Wiener Klassik: Over the Rainbow

Die Wiener Klassik in Fusion (bitte engl.) mit klassischen US Jazz aus Hollywood?

Geht das?



Ja! Sogar besser als Disney und europäische Märchen, besonders in einem Arrangement für Philharmoniker. Dieses zweite, leichtfüßige Konzert der Dortmunder Philharmoniker Wiener Klassik stand unter dem Motto „Over the Rainbow“.

Als Gastsolistin interpretierte Lucienne Renaudin Vary das beliebteste Trompetenkonzert der Klassik, Konzert für Trompete und Orchester Es-Dur, von Johann Nepomuk Hummel und zwei verträumte All-time-Favourites des Jazz, „Over the Rainbow“ von Harold Arlen aus dem Hollywood Klassiker „Wizard of Oz“ mit der unvergesslichen Judy Garland und „My Favourite Things“ von Richard Rodgers aus dem Hollywood Musical „The Sound of Music“. Renaudin Vary verführte dabei das Publikum zu Begeisterungstürmen. Leichtfüßig, und barfüßig, entführte sie die Zuhörer im Konzerthaus mit den Dortmunder Philharmonikern und dem Dirigat von Lucie Leguay. Irgendwie schwappte bei mir im Hinterkopf ein anderer Hollywood Klassiker, „Die barfüßige Gräfin“, mit Ava Gardner. Humphrey Bogart und Edmond O’Brien, seiner Gesellschaftskritik und zynischen Philosophie. Wie im Trompetenspiel oder dem Dirigat kein Zynismus oder Gesellschaftskritik lag oder hineingelegt wurde. Und dann war da noch Sandie Shaw, die mit „Puppet on a String“ den Eurovision Song Contest 1967 in Wien gewann. Damals war ihr barfüßiger Auftritt in der Hofburg ein Skandal … Dann kam 1968, die 68er, und vieles änderte sich.

Johann Nepomuk Hummel war ein Schüler von Wolfgang Amadeus Mozart, was im Konzert für Trompete und Orchester Es-Dur zu hören war, ohne das es eine Kopie von Mozart gewesen wäre. Das Stück wurde einfühlsam von den Dortmunder Philharmonikern gespielt. Das Solo von Lucienne Renaudin Vary zeigte dann auch die von Hummel für Anton Weidinger komponierte Musik für die von ihm eingeführte Innovation für die Trompete. Die Trompete wurde so variabler, melodischer und einer Stimme gleich, was durch das Spiel von Vary wundervoll zum Ausdruck kam.

„Over the Rainbow“ von Harold Arlen für den Film Wizzard von Oz mit Judy Garland in der Hauptrolle fügte sich wunderbar in das Konzert ein, Die Trompete gab fast den Eindruck der Stimme von Garland, ihren Traum, ihre Sehnsucht … Das Arrangement von Chris Hazell für Solotrompete entbehrte dabei das leicht schwülstige aus der Hollywood-Verfilmung und wirkte leichtfüßig, ja verspielt..

“My Favourite Things” von Richard Rodgers aus dem Hollywood Musical “The Sound of Music”. Ja die Trapp Familie und der US-Amerkanische Kitsch … Dank des Trompetensolos von Vary konnte man die Bratfettsammeldose getrost vergessen. Es fehlte zum Glück das Unerträgliche, Pathetische, das dem deutschen Film, auf dem die US Produktion beruht, und der Bühnen- und Hollywoodproduktion, anklebt. Wie gesagt, Vary und ihr Trompetensolo retteten in meinen Augen dieses Stück.

Pathetisch kommt uns meist der Autor des vierten Musikstücks des Abends daher, die Sinfonie Nr. 4 B-Dur op. 60. Man denke an die 3. Sinfonie, die Eroica, von Ludwig van Beethoven, ursprünglich Napoléon Bonaparte gewidmet, die 5., die Schicksalssinfonie, die 6., die Pastorale, oder die 9. … mit der Ode an die Freude, der Europa Hymne. Ja unser Ludwig van Beethoven war nicht gerade für Leichtfüßigkeit bekannt, oder sein sonniges Gemüt … eher das Gegenteil, was sich im Alter aus bekanntem Hörverlust noch steigerte.

Die uns von der Dortmunder Philharmonie dargebrachte 4. Sinfonie ist heiter und spiegelt die Glücksgefühle eines gerade verliebten Beethoven wieder … gekonnt intoniert von unseren Philharmonikern.

Ein musikalischer Hochgenuss war dieser Abend mit den Dortmunder Philharmonikern mit Solistin Lucienne Renaudin Vary unter dem Dirigat von Lucie Leguay … man möchte mehr davon.




Rosenkranzsonaten von Biber – Barockes Kleinod im Konzerthaus

Am 09. März 2023 war es im Konzerthaus wieder soweit: Die Reihe „Musik für Freaks“ lud Musikinteressierte ein und präsentierte ein besonderes Schmuckstück: Die Rosenkranzsonaten von Heinrich Ignaz Franz Biber (1644-1704). Die Violinistin Mayumi Hirasaki präsentierte mit ihren drei Mitstreiter:Innen sämtliche Sonaten plus die „Schutzengel-Sonate“.



Oft werden nur Teile der Rosenkranzsonaten aufgeführt, so war es am Donnerstag ein Erlebnis dieses Kleinodes der Barockmusik in voller Länge zu erleben. Das Konzert war wie geschaffen für Hirasaki, denn als Barockgeigerin hat Hirasaki einen tiefen Respekt für historische Praktiken und Spieltechniken, die sie in ihrer Interpretation von Barockmusik zum Ausdruck bringt. Ihre Violine klang leise und elegant, konnte aber auch stürmisch sein. Ihre Mitstreiter:innen bei diesem Konzert waren Jan Freiheit (Viola da Gamba), Michael Freimuth (Theorbe) und Christine Schornsheim (Cembalo, Orgel).

Mayumi Hirasaki faszinierte mit ihren Mitmusiker:innen bei ihrem Konzert von Bibers "Rosenkranzsonaten". (Foto: (c) Harald Hoffmann)
Mayumi Hirasaki faszinierte mit ihren Mitmusiker:innen bei ihrem Konzert von Bibers „Rosenkranzsonaten“. (Foto: (c) Harald Hoffmann)

Die Rosenkranzsonaten von Heinrich Ignaz Franz von Biber sind eine Sammlung von 15 Kammermusikwerken für Violine und Basso Continuo, die um 1675 entstanden sind. Jede Sonate ist einem der 15 Mysterien des Rosenkranzes gewidmet und enthält eine kurze Beschreibung des jeweiligen Mysteriums.

Verschiedene Stimmungen der Violine

Die Rosenkranzsonaten sind bekannt für ihre technische Virtuosität und ihre ausdrucksstarke Musikalität. Biber nutzt eine Vielzahl von Spieltechniken und Effekten, um die verschiedenen Stimmungen und Emotionen der Mysterien darzustellen. Zum Beispiel verwendet er ungewöhnliche Stimmungen und Bogenführungen, um die klagenden Klänge der Kreuzigung darzustellen, während er in anderen Sätzen schnelle Läufe und virtuose Passagen einsetzt, um die Freude und das Jubel der Auferstehung zu vermitteln.

Geführt von Hirasaki konnten die vier Musiker:innen in die die komplexe und virtuose Welt von Biber eintauchen, der selbst ein guter Violinist gewesen sein soll. Vom ruhigen, träumerischen Beginn der ersten Sonate („Die Verkündigung“) über die traurigen-melancholischen Sonaten („Dornenkrönung“ und „Kreuzigung“) bis hin zu erhabenen Sonaten („Mariae Himmelfahrt“). Zusätzlich spielte Hirasaki noch die 16. Sonate oder „Schutzengel-Sonate“, die aus einem Soloviolinenpart besteht.

Ein gelungener, intimer Abend, der sich Zeit nahm, die kompletten Rosenkranzsonaten in einem Konzert zu spielen und somit die Zuhörenden verzauberte.