Korsische Weltmusik zwischen gestern und heute

Am 06.062023 stand im Rahmen des Klangvokal Musikfestivals Dortmund (domicil) wieder einmal Weltmusik im Mittelpunkt.



Das korsische Ensemble L’Alba (erstmal zu Gast in unserer Stadt) sind in der musikalischen Tradition ihrer Heimat tief verwurzelt, gleichzeitig nehmen sie Elemente aus dem Balkan, Griechenland, Italien, Portugal oder Italien auf. Sie erzeugen zudem Stimmungen, die die Zuhörenden in afrikanische oder orientalische Klangwelten entführen.

Beim Konzert war der meditative, altüberlieferte dreistimmige Männergesang Korsikas in verschiedenen Konstellationen zu hören. Der Gruppe ist es aber gut gelungen, die Musik ihrer Heimat immer mehr zu verfeinern und weiter zu entwickeln. So wartete das Ensemble auch mehrfach mit solistischem Gesang und Anleihen von Folk (bis hin zu leichten Jazz-Elementen) aus verschiedenen mediterranen Ländern auf.

Themen waren etwa die Liebe im Allgemeinen oder zur Natur mit einem leicht melancholischen Unterton. Es wurde jedoch auch viel positive Energie verbreitert.

 Das Publikum wurde nicht nur durch den speziellen Gesang in eine Art Trancezustand geführt. Das Zusammenspiel der der Instrumente und deren Zusammensetzung tun ihr übriges.

Cecce Guironnet sang nicht nur, sondern spielte an diesem Abend gleich mehrere Instrumente bei verschiedenen Songs. Neben der Klarinette sorgte er mit unterschiedlichen Flöten oder einer Art Steinbockhorn für besonderen Klangfarben und Stimmungen.

Neben ihm waren seine gleichwertigen Kollegen Laurent Barbolosi (Violine & Gesang), Sébastien Lafarge (Harmonium & Gesang), Chjuvan Francescu Mattei (Gitarre & Gesang) sowie Éric Ferrari (Bass & Gesang) auf der Bühne engagiert am Start. L’Alba waren gute Musikbotschafter und haben so hoffentlich etwas für den Erhalt dieses immateriellen Kulturerbes Korsikas beigetragen.




Melodramatische Opernrarität voll emotionale Kraft und Energie

Das Klangvokal Musikfestival Dortmund überrascht immer wieder mit speziellen musikalischen Raritäten, gerade auch im Bereich Oper.



Am 03.06.2023 wurde im Rahmen des Festivals so ein „seltener Schatz“ mit der konzertanten Oper „Il Giuramento“ (Das Gelübde) des italienischen Komponisten Saverio Mercadante (1795 – 1870) im Dortmunder Konzerthaus aufgeführt. Das Libretto stammt von Gaetano Rossi (nach der Tragödie „Angelo, tyran de Padoue“ von Victor Hugo).

Das Melodrama hat es in sich und bietet gleich vier dankbare Hauptrollen. Elaísa (Sopran) liebt Viscardo (Tenor), dessen Zuneigung jedoch Bianca (Mezzosopran) gilt. Die wiederum hatte in politisch schwierigen Zeiten dem Vater von Elaísa das Leben gerettet. Als Biancas Mann Manfredo (Bariton) Verdacht schöpft und seine Frau für untreu hält, beschließt er, sie zu vergiften. Dabei hat er selber ein Auge auf Elaísa geworfen. Diese rettet Bianca, indem sie das Gift gegen ein Schlafmittel austauscht. Sie verzichtet auf ihr eigenes Liebesglück. Viscardo denkt fälschlicher Weise, das Bianca von Elaísa ermordet wurde und ersticht diese. Erst als Bianca wieder aufwacht, erkennt er seinen Irrtum….

Neben dem WDR Rundfunkchor als emotionaler Verstärker, wurde die Handlung vom WDR Funkhausorchester unter der lockeren Leitung durch den italienischen Paolo Carignani musikalisch begleitet. Einzelne Instrument aus dem Orchester hatten zwischendurch die Möglichkeit, besondere Akzente zu setzen.

Renommierten Sänger*innen wie Roberta Mantegna (Elaísa), Germán E. Alcántara (Manfredo), Teresa Iervolino (Bianca), Jean-François Borras (Viscardo), sowie in Nebenrollen John Heuzenroeder (Brunoro) und Ivana Rusko (Isaura) überzeugten mit ihren ausdrucksstarken Stimmen.

Das Libretto bietet ihnen viele Möglichkeiten, ihr Können und Sensibilität bei den Kavatinen, Arien, Duetten und Ensembleszenen zu beweisen.

Die Sängerdominanz wurde bei dieser „Reformoper“ zugunsten der Handlung durchbrochen.

Die Partitur besticht vor allem durch die schwärmerischen Tenor- und Bariton-Kantilenen (ähnlich bei Donizetti) oder dramatischen Koloraturen (ähnlich Rossini).

Höchste Emotionalität und dramatische Zuspitzungen erinnern an Verdis späteren Werke.

Es war ein besonderes Gesangsfest, welches vom Publikum mit viel Applaus bedacht wurde.




Eine Nymphe, ein Gott und Barockmusik

Der 2. Juni 2023 stand im Zeichen der Barockmusik. Georg Philip Telemann, Carl Heinrich Graun und Georg Friedrich Händel ließen die Zeit des 18. Jahrhunderts wiederaufleben. Für das Konzert im Reinoldisaal im Rahmen des Festivals Klangvokal gaben sich Sopranistin Sophie Junker und Bariton Tomáš Král die Ehre, unterstützt vom {oh!} Orkiestra unter der Leitung von Martyna Pastuszka.



Doch für die beiden Sänger gab es zunächst eine Pause. Denn zunächst war Telemann an der Reihe und das Orchester spielte seine Ouvertüre-Suite „L’omphale“. Der Titel der Suite bezieht sich auf die griechische Mythologie, genauer gesagt auf Omphale, die Königin von Lydien. Die Suite ist daher von einem gewissen mythologischen und exotischen Flair geprägt. Charakteristisch für „L’omphale“ ist Telemanns geschickte Instrumentation und seine Fähigkeit, verschiedene Klangfarben zu nutzen, um die verschiedenen Stimmungen und Charaktere der einzelnen Sätze hervorzubringen. Diese Aufgabe wurde vom {oh!} Orkiestra mühelos umgesetzt.

Dann wurde es Zeit, die Geschichte von Apollo und Daphne zu erzählen, oder besser zu singen. Worum geht es? Apollo verfolgte Daphne hartnäckig, während sie seine Annäherungsversuche energisch ablehnte. Um ihrer Verfolgung zu entkommen, flehte Daphne zu ihrem Vater und bat ihn um Hilfe. Peneios erhörte ihr Gebet und verwandelte sie in einen Lorbeerbaum, der als Symbol der Reinheit und des Schutzes galt. Die Geschichte von Apollo und Daphne symbolisiert die Unmöglichkeit der Liebe zwischen einem göttlichen Wesen und einer sterblichen Kreatur. Sie thematisiert auch das Streben nach Freiheit und den Widerstand gegen die Liebe, die oft als unausweichliche und unkontrollierbare Kraft dargestellt wird.

Es ist kein Wunder, dass Barockkomponisten diese Geschichte liebten und vertonen mussten. Das geschah oft in Form der Kantate, die meisterlich durch Johann Sebastian Bach ausgeführt wurde. Graun lässt in seiner Kantate „Apollo amante di Dafne“ nur den Gott zu Wort kommen, so dass wir zunächst Bariton Tomáš Král erleben, der die Verwandlung von Daphne in einen Lorbeerbaum beklagt.

Nach der Pause stand Händel mit seiner Kanrtate „Apollo e Dafne“ auf dem Programm. Die Musik von „Apollo e Dafne“ zeichnet sich durch ihre Virtuosität, ihre lyrische Schönheit und ihre emotionale Ausdruckskraft aus. Händel verwendet eine breite Palette musikalischer Ausdrucksmittel, um die Gefühle und Charaktere der Protagonisten darzustellen. Die Musik ist reich an melodischen Erfindungen, kunstvollen Ornamenten und kontrapunktischen Passagen. Auch die beiden Solisten waren in guter Stimmung.  Tomáš Král als auch Sophie Junker, die uns schon im November 2021 in die Barockzeit entführte, schafften es, uns mit ein paar kleinen Schauspieleinlagen die Handlung näherzubringen. Dass beide über außergewöhnliche Stimmen verfügen, machte den Musikgenuss an diesem Abend komplett.




Tanztheater – mittendrin statt nur dabei

Mit dem Stück „Sitzen ist eine gute Idee“ präsentierte Antje Pfundtner im Theater im Depot ein Stück um das Thema „wofür würdest du aufstehen?“ Dabei kombinierte die Choreografin verschiedene Elemente zu einem Programm, dass das Publikum integrierte.



Wer kennt es nicht, die „Reise nach Jerusalem“? Antje Pfundtner eröffnete damit ihr Stück. Die einzelnen Menschen mussten auf Aufforderung ihren Platz wechseln, doch keine Angst, niemand musste stehen. So unterhaltsam ging es weiter. Statt von weitem auf eine Bühne zuschauen, wurden wir Teil ihrer Performance und ob sie uns direkt berührte oder einen Ball durch die Reihen schoss, es wurde nie langweilig.

Das ist eben das Schöne, was Live-Kunst ausmacht, mal eben ein Teil der Inszenierung zu werden und nicht etwas passiv über den Bildschirm zu konsumieren.

Aber was ist mit dem Gegensatz von Sitzen und Aufstehen? Ist Aufstehen immer etwas Aktives und sitzen passiv? Ist Sitzen „für den Arsch“ wie es Fußballfans deklamieren, die lieber auf ihrer Stehplatztribühne stehen.

Und zum Schluss die spannende Frage: Wann stehen wir – das Publikum – auf? Wann wissen wir, wann das Stück zu ende ist? Klar, nach dem Schlussapplaus. Aber wenn der nicht kommt? Haben wir den Mut, aufzustehen und zu gehen?

„Sitzen ist eine gute Idee“ zeigt uns auf unterhaltsame Weise den Unterschied zwischen Sitzen und Aufstehen. Wobei ja es ja auch mit dem Aufstehen nicht getan ist…Was folgt danach?

Antje Pfundtner war nicht allein, sie kam „in Gesellschaft“, das heißt zusammen mit ihrem Team, mit dem sie gemeinsam Theaterstücke entwickelt.