Musik am Abgrund – Das 4. Philharmonische Konzert der Dortmunder Philharmoniker

Mit einem beeindruckenden Programm aus Benjamin Brittens Sinfonia da Requiem und Dmitri Schostakowitschs Sinfonie Nr. 4 zeigten die Dortmunder Philharmoniker unter der Leitung von Generalmusikdirektor Gabriel Feltz am 10. und 11. Dezember 2024 ihre künstlerische Qualität. Beide Werke, entstanden unter außergewöhnlichen persönlichen und politischen Bedingungen, spiegeln eindringlich die existenziellen Herausforderungen ihrer Zeit wider.

Brittens Pazifistisches Meisterwerk

Benjamin Britten schrieb seine Sinfonia da Requiem im Jahr 1940, inmitten der Bedrohung durch den Zweiten Weltkrieg. Für Britten bedeutete diese Zeit nicht nur einen künstlerischen Wendepunkt, sondern auch einen persönlichen Neubeginn: Gemeinsam mit seinem Partner Peter Pears entschied er sich für ein Exil in den USA. Dieses Werk, ursprünglich als Auftragskomposition zum 2600-jährigen Jubiläum der japanischen Kaiserherrschaft gedacht, wurde von den japanischen Auftraggebern abgelehnt, da es ihrer Ansicht nach zu wenig festlich war. Die liturgischen Titel der drei Sätze (Lacrymosa, Dies irae, Requiem aeternam) verleihen dem Werk eine spirituelle Tiefe, die Brittens pazifistischer Botschaft und seiner Abscheu vor Krieg und Gewalt Ausdruck verleiht.

Generalmusikdirektor Gabriel Feltz überzeugte mit seinen Dortmunder Philharmonikern. (Foto: (c) Jürgen Altmann)
Generalmusikdirektor Gabriel Feltz überzeugte mit seinen Dortmunder Philharmonikern. (Foto: (c) Jürgen Altmann)

Die Dortmunder Philharmoniker erweckten dieses außergewöhnliche Werk mit beeindruckender Präzision und emotionaler Intensität zum Leben. Besonders die Blechbläser brillierten mit aggressiver Dynamik und rhythmischer Schärfe, insbesondere im zweiten Satz (Dies irae), in dem Trompeten und Posaunen die Führung übernahmen.

Schostakowitschs Sinfonie Nr. 4: Ein Monument der Verzweiflung

Nach der Pause erklang Dmitri Schostakowitschs Sinfonie Nr. 4, ein Werk, das während der Jahre 1935 bis 1936 im Kontext des stalinistischen Terrors entstand. Schostakowitschs prekäre Situation als Künstler in der Sowjetunion prägte diese monumentale Sinfonie, die in ihrer Struktur und Instrumentation deutlich den Einfluss Gustav Mahlers erkennen lässt. Die Klangwelt der Sinfonie ist dunkel und von Verzweiflung geprägt, mit abrupten Wechseln zwischen brutaler Schärfe, groteskem Humor und melancholischer Tiefe.

Die Dortmunder Philharmoniker meisterten die immensen Herausforderungen dieses Werks mit Bravour. Die komplexe Polyphonie, die massiven orchestralen Klangblöcke und die solistischen Passagen wurden mit beeindruckender Klarheit und Ausdruckskraft dargeboten. Die Musiker*innen entfalteten die gesamte emotionale Bandbreite dieser Sinfonie, von schneidender Brutalität bis hin zu tiefster Melancholie.

Der langanhaltende Applaus am Ende des Abends war ein verdientes Lob für die Dortmunder Philharmoniker, die mit diesem Konzert die künstlerische Tiefe der Werke eindrucksvoll unter Beweis stellten.




A Musical Christmas – Eine Musicalgala voller Emotionen

Am 11. Dezember 2024 erlebte das Publikum im Opernhaus Dortmund einen besonderen vorweihnachtlichen Galaabend mit dem Titel „A Musical Christmas“, der unter der musikalischen Leitung von Stephan Kanyar stattfand. Die Bühne, festlich dekoriert mit zahlreichen Weihnachtsbäumen, bot die perfekte Kulisse für eine Mischung aus besinnlicher Atmosphäre und mitreißender Musicalpower.

Für den passenden musikalischen Rahmen sorgten die talentierten Bandmitglieder Julien Castanité (Gitarre), Bastian Ruppert (Gitarre/Keys), Stephan Schott (Drums) und Malte Winter (Bass). Im Zentrum des Abends standen jedoch die vier Musicalstars David Jacobs, Patricia Meeden (beide bekannt aus der Erfolgsproduktion RENT), Dominik Hees und Milica Jovanović, die mit ihren kraftvollen Stimmen und beeindruckenden Entertainer-Qualitäten das Publikum begeisterten.

Das abwechslungsreiche Programm bot eine gelungene Mischung aus traditionellen deutschen Weihnachtsliedern, humorvollen Santa-Claus-Songs und emotionsgeladenen Musicalhits, die Themen wie Liebe und Hoffnung aufgriffen.

Ein magischer Abend beim Musical Christmas

Besonders eindrucksvoll war der Moment, als Dominik Hees die Hymne „You’ll Never Walk Alone“ (Carousel) anstimmte und das Publikum ihn mit leuchtenden Handys begleitete – ein wahrer Gänsehautmoment. Die vier Künstler glänzten nicht nur bei ihren Soloauftritten, sondern harmonierten auch in Duetten und gemeinsamen Darbietungen perfekt miteinander. Die besondere Verbindung zwischen Dominik Hees und Milica Jovanović, die auch privat ein Paar sind, verlieh ihren gemeinsamen Auftritten zusätzliche Intensität und Authentizität.

A Musical Christmas“ bot eine gelungene Mischung aus vorweihnachtlicher Besinnlichkeit und mitreißender Bühnenkunst.
A Musical Christmas“ bot eine gelungene Mischung aus vorweihnachtlicher Besinnlichkeit und mitreißender Bühnenkunst.

„A Musical Christmas“ bot eine gelungene Mischung aus vorweihnachtlicher Besinnlichkeit und mitreißender Bühnenkunst. Das Publikum wurde auf eine emotionale Reise mitgenommen, die von berührenden Balladen bis zu energiegeladenen Musical-Hits reichte.

Den krönenden Abschluss bildete das gemeinsame Singen von „Stille Nacht“, das die Besucher in den festlich beleuchteten Dortmunder Stadttrubel entließ – ein Abend, der allen Musicalfans noch lange in Erinnerung bleiben wird.




Barocke musikalische Perlen des jungen Händel – Vox Luminis begeistert in Dortmund

Das renommierte Vokalensemble Vox Luminis aus Belgien stellte im Rahmen des Klangvokal Musikfestivals Dortmund am 13. Dezember 2024 erneut seine außergewöhnliche Klasse unter Beweis. Im Reinoldihaus widmete sich das Ensemble drei Psalmvertonungen des jungen Georg Friedrich Händel (1685–1759), die zwischen 1705 und 1707 während seiner Italienreise entstanden. Diese barocken Meisterwerke, geprägt vom römischen Stil, zeugen von Händels beeindruckender vokaler und kontrapunktischer Kunstfertigkeit und enthalten zugleich Soloarien von besonderer Ausdruckskraft.

Den Auftakt bildete „Nisi Dominus“ (HWV 238), eine Komposition für Alt, Tenor, Bass, Chor und Streichorchester. In diesem Werk umrahmen zwei Chorsätze vier kurze Solosätze. Die klangliche Vielfalt von Vox Luminis, bestehend aus sieben Frauen- und acht Männerstimmen, bot eine ideale Grundlage für ein ausdrucksstarkes und facettenreiches Musikerlebnis. Chorleiter Lionel Meunier war dabei nicht nur als künstlerischer Leiter präsent, sondern auch als Bass-Solist zu hören.

Die instrumentale Begleitung, die wesentlich zur klanglichen Tiefe beitrug, umfasste zwei Violinen, zwei Violen, Violoncello, Kontrabass, zwei Oboen, zwei Fagotte, ein Cembalo und eine Orgel. Besonders hervorgehoben wurde die Orgel durch ein Zwischenspiel des Organisten Anthony Romaniuk, der ein Konzert für Orgel und Klavier mit fünf Sätzen meisterhaft darbot.

Vox Luminis überzeugte erneut mit Musik des jungen Händel. (Foto: (c) Fiona Bischof)
Vox Luminis überzeugte erneut mit Musik des jungen Händel. (Foto: (c) Fiona Bischof)

„Laudate Pueri“ und „Dixit Dominus“ – Höhepunkte im Programm von Vox Luminis

Nach „Nisi Dominus“ folgte Händels „Laudate Pueri“, dessen ursprüngliche Fassung er bereits in seiner Hamburger Zeit komponiert hatte. Die spätere Überarbeitung für eine größere Besetzung und einen fünfstimmigen Chor besticht durch überraschend „weltliche Züge“. Besonders beeindruckend war der Solo-Sopran von Perrine Devillers, die die anspruchsvollen Koloraturen des ersten Satzes mit beeindruckender Präzision und Leichtigkeit meisterte.

Nach einer Pause stand mit „Dixit Dominus“ das wohl bekannteste und monumentalste Werk des Abends auf dem Programm. Diese Psalmvertonung stellt eine große Herausforderung dar, sowohl für Sänger als auch Instrumentalisten, da sie ein Höchstmaß an Präzision, Vielseitigkeit, Ausdruckskraft und Energie erfordert. Doch Vox Luminis zeigte sich dieser Aufgabe mehr als gewachsen. Das Ensemble, unterstützt von seinen virtuosen Instrumentalisten, verschmolz zu einer beeindruckenden Einheit, die das Publikum mit ihrer Leidenschaft und Hingabe für die „Alte Musik“ begeisterte.

Ein Abend voller barocker Klangpracht, bei dem Vox Luminis nicht nur die Werke des jungen Händel zum Leuchten brachte, sondern auch eindrucksvoll zeigte, warum es zu den führenden Ensembles für historische Aufführungspraxis zählt.

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