Satres „Das Spiel ist aus“ in Gender-Zeiten

Jean Paul Sartres „Das Spiel ist aus“ (geschrieben 1943, Drehbuch 1947), in Deutsch von Alfred Dürr /Uli Aumüller, hatte am 20.01,2022 unter der Regie von Azeret Koua im Studio des Schauspiels Dortmund seine mit Spannung erwartete Premiere.

Die zwei Hauptfiguren, Eve, eine feine Dame der Gesellschaft (Ehefrau des Milizsekretärs André) und der Revolutionär Pierre, kommen aus total unterschiedlichen Welten. Sie werden zur selben Zeit umgebracht und treffen sich im Totenreich. Es stellt sich heraus, dass der „Direktion“ des Totenreichs ein Fehler passiert ist. Beide waren eigentlich füreinander bestimmt und hätten sich bereits vor langer Zeit ineinander verlieben sollen. Innerhalb von 24 Stunden müssen sie es schaffen, sich zu verlieben und jeglichen Zweifel an der gemeinsamen Zukunft hinter sich zu lassen. Nur dann dürfen sie weiterleben. Reichen ihre erwachenden Gefühle? Pierre war Chef der „Liga für Freiheit“ und fühlt sich verpflichtet, seine Mitstreiter (sie wurden von einem Spitzel des Regenten verraten) zu warnen. Eve wiederum möchte ihre Schwester Lucette vor ihrem Mann, der es nur auf das Erbe abgehen hat, schützen.

In der Inszenierung geht es um die Sehnsucht nach der romantischen „rettenden Liebe“, Geschlechterrollen und inwieweit wir durch unseren sozialen, gesellschaftspolitischen Hintergrund determiniert sind.

Raphael Westermeier und Antje Prust in "Das Spiel ist aus" (Foto: © Birgit Hupfeld)
Raphael Westermeier und Antje Prust in „Das Spiel ist aus“ (Foto: © Birgit Hupfeld)

Auf der Bühne stand nur ein multifunktional verwendbarer schwarzer Kasten mit dunklen Vorhängen sowie zwei Mini „Auto-Skooter“. Sarah Yawa Quarshie als Eve und Adi Hrustemović als Pierre gingen voll in ihren Rollen auf.

Die Romantik wurde durch die Farben ihrer Kleidung, sie im pinken Mädchentraum, er im türkisfarbenen Cordanzug mit Feinripp-Unterhemd ironisierend betont.

Es wurden auch viele passende bekannte Schlagertextzeilen, etwa Helene Fischers „Atemlos“, eingeworfen. So kam es zu einigen komischen Momenten.

Hervorragend aufgelegt und mit viel Humor zeigten sich Antje Prust und Raphael Westermeier. Sie mussten in verschiedene Rollen schlüpfen, was sie mit einer gehörigen Portion Spielwitz taten. Es war ihnen anzumerken, mit welcher Freude und Lust sie in verschiedene Geschlechterrollen schlüpften. Antje Prust überzeugte etwa in der Rolle des dominanten Regenten genauso wie als Schwester von Eve. Raphael Westermeier, ebenso als Marktschreier, devoter Spitzel Lucien oder Lucette.

Atmosphärisch begleitet wurde das Geschehen musikalisch von Lutz Spira. Leuchtröhren unterstützten das Ganze mit Lichteffekten.

Eine humorvoll mit ironischem Inszenierung mit Augenzwinkern, die auch als Grundlage zum Nachdenken über für die Frage, wofür es sich zu Leben lohnt genommen werden kann.

Informationen über weitere Vorstellungstermine erhalten Sie wie immer über www.theaterdo.de oder Tel.: 02321/50 27 222

5. Philharmonische Konzert – Lichtblicke mit Carmen

Zufall oder nicht? Das Akkordeon ist im Januar 2022 das „Instrument des Monats“ in der Musikschule Dortmund und passenderweise stand es auch im Mittelpunkt des 5. Philharmonischen Konzertes am 11. Januar 2022. Ksenija Siderova zeigte den Zuhörern im Konzerthaus, welche klanglichen Möglichkeiten im Akkordeon stecken, eine wahre Botschafterin ihres Instrumentes.

Leider musste das Programm des Philharmonischen Konzertes geändert werden, da die geplanten Werke von Ottorino Resphighi eine volle Orchesterbesetzung fordern und dies wegen des aktuellen Infektionsgeschehens nicht möglich war. Daher wurde die Carmen-Suite von Rodin Schtschedrin als Ersatz gespielt.

Ksenija Siderova zeigte ihr Können am Akkordeon. (Foto: © Dario Acosta)
Ksenija Siderova zeigte ihr Können am Akkordeon. (Foto: © Dario Acosta)

Den Anfang machten die „Vier Jahreszeiten“, aber nicht von Vivaldi, sondern vom Argentinischen Komponisten Astor Piazzolla. Begleitet von Siderova und den Dortmunder Philharmoniker erlebten die Zuhörer ein Jahr in Buenos Aires. Das komplette Stück atmet den Tango und seine synkopischen Rhythmen nehmen uns mit auf eine ferne Reise. Im Gegensatz zu Vivaldi beginnt Piazzolla mit dem Sommer, der in Argentinien heiß ist, sodass die Leidenschaft erst richtig am Abend beginnen kann. Während auch in Südamerika der Herbst und Winter trist und düster wirken, beginnt die Lebensfreude im Frühling von neuem. Es ist sehr erfrischend, Siderova beim Spielen zuzusehen, welche Töne sie dem Akkordeon entlockt. Das ist alles weit entfernt von dem betulichen Volksmusikstigma, dass das Instrument vielleicht noch besitzt.

Nach der Pause kam die Carmen-Suite von Rodin Schtschedrin zu Gehör. Anscheinend hatte der russische Komponist ein Faible für Percussions-Instrumente, denn nicht weniger als fünf Mann aus dem Orchester spielten eine ungeheure Anzahl an kleinen und großen Dingen aus dem Instrumentariums des Schlagwerks. Ob das der Grund war, dass die Suite bei seiner Premiere 1967 in der Sowjetunion nicht gut ankam? Es wurde dem Komponisten vorgeworfen, das Erbe Bizets zu beschmutzen und seine Carmen sei viel zu erotisch. Vielleicht war den Funktionären auch die Idee einer selbstbewussten und selbstbestimmten Frau zu suspekt. Denn in Wirklichkeit erweist Schtschedrin der Musik von Bizet eine große Ehre und egal wie Schtschedrin die Melodien bearbeitet, sie bleiben deutlich erkennbar.

Musikschule startet Jahreskampagne „Instrument des Monats“

Die Dortmunder Musikschule startet in das Jahr 2022 mit einem besonderen Projekt. In jedem Monat steht ein anderes Musikinstrument oder eine Stilrichtung im Mittelpunkt.

Wie Stefan Prophet (Direktor der Musikschule) und Christine Hartman-Hilter (Stellvertretende Leiterin der Musikschule) bei einem Pressegespräch erklärten, ist ihnen gerade in dieser Zeit wichtig, den Menschen die Freude an Musik und am Erlernen von Musikinstrumenten zu vermitteln.

Dabei stehen eher nicht so populäre Instrumente im Vordergrund wie Akkordeon, Schlagzeug, Mandoline, Oboe oder im Dezember die Blockflöte. Die Stilrichtungen gehen von Klassik, Pop über Jazz. Die Projektleiterin ist Barbara Grarbsch.

Der Leiter der Musikschule, Stephan Prophet, in der Mitte mit dem auch „Schifferklavier“ genannten Akkordeon. LInks neben ihm Barbara Graebsch (Projektleiterin) und recht Christine Hartmann-Hilter (stellvertretende Leiterin)
Der Leiter der Musikschule, Stephan Prophet, in der Mitte mit dem auch „Schifferklavier“ genannten Akkordeon. LInks neben ihm Barbara Graebsch (Projektleiterin) und recht Christine Hartmann-Hilter (stellvertretende Leiterin)

In Konzerten, Schnupperkursen (Workshops), und einem Flashmob, analog mit Postkarten oder virtuell in den sozialen Medien möchte die Musikschule Jung und Alt Lust darauf machen, dass „Instrument des Monats“ zu erlernen oder die Klänge einfach nur zu genießen.

Die Kampagne beginnt im Januar mit dem in unterschiedlichen Ländern (Bergarbeit im Ruhrgebiet, Frankreich, Argentinien u. a.) bekannten Akkordeon. Verbirgt sich bei Ihnen eventuell ein altes Akkordeon und Sie haben bis jetzt nicht daran gedacht, auf diesem geselligen Instrument spielen zu lernen? Vielleicht haben Sie aber auch nur Lust, etwas über das Instrument zu erfahren und ihm zu lauschen.

Stöbern Sie nach „Dachbodenfunden“ und kommen Sie am 15.01.2022 mit ihrem Akkordeon oder einfach so aus Interesse in die Musikschule Dortmund in der Steinstraße 35 (hinter dem Hauptbahnhof).

Der erfahrene Dozent Roman Yusipey nimmt es in Augenschein und erklärt im Gespräch, wie man damit Musik machen kann. Auch ohne eigenes Akkordeon gibt es die Gelegenheit, es kennenzulernen und auszuprobieren.

Auf dem Youtube-Kanal der Musikschule Dortmund ist es in den nächsten Tagen möglich, einen kleinen Eindruck von dem Instrument zu bekommen.

Der Eintritt ist frei, es wird aber Corona-bedingt um eine Anmeldung unter dem Stichwort „Dachbodenfund“ anmeldung@musikschule-dortmund.net gebeten.

Ein Eröffnungskonzert findet am Dienstag, dem 18.01.2022 um 19:00 Uhr im Orchesterzentrum NRW (Dortmund) mit der Gruppe „Uwaga“ statt. „Uwaga“ sind Christoph König (Violine, Viola), Maurice Maurer (Violine), Miroslav Nisic(Akkordeon) und Matthias Hacker (Kontrabass).

Eintritt frei / Anmeldung unter: anmeldung@musikschule-dortmund.net , Stichwort „Uwaga“.

Im Februar ist übrigens das Schlagzeug (im weiterem Sinn) das „Instrument des Monats“. Ein Workshop-Projekt am Samstag, dem 05.02.2022 ist geplant.

Zu jedem neuen „Instrument des Monats“ wird von der Musikschule jeweils eine Postkarte herausgebracht.

Rauschender Ballettabend mit Strawinsky

Zwei beeindruckende Interpretationen von „Petruschka“ und „Le Sacre du Printemps“ von Igor Strawinsky zeigt das Dortmunder Ballett im Opernhaus.

In der Inszenierung von Xing Pen Wang begibt sich das Ballett auf eine Zeitreise durch das 20. Jahrhundert bis heute. Ein weißer riesiger Stoffzylinder in der Mitte der Bühne dient als Projektionsfläche für gefilmte und gezeichnete Bildikonen. Die Zeitreise beginnt im Entstehungsjahr des Stückes 1911, im Zusammenspiel mit den Tänzern ist man an Fritz Langs Metropolis erinnert. Die zahlreichen Filmzitate enden in einer digital animierten futuristischen Szenerie.

Unter aus dem Off eingespieltem wahnsinnigen Gekicher erscheint Petruschka (Javier Cacheiro Alemán) auf der Bühne. Selbstverliebt und selbstbewusst tanzt er durch die Zeiten, spielt mit den Frauen, stellt sich zur Schau und genießt das Leben. Nachdem er während einer seiner Eskapaden niedergeschlagen wird, rettet ihn ein Mädchen, in das er sich sofort verliebt. Nach einigen koketten Annäherungen, wendet diese sich jedoch einem reicheren, besser situierten Geschäftsmann zu. Petruschka gerät in eine Abwärtsspirale, sein Glück schwindet, sein Selbstvertrauen ist dahin. Das Ensemble tanzt als Straßengang und zeigt ihm, dass er nicht mehr dazu gehört. Er ist allein. Mit einem letzten Aufbäumen in pinkfarbenen und gelben Outfit, geschminkt als Joker, versucht er sich noch einmal zu etablieren, schafft dies aber nicht. Als letzten Ausweg geht er in den Tod. Das gleiche gruselige Gekicher vom Beginn des Stückes erschallt zum Ausklang erneut.

Javier Cacheiro Alemán (Petruschka), Ensemble; Foto: (c) Leszek Januszewski
Javier Cacheiro Alemán (Petruschka), Ensemble; Foto: (c) Leszek Januszewski

Spektakuläre Tanzszenen im Dauerregen zeichnen die Inszenierung von Strawinskys „Le Sacre du Printemps“ aus. In Kaskaden stürzte immer wieder Wasser auf die Bühne herab. Zeitweilig meinte man das Wasser am Boden müsse in den Orchestergraben überlaufen. Eine Meisterleistung vollbrachten die Tänzer und Tänzerinnen auf dem spiegelglatten Tanzboden. Sehr deutlich veränderten sie ihre Haltung. Sie tanzten mit tiefer gebeugten Knien, um besseren Halt zu finden, was einen erdverbundenen Eindruck verstärkte. Mit wirbelnden Figuren und rutschenden Bewegungen entstehen völlig ungewohnte Bilder. Das Dortmunder Ballett studierte die Choreografie des „Bewegungspoeten“ Edward Clug mit Tänzer und Choreograf Gaj Zmavc ein, der das Ensemble mit den Vorstellungen von Clug vertraut machte.

Zu Beginn sind sechs Männer und Frauen isoliert auf einer dunkelblauen Bühne zu sehen. Sie tanzen für sich, sind dann aber auf der Suche nach dem zukünftigen Frühlingsopfer. In einer archaisch wirkenden Tanzszene erwählen sie schließlich das Opfer aus ihrer Mitte, brillant verkörpert von Sae Tamura. Sie wird eingekreist, versucht zu fliehen, erkennt nach einigen Kämpfen mit der Gruppe die Aussichtslosigkeit ihrer Lage und nimmt sie an. In einem atemberaubenden Finale wird Sae Tamura vom hellen Licht, in dem sich die Gruppe befindet ins Dunkel und in die Ausweglosigkeit geworfen. Das Publikum war wie gebannt und applaudierte dann mit langanhaltenden Standing Ovations für dieses wundervolle Tanzerlebnis.

Mit Leidenschaft ins Jahr 2022

Es ist eine liebgewonnene Tradition. Die Dortmunder Philharmoniker unter der Leitung von Generalmusikdirektor Gabriel Feltz führen uns mit dem Neujahrskonzert musikalisch ins neue Jahr. Diesmal gab es für die BesucherInnen im Konzerthaus nicht nur was für die Ohren, sondern auch was zu sehen.

„Tanzende Leidenschaft“ hieß das diesjährige Motto und so erklang neben Ballettmusik von Aram Khatschturian und Amilcare Ponchielli auch Tänze von Dvořák und Márquez. Den Abschluss machte Maurice Ravel mit seinem Stück „La valse“, bei dem er einen Walzer musikalisch zerstört oder „dekonstruiert“ wie man heute sagen würde. Verzerrte Rhythmen und Dissonanzen prägen das Ende des Stückes.

Foto: © Alexandra Koch / pixabay.com
Foto: © Alexandra Koch / pixabay.com

Den musikalischen Ritt durch die Welt von Tschechien über Russland nach Mexiko und wieder nach Frankreich begleitete das personifizierte Jahr 2022 (Andrea Hoever), die über ihren verflossenen (das Jahr 2021) trauerte. Ganz ehrlich, ich bin ja geneigt zu sagen, schlimmer als 2021 kann das neue Jahr eigentlich nicht werden. Lockdown, keine Kultur für eine lange Zeit. Lassen wir uns mal überraschen.

Das optische Highlight bereitete Rainer Schiffmann. Der Illustrator saß live auf der Bühne und malte passend zur Musik entsprechende Bilder. So schuf er eine Balletttänzerin zu Ponchiellis „Tanz der Stunden“, einen entschlossenen Spartacus für die gleichnamige Musik von Khatschturian und zum Schluss löschte er langsam ein Bild eines tanzenden Paares zur immer wilder werdenden Musik von Ravel.

Mit dem „Säbeltanz“ von Khatschturian als Zugabe wurden die Besucher nach Hause geschickt.