Spiegel des weiblichen Körpers. Die Zuschauer:innen erleben ein Changieren zwischen Bewusstseinsstrom – in dem die Erzählerin durch die Straßen der Stadt sowie durch Erinnerungen vergangener Zeiten wandelt – und surrealem Traum, der zwei gealterte Frauen bei einem morbiden Kaffeekränzchen zeigt. Im Prozess des Alterns, des Verfalls, aber auch der Veränderung treffen sich Materialitäten wie Haut, Stahl, Stein, Staub und Fleisch. Sie transformieren sich, bekommen Risse und Falten und werden zum Archiv der Erinnerung des Eigenen sowie des Kollektiven. Verzerrte Bilder des Stadtraums treffen auf traumartige Sequenzen, in denen Körper, Zeit, Materie und Erinnerung verschmelzen und das Bekannte bis zur Unkenntlichkeit zerrinnt.

Gina Wenzel fächert in Mosaik einen Blick auf eine diverse und multikulturelle Stadtgesellschaft auf. Sie wirft Schlaglichter auf persönliche Geschichten, Gewohnheiten und Leidenschaften der Bewohner:innen der Stadt Dortmund und untermalt die poetischen Narrative durch charakteristische Bilder des öffentlichen Raums. Ein Blick auf erleuchtete Fenster in der Fassade eines Wohnblocks bei Nacht wird zum Sinnbild der individuellen Vielfalt im kollektiven Ganzen.

Linda Verweyen erzählt dem Publikum in LOVE, AGE, POWER unaufgeregt und doch feinfühlig die Liebesgeschichte von Dagmar und Patrick. So gewöhnlich wie die interracial Beziehung der beiden ist, berichten sie von alltäglichen Herausforderungen, Erfahrungen und der Kraft ihrer Verbindung. Begleitet von Bildern der Leichtigkeit und Weite, gibt Verweyen der Selbstverständlichkeit dieser Beziehung Raum und schenkt dem Publikum einen Moment der Hoffnung.

In Confessions of Pia Antonia rückt Artiom Zavadovsky die mittelalte Pia und ihre Kunst in den Fokus. Er besucht die zurückgezogene Dame in ihrem Zuhause inmitten eines kleinbürgerlichen Wohnviertels und lässt sie über einschneidende Erlebnisse und ihr Selbstverständnis des Lebens erzählen. Währenddessen nimmt die Kamera liebevoll ihre Gemälde in den Blick, die voller Rebellion, Provokation und Kraft strotzen und Pias tiefgehende Reflexion der Gesellschaft widerspiegeln. Dieses intime Porträt macht Pia und ihre hinter den Mauern der Spießbürgerlichkeit verborgene Kunst sichtbar.




Das Festival, das Seminar heißen musste – The Long Road to the Director’s Chair

Zweihundertzwanzig Frauen, darunter fünfzehn Regisseurinnen, zehn Männer. Um die sechzig Filme. Fünfzig Jahre verschollen.
Erst 2023 fand sich in einem norwegischen Archiv das dokumentarische Bildmaterial zum ersten Frauenfilmfestival, das 1973 in Berlin im „Arsenal“ stattfand, wieder. Die Tonspur tauchte erst später auf. Behutsam wurde das Material aufgearbeitet – von der norwegischen Filmemacherin Vibeke Løkkeberg, die damals drehte, und anderen. Aber das Festival musste ein Seminar sein, denn ein evangelisches Bildungswerk war der Geldgeber. Sei’s drum. Es wurden internationale Filme gezeigt, Regisseurinnen kamen unter anderem aus den USA und Italien, und es wurde diskutiert.
Über Abtreibung und den weiblichen Körper. Über Respekt – und vor allem Respektlosigkeit – in der von Männern dominierten Film- und Fernsehbranche. Über gleiche Bezahlung für gleiche Arbeit. Klingeln die Ohren? Sind das nicht auch heute noch Themen? Es klingt so bekannt. Sind wir also nicht weiter?

Ein Blick zurück – und wie viel Gegenwart darin steckt

Nun, im anschließenden Podiumsgespräch kommt diese Frage auch auf. Christiane Schäfer-Winkelmann, die damals dabei war, damals beim WDR gearbeitet hatte und sich heute vor allem als Produzentin engagiert (z. B. Fliegende Bilder am Dortmunder U), Stefanie Schulte Strathaus, Vorstand im Arsenal – Institut für Film und Videokunst Berlin, die über dieses Festival auch ihre Magisterarbeit in den Achtzigerjahren schrieb, und Dr. Maxa Zoller, künstlerische Leiterin des Internationalen Frauen* Filmfests Dortmund+Köln, reflektieren dieses erste Festival, ergänzen und kommen zu dem Schluss: Wir sind heute durchaus weiter – aber ein Rollback sei spürbar.
Vielleicht darf Frau heute eher zeigen, dass sie etwas kann, und muss ihre Technikkenntnisse nicht mehr verstecken, damit Männer mit ihr zusammenarbeiten. Vielleicht muss Frau auch nicht verheiratet sein, um mehr Respekt zu bekommen. Fräulein Paul wird nicht mehr Paulinchen genannt. Und vielleicht gilt Frau nicht mehr automatisch als aggressiv, hysterisch oder lesbisch, wenn sie weiß, was sie will.
Aber. Jede kennt ein Aber. Ich bin sicher.

Sprachen über das erste Frauenfilmfestival (v.l.n.r.) Christiane Schäfer-Winkemann, Stefanie Schulte Strathaus und die aktuelle Festivalleiterin Maxa Zollen (Foto: (C) Martina bracke)
Sprachen über das erste Frauenfilmfestival (v.l.n.r.) Christiane Schäfer-Winkelmann, Stefanie Schulte Strathaus und die aktuelle Festivalleiterin Maxa Zollen (Foto: (C) Martina bracke)

Warum begehen wir heute immer noch einen Equal Pay Day? Dieses Jahr am 7. März.
Warum sitzen im aktuellen Bundestag wieder anteilig noch weniger Frauen als zuvor? 32,4 % jetzt – 34,8 % zuvor. Der Anteil in den Fraktionen reicht von 61,2 % bis zu 11,8 %.
Warum reden alle immer noch über § 218? „Ein Schwangerschaftsabbruch ist in Deutschland gemäß § 218 Strafgesetzbuch (StGB) grundsätzlich für alle Beteiligten strafbar.“ (BMFSFJ). Es gelten Ausnahmen.

Der Einblick in das damalige Festival, die Arbeit und die Diskussionen als Ausgangspunkt auch für Netzwerkarbeit war sehenswert und hörenswert. Protagonistinnen zu kennen und zu treffen – ebenso.
Im Anschluss konnte die filmische Ebene weiter vertieft werden, denn es folgten vier Kurzfilme, zusammengestellt von Dr. Maxa Zoller, unter anderem mit Werken der Festival-Erfinderinnen Helke Sander und Claudia von Alemann. Experimentell, subjektiv, dokumentarisch. Spannend.

Das Programm lief am Sonntag, 06.04.2025, im Roxy-Kino an der Münsterstraße.