Die schönste Zeit des Jahres?

Oder von Freunden, Verwandten und anderen Tieren zur Weihnachtszeit … ein satirischer Abend

Eine besinnlich-satirische Lesung zur Adventszeit mit Texten von Loriot, Wiglaf Droste, Lala Alkün und musikalischer Begleitung durch Maik Fuhrmann und seiner Ukulele, ja die kleine Klampfe, die Marilyn in „Some Like It Hot“ spielte. Seine weiteren fantastischen, zum Teil versöhnenden und zuletzt verstörenden (F*** Christmas) Gesangseinlagen lockerten die Texte der verschiedenen Satiriker auf.



Satire wird ja von vielen aus dem rechten Rand vor allem nicht verstanden, und als Majestätsbeleidung angesehen, wie wir jüngst wieder zu erfahren hatten.

Sarah Quashie und Raphael Westmeier begannen den satirischen Abend mit dem blutigen Advent (Loriot – Advent) der den an Weihnachten oft herrschende Horror überzogen, das Wesen der Satire, durch den Weihnachtspunsch zieht … Wobei ich an eine Roald Dahl Krimiposse erinnert wurde.

Sarah Quashie und Raphael Westmeier lasen, während Maik Fuhrmann auf der Ukulele begleitete. (Foto:  (c) Djamak Homayoun)
Sarah Quashie und Raphael Westmeier lasen, während Maik Fuhrmann auf der Ukulele begleitete. (Foto: (c) Djamak Homayoun).

Das Hawaiianische Jingle Bells holte uns dann aus dem Mord im Forsthaus wieder zurück und brachte uns zu Max Goldt und seinem Der Zauber des seitlich dran Vorbeigehens …  Goldt der uns an einem lärmenden und stark riechenden Weihnachtsmarkt vorbeidrücken lässt, „dank der guten baupolizeilichen Bestimmungen in Deutschland ist es ja möglich, seitlich an so ziemlich allem, was hässlich ist, vorbeizugehen“, jedenfalls zeigt Goldt eine fast unbegrenzte Bereitschaft zu abseitiger Subtilität. Er greift das auf, was durchaus nahe vor Augen liegt, worüber aber kein Mensch redet, weil es sich um einen zunächst sinnarm wirkenden Weihnachtsglitzerstaub der Wahrnehmung handelt. Interessant bei den Bausündenweihnachtsbuden ist, das aus dem Mutterland des Überkommerz unsere hoch kommerzialisierten Weihnachtsmärkte als pittoresk und authentisch angesehen werden …

Nikolaus Heitelbach Nichts als Weihnachten im Kopf

Für die einen muss es Karpfen sein, andere schwören auf die Weihnachtsgans. Lieb gewonnene und mitunter auch nervige Rituale müssen sein, denn erst sie machen die Weihnachtszeit zur schönsten / schlimmsten Zeit des Jahres. Nichts als Weihnachten im Kopf feiert satirisch die Vorfreude aufs Fest, den Adventskranz, das Krippenspiel, den Weihnachtsmarkt mit Glühwein und den Wunschzettel ab, bis es endlich Zeit für die Bescherung ist und sich viele in den Armen liegen und ein paar, nicht wenige, auch in den Haaren.

Die Satiren von Wiglaf Droste, Weihnachten der Kinder wegen und Elf Weihnachtsmänner sollt ihr sein trafen so recht ins Mark, wobei der letzte Text von Droste schon einiges an historischem Wissen verlangte.

Unter dem Christbaum von Lale Alkün zeigt uns den alladvent- und weihnachtlichen Wahnsinn dem wir unterliegen, unterworfen sind, aus der Sicht von nach Deutschland gekommen … mit all seinem Wahnsinn und Zwängen, an denen so manche Zeitgenossen allweihnachtlich schreiend oder tobend zerbrechen … wie ich am eigenen Leib mit meinem Vater erleben musste … Weihnachten als Superstress.

Michael Bergmann und Weihnukka konnte einem an manchen Stellen schon mal im Halse stecken bleiben … Satire mit eingebauter Erinnerungskultur, aber mit einer herrlichen, schonungslosen Satire und Selbstironie, die einen herzlich auflachen lässt. Eines aber schwang unterschwellig in der Bergmann Satire mit, dass dieses ach so christliche Weihnachtsfest eigentlich einen älteren Ursprung hat. Nein nicht jüdisch. Nicht die römischen Saturnalien, von denen wir das egalitäre im Karneval feiern, das Schenken aber beibehalten haben und den intensivsten zwischenmenschlichen Kontakt viktorianisch verdrängten. Weit vor unserer Zeit aus Sumer … das Fest der Einbringung der Wintersaat. Aber auch Heute legen wir noch so mache Saat an diesem Fest, die im Laufe der folgenden Saat aufgeht …

Den Abschluss der Bösartigkeiten gab uns dann Heinrich Böll mit Nicht nur zur Weihnachtszeit. Die Erzählung gilt als die erste Satire von Böll, die er während der Zusammenkunft der Gruppe 47 auf Schloss Berlepsch Anfang November 1952 las. Böll als Ich-Erzähler exemplifiziert bitter und böse den Ernst- oder Wahnsinnsfall: unter Bezug auf die ausgebliebene Aufarbeitung der NS-Zeit speziell im Katholizismus, wobei die Protestanten gerne noch vor 1933 Sieg Heilten, Reichsbischoff Müller und andere Braunauer Vorläufereien. Was wäre, wenn jeden Abend Weihnachten wäre?

Es geht um „Verfallserscheinungen“ in der Verwandtschaft des Ich-Erzählers. Diese nehmen ihren Lauf um Lichtmess 1947 herum, als sich die Tante Milla des Erzählers nicht von ihrem Christbaum trennen will und unausgesetzt schreit, als das Requisit abgeschmückt wird und aus dem Wohnzimmer entfernt werden soll. Weihnachten als Dauerschleife, oder täglich grüßt das Weihnachtsmurmeltier.

Diese Verfallserscheinungen äußern sich in unterschiedlicher Form. Fremdgehen, Tobsuchtsanfall, Auswanderung ganzer Familienteile in das äquatoriale Afrika und sogar Konversion vom Katholizismus zum Kommunismus, welch ein Sakrileg, kommen vor. Die verkehrte dramatische Situation ist: die schrullige Tante Milla geht als einzige in der Verwandtschaft unbeschädigt, Weihnachtsfimmel einmal ausgelassen, aus der Dauerschleifenweihnacht hervor. Äußerlich gesund und munter aussehend, feiert sie mit dem pensionierten Geistlichen aus der Nachbarschaft und den später eigens engagierten Mimen.

Das abschmücken und der Abbau des Weihnachtsbaumes können hier getrost als der 8. Mai 1945 angesehen werden, denn damit war der Nazismus leider nicht zu Ende, und erledigte sich auch nicht in der Folgezeit biologisch. Leider! Denn wir haben immer noch Braunauer Geister, die in unseren Parlamenten sitzen, in den Social Media die WC Geruchs-Stammtischhoheit verlangend und reichsbürgerlichen Putschträumen anheimfallen.

Bitterböser kann der Satireabend nicht klingen … ausklingen.




Wellen, Wald, Rachmaninow – ein Konzertabend mit Sir Simon Rattle

Am Donnerstag, dem 08. Dezember 2022, stand das Dortmunder Konzerthaus ganz im Zeichen von Sir Simon Rattle. Der berühmte Dirigent kam mit seinem London Symphony Orchestra und hatte Sibelius und Rachmaninow im Gepäck.



Wer an diesem Abend der Star war, konnte man am Applaus feststellen: Sir Simon Rattle hatte in Dortmund ein absolutes Heimspiel. Zudem konnte er sich auf seine Londoner Symphoniker verlassen, die ihren Chef nie im Stich ließen.

Das Erstaunliche an den ausgewählten Stücken war, dass die Werke des Finnen Sibelius und des Exil-Russen Rachmaninow allesamt in den USA uraufgeführt wurden.

Die Zeit vor der Pause gehörte den impressionistischen Klangwelten von Jean Sibelius. Die „Okeaniden“ handeln nicht von der finnischen Mythologie, sondern von der griechischen Antike. In der Musik spüren die Zuhörer*innen den spielerischen Wellengang, aber auch die Verlorenheit als kleine Insel im riesigen Meer. Natürlich gehört ein Sturm dazu, der für Dramatik in der Musik zuständig ist, bevor der Ozean sich wieder beruhigt.

Vom Wasser gehen wir in den Wald zu „Tapiola“. Hier dreht sich alles um einen mythischen nordfinnischen Waldgeist. Dazu wird die Musik geheimnisvoll, düster, bisweilen sogar gruselig. Auch wenn man die Tiere im Wald zu hören glaubt, scheint irgendetwas im Wald herumzuschleichen, was man besser nicht zu Gesicht bekommen sollte. Hier schaffen es die London Symphoniker mit Sir Simon Rattle diese dunkle Atmosphäre gekonnt umzusetzen.  

Die dritte Sinfonie von Rachmaninow enthält eine gehörige Portion russischer Heimat. 1936 uraufgeführt, enthält sie keine Spuren des populär gewordenen Jazz, der auch in die klassische Musik Einzug hielt. Daher ist es nicht verwunderlich, dass die damaligen Kritiker die Sinfonie als „steril“ empfanden. Was sie aber in meinen Augen keinesfalls ist. Sie besitzt eine große Portion Melancholie eines Menschen, der im Exil leben muss. Die Musik ist und bleibt hochromantisch.

Danach war das Konzert aber nicht zu Ende, denn Sir Simon Rattle ließ noch eine Zugabe von Dvořák spielen. Dirigent und Orchester wurden verdientermaßen mit Standing Ovations belohnt.