La traviata – Ein emotional packendes Bühnenerlebnis

Am 15. September 2024 erlebte das Dortmunder Opernhaus die Premiere von Vincent Boussards Neuinszenierung von Giuseppe Verdis „La traviata“. Die Aufführung, die bereits 2015 großen Anklang fand, begeisterte auch dieses Mal durch ihre musikalische Tiefe, vermittelt von den Dortmunder Philharmonikern unter der Leitung von Will Humburg.

Minimalismus und symbolische Tiefe

Der Opernchor des Theaters Dortmund (Einstudierung: Fabio Mancini) bereicherte das Geschehen auf der Bühne, wobei die Chormitglieder in schwarzen Fracks und Zylindern auftraten. Diese schlichte Kostümierung lenkte nicht vom intensiven emotionalen Kern der Geschichte ab. Das Bühnenbild setzte auf Minimalismus, um die inneren Konflikte der Figuren hervorzuheben. Im Vergleich zur Inszenierung von 2015, die stärker das Pariser Leben thematisierte, lag der Fokus hier auf den Seelenzuständen der Hauptfiguren.

La traviata: Andrea Carè, Anna Sohn (c) Thomas M. Jauk
La traviata: Andrea Carè, Anna Sohn (c) Thomas M. Jauk

Eine drehbare, weiße Wand diente als Projektionsfläche für die wechselnden Gefühlslagen der Charaktere. Eine zentrale Rolle spielte dabei ein imposantes schwarzes Klavier, das als Symbol für die verlorene Liebe von Franz Liszt zur Kurtisane Marie Duplessis, dem Vorbild für Verdis Violetta, interpretiert werden kann. Dieses Klavier fungierte als Metapher für die Sehnsüchte und Erinnerungen der Protagonistin Violetta.

Herausragende gesangliche Leistungen und darstellerische Kraft

Im Mittelpunkt standen die stimmlichen und darstellerischen Leistungen der Solisten. Anna Sohn brillierte als Violetta Valéry mit ihrem kraftvollen Sopran, während Andrea Carè als Alfredo mit seiner emotionalen Tiefe überzeugte. Besonders beeindruckend war Mandla Mndebele in der Rolle von Giorgio Germont, dessen warmer Bariton den Konflikt zwischen gesellschaftlichen Erwartungen und persönlicher Schuld untermalte.

Die Darsteller*innen verliehen den Figuren nicht nur stimmlich, sondern auch durch Gestik und Mimik eine außergewöhnliche Ausdrucksstärke. Denis Velev als Dottore Grenvil, Ruth Katharina Peeck als Annina und Cassandra Doyle als Flora ergänzten das Ensemble durch ihre feinsinnigen Darbietungen und rundeten das Gesamterlebnis ab.

Eine besondere Neuerung stellte die Figur der irischen Tänzerin Lola Montez dar, die von Sofia Pintzou verkörpert wurde. Als zwielichtige Gegenfigur zu Violetta verstärkte sie das Spannungsfeld zwischen moralischem Anspruch und persönlichem Verlangen.

Das Publikum dankte den Künstler*innen mit Standing Ovations für diese emotional tiefgreifende Inszenierung.
Weitere Aufführungstermine und Informationen sind unter www.theaterdo.de oder telefonisch unter 0231/50 27 222 erhältlich.

 




Wenn das innere Kind zum Dämon wird

Am 13. September 2024 feierte die Groteske „Der Dämon in dir muss Heimat finden“ im Studio des Schauspielhauses Premiere. Das Stück, geschrieben von Lola Fuchs, ist eine Satire auf den Selbstoptimierungswahn. Seit Jahren versucht dieser, uns vorzuschreiben, wie wir inmitten des Chaos produktiv und erfolgreich bleiben sollen. Der Titel spielt provokant auf Stefanie Stahls Bestseller „Das Kind in dir muss Heimat finden“ an. Dieser beschäftigt sich mit den Auswirkungen ungelöster Kindheitstraumata auf das Erwachsenenleben.

Im Mittelpunkt steht Mandy-Galadriel (Nika Mišković), eine 30-jährige Betreiberin eines Paketshops. Sie träumt immer noch von einer Karriere als Singer-Songwriterin. Ihre Freundinnen haben genug von ihrem unsteten Leben. Sie schenken ihr einen Gutschein für die DAWN-Experience, ein esoterisches Unternehmen, das sich auf die „Heilung des inneren Kindes“ spezialisiert hat. Dort trifft sie auf Veronika von Sonnen (Marlena Keil), Markus von Sonnen (Linus Ebner) sowie auf die weiteren Teilnehmer*innen Melli (Linda Elsner) und Florian (Ekkehard Freye).

Sophie Dahlbüdding (Statisterie), Marlena Keil, Linus Ebner, Nika Mišković(c) Birgit Hupfeld
Sophie Dahlbüdding (Statisterie), Marlena Keil, Linus Ebner, Nika Mišković Foto: (c) Birgit Hupfeld

Zwischen Esoterik und Kapitalismus: Mandys Reise zur Selbstfindung

Lola Fuchs verbindet in ihrer Groteske den Druck zur Selbstoptimierung mit Science-Fiction- und Horrorelementen. Das „innere Kind“ wird hier nicht nur metaphorisch wiedergeboren. Durch ein Portal erscheint es erneut, was zu komischen und nachdenklichen Konfrontationen zwischen jüngeren und älteren Ichs führt. Besonders witzig ist die Enttäuschung von Florians jüngerem Ich. Es ist schockiert, dass seine ältere Version als Linksextremist gescheitert ist. Das kapitalistisch geprägte jüngere Ich kann das nicht fassen.

Wenn das innere Kind zur Ware wird: Kritik an spirituellen Heilversprechen

Der Höhepunkt des Stücks zeigt Veronika und Markus im „Zukunftslabor“. Sie wollen die gechannelten inneren Kinder entweder als Arbeitssklaven (Schattenkinder) oder Führungskräfte (Sonnenkinder) verkaufen. Die älteren Versionen sollen verschwinden. Doch dieser Plan scheitert. Mandy und Galadriel stellen sich gegen die Ausbeutung. Lola Fuchs bietet in diesem Werk eine scharfe Analyse der gegenwärtigen Verhältnisse. Sie beleuchtet die skrupellose Profitmaximierung in der Selbstoptimierungsbranche. Die engagierten Darsteller*innen trugen entscheidend zum Erfolg des Stücks bei. Besonders Sophie Dahlbüdding, die das 12-jährige Ich von Mandy spielte, glänzte in ihren Dialogen mit dem älteren Ich.

Weitere Informationen finden Sie unter: www.theaterdo.de