Fulminante Internationale Ballettgala XXXIX in Dortmund

Der Dortmunder Ballettintendant Xin Peng Wang zog auch in diesem Jahr zahlreiche Ballettstars aus Europa (Amsterdam, Berlin, Dresden, München, Lissabon, London, Paris) in unsere Stadt.

Die 39. Internationale Ballettgala am 21. und 22. September 2024 bot die gesamte Bandbreite des Genres. Moderiert wurde der Abend wie gewohnt humorvoll und charmant von Kammersänger Hannes Brock.

Bolero (Jiří Bubeníček): Jenny Laudadio, Jon Vallejo (Semperoper Ballett). Foto: (c) Leszek Januszewski
Bolero (Jiří Bubeníček): Jenny Laudadio, Jon Vallejo (Semperoper Ballett). Foto: (c) Leszek Januszewski

Den Auftakt bildete eine Reminiszenz an die erfolgreiche Choreografie von Xin Peng Wangs „Schwanensee“ (Musik: Peter Tschaikowsky) mit Tänzer*innen des Dortmunder Balletts sowie des NRW Juniorballetts.

Klassisch-romantisch ging es weiter mit „Renaissance“ (Choreografie: Sébastien Bertaud, Musik: Félix Mendelssohn; Besetzung: Bleuenn Bettistoni, Ballet de L’Opéra Paris) und „Le Parc“ (Choreografie: Angelin Preljocaj, Musik: W.A. Mozart; Besetzung: Yasmine Naghadi, Julian MacKay).

Ein vielfältiges Ballett-Erlebnis

Die Ausdrucksmöglichkeiten des modernen zeitgenössischen Balletts demonstrierten eindrucksvoll die beiden Choreografien „O“ und nach der Pause „I“ von Philippe Kratz, der vor 18 Jahren selbst zur Dortmunder Company gehörte. Beide Stücke wurden wunderbar von Casia Vengoecha und Toon Lobach interpretiert.

Mit „Giselle“ (Musik: Adolphe Adam; Choreografie: Marius Petipa; Besetzung: Anna Tsygankova und David Motta Soares, Het Nationale Ballet Amsterdam, Staatsballett Berlin) zeigten die Tänzer*innen ihr Können auch in „Penumbra“ (Choreografie: Remi Wörtmeyer).

Eine empathisch-rasante Choreografie von Jiri Bubeníček zu Ravels „Boléro“, meisterhaft dargeboten von Jenny Laudation und ihren vier männlichen Partnern (Semperoper Ballett, Dresden), leitete die Pause ein.

Nach der Pause folgte „Love, Fear, Loss“, sensibel auf dem Flügel von Marcos Madrigal begleitet. Dieses klassische, romantisch-melancholische Ballettstück, inspiriert von der Musik von Piaf, Brel und Dumont, präsentierte Ballettgrößen der Companhia Nacional de Bailado, Lissabon.

Zum französisch geprägten Abend passte die an die Französische Revolution angelehnte Choreografie „Flammes de Paris“ von Wassili Valonen (Besetzung aus dem Royal Ballet, London, und dem Bayerischen Staatstheater, München).

Eine virtuose Kostprobe aus „Ein Mittsommernachtstraum“ (2020; Choreografie: Alexander Ekman, Musik: Mikael Karlsson) mit Akteur*innen des Balletts Dortmund und des NRW Juniorballetts rundete den Abend für das begeisterte Publikum ab.




Dawn – Ein Abend über Reproduktion

Zur Spielzeiteröffnung am 21.09.2024 hatte sich das Theater im Depot etwas Besonderes einfallen lassen: Sheena McGrandles‘ Musical „Dawn“ wurde präsentiert. Allerdings ist „Musical“ hier eine verkürzte Bezeichnung, da das Werk Konzert, Spoken Word und Performance miteinander vereint.

„Dawn“ bezieht sich auf die mystische Morgenröte, die in der griechischen Mythologie als Eos und im antiken Rom als Aurora bekannt ist. Das Stück beginnt mit einer mythologischen Erzählung, die jedoch anfangs nur schwer in Gang kommt, da die Akustik und das Verständnis leiden, wenn viele Darsteller gleichzeitig auf Englisch sprechen.

"Dawn" von Shhena McGrandles. Foto: (C) Michiel Keuper
„Dawn“ von Shhena McGrandles. Foto: (C) Michiel Keuper

Doch im Verlauf bessert sich die Aufführung, und insbesondere die Musik sticht als Highlight hervor – schließlich ist es ein Musical. Die Schauspieler und Musiker meistern die verschiedenen Musikstile mit Bravour.

Vielfalt der Reproduktion – aber keine leichte Entscheidung

Der Untertitel „A Musical on Reproduction” verdeutlicht, dass es um die Themen Kinderwunsch, Familie und Fortpflanzung geht. In einer Szene fragt eine Schauspielerin das Publikum, ob jemand eine Abtreibung erlebt habe – sie selbst bejaht es. Eine schwierige persönliche Entscheidung, ebenso wie die Frage, ob man Kinder haben möchte oder nicht. Der „Chor der Kinderlosen“, der in Schwarz gekleidet auftritt, symbolisiert diese Entscheidung, die für viele nicht leicht ist.

Was nehmen wir aus dem Abend mit? Zum einen, dass ein Mann theoretisch täglich neue Kinder zeugen kann – im Lied „Dschingis Khan“ schafft die besungene Person immerhin sieben. Zum anderen zeigt das Stück, dass die Frage der Reproduktion Frauen einen Großteil ihres Lebens beschäftigt, während Männer noch immer zu laut und zu viel darüber reden.

Mitwirkende bei „Dawn“ waren Sheena McGrandles, Moss Beynon Juckes, Claire Vivianne Sobottke, Colin Self, Emeka Ene, Stellan Veloce und Marta Forsberg. Der Chor bestand aus Martin Hansen, Valerie Renay, Marek Polgesek und Cathy Walsh Irish.

Musikalisches Nachspiel

Im zweiten teil des Abends ertönte die sphärische Musik von Lara Gallagher. Ihr Stück „Abhainn“ (irisch für „Fluss“ oder „Nebenfluss“) erforscht die Konstruktion authentischer Identität in Irland. Mit einer Mischung aus elektronischen Klängen, Gesang, Geige, Klavier und Kontrabass wird die Geschichte von Éanna, einer Frau, die 2024 durch Dublin navigiert, locker dargestellt. Opernhafte, theatralische und musikalische Elemente verschmelzen zu einer Einheit, bei der der Klang als untrennbares Medium der Identität ins Zentrum gerückt wird.

Mitwirkende waren Lara Gallagher, Özgür Yilmaz, Michael McCartan und Eilís Dexter.