Tänzerisch auf den Spuren von Pablo Picasso

Das JugendTanzTheater des Ballett Dortmund, unter der Choreografie von Justo Moret, feierte am 3. Juli 2024 im hiesigen Opernhaus seine Premiere mit dem neuen Projekt „Picasso“, einer Stückentwicklung im Rahmen des Projektes PlayOn!. In Kooperation mit der Akademie für Theater und Digitalität erhielt der Tanz eine zusätzliche digitale Dimension durch eindrucksvolle Leinwandprojektionen. Die eigens für die Produktion von Tommy Finke, langjähriger musikalischer Leiter im Schauspiel, komponierte Musik sorgte für ein eindringliches Erlebnis.

Multimediales Gesamtkunstwerk

Für dieses Projekt begaben sich die jungen Tänzerinnen und Tänzer – etwa 30 Personen, darunter ein Mann – auf eine Spurensuche. Sie beschäftigten sich längere Zeit mit dem Ausnahmekünstler Pablo Picasso, einem Künstler mit absolutem Gespür für Schönheit, Maß, Farben und vor allem für neue Formen der Moderne. Malerei war für ihn kein ästhetisches Unterfangen, sondern ein Mittler zwischen der fremden, feindlichen Welt und uns Menschen.

Pi*cas*so: Ein Teil des Ensembles des JugendTanzTheaters. Foto: (c) Leszek Januszewski
Pi*cas*so: Ein Teil des Ensembles des JugendTanzTheaters. Foto: (c) Leszek Januszewski

Die Kostüme, bestehend aus lockeren weißen Anzügen mit kurzen Ärmeln und unterschiedlichen blau-violetten Zeichnungen, waren mit Bedacht ausgewählt. Es wurden sieben Schwerpunkte herausgearbeitet: Zunächst suchte sich das Chaos im Kopf einen Weg auf die Leinwand. Requisiten wie Malerkittel und Pinsel wurden in die Choreografie integriert und auch live zum Malen verwendet. Die Tanzenden entwickelten ein zunehmendes Tempo mit ihren wie Pinseln schwingenden Armbewegungen.

Emotionen im Wandel der Zeit

Es folgte die tiefe Traurigkeit nach dem Tod eines Freundes, repräsentiert durch die Figuren der Blauen Periode. Diese wurde von der Melancholie und Entsagung der Rosa Periode abgelöst. Der Bruch mit allen Konventionen zeigte sich im Kubismus, wo Gesichter zu Masken und Körper zu geometrischen Figuren wurden. Eine kurze, harmonische, ruhige Sommer-Strand-Atmosphäre voller heiterer Leichtigkeit folgte.

Unvermittelt brach Picassos bekanntes Kriegsbild „Guernica“ in die Szenerie ein, mit Dunkelheit, wildem Chaos, Zerstörung und Lärm. Ob als Einzelpersonen, zu zweit, in kleiner Gruppe oder als Gesamtensemble, die junge Gruppe begeisterte das Publikum durch ihren starken modernen Ausdruckstanz und ihre Dynamik.




Modern Times: Stummfilmerlebnis mit Live-Orchesterbegleitung

Bereits im Jahr 2018 konnte das Publikum in Dortmund ein Stummfilmkonzert zu Charlie Chaplins Meisterwerk „Modern Times“ genießen. Am 2. Juli 2024 bot sich erneut die Gelegenheit, dieses besondere Erlebnis eines pantomimisch ausdrucksstarken Stummfilms mit der passenden Live-Orchestermusik im Dortmunder Konzerthaus zu erleben.



Meisterhafte Inszenierung durch die Dortmunder Philharmoniker

Die bestens aufgelegten Dortmunder Philharmoniker, unter der professionellen Leitung von Adrian Prabava, sorgten mit viel Feingefühl dafür, dass „Modern Times“ in restaurierter Fassung eine besondere Lebendigkeit erfuhr. In seiner letzten Rolle als tollpatschig-sympathischer Tramp läuft Charlie Chaplin zur Hochform auf, um soziale Verelendung und den Optimierungswahn in Produktionsprozessen offen zu legen und anzuprangern. Damals, zur Zeit der großen Weltwirtschaftskrise, war der Film eine treffende Satire. Leider hat er nichts von seiner Aktualität eingebüßt und wechselt ständig zwischen Tragik und Komik.

Der gutherzige Tramp gerät von einem ungewollten Fettnäpfchen ins nächste, kommt aber immer wieder durch glückliche Umstände auf die Beine und findet seine Liebe. Obwohl die prekären Zustände mit unverblümter Direktheit dargestellt werden, steht am Ende das Motto „Immer wieder Aufstehen“. Mit seiner Fähigkeit, jeder Gefühlsregung durch Gesicht und Gesten Ausdruck zu verleihen, drückt Chaplin dem Film seinen unverwechselbaren Stempel auf, trotz der ebenfalls herausragenden Darsteller.

Musikalische Brillanz und perfektes Timing

Den Dortmunder Philharmonikern gelang es wunderbar, jede Stimmungslage, ob Verzweiflung und Entsetzen über die Zustände, Dramatik oder bittersüße Romanze, durch ihre Instrumente musikalisch fühlbar zu machen. Die Wirkung des Films beruht auf dem exakten Zusammenspiel von Filmbildern und Musik, was ein präzises Timing des Orchesters erforderte.

Obwohl ich bereits 2018 das Stummfilmkonzert erlebt hatte, war es auch dieses Mal wieder eine ganz besondere Erfahrung.




Ahoi, die Piraten von Penzance kommen

Mit dem partizipativen Projekt „Die Piraten von Penzance“ bewies die Junge Oper Dortmund am 30. Juni 2024, dass Oper ein riesiger Spaß sein und auch junges Publikum begeistern kann. Gilbert (Librettist) und Sullivan (Komponist) waren Ende des 19. Jahrhunderts im britischen Empire und in den USA berühmt für ihre komischen Opern, die geschickt Kritik am britischen Klassensystem übten. Sie prägten den britischen Humor nachhaltig.

In Dortmund wurden die Arien auf Englisch gesungen, die Dialoge jedoch von Regisseur Alexander Becker ins Deutsche übertragen. Gilbert und Sullivans Gesellschaftskritik und Themen sind oft spezifisch für die britische Kultur und Politik des 19. Jahrhunderts. Das macht sie für ein heutiges internationales Publikum manchmal weniger zugänglich.

 

Eine absurde Geschichte – Die Piraten von Penzance

„Die Piraten von Penzance“ aus dem Jahr 1879 erzählt die absurde Geschichte von Frederic, der versehentlich als Lehrling bei einer Piratenbande gelandet ist. An seinem 21. Geburtstag will er seinen Pflichten entkommen und die Piraten verlassen. Er trifft Mabel, die Tochter eines Major-Generals, und verliebt sich in sie. Ein Missverständnis über sein Geburtsdatum – er wurde am 29. Februar geboren und ist deshalb technisch gesehen noch nicht 21 Jahre alt – zwingt ihn, zu den Piraten zurückzukehren. Nach vielen komischen und turbulenten Verwicklungen findet die Geschichte ein glückliches Ende: Frederic ist frei und kann mit Mabel zusammen sein. Für die Premiere in Dortmund hatte Alexander Becker einen besonderen Kniff: Die altgewordene Amme Ruth erzählt die Geschichte von Frederic ihren Enkelkindern, wodurch auch die OpernKids integriert wurden.

Szene aus "Die Piraten von Penzance": Malte Beran Kosan (Piratenkönig), Georg Kirketerp (Generalmajor Stanley), Ensemble OpernYoungsters. Foto: (c) Björn Hickmann 
Szene aus „Die Piraten von Penzance“: Malte Beran Kosan (Piratenkönig), Georg Kirketerp (Generalmajor Stanley), Ensemble OpernYoungsters. Foto: (c) Björn Hickmann 

Das Ensemble OpernYoungsters, die Young Symphonics und der Universitätschor der TU Dortmund sorgten für viel Bewegung auf der Bühne, insbesondere beim abschließenden Kampf zwischen Polizei, Piraten und den Mädchen.

Musikalische Parodien und überzeugende Solisten

Musikalisch bot die Oper einiges, denn Sullivan parodierte gerne bekannte Komponisten. In der Szene, in der der Chor „Hail, Poetry!“ singt, erinnert Sullivans Stil an die dramatischen Chorpassagen von Giuseppe Verdi. Der „Major-General’s Song“ weist hingegen Merkmale von Rossinis schnellen, zungenbrecherischen Buffo-Stilen auf. Bei den Solisten überzeugten Malte Beran Kosan als Piratenkönig, Lennart Pannek als Frederic und Johanna Schoppa als Ruth. Georg Kirketerp sang den leicht versnobten General-Major, und Lisa Pauli glänzte als Frederics Freundin Mabel.

Insgesamt war es ein wunderbarer Abend mit starkem britischem Flair, der zwar fast drei Stunden dauerte, aber keine Minute langweilte. Dies ist ein großer Verdienst der Regie sowie der Bühnen- und Kostümgestaltung. Ein besonderer Dank gilt auch allen Beteiligten auf der Bühne und im Orchestergraben.