Frauen Film Fest Dortmund+Köln 2023 – erfolgreich durchgestartet nach Corona

Am Abend ging in der Dortmunder Schauburg mit der Preisverleihung des 40.Internationalen Frauen Film Fest Dortmund+Köln eine der erfolgreichsten Ausgaben der Festivalgeschichte zu Ende. Die erste nachpandemische Edition wurde von Besucher*innen und Filmschaffenden gefeiert: Rekordzahlen bei den Akkreditierten, zahlreiche ausverkaufte Vorstellungen und intensive Debatten in Dortmund und Köln.



Der mit 15.000 Euro dotierte Preis des IFFF Dortmund+Köln ging in diesem Jahr an den spanischen Wettbewerbsbeitrag MOTHERHOOD (LA MATERNAL) der Regisseurin Pilar Palomero. Er erzählt von der 14-jährigen Carla. Sie schwänzt die Schule, hängt mit ihrem Freund ab und streitet mit ihrer Mutter. Als die
Schwangerschaft festgestellt wird, findet sie in »La Maternal«, einem Zentrum für jugendliche Mütter, Hilfe und neue Verbündete. Wie wird man Mutter, wenn man selbst noch ein Kind ist? Palomero arbeitet mit Laien, die ihre eigenen Geschichten erzählen. Grandios ist die junge Hauptdarstellerin Carla Quílez.
Die Jury war mit den deutschen Filmschaffenden und filmpolitischen Aktivistinnen Helke Sander, Sara Fazilat und Maria Furtwängler besetzt. Bei der Preisverleihung riefen sie ausdrücklich zur Solidarität mit den Frauen in Iran auf.

Jury und Preisträgerinnen mit Festivalleiterin Maxa Zoller. (Foto: (c) Julia Reschucha)
Jury und Preisträgerinnen mit Festivalleiterin Maxa Zoller (2. Reihe Mitte). (Foto: (c) Julia Reschucha)

Der Internationale Spielfilmwettbewerb präsentierte acht aktuelle Spielfilme aus Brasilien, Deutschland, Frankreich, Indonesien, Mexiko, Palästina und Spanien.
Er gibt Regisseur*innen eine Plattform, die interessante Debüts vorgelegt hatten oder bereits ein größeres Œuvre aufweisen. Das Preisgeld wird zwischen der Regisseurin (5.000 Euro) und dem deutschen Verleih (10.000 Euro) geteilt. Damit soll der Vertrieb der Filme von Regisseurinnen in Deutschland unterstützt werden.

Nach Auszählung der letzten Stimmen stand fest: Der mit 1.000 Euro dotierte Publikumspreis der Sparkasse Dortmund ging in diesem Jahr an die Dokumentarfilmerin Claudia Richarz für HELKE SANDER: AUFRÄUMEN. Er ist das Porträt der bahnbrechenden Filmarbeit von Helke Sander – Filmemacherin, Autorin, Mitbegründerin der zweiten deutschen Frauenbewegung, Gründerin der ersten europäischen feministischen Filmzeitschrift »Frauen und Film«. Diese ganz aktuelle Arbeit von Claudia Richarz (VULVA 3.0, ABNEHMEN IN ESSEN, u.a.) feierte in Dortmund Weltpremiere. Sie nahm den Preis am Abend persönlich entgegen. Den Preis übergab Gabriele Kroll als Vertreterin des Vorstandes des Sparkasse Dortmund. An der Abstimmung um den Publikumspreis nahmen alle Festivalfilme teil, die in den letzten zwei Jahren entstanden waren und länger als 60 Minuten sind.

Weitere Preisträgerinnen: • Shoot KHM & IFFF Dortmund+Köln Nachwuchspreis für Künstlerinnen der KHM geht 2023 an Hanna Noh
• ECFA Kurzfilmpreis geht an TULA von Bea de Silva




IFFF Tag 6 – Music

Am Abschlusstag des IFFF Dortmund/ Köln 2023 ging mit „Music“ eine lose moderne Adaptation der Ödipus-Tragödie von der Schauspielerin und Regisseurin Angela Schamelec als letzter Wettbewerbsfilm in der Dortmunder Schauburg an den Start.



Die Geschichte führt über Griechenland nach Berlin, von den 1980-iger Jahren bis in die Gegenwart. Jon wächst nach seiner Geburt in Griechenland bei seinen Stiefeltern auf. Diese hatten ihn in einer stürmischen Nacht in den griechischen Bergen gefunden und adoptiert. Als Erwachsener lernt er die Iro kennen. Sie ist Aufseherin des Gefängnisses, in das er wegen eines tragischen Unfalls inhaftiert ist. Sie kümmert sich sehr um ihn und sie kommen nach der Haftzeit zusammen. Jon hatte unwissentlich seinen Vater getötet und sein Augenlicht beginnt langsam zu schwinden Die Musik als Ausdrucksmittel hilft ihm am Ende zu überleben. Jeder schmerzliche Verlust gibt ihm auch etwas zurück und macht sein Leben reicher. Der Film kreist um Geburt, Liebe, Schmerz und Heilung. Was kann aus Schmerz entstehen?

Szene aus "Music" (Foto: (C) IFFF)
Szene aus „Music“ (Foto: (C) IFFF)

Die mit großer Präzision und Intensität inszenierten Bilder werfen Fragen um Beziehungen, Räumen, Verlusten und Erfüllung im Leben auf.

Die Long Takes werden im Film oft bis an die Schmerzgrenze ausgereizt und macht ihn für mich etwas langatmig. Auch die ständigen Bildschnitte irritieren (gewollt?). Zusammenhänge sind für den Zuschauenden so schwerer zu erkennen.

Die Musik ist ein zweites bedeutendes Element des Films. Meist melancholische Barockmusik – von Bach, Monteverdi oder Pergolesi.

Der Darsteller des Jon überzeugt mit einer klaren starken Stimme.




IFFF Tag 5 – Mediterranean Fever

So ein wenig ähnelt der Plot von „Mediterranean Fever“ von Regisseurin Maha Haj an den französischen Film „Die Filzlaus“ von 1973 mit Jacques Brel und Lino Ventura. Ein depressiver Mensch mit Selbstmordabsichten sucht einen Auftragskiller und findet ihn beim kleinkriminellen Nachbarn.



In „Mediterranean Fever“ spielt der Nahostkonflikt eine bedeutende Rolle, beide Protagonisten sind offenbar Palästineser, die in Haifa (Israel) leben. Waleed ist Schriftsteller, der wegen seiner Depression an einer Schreibblockade leidet und sein Nachbar Jalal arbeitet überall auf dem Bau, hat aber auch kriminelle Geschäfte, die ihn einholen.

Ausschnitt aus dem Film "Mediterranean Fever" (Foto. (c) Pallas-Film)
Ausschnitt aus dem Film „Mediterranean Fever“ (Foto. (c) Pallas-Film)

)So entwickelt sich im Film eine Männerfreundschaft, die zunächst geprägt ist von beiderseitiger Abneigung, bis sie sich besser kennenlernen. Diese Nähe zu kriminellen Geschäften nutzt Waleed aus, um Jalal nach einem Auftragsmörder zu fragen.

Diese schwarze Komödie stellt zwei unterschiedliche Männer gegenüber. Den depressive, antriebslosen Waleed und den patenten Jalal. Aus dieser Kombination ergeben sich zwangsläufig humorvolle Situationen. Der Nahostkonflikt hängt wie eine Wolke über dem Film. Meist wird er in den Fernsehnachrichten thematisiert, er spielt auch eine Rolle in den Schulproblemen mit Waleeds Sohn.

Sehr gut gelungen sind die Bilder, die neben schönen Strandbildern auch einen kleinen Einblick in das arabische Leben im israelischen Haifa zeigen. Dazu kommen zwei gute Hauptdarsteller.




IFFF Tag 5 – The Realm of God

Am 22.04.2023 stand in der Dortmunder Schauburg „The Realm of God“, von der mexikanischen Regisseurin Claudia Sainte-Luce als Wettbewerbsbeitrag des IFFF Dortmund/Köln auf dem Programm.



Wenn in einem Film die Hauptfigur „Neimar“ heißt, ähnlich wie der brasilianische Fußballstar, der junge Schauspieler im wahren Leben den Vornamen Diego Armando trägt, wie die argentinische Fußballlegende, dann könnten die Zuschauer:innen einen veritablen Fußballfilm erwarten. Doch weit gefehlt. Dieses Coming-of-Age Drama um den achtjährigen Neimar ist von Erfahrungen in der eigenen Familie geprägt.

Der junge Neimar lebt mit Mutter und Großmutter in ärmlichen Verhältnissen in einer stark katholisch beeinflussten ländlichen Gegend in Mexiko.

Sein Vater ist abwesend, und der offene und neugierige Junge ist oft auf sich alleine gestellt.

Er ist ein guter und fleißiger Junge kurz vor seiner Kommunion, der die Existenz Gottes gerne in sich erfahren möchte.

Höflich und verständnisvoll ist er gegenüber seiner gläubigen Mutter, selbst wenn sie fade lauwarme Suppe kocht oder erklärt, nicht genug Geld für ein Outfit zur Kommunion zu haben.

Manchmal amüsiert sich Neimar über seine streitbare Großmutter und kann fantasievoll mit seiner besten Freundin Naomi spielen. Beide gehen auch am Sonntag zusammen in die Kirche.

Seine besondere Leidenschaft gilt den Rennpferden und dem Rennsport.

Er lernt viel über die Tiere und wird nebenbei von den Männern in die „Machowelt“ eingeführt. Schmerzhafte, unerwartete und lebensverändernde Ereignisse lassen ihn Existenz Gottes in Frage stellen.

Der Film lässt das Publikum das leben direkt mit den Augen des staunenden Kindes sehen. Eine behutsame fast dokumentarische Kameraführung bringt jede Emotion (Freude und Wut) des Jungen nah an die Zuschauenden heran.

Deren Bandbreite und Intensität wird durch das natürliche Spiel von Diego Armando Lara Lagunes als Neimar wunderbar auf den Bildschirm gebracht.