Zauber traditioneller Musik im Konzerthaus Dortmund

Im Rahmen der Reihe „Junge Wilde“ stand am 29.10.2024 im Konzerthaus Dortmund die junge niederländische Blockflötistin Lucie Horsch im Mittelpunkt. An ihrer Seite musizierten Emmy Storms (Violine) und der französische klassische Gitarrist Raphaël Feuillâtre. Das vielseitige Programm umfasste hauptsächlich lebendige Arrangements traditioneller Volksmusik, darunter Werke aus Irland (Thomas Tollett), den Niederlanden (Jacob van Eyck) sowie dem Barock (Antonio Vivaldi). Hier zeigte sich, wie viel Verbindendes in der Musik steckt.

Meisterhaftes Zusammenspiel und feine Nuancen

Neben der Musik aus früherer Zeit reichte das Programm auch in die jüngere Vergangenheit und beinhaltete Kompositionen von Claude Debussy, Gabriel Fauré (Frankreich), Manuel de Falla (Spanien), Béla Bartók (Ungarn), Igor Strawinsky (Russland) und zum Abschluss Astor Piazzolla (Argentinien). Die drei Künstler*innen beeindruckten das Publikum nicht nur durch die virtuose Beherrschung ihrer Instrumente und ihr harmonisches Zusammenspiel. In wechselnden Konstellationen – solo, zu zweit oder im Trio – überzeugten sie durch großes Feingefühl für die Eigenheiten der jeweiligen Stücke. Mit Leichtigkeit meisterten sie den Wechsel zwischen temperamentvoll-rasanten und ruhig-melancholischen Passagen.

Lucie Horsch zeigte ihre große Vielseitigkeit, indem sie mühelos zwischen Flöten verschiedener Größe und Tonlage wechselte. (Foto: (c) Simon Fowler)
Lucie Horsch zeigte ihre große Vielseitigkeit, indem sie mühelos zwischen Flöten verschiedener Größe und Tonlage wechselte. (Foto: (c) Simon Fowler)

Lucie Horsch zeigte dabei ihre große Vielseitigkeit, indem sie mühelos zwischen Flöten verschiedener Größe und Tonlage wechselte, darunter Renaissance- und Barockflöten. Wer dachte, Blockflöte sei langweilig, wurde hier eines Besseren belehrt. Horsch ließ sogar zweimal ihre klare, helle Gesangsstimme erklingen und verlieh dem Konzert damit zusätzliche Intensität.

Durch den Einsatz besonderer Instrumente vermittelten die drei Künstler*innen die besondere Magie der traditionellen Musik und zogen das Publikum in ihren Bann. Besonders berührte die sensible Interpretation von Astor Piazzollas berühmtem „Libertango“ aus dem Jahr 1974. Man darf gespannt sein, was von diesen „Jungen Wilden“ noch zu erwarten ist.




Lustvoll-gruseliges Konzert für junge Leute

Beim zweiten Konzert für junge Leute, „Hollywood Hits Mutprobe: Die Nacht des Horrors“, wurde das Dortmunder Konzerthaus am 28.10.2024 kurz vor Halloween zum „Horrorhaus“ umfunktioniert. Schüler*innen und zwei Lehrer*innen des Mallinckrodt-Gymnasiums Dortmund dekorierten den Saal stimmungsvoll mit gruseligen Elementen wie Skeletten, Särgen, Grabsteinen mit witzigen, ironischen Sprüchen und weiteren unheimlichen Details.

Die Dortmunder Philharmoniker, unter der einfühlsamen Leitung von GMD Gabriel Feltz, zeigten sich bestens aufgelegt und sorgten für eine effektvolle Symbiose von Musik und Bildschirmprojektionen. Die Moderation übernahm humorvoll Peter Saurbier, der auch als Sänger (u. a. mit „Thriller“ von Michael Jackson, arrangiert von Andres Reukauf) beeindruckte. Zudem war Saurbier für Regie und Konzept verantwortlich und produzierte Einspielfilme. Mit ihrer starken Stimme bereicherte Sängerin Sarah Gadinger die Aufführung und bewies eindrucksvoll, wie selbst aus dem friedlichen „Ave Maria“ ein Horrorerlebnis entstehen kann.

Grusel-Hits und schaurige Hollywood-Klänge

Neben einer Vielfalt an Hollywood-Horrorhits, komponiert von renommierten Künstlern wie Jerry Goldsmith („Thema aus Alien“) und Ray Parker Jr. („Ghostbusters Main Title“), erhielt das Publikum spannende Einblicke in die Entwicklung des Genres. Die Programmauswahl enthielt Werke von Hollywood-Größen wie John Williams, Jerry Goldsmith, Howard Shore, Danny Elfman und dem polnischen Komponisten Wojciech Kilar, die sich oft von spätromantischer Musik oder Kirchenmusik inspirieren ließen. Der Philharmonische Chor des Dortmunder Musikvereins, unter der Leitung von Granville Walker, beeindruckte dabei ebenfalls. Besonders eindrucksvoll war Goldsmiths verfremdete Klangwelt gregorianischer Choräle für „Das Omen“. Alfred Hitchcocks Hauptkomponist, Bernard Herrmann, verwendete avantgardistische Psycho-Klänge und Horror-Komödien wie die „Addams Family“ brachten Humor in das Genre, wodurch sich das Konzept „Horror kann auch Spaß machen“ durchsetzte.

Leka Hindenburg von den Dortmunder Philharmonikern macht auch eine gute Figur als Vampir. (Foto: (c) Sophia Hegewald)
Leka Hindenburg von den Dortmunder Philharmonikern macht auch eine gute Figur als Vampir. (Foto: (c) Sophia Hegewald)

Tänzer*innen der „The Michael Jackson Tribute Show“ unterstützten Peter Saurbier tatkräftig beim „Thriller“-Arrangement, während fantasievoll geschminkte und ausgestattete Statist*innen des Stadttheaters mit ihren schaurig-schwarzen Kostümen für wohlige Schauermomente sorgten. Besonders geheimnisvoll wirkte die moderne Musik des 20. Jahrhunderts in „Polymorphia“ von Krzysztof Penderecki, die für eine ungewöhnliche Besetzung mit 48 Streichern komponiert wurde.

Zum Abschluss des gelungenen Konzerts überraschte Sarah Gadinger in der Rolle der Tochter Wednesday aus dem Addams Family Musical mit einer weiteren eindrucksvollen Kostprobe ihres Könnens.




Kooperation statt Rivalität – Infinity Kiss

Lynn Margulis, eine einflussreiche Biologin und Evolutionstheoretikerin, entwickelte die Theorie der Endosymbiose und erweiterte damit die klassische Evolutionstheorie um eine entscheidende Dimension. Ihre Hypothese besagt, dass komplexe eukaryotische Zellen – also Zellen mit Zellkern, wie sie bei Pflanzen, Tieren und Pilzen vorkommen – durch eine symbiotische Vereinigung verschiedener prokaryotischer Zellen entstanden sind. Die Arbeit von Margulis veränderte unser Verständnis von Evolution grundlegend und verdeutlichte, dass das Leben auf der Erde nicht nur durch Rivalität, sondern auch durch Kooperation geformt wird.

Dieser Artikel ist jedoch kein wissenschaftlicher Beitrag über Evolutionsbiologie, sondern soll als Grundlage für das Verständnis des Tanztheaterstücks Infinity Kiss dienen, das auf den Theorien von Lynn Margulis basiert. Die Aufführung fand am 26. Oktober 2024 im Theater im Depot statt.

Von der Rivalität zur Symbiose: Das Konzept hinter „Infinity Kiss“

Cajsa Godée, Camila Malenchini und Layton Lachman, ein in Berlin lebender US-amerikanischer Künstler*in und Choreograf*in, sind die Hauptakteure in dem etwa 60 Minuten langen Stück. Statt wie in der klassischen Evolutionstheorie die Rivalität der einzelnen Individuen darzustellen, erschuf Lachman eine Symbiose – eine Zusammenarbeit. Ganz im Sinne von Margulis‘ Theorien verwandelten sich die Körper auf der Bühne zu einem völlig neuen Organismus. Während die Choreografie anfangs leichte „Human Centipede“-Vibes aufwies, wandelte sich Infinity Kiss allmählich zu einem polymorphen System, das sich ständig verändert und schließlich miteinander verschmilzt.

Szene aus "infinity kiss" von Layton Lachmann. Foto: (c) Mari Vass
Szene aus „infinity kiss“ von Layton Lachmann. Foto: (c) Mari Vass

Das Tanztheaterstück Infinity Kiss stellt eine Suche nach symbiotischen Wesen und kollaborativen Unterstützungsstrukturen dar. Es bietet einen faszinierenden Abend, der neue Einblicke vermittelt – nicht nur in die Evolutionsbiologie, sondern auch in die Erkenntnis, dass Zusammenarbeit und Symbiose oft zu besseren Ergebnissen führen können als reine Konkurrenz.




Das LesArt.Festival „denkt!“

Kultveranstaltungen wie Lesungen im Stadion, das KindergartenBuchTheaterfestival, die Gala oder neue Entdeckungen und spannende Diskussionen versprechen vielseitigen Literaturspaß beim Festival LesArt im November.

Egal ob Bestseller oder Neuentdeckungen, gestandene Literaturprofis wie Susanne Fröhlich und Moritz Rinke oder aufstrebende Talente – die 25. Ausgabe des Literaturfestivals bietet unter dem Titel „denkt!“ vom 8. bis zum 16. November für jedes Alter ein facettenreiches Programm.

Die schönsten Dinge der Welt: Fußball und Literatur

Ein Highlight ist zum Beispiel die Veranstaltung LesArt.Stadion, bei der die schönsten Dinge der Welt – Fußball und Literatur – zusammenkommen, nämlich bei zwei Lesungen in den Kabinen von Borussia Dortmund. Moritz Rinke und Ronald Reng erzählen, wie weit die große Liebe zum Fußball führen kann. Der eine blickt auf sein eigenes Fan-Dasein, der andere hat drei aufstrebende Talente, ihr Glück und Scheitern, begleitet.

Bekannte Literat*innen: Roman, Wissenschaft und kluge Betrachtungen

Auch ist „Literaturpreis Ruhr“-Gewinnerin Enis Maci wieder da: Zusammen mit Pascal Richmann stellt sie ihren ersten gemeinsamen Roman „Pando“ vor. Derviş Hızarcı erzählt mit „Zwischen Hass und Haltung“ von einer besonderen Bildungsreise in unsere heutige Migrationsgesellschaft – und was wir noch lernen müssen, damit wir zu einer Gemeinschaft werden. Zum Thema künstliche Intelligenz gibt es kluge Einblicke der Wissenschaftsautorin Manuela Lenzen. Ihr Buch „Der elektronische Spiegel“ handelt von dem Abenteuer, Intelligenz zu verstehen, indem man sie nachbaut. Terézia Mora beschreibt in ihrem Roman die Geschichte einer toxischen Beziehung. Und die beliebte Schauspielerin Claudia Wenzel wirft einen emotionalen und kritischen Blick auf ihr Leben in der DDR und das wiedervereinigte Deutschland.

Die Wissenschaftsautorin Manuela Lenzen gibt Einblicke in Psychologie, Neurowissenschaften, Biologie, Philosophie und KI-Forschung.Foto: © Martin Klaus
Die Wissenschaftsautorin Manuela Lenzen gibt Einblicke in Psychologie, Neurowissenschaften, Biologie, Philosophie und KI-Forschung.
Foto: © Martin Klaus

 

Programm für den Literatur-Nachwuchs

Das Festival bietet auch Leseförderung, von den Kleinsten bis zu Schüler*innen: Beim KindergartenBuchTheaterfestival bringen Kinder aus 15 Dortmunder Kitas Bilderbücher auf die Bühne, außerdem gibt es Schreibwerkstätten für Schüler*innen. Und: Studierende der TU Dortmund feiern im Rahmen des Held*innenabends ihre lokalen Künstler*innen.

Einer der Höhepunkte des Festivals ist der LesArt.Preis der jungen Literatur, der bei der großen Abschlussgala verliehen wird, moderiert von Gregor Schnittker. Zum Abend gehört eine Lesung der bekannten Autorin Susanne Fröhlich.

Tickets gibt es auf www.LesArt.Ruhr. Beim Vorverkauf können unterschiedliche Gebühren anfallen. Das LesArt.Festival wird veranstaltet vom Kulturbüro der Stadt Dortmund, der Stadt- und Landesbibliothek Dortmund, Kultur und Projekte e.V. und literaturhaus.dortmund. Unterstützt wird es von der Sparkasse Dortmund.
 

Interview mit Hartmut Salmen, Leiter des LesArt.Festivals, geführt
von Ars tremonia

Ars tremonia: Das diesjährige Motto des Festivals lautet „denkt!“. Was möchten Sie den Besucher*innen damit vermitteln?

Hartmut Salmen: „denkt!“ gehört zu einem Dreisatz, den wir in den letzten Jahren entwickelt haben. Es begann mit „kommt!“ und „hört!“, nun ist es „denkt!“. Nach der Corona-Zeit wollten wir die Menschen zurück zur Kultur bringen, zu Lesungen und neuen Gedankenwelten. Im Folgejahr stand „hört!“ für Zuhören und Verstehen. Dieses Jahr setzen wir auf „denkt!“, um die Vielfalt von Gedanken und das Hinterfragen von Vorurteilen zu fördern. Wir leben in einer Zeit, in der oft vorschnell geurteilt wird. „denkt!“ fordert dazu auf, sich Zeit zum Reflektieren zu nehmen, sich auf andere Perspektiven einzulassen. Unser Motto soll ein stetiger Impuls sein: kommt! hört! denkt!

Ars tremonia: Welche Herausforderungen begegnen Ihnen bei der Auswahl der Autor*innen und Themen für ein so vielseitiges Programm wie beim LesArt.Festival?

Hartmut Salmen: Es gibt eine Vielzahl an Faktoren, die für ein gelungenes Festival zusammenspielen müssen. Die Bücher müssen zum Thema passen, und die Autor*innen müssen Zeit für die Lesungen haben. Auch die Veranstaltungsräume und verlässliche Partner wie das Kulturbüro, die Stadt- und Landesbibliothek und die Sparkasse Dortmund – die seit 25 Jahren das Festival ermöglichen – sind entscheidend. Hinzu kommt ein eingespieltes Team, das organisatorisch alles bewältigt.

Ars tremonia: Manuela Lenzens Buch „Der elektronische Spiegel“ beschäftigt sich mit Künstlicher Intelligenz (KI). Wie schätzen Sie die Auswirkungen von KI auf die Literatur ein?

Hartmut Salmen: Die rasante Entwicklung der KI kann beunruhigend wirken, als könnte sie uns bald überholen. Doch, wie Lenzen aufzeigt, läuft die Forschung bereits seit 70 Jahren, und KI bleibt in vielen Bereichen hinter den Erwartungen zurück. Computer können komplexe Wenn-Dann-Szenarien abspielen, doch wie Lenzen schreibt, sind Herausforderungen wie Flexibilität, Kreativität und gesunder Menschenverstand bisher unerreichbar. KI-generierte Texte sind meist eine Neuzusammenstellung bestehender Inhalte und oft seelenlos. Ich denke nicht, dass reine KI-Texte die Literatur bereichern werden. Aber wenn Autor*innen KI als kreatives Werkzeug nutzen, kann dies spannende neue Möglichkeiten schaffen. Im Zentrum bleibt aber stets das menschliche Denken.

Ars tremonia: Wie wichtig ist es Ihnen, junge Leser*innen und zukünftige Autor*innen durch Formate wie das KindergartenBuchTheaterfestival und Schreibwerkstätten anzusprechen?

Hartmut Salmen: Das ist absolut essenziell. Ohne junge Leserinnen und Autorinnen stagniert Kultur irgendwann. Junge Menschen bringen neue Ideen und wissen oft nichts von vermeintlichen „Unmöglichkeiten“, wodurch sie Dinge einfach ausprobieren. Wir möchten diesen Bereich gern weiter ausbauen.

Ars tremonia: Welche Bedeutung hat der LesArt.Preis der jungen Literatur für das Festival, und wie sehen Sie die Rolle junger Stimmen in der Literatur?

Hartmut Salmen: Der LesArt.Preis ist eine großartige Unterstützung für junge Dortmunder Autorinnen. Einige Preisträgerinnen wie Lisa Roy, Jörg Albrecht, Tobias Rauh und Evi Spies haben beeindruckende literarische Wege eingeschlagen. Junge Stimmen bringen frische Perspektiven und spiegeln, wie sich das Leben und unsere Gesellschaft verändern. Das ist ihre Rolle in der Literatur: neue Denkweisen und Weltanschauungen zu teilen.