Ein musikalisch-klassischer Rundgang der besonderen Art

Das Wiener Klassik Konzert der Dortmunder Philharmoniker entführte das Publikum auf einen musikalisch-klassischen Rundgang durch die Welt bekannter Kompositionen dieser Epoche. Wie damals üblich, übernahm die 1984 in Frankreich geborene Geigerin Chouchane Siranossian gleichzeitig das Dirigat.

In einer kleineren Besetzung des Orchesters, bestehend aus Streichern, begann das Konzert mit Wolfgang Amadeus Mozarts (1756–1791) „Eine kleine Nachtmusik“ (G-Dur KV 525). Dieses viersätzige, wohl berühmteste Werk des Komponisten, besticht durch seine unbeschwerte, variationsreiche und ausdrucksstarke Musik.

Beim Violinkonzert in C-Dur  in C-Dur von Johann Christian Bach zeigte Chouchane Siranossian ihr Können. (Foto: Timo Klostermeierr/pixelio.de)
Beim Violinkonzert in C-Dur in C-Dur von Johann Christian Bach zeigte Chouchane Siranossian ihr Können. (Foto: Timo Klostermeier/pixelio.de)

Beim folgenden Violinkonzert in C-Dur von Johann Christian Bach (1735–1782) wurden die Streicher durch Blasinstrumente unterstützt. In dieser Sinfonie bewegt sich Bach-Junior in den drei Sätzen auf der Grenze zwischen den Epochen und wechselt dabei ständig die musikalische Richtung. Die Komposition weist mal voraus auf den frühen Mozart, dann wieder zurück auf Antonio Vivaldi. Ein interessantes Hörerlebnis und technisch herausfordernd für die Philharmoniker und die Gast-Violinistin. Johann Christian Bach, der jüngste Sohn von Johann Sebastian Bach, lebte übrigens einige Zeit in London, wo er auch den damals achtjährigen Mozart kennenlernte und in dessen musikalischer Entwicklung förderte.

Virtuosität und Melancholie

Wie virtuos Siranossian ihr Instrument beherrscht, zeigte sie auch in ihrer rasanten und anspruchsvollen „italienisch-barocken“ Zugabe vor der Pause.

Die Sinfonie Nr. 45 in fis-Moll, die sogenannte „Abschiedssinfonie“ (Hob. I:45) von Joseph Haydn (1732–1809), unterscheidet sich nicht nur durch die Grundtonart von den beiden vorherigen Kompositionen. Die finstere, melancholische und vom Sturm und Drang beeinflusste Stimmung zieht sich durch alle vier Sätze. Ein leidenschaftlicher und erregter Grundton prägt insbesondere den ersten und den vierten Satz. Der zweite Satz, der düster und langsam vorantreibt, mündet in einen kontrastreichen dritten Satz (Menuett).

Im vierten Satz, der der Sinfonie ihren Namen verleiht, verabschieden sich die Musiker*innen nach einer spannungsgeladenen Choreografie nacheinander von der Bühne, bis am Ende nur noch zwei einsame Geigen übrigbleiben.




Wiedergeburt einer Dortmunder Sinfonie

Eduard Wilsings großes Werk im Konzerthaus

Ein weiterer Meilenstein im Hinblick auf das Wiederentdecken des im Jahr 1809 in Hörde geborenen Komponisten der Romantik Daniel Friedrich Eduard Wilsing fand am Sonntag mit der Wiederaufführung seiner Sinfonie in D-Dur im Konzerthaus Dortmund statt. Das umfassende Wirken und Lenken von Gerhard Stranz hat dazu geführt, dass die Aufführung des Werkes mit Unterstützung vieler Vorbereiter und Mitwirkender möglich wurde. Das Dortmund Jugendsinfonieorchester DOJO unter der Leitung von Achim Fiedler hatte das Werk, für das es keine Aufführungsvorbilder gab, erschlossen. Eingebunden in ein komplettes Konzertprogramm, sogar der Uraufführung einer Auftragskomposition fand das Werk eine begeisterte Resonanz im ausgebuchten Konzerthaus. Ein historischer Abriss des Leiters der Kulturbetriebe der Stadt, Dr. Stefan Mühlhofer, über die Einordnung des Werkes von Eduard Wilsing in die Geschichte des Dortmunder Musiklebens ergänzte dieses musikalische Highlight.

Vor 191 Jahren entstanden, vor 182 Jahren im Festsaal der Gesellschaft Casino vom „Liebhaber Concert“, einem Vorläufer der Dortmunder Philharmoniker uraufgeführt, wurde diese Sinfonie vielleicht nur ein einziges Mal wiederaufgeführt, galt dann über lange Zeit als verschollen. Dem zielstrebigen Erkunden von Gerhard Stranz in den letzten Jahren ist es zu verdanken, dass auch diese Sinfonie sowie mehr als einhundert weitere Werke des Komponisten wieder bekannt und verfügbar wurden. Ein namhafter Kollege und Zeitgenosse Wilsings, Robert Schumann, hatte dessen Wirken nicht nur hoch gelobt. Auch zwei Werke von ihm stellte das DOJO der Sinfonie voran: Die Ouvertüre zu Shakespeares „Julius Caesar“ und den Kopfsatz aus Schumanns Cello-Konzert. Einem professionellen Orchester standen die etwa 80 jungen Musiker kaum nach. Auch die Solistin war ein Eigengewächs von DORTMUND MUSIK: Die 19-jährige Cellistin Maria Bovensmann, die bald ihr Musikstudium aufnehmen wird.

Das Dortmunder Jugendorchester unter der Leitung von Achim Fiedler spielten unter anderem die Sinfonie in D-Dur von Eduard Wilsing. (Foto: (c) privat)
Das Dortmunder Jugendorchester unter der Leitung von Achim Fiedler spielten unter anderem die Sinfonie in D-Dur von Eduard Wilsing. (Foto: (c) privat)

Pathetisch eröffnete ein Hornsextett die Ouvertüre. Fiedler am Pult hielt die Spannung hoch, brachte die Jugendlichen dazu, Spitzenleistung abzuliefern. Drei Akkorde des Orchesters eröffneten das Cello-Konzert, bevor die Solistin mit zarten ebenso wie kraftvoll ansetzenden Strichen einsetzte. Sanfter Musikfluss, mit Akzenten des lustvoll aufbegehrenden Orchesters garniert, bestimmten diesen Satz. Dramatik, eine besondere Klangfarbe aus Pizzicato der Streicher und Flötenlinie im Finale. Großer Jubel war der jungen Solistin sicher. Doch Fiedler und der Direktor von DORTMUND MUSIK, Stefan Prophet, boten mehr auf, als das Flaggschiff DOJO. Mit einem Auftrag an den Kompositionslehrer der Dortmunder Musikschule, Gianluca Castelli, bekamen auch die Sinfonietta und das Dortmunder Kinderorchester DOKIO die Möglichkeit, sich einzubringen. Castelli nahm das Material der beiden Schumann-Werke, wie auch einen Auszug der Wilsing-Sinfonie zur Grundlage für sein auf die Fähigkeiten der beiden Vororchester abgestimmtes Werk „Der Schmetterlingseffekt“, anspielend auf Wilsings Gesänge vom Schmetterling. So konnten dann über zweihundert Kinder und Jugendliche gemeinsam bei einem Teil des Programms mitwirken. Zum DOJO auf der Bühne gesellten sich dahinter die Jüngsten des DOKIO und ihre mitwirkenden Betreuer, während die Sinfonietta sich auf der Orgelempore postierte. So leise er heranflatterte, so trumpfte dieser Schmetterling volltönend auf, wanderte von einer Instrumentengruppe zur nächsten, verhallte schließlich leise. Eine große Leistung der Vororchester, teils mit Kindern im Grundschulalter.

Wilsings Sinfonie erklingt wieder in Dortmund

Nach Mülhofers Ausführungen und Danksagungen an Gerhard Stranz als treibende Kraft sowie an Sponsoren, Herausgebern und Verleger war es schließlich so weit: Das DOJO präsentierte erstmals nach 180 Jahren wieder die Sinfonie in der Heimatstadt des Komponisten. Dazu wechselten die Streicher von der amerikanischen in eine Abart der deutschen Orchesterbesetzung, saßen die zweiten Violinen zwar den ersten gegenüber, jedoch rückten Bratschen und Celli lediglich auf, ohne die Plätze zu tauschen. Kraftvollem Einstieg ins Adagio, wiegender Melodie und an Beethoven erinnernden dramatischen Akzenten folgten frech auftrumpfende Streicher, lustig marschierendes Tutti-Spiel. Leichtfüßige Momente, nonchalant Erzählendes, sanft Schwelgendes förderte Fiedler zutage. Süßlicher Auftakt, blühende Streicherklänge, erzählerischer Duktus, durch Moll-Passagen bereicherte Farbigkeit kennzeichneten das Andante. Aufwühlend, bald sanft hüpfend, ließen im Menuetto, eigentlich eher einem Scherzo, die Akzente zusammenzucken. Eine Oboenlinie bezauberte die Zuhörer, unterbrochen vom Gewitter der Streicher. Ins Allegro molto starteten die Jugendlichen übergangslos mit einem Fugato der Streicher, wild und ungestüm. Marschierend, aufpeitschend, mit feurigen Repetitionen, vollem Blech schließlich ging es aufbegehrend dem Finale entgegen. Den großen Jubel teilte Fiedler schließlich geordnet den Instrumentengruppen zu.

Zu einem abschließenden Empfang trafen alle Beteiligten rund um Vorbereitung, Organisation und Mitwirkung in der WILO-Lounge des Konzerthauses zusammen. Mit zahlreichen Wortbeiträgen wurden auch die im Konzert nicht wahrnehmbaren Leistungen aufgezeigt. Ehrengäste wie die Familienangehörigen Wilsings waren angereist, sogar aus dem schottischen Edinburgh.

Martin Schreckenschläger