Borcherts Nachkriegsdrama expressiv auf die Bühne gebracht

Das Kinder- und Jugendtheater (KJT) Dortmund präsentierte am 23.02.2024 die Premiere des Nachkriegsdramas „Draußen vor der Tür“ (ab 14 Jahre) von Wolfgang Borchert (1921-1947) unter der Regie von KJT-Intendant Andreas Gruhn. Fast das gesamte Ensemble war an der Aufführung des schweren Stoffes beteiligt. Das Bühnenbild war düster gehalten, und auf der großen Wand wurde Videosequenzen (von Stalingrad, der Elbe und andere) im Hintergrund projiziert.



Das Drama zwischen Traum und Wirklichkeit wurden mit dem speziellen Kostümfundus aus der damaligen Zeit unterstrichen. Die Elbe bekam in Persona von Sar Alina Scheer im grünen zotteligen Kostüm einen selbstbewussten Auftritt. Verletzungen als Folge des Krieges wurden dem Publikum schonungslos gezeigt.

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Auch Gott (Rainer Kleinespel) weist jede Verantwortung für den Krieg und das Elend von Beckmann  (Jan Westphal) zurück. (Foto: Birgit Hupfeld)
Auch Gott (Rainer Kleinespel) weist jede Verantwortung für den Krieg und das Elend von Beckmann (Jan Westphal) zurück. (Foto: Birgit Hupfeld)

Kriegsheimkehrer Beckmann, synonym für all die physisch und psychisch traumatisierte Soldaten, kehrt aus der Gefangenschaft nach Hamburg zurück.

Nichts ist dort mehr wie es war. Seine Frau hat einen neuen Mann, sein kleiner Sohn ist tot, sein Vater war ein Nazi und hat sich mit seiner Mutter selbst „entnazifiziert“, also umgebracht. Niemand will mehr etwas von dem Kriegsgrauen und Schuld hören. Das Leben muss weitergehen. Er fühlt sich als Fremder „draußen vor der Tür“.

Beckmann, intensiv gespielt von Jan Westphal, mit Gasmaskenbrille, schäbigen Soldatenmantel und kurzgeschorenen Haaren, möchte sich verzweifelt mehrfach im Traum das Leben nehmen. Der „Andere“ als lebensbejahend- optimistischer Jasager, wurde kongenial von Thomas Ehrlichmann dargestellt. Dieser versucht mit aller Energie, Beckmann zum Weiterleben zu bewegen. Ein Rat ist, die Verantwortung und damit Schuld an dem gewissenlosen Oberst (Andreas Ksienzyk) abzugeben. Der kann mit dem Begriff „Verantwortung“ nichts anfangen. Das geht natürlich nicht. Auch Gott (Rainer Kleinespel) kann nicht zur Verantwortung gezogen werden.

Im Gegensatz zu den anderen Personen der Handlung kann Beckmann nicht mit seiner Verantwortung und Schulgefühlen als ehemaliger Unteroffizier ruhig sein Leben fortsetzen. Glaube, Liebe, Hoffnung schwinden immer mehr. Auch der kleine Funken Menschlichkeit, die er beim fremden Mädchen (Annika Hauffe) spürt, bleibt nur ein ganz kurzer Lichtblick. Es ist die Frau des Einbeinigen, deren Verlust des Beines und spätere Freitod er sich schuldig fühlt. Der einzige Kriegsgewinnler ist der fette Tod (Andreas Ksienzyk).

Wie soll es weitergehen? Was gibt noch einen Sinn? Er bekommt keine Antworten.

Eine starke Leistung des gesamten KJT-Ensembles. Den Schauspieler*innen gelang es, sich glaubhaft in verschiedenen Rollen und Charaktere hineinzuversetzen, die sie auf die Bühne bringen mussten.

Ein Bühnenstück von (leider) zeitloser Aktualität, wie die gegenwärtigen Kriege und Spannungen zeigen. Es kann eine Mahnung sein, sich nicht für terroristische Anschläge oder Angriffskriege instrumentalisieren zu lassen.

Wie Wolfgang Borchert es in einem Prosatext so deutlich sagt: Dann gibt es nur eins. Sag nein!

Infos zu weiteren Aufführungsterminen erhalten Sie wie immer unter www.theaterdo.de oder Tel.: 0231/ 50 27 222




Jugendclub 18Plus-Projekt – „Nichts. Was im Leben wichtig ist“

Im Studio des Dortmunder Schauspiels hatte der neue Jugendclub 18Plus am 22.02.2024 mit ihrer Projektarbeit „Nichts. Was im Leben wichtig ist“ von Janne Teiler (nach der deutschen Übersetzung von Sigrid C. Engeler. Bühnenfassung Andreas Erdmann) seine Premiere. Regie führte Sarah Jasinszczak.



Das Bühnenbild war mit sechs großen roten Buchstaben „NICHTS“ und einem Papierberg im Hintergrund von Sandra Kania nicht nur auffällig gestaltet, sondern die einzelnen Buchstaben konnten auch multifunktional von den acht schauspielenden Personen (18–20 Jahre) bei der Aufführung genutzt werden.

Jugendclub18Plus. Simon Thomae, Sarah Gißübel, Philo Schwippert, Valdrina Jusufi, Lisa Winkelmann, Louis Koppelkamp, Stella Hanke, Ari Trapani
Foto: (c) Birgit Hupfeld

Die Geschichte ist in einer Kleinstadt in Dänemark angesiedelt. Der Junge Pierre Anthon sträubte sich schon damals in der achten Klasse gegen jede Art von Bedeutung. Er konfrontierte seine Mitschüler*innen von einem Pflaumenbaum aus mit logisch scharfen Argumenten, die das tradierte (kapitalistische) Wertsystem provokativ in Frage stellte. Die Altersgenossen wollten ihn schließlich mit einem „Berg aus Bedeutung“ in einem Sägewerk vom Gegenteil Überzeugung. Jeder und jede von ihnen musste einen Gegenstand von größter persönlicher Bedeutung ablegen. Der oder die Opfernde durfte festlegen, wer als nächstes welches Opfer zu bringen hatte. Die Situation eskalierte immer mehr bis zum schrecklichen Ende…

Acht Jahre später vergeht immer noch kein Tag, an dem die ehemaligen Schüler*innen nicht daran denken und das Geschehen für das Publikum die Vorgänge nacherzählen.

Als Ich-Erzählerin Agnes (Stella Hanke) hatte neben Pierre Anthon (Louis Koppelkamp) dabei eine besondere Funktion. Die sechs anderen Schauspieler*innen hatte stellten die ihnen zugeordneten unterschiedlichen Charaktere ebenfalls glaubwürdig dar. Eindrucksvoll auch die Szenen im Zeitraffer. Das Studio mit seiner Nähe zum Publikum war genau der richtige Ort für das Bühnenstück. Es wurde auch Life-Musik von Simon Thomae in seiner Rolle als ehemaliger Mitschüler Jan-Johan (Gitarrist) gespielt.

Wegen seiner nihilistischen Aussagen war der Roman umstritten.

Die Fragen nach dem Sinn des Lebens sind gerade heute wie schon damals von existentieller Bedeutung. Ein wichtiges Thema für die junge Bühne in unserer Zeit.

Sinn in seinem begrenzten Leben muss jeder Einzelne selber suchen und finden. Wir haben nur das Eine.

Informationen zu weiteren Aufführungsterminen erhalten Sie wie immer unter www.theaterdo.de oder Tel.: 0231/50 27 222