Stutenbeißen Deluxe – Los(ge)lassen

In der Schauburg Dortmund präsentierten Triarte International und Schnitger Film am 08.10.2023 vorab den neuen Spielfilm von Regisseurin Brigitte Drodtloff „LOS(GE)LASSEN“. Das Drehbuch (Produktion) stammt von Brigitte Drodtloff & Jörg Schnitger, die atmosphärische passende klassische Musik von Anne Nikitin & Tom Kelly.



Der Plot spielt in der Umgebung Münchens während eines kräftigen Schneesturms. Die Stadt wurde vom Blitzeis getroffen und alles ist lahmlegt. Die hochschwangere Alina, eindringlich gespielt von Josefina Vilsmaier – Tochter der Schauspielerin Dana Vávrová (1967-2009) und des Regisseurs Joseph Vilsmaier (1939-2020) – wurde vom Kindsvater und Chef verlassen und lebt aus Kostengründen in einer WG. Sie lebt dort zusammen mit der verbitterten ehemalige Skiläuferin Christa (Mirjam Verena Jeremic), die ihr Bein bei einem Unfall verlor, in der Wohnung der zynisch-hart auftretenden Lucy (Silke Popp). Die hält sich so finanziell über Wasser und pflegt eine offene lesbische Beziehung zu Jessica (Salber Williams), die vor einiger Zeit von Somalia nach Deutschland kam.

Alina ist am Anfang eher eine graue Maus, die unter der Fuchtel ihrer Helikopter-Mutter (Ute Bronder) steckt. Der gelingt sogar der gefährliche Weg zur Tochter. Dann gibt es da noch die Esoterik-Nachbarin Melissa (Valentina Sauca).

Die sechs Frauen mit ihren unterschiedlich-belastenden Päckchen und Lebenseinstellungen im Hintergrundzicken sich sich in erster Linie gegenseitig an, wobei die schüchterne Alina meist das Opfer ist. Durch das Unwetter sind sie aber in dieser Situation auf engem komprimiertem Raum aufeinander angewiesen. In der sich zuspitzenden Situation bröckeln allmählich die Schutzfassaden…

Es ist eine Art Kammerspiel, dass auch für das Theater gut geeignet wäre. Alle möglichen Probleme der Frauen werden oft ironisch-überspitzt und in geballter Form dargestellt. Auch die verschiedenen Ansichten der Generationen aus ihrer Lebensgeschichte werden deutlich.

Den Schauspielerinnen ist es sehr gut gelungen, sich in verschiedenen Persönlichkeiten und deren Situation hinein zu versetzen. Unterstützt wurden sie dabei durch eine sensible Kameraführung (Frank Glencairn).

Es ist (natürlich) kein Film für Action-Fans. In der Problematik der sechs Frauen können viele Zuschauerinnen etwas aus ihrer Lebensrealität widerfinden.

Der Film ist ab Sonntag, dem 15.10.2023 um 13:30 Uhr in der Schauburg (Dortmund) zu sehen. Einlass ist ab 13:00 Uhr.




Eine musikalische Perle des Frühbarocks

Im Rahmen des Klagvokal Musikfestivals Dortmund wurde am 02.10.2023 im hiesigen Reinoldihaus mit Emilio de Cavalieris (1550-1602) „Rappresentatione di Anima, et di Corpo“ (1600) die erste erst vollständig erhaltene Oper konzertant aufgeführt. Das Spiel um Seele und Körper in drei Akten hatte seine Uraufführung im Betsaal der Kirche Santa Maria in Vallicella (Rom).



Mit dieser geistlichen Oper markierte der vielseitig begabte italienische Komponist als ein wesentlicher Impulsgeber den Beginn der frühen Barockzeit mit Monodie (solistischer Gesang mit akkordischer Instrumentalbegleitung) und Generalbass.

Das Ensemble und die beiden Solisten entführten das Reinoldihaus in die Zeit des Frühbarocks. (Foto: (c) Bülent Kirschbaum)
Das Ensemble und die beiden Solisten entführten das Reinoldihaus in die Zeit des Frühbarocks. (Foto: (c) Bülent Kirschbaum)

Im Wesentlichen geht es in der Oper um die damals für den Menschen entscheidende Frage: Genieße ich das irdische Leben in vollen Zügen, ungeachtet der Folgen? Oder richtet man schon jetzt den Blick auf das, was nach dem Tod (laut religiöser Verheißung) folgen wird?

Die (musikalische) Zwiesprache zwischen „Seele“ und „Körper“ mit widersprüchlichen Gefühlen, den Versuchungen und Verunsicherungen. Bildet das Zentrum der Oper. Die weiteren handelnden Figuren (Welt, Rat, Vergnügen, Geist, Weisheit, Vernunft, Schutzengel…) sind vorrangig Allegorien. Nur bei den „Titelfiguren“ (Seele und Körper) handelt es sich um echte Menschen.

Die niederländische Mezzosopranistin Sophia Faltas (Seele) und der Tenor Raffaele Giordati (Körper) gaben den inneren Konflikten zwischen Seele und Körper eine starke eindringliche Stimme.

Der 2004 gegründete belgische Vokalensemble für Musik der Renaissance und Barock begeisterte als Chor, mit ihren einzelnen Stimmen für die weiteren handelnden Figuren aber vor allem auch mit dem ausdruckstarken Zusammenspiel unterschiedlichster Instrumente (Harfe, Viola, Violine, imposanter Posaune, Gitarre, Cembalo, Truhenorgel, Gamba und Theorbe).

Eine Musik voll Anmut und Intensität, mit emotionalen Lamenti, glanzvollem Chor und Einflüssen traditioneller Volksmusik. Sie fand danach bei Claudia Monteverdi ihren Meister.

In der Gegenwart ist die Frage nach den Folgen unseres Handelns (für Umwelt und Gesellschaft) durchaus aktuell. Der religiöse Kontext ist für viele Menschen heutzutage befremdlich. Auch ohne die Hoffnung auf eine „himmlische Belohnung“ nach dem Tod für ein “gottgefälliges“ Leben gibt es genug humanistische Gründe, sich über Gedanken über ein achtsames Verhalten gegenüber uns selbst, anderen Menschen oder der Umwelt im Diesseits zu machen.