Barock à la Française

Reinhold van Mechelen. Tenor und Dirigat, und sein Ensemble A Nocte Temporis

Barockmusik aus Frankreich ist für die meisten von uns zuerst einmal die Musik, die am Hof von Versailles unter Louis XIV. komponiert und gespielt wurde, allen voran Lully, Charpentier und andere. Vielleicht denken wir auch an den fantastischen Film Le Roi Danse … Es war die Musik die der „Verherrlichung des Königs“ diente, bzw. geschaffen wurde, wie Lully der Initiator es postulierte, obgleich Lully aus Italien stammte. Die Musik war als dynastischer und nationaler Kontrapunkt zur italienischen Musik gedacht.



Van Mechelen brachte uns aber eine andere Zeit und Protagonisten zu Gehör … Während nach dem Tode Louis XIV. das Zeitalter des Barocks endete und das frivole und dem Plaisir verfallene Rokoko mit der Regentschaft des Philip d´Orleans für den unmündigen Louis XV. begann, verharrte die Musik im Barock mit all seiner Bombastik und auch mathematische Strenge.

Barockmusik herrschte vor allem in Frankreich von ca. 1600 bis 1750, während sich die Vorklassik schon mit dem empfindsamen Stil ca. 1720 ankündigte und ca. 1730 bis 1770 zur Klassik wurde. Ab 1770 herrscht in Europa dann die Wiener Klassik (ca. 1770 bis 1830).

In den 1750er Jahren befand sich die Pariser Musik- und Opernwelt in einem Ausnahmezustand, denn in der französischen Hauptstadt schwelte ein Grundsatzkonflikt, der „Buffonenstreit“, welche Musik nun den Primat habe, die italienische oder die französische. Das schloss auch die Frage welcher Operngattung den Vorzug zu geben habe, der bürgerlichen oder der höfischen … Die ersten Glocken der kommenden Revolution läuteten.

Van Mechelen stellte uns nun Jean-Philippe Rameau, Jean-Joseph Cassanéa de Mondonville, Jean-Marie Leclair mit ihren Werken vor.

Aus dem „Buffonenstreit“ gingen am Ende die „Italiener“ hervor mit der frischeren und einfacheren Musik.Die Barockmusik dominierte aber noch weiter die Musik, obgleich sich die Klassik immer mal wieder meldete.

Diese Zeit lassen van Mechelen und sein Ensemble wiedererstehen, inklusive eines Stückes das das Rokoko und sein „Plaisir Absolute“ durchscheinen lässt … inkl. Travestie.

Der Einstieg in die Musik des Spätbarock gab van Mechelen mit der Ouvertüre aus Hippolyte et Aricie von Rameau, bombastisch, vielstimmig und volumig, mit Pauken und Trompeten, à la Lully und Charpentier. Der Zuhörer könnte sich an Le Roi Danse erinnert fühlen, vor meinem Auge tanzte er als Apollo im Garten von Versailles …

Aber die Reise ging weiter mit Arien einfühlsam von van Mechelen vorgetragen und fantastisch von seinem Ensemble begleitet. Alle Stücke des Abends wurden einst von Pierre de Jéliote (1713-97) gesungen. Jéliote wurde nachgesagt, dass er der Einzige gewesen sei, der den wahren Geist der französischen Musik wiederzugeben in der Lage gewesen sei. Er war einer der wenigen Sänger des Ancien Regime der sich eines dauerhaften Nachruhms erfreuen durfte, hätte er denn länger gelebt. Ihre Anfänge 1789 har er erlebt.




Das NEINhorn – Kindertheaterstück um Schwierigkeit des Neinsagens

Im freien Dortmunder Theater Fletch Bizzel gastierte am 04.09.2022 das Duisburger KJT KOM’MA mit dem „NEINhorn“ (nach dem Buch von Marc-Uwe Kling). Regie führte Rene Linke und aus dem Ensemble spielten Christina Wouters und Sascha Bauer.



Bei der Geschichte geht es um ein Einhorn, das in einer traumhaften Welt, in der es alles gibt, was sich Kinder so wünschen (Glücksklee und Zuckerwatte). Alle wollen nur kuscheln und tanzen. Darauf hat da Einhorn keine Lust und sagt zu allem „Nein!“. Das Wort weckt Zauberkräfte und kann die anderen Menschen (Eltern und Freunde) vor den Kopf stoßen und nerven. Manchmal ist diese N-Wort aber auch ein Irrgarten und eine Sackgasse. Das NEINhorn muss sich mit einem Waschbären (will nicht zuhören, einem Hund (ihm ist alles schnuppe), und einer Prinzessin, die immer Widerworte gibt, auseinandersetzen.…

Das Schauspiel fand auf zwei Ebenen statt. Auf der einen Seite waren da beiden Schauspieler*innen, die mit viel Lust an ein wenig Albernheit und Spaß am Spiel in ihren weißen Overalls mit Handpuppen, Requisiten (Einhorn, Krone und Prinzessinnenrock) auf der Bühne agierten. Sie schafften schnell einen guten Draht zu den Kindern im Publikum, die begeistert jede Gelegenheit nutzten, zum Beispiel bei den Wortspielen oder mit Zwischenrufen sich rege zu beteiligen.

Im Hintergrund war zudem noch eine Leinwand aufgebaut. Die Geschichte wurde dort mit wunderbar witzigen Illustrationen von Karl Uhlenbrock begleitet.

Es ist eine lebendige und mitreißende Geschichte um die Schwierigkeit und wichtige Bedeutung des Neinsagens. Nur so können wir eigenen Bedürfnisse und Wünsche kennenlernen und uns eventuell vor unerwünschten Übergriffen schützen. Sie erzählt, wie schnell man sich dabei verrennen kann, zudem jedoch, wie man mit Spielspaß und Phantasie aus einer Sackgasse herauskommen kann.

Wir leben nicht allein auf der Welt und Rücksichtnahme auch auf die Bedürfnisse der anderen Erdbewohner sind für ein friedliches Zusammenleben notwendig.




Wäre Frauenpower die Lösung? – Lysis-Structure im Fletch Bizzel

Wäre das nicht eine schöne Vorstellung? 1914 hätten sich die Frauen in Deutschland, Russland, Frankreich, England, Österreich-Ungarn ihren Männern verweigert und hätten den Ersten Weltkrieg verhindert. So wie in der Komödie „Lysistrata“ von Aristophanes.



Doch wir haben 2022, es tobt der Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine und die Situation der Frauen in dieser Welt könnte nicht unterschiedlicher sein. In dem Stück „Lysis-Structure“ setzt Regisseurin Ayşe Kalmaz zwei Frauen aus unterschiedlichen Orten mit unterschiedlichen Lebensentwürfen in einen gemeinsamen Kontext. Können Frauen aus Dortmund und Batman (südöstliche Türkei) für ein gemeinsames Ziel (Frieden!) einstehen? Die Situation für kurdische Frauen unterschiedet sich fundamental. Das macht Schauspielerin Pelda Bal schon gleich zu Beginn deutlich. Menschen werden verhaftet, getötet.

Das Grundproblem wird klar benannt: Alte Männer, die sich wie absolute Herrscher aufführen und ihre Untertanen wie Bauern in den Krieg schicken. Doch was hilft? Wie bei Aristophanes den Sex verweigern? Ohne Kinder, keine Soldaten, kein Krieg. Aber könnte dann die Menschheit nicht aussterben?

Die Besinnung auf das „weibliche Prinzip“ könnte die Lösung sein, doch was ist das genau? Letztendlich geht es ja nicht um das Geschlecht, sondern um Macht und Machtausübung. Und Macht kann korrumpieren, wie das Beispiel Patricia Schlesinger zeigt und Frauen sind auch nicht per se friedfertiger oder sozialer wie ein Blick nach Großbritannien (Margaret Thatcher) beweist.

Aber das Besondere bei „Lysis-Strcuture“ war das Zusammenspiel der beiden Schauspielerinnen. Sie waren zwar gleichzeitig auf der Bühne zu sehen, dennoch über 4000 km voneinander entfernt. Moderne Technik macht es möglich, dass die emotionalen und intensiven Dialoge zwischen Melanie Lüninghöner und Pelda Bal an beiden Orten gleichzeitig zu erleben waren.

Eine weitere Rolle spielte der Dortmunder Sprechchor, unterteilt in Männer- und Frauenchor, die mittels Videoprojektion als „Volk“ ihre Kommentare abgaben. Zudem gab es kurze Interviews mit kurdischen Frauen.

Ayşe Kalmaz kombinierte die beiden Texte von Aristophanes („Lysistrata“) und „Die Revolte der Frauen“ des türkischstämmigen Autors Nâzım Hikmet zu einer gelungenen Einheit, unterstützt von der sehr emotionalen Leistung beider Schauspielerinnen.

Am 14. Oktober 2022 um 20 Uhr haben die Dortmunder noch einmal die Chance, sich „Lysis-Structure“ im Fletch Bizzel anzuschauen, danach gibt es noch eine Aufführung in Köln.

www.fletch-bizzel.de