Bildreich-modernes Ballett auf höchstem Niveau

Im Dortmunder Opernhaus gastierte am 16. und 17. Mai 2024 das renommierte Schweizer „Béjart Ballet“ aus Lausanne. Diese Compagnie wurde 1987 von Maurice Béjart (1927-2007) gegründet und erfreut Ballettfreunde weltweit mit ihren sensationellen Inszenierungen. Béjart gilt als Erneuerer des neoklassischen Balletts. Ars tremonia durfte am 16. Mai 2024 dabei sein.



Mit drei unterschiedlichen Choreografien zeigten die Tänzerinnen und Tänzer sowohl ihr technisches Können (gute klassische Ausbildung) als auch eine wunderbar bildreiche Interpretation der jeweiligen Musik. Das ist modernes zeitgenössisches Ballett und perfekt auf Musik abgestimmter Ausdruckstanz, voll Emotion und Energie. Auch die sorgfältige Auswahl der jeweils passenden Kostüme spielte eine wichtige Rolle.

Bhakti III“ Foto: (c) BBL – Gregory Batardon
Bhakti III“ Foto: (c) BBL – Gregory Batardon

In unterschiedlichsten Konstellationen, ob Solotänzer*innen, Paare, Trios, Quartette oder die gesamte Compagnie, sorgten die Tänzer für ein abwechslungsreiches Programm.

Leichtigkeit und pure lebendige Tanzfreude, gerade nach Corona und sonstigen unruhigen Zeiten, verbreitete zu Beginn „Alors on danse…!“ mit der Choreografie von Gil Roman und Musik von John Zorn, Citypercussion sowie Bob Dylan.

Nach der Pause wurde das Publikum mit „Bhakti III“, Choreografie von Maurice Béjart, und traditioneller indischer Musik in eine mystisch-hinduistische Welt entführt. Die beiden Hauptakteure, eine Tänzerin und ein Tänzer, wurden hier von sechs Tänzern umrahmt. Durch die Liebe identifiziert sich der Anbeter mit der Gottheit Shiva, dem dritten Aspekt der hinduistischen Dreifaltigkeit (Brahma, Vishnu, Shiva). Shiva, der Gott der Zerstörung (auch Illusion und Persönlichkeit) sowie des Tanzes, wird in dieser Choreografie dargestellt. Seine Frau Shakti ist eigentlich seine Lebensenergie, die von ihm ausgeht und zu ihm zurückkehrt. Unbeweglich und doch ewig in Bewegung. Dies wurde durch eindringlichen Ausdruckstanz und transzendente Musik emotional transportiert.

Nach Griechenland entführt wurde das Publikum zum Schluss mit den „7 danses grecques“ (Choreografie Maurice Béjart und Musik von Mikis Theodorakis). Die Tänze begannen atmosphärisch stimmungsvoll mit Meeresrauschen und endeten schließlich auch damit. Die traditionelle griechische Musik von Theodorakis diente als Vorlage und Inspiration für eine gelungene tänzerische Transformation.

Die Akteure ließen das „griechische Lebensgefühl“ mit ihren tänzerischen Darbietungen in unterschiedlichsten Konstellationen lebendig werden.

Ein besonderer Ballettabend endete mit viel Applaus aus dem Zuschauerraum.




Schwelgen im barocken Bläserklang

Das fünfte und letzte Kammerkonzert dieser Spielzeit fand am 16. Mai 2024 in der ehrwürdigen Rotunde des Museums für Kunst und Kulturgeschichte statt. Ursprünglich als Gebäude für die Sparkasse erbaut, verwandelte sich der Tempel des Geldes über einen Tempel der Geschichte hin zu einem Tempel der Musik.



Umgeben von Artefakten aus der langen Geschichte Dortmunds stand Barockmusik auf dem Programm. Das frühe 18. Jahrhundert war eine äußerst fruchtbare Zeit für Barockmusik, in der unzählige Komponisten wie Bach, Händel oder Telemann ihre Werke schufen.

Das fünfte Kammerkonzert trug den Titel „Bläserkolorit“ und konzentrierte sich auf die Holzbläser. Zwei Oboen (Tomoharu Yoshida und Sarah Kaufmann), ein Fagott (Minori Tsuchiyama), ein Kontrabass (Tomoko Tadokoro) und Ursula Hobbing am Cembalo spielten Werke von Händel, Telemann, de Boismortier, Fasch, de Fesch und Zelenka.

Vieles in der Barockmusik entspringt höfischen Tänzen, sowohl langsamen als auch schnellen, wie zum Beispiel das Menuett, die Sarabande oder die Allemande. Auch dieses Kammerkonzert war tänzerisch geprägt, es war viel Lebensfreude zu spüren, die sich auch auf die Musizierenden übertrug.

Ein Abend für Barockliebhaber und solche, die es noch werden wollen.




Frankreich – mein Sehnsuchtsort

FJH Schneider war ein Dortmunder Künstler mit teilweise französischen Wurzeln, der Zeit seines Lebens malte und Kunst lehrte. Selbst im Krieg führte er stets ein Skizzenbuch mit sich und fertigte berührende und erschreckende Zeichnungen dessen an, was er um sich herum wahrnahm. Nach dem Krieg studierte er zunächst 1946/47 in Hamburg an der Hochschule für bildende Künste und von 1947 bis 1952 an der Kunstakademie Karlsruhe. Trotz vieler traumatischer Erlebnisse fand Schneider in seiner späteren Kunst zu einer bemerkenswert lebendigen Farbigkeit. Viele seiner Werke entstanden in seinen französischen Ateliers und wurden unter anderem in renommierten Pariser Galerien ausgestellt.



Im letzten Jahr wurden im Kunstbonbon bereits die farbenprächtigen Menschenbilder und wunderschönen Stillleben des Künstlers gezeigt. In diesem Jahr wird ein kleiner Einblick in seine Landschafts- und Architekturmalerei gewährt. Schauspieler Raphael Schneider, der jüngste Sohn des Künstlers, reiste mehrmals aus Berlin an, um die Ausstellung vorzubereiten.

Das Kunstbonbon zeigt unter dem Titel "Frankreich - mein Sehnsuchtsort" Arbeiten von FJH Schneider.
Das Kunstbonbon zeigt unter dem Titel „Frankreich – mein Sehnsuchtsort“ Arbeiten von FJH Schneider.

FJH Schneider verbrachte jedes Jahr viel Zeit in Frankreich und malte dort unzählige Bilder. Er hielt sich entweder in Lescoff in der Bretagne oder in St. Germain-en-Laye in der Nähe von Paris auf, wo er bei Freunden Unterkunft und eine Art Atelier fand. Dies ermöglichte ihm, die Skizzen, die er bei seinen Ausflügen anfertigte, zumindest teilweise vor Ort in Ölgemälde umzusetzen.

Auch in diesem Jahr wird nur ein kleiner Teil der entstandenen Werke zu diesen Themen gezeigt, da die Sammlung mehrere hundert Arbeiten umfasst. Bei der Auswahl wurde darauf geachtet, dass zu jedem Thema und aus jeder Gegend einige Bilder mit den schönsten Stimmungen präsentiert werden.

Schneider malte zwar aufgrund von Platzmangel nie großformatige Werke, sondern meist nur bis zu einer Größe von 50 x 70 cm, dennoch sind die Präsentationsmöglichkeiten im Kunstbonbon begrenzt.

Einige Motive sind auch als Postkarten in unterschiedlichen Formaten erhältlich, und es wird wieder eine Mappe mit eindrucksvollen Skizzen geben. Im letzten Jahr entdeckten viele Besucher:innen überrascht und erfreut, dass Schneider einst ihr Kunstlehrer war. Vielleicht erinnert sich nun noch mehr Menschen daran.

Bei der Vernissage und der Finissage werden sowohl Raphael Schneider als auch weitere Familienmitglieder des Künstlers anwesend sein und gerne Fragen zu den Werken und zu FJH Schneider beantworten.




Das Drama von Sevilla – Eine zwiespältige Legende

Ko-Produktion der Ruhrfestspiele mit dem Fußballmuseum als Gastspiel in Dortmund

Das legendär genannte Halbfinale zwischen Deutschland und Frankreich 1982 bei der Fußball-WM in Sevilla jährt sich am 8. Juli zum 40. Mal. Aus Anlass des Jubiläums hat nun Manuel Neukirchner, Direktor des Deutschen Fußballmuseums in Dortmund, ein Buch geschrieben. „Die Nacht von Sevilla, Fußballdrama in fünf Akten“. Sein für die Bühne konzipierter Text hatte am 14. Mai Premiere bei den Ruhrfestspielen, die Inszenierung mit Peter Lohmeyer und Toni Schuhmacher gastierte am 16. Mai vor vollbesetztem Haus im Dortmunder Schauspiel, eine spannend in Szene gesetzte Lesung, ein durchaus unterhaltsamer, inspirierender, in mancher Hinsicht aber auch zwiespältiger Abend.



Halbfinalteilnahmen hat die DFB-Elf im Laufe der Jahre reichlich gesammelt. Ein Halbfinale bei einer WM zu erreichen galt vielen Fußballfans als Minimalziel. Und Halbfinals waren eigentlich immer ein Grund zum Feiern, auch wenn sie mal verloren gingen. Nach dem Halbfinale bei der WM 2006 philosophierte der Kölner Nationalspieler Lukas Podolski zerknirscht, aber durchaus fair über die gerade erlittene Niederlage gegen Italien: „So ist Fußball. Manchmal gewinnt der Bessere!“ 
Nach dem Halbfinale gegen Frankreich1982 waren sich die meisten darüber einig, dass in diesem denkwürdigen Match nicht der Bessere gewonnen hatte. Gegen elegant spielende offensivstarke Franzosen hatte sich eine willensstarke ruppige deutsche Mannschaft doch noch durchgesetzt, nachdem sie schon fast aussichtslos in der Verlängerung mit 1:3 zurückgelegen hatten. 3:3 hieß es nach 120 Minuten und im Elfmeterschießen hatten die deutschen Schützen schließlich die stärkeren Nerven, das größere Glück und einen Elfmetertöter zwischen den Pfosten, der zwei Buden verhinderte und in Deutschland zum Nationalhelden in diesem „Jahrhundertmatch“ verklärt wurde. Toni Schuhmacher, die Nr.1 im deutschen Team, war der Protagonist dieses Fußballdramas, aber nicht nur wegen seiner sportlichen Großtaten. In der 59. Minute flog ein langer Pass in Richtung deutsches Tor, der französische Stürmer Patrick Battiston jagte dem Ball nach, Schuhmacher raste wie ein Berserker aus seinem Gehäuse, um den Ball abzuwehren. Dabei traf seine Hüfte mit voller Wucht den Kopf des französischen Stürmers, der ging zu Boden, blieb bewusstlos liegen und wurde mit schweren Verletzungen ins Krankenhaus eingeliefert. Ein brutales Foul, das absurderweise ungeahndet blieb.

Aus zahlreichen Interviews, Zeitungsberichten, Gesprächen und Aussagen von Beteiligten hat Michael Neukirchner seinen Text gefiltert, szenisch bearbeitet, angelegt in Dialogen und aufgeteilt auf die beteiligte Personen, Spieler, Trainer und Sportreporter. Alle verwendeten Sätze sind Originalzitate, chronologisch sortiert und geschickt montiert zu einer spannenden Erzählung, die beginnt mit dem Eintreffen der Mannschaften im Stadion, sich fortsetzt in der Schilderung der Geschehnisse auf dem Platz und endet mit den Reaktionen von Presse und Zuschauern nach dem Spiel.

Auf der Bühne des Schauspielhauses steht eine schmaler Tisch, darauf ein Wald von Mikrophonen wie auf einer Pressekonferenz. Darüber hoch aufgehängt ein runder riesiger Monitor, auf dem im Laufe des Abends immer wieder Fotos vom Geschehen eingeblendet werden, flankiert von zwei Scheinwerfer-Batterien, die an Flutlichtblocks erinnern. Der Schauspieler Peter Lohmeyer betritt die Bühne und beginnt ohne Verzögerung mit der Erzählung. Sehr gekonnt wechselt er von einer Rolle in die nächste, jeder Charakter bekommt eine eigene Farbe, eine eigene Sprache. Karl-Heinz Förster schwäbelt, Paul Breitner grantelt bayrisch, Pierre Littbarski überrascht mit einem schelmischen Kölsch, Platini und seinen Mitspielern verleiht er einen sympathischen französischen Akzent.  Dabei überzieht er nie, sehr fein abgestimmt und dosiert serviert Lohmeyer eine Stimmenvielfalt, aus der auch immer wieder der damalige Sportreporter Rolf Kramer sehr unterhaltsam herausragt. Das ist alles wunderbar lebendig vorgetragen, formidable Schauspielkunst. Dann wird Toni Schuhmacher angekündigt, um eine persönliche Erklärung zu verlesen, eine endgültige Stellungnahme zu dem Fußballdrama, in dem er im Mittelpunkt stand. Er habe nicht gewusst, sagte er vor einiger Zeit, wie sehr Patrick Battiston noch 41 Jahre nach dem Foul an Spätfolgen leide. Und er reagierte durchaus betroffen: „Das höre ich zum ersten Mal. Das ist schlimm. Das tut mir sehr leid.“ Nun sitzt er dort auf der Bühne und sagt, wie sehr ihm das alles nahegegangen sei. Ja, das klingt alles ehrlich, sein Bedauern ist echt, seine Anteilnahme nicht aufgesetzt. Es ist ihm anzumerken, wie sehr er bemüht ist, die Dinge für sich und die Welt ins rechte Licht zu setzen. Mit Battiston habe er sich ausgesprochen, versichert er – und vielleicht wäre es gut gewesen, den Abend in dieser Nachdenklichkeit enden zu lassen.
Aber dann ist es ihm auf einmal doch wichtig zu betonen, dass er in einer ähnlichen Situation als Torwart wieder genauso reagieren würde. Denn damals wie heute sei es darum gegangen, für die Mannschaft zu arbeiten für das gemeinsam Ziel ggf. auch die eigene Gesundheit aufs Spiel zu setzen.
An diesem Punkt gerät der Abend ein wenig in Schieflage, denn plötzlich werden dann – Ende gut, alles gut –  doch wieder die deutschen Fussballtugenden gefeiert, der Durchhaltewille, die eisenharte Disziplin, das Grasfressen für den Sieg, mit allen Mitteln. Alles andere heilt die Zeit, da wächst der Stadionrasen drüber oder um es noch einmal mit Lukas, dem Kicker-Philosophen zu sagen: „Fußball ist einfach: Rein das Ding – und ab nach Hause.“ Denn der Sport steht über allem.
Weniger die Sportlichkeit. Beinahe wären Schuhmacher, Rummenigge, Fischer und Co. nämlich gar nicht ins Halbfinale gekommen! Denn da gab es ja auch noch dieses andere „legendäre“ Spiel, als die Deutschen, die grottenschlecht in das Turnier gestartet waren, kurz vor dem Ausscheiden standen und nun gegen Österreich auf dem Rücken der kleinen Fußballnation Algerien mehr als 60 Minuten ein peinliches, höchst unsportliches Nichtangriffsgekicke zelebrierten, was den Kommentator des ORF so maßlos ärgerte, dass er die Zuschauer aufforderte, die Fernsehgeräte abzuschalten. Dieses Drama ging als „Schande von Gijon“ in die Geschichtsbücher ein und ist ganz sicher auch einen Theaterabend wert.