Wladimir Kaminer im MKK

Zu Gast bei LesArt, dem Literaturfestival Dortmund war am 11.11.21 Bestsellerautor Wladimir Kaminer. Lässig, abwechselnd mit einem Glas Wasser oder einem Glas Rotwein in der Hand an einem kleinen Bistrotisch stehend, bezauberte er das Publikum in der Rotunde des Museums für Kunst und Kulturgeschichte mit seinen Geschichten.

Wladimir Kaminer ist ein russischstämmiger Autor. Er lebt mit seiner Familie in Berlin und erfreut seit 20 Jahren seine Leser- und Hörerschaft mit einem schier unerschöpflichen Output an amüsanten Geschichten.

Wladimir Kaminer verzauberte seine Zuhörerschaft bei seiner Lesung im MKK. (Foto: © Anja Cord)
Wladimir Kaminer verzauberte seine Zuhörerschaft bei seiner Lesung im MKK. (Foto: © Anja Cord)

Diesmal stellte er Texte aus den Büchern „Rotkäppchen raucht auf dem Balkon“ und „Wellenreiter“ vor. Kaminer nennt die Bücher Teil einer Corona-Trilogie. Das dritte Buch ist gerade im Entstehen.

Beim Vortrag der ersten Geschichte erfuhren die Zuhörer wie seine Mutter das abgelegte Smartphone der Enkelin geschenkt bekam und mit welchen Schwierigkeiten die fast neunzigjährige Dame zu kämpfen hatte. Als sie eine SpieleApp herunterladen wollte, sollte sie die Erlaubnis ihrer Eltern einholen, um weiterzuspielen. Dann fehlte das Passwort und Wladimir Kaminer berichtete die witzigen Umstände, die ihn praktisch zum Elternteil seiner Mutter machten, der ihr den Umgang mit den gefährlichen Apps zubilligte.

Auch erfuhr das Publikum, dass Kaminers Tochter ihn zum Titel des ersten Buches inspirierte. Während eines Gesprächs mit seiner Mutter und seiner Tochter über Rotkäppchen und dessen Motivation zur Großmutter in den Wald zu gehen, ging seine Tochter zum Rauchen auf den Balkon und, voilà, der Titel des Buches war geboren.

Kaminer plauderte witzig, charmant und unterhaltsam. Er erzählte von Dreharbeiten einer Deutschlandreise, die beinah Corona zum Opfer gefallen wäre, ihn dann aber doch ins fast menschenleere Neuschwanstein oder nach Oberammergau führte. Dort aß er mit ‚Jesus‘ eine „Weißwurst und trank mit dessen Schwester ein Bier“. Egal worüber er berichtet, der Schriftsteller zieht seine Zuhörer in seinen Bann.

Kaminer beweist eine verblüffende Beobachtungsgabe und einen sehr genauen Blick auf Menschen und ihre Marotten.

Die Lachmuskeln wurden an diesem Abend reichlich beansprucht.

Das waren die kurzweiligsten und amüsantesten zwei Stunden, die ich seit langer Zeit erleben durfte.

Fußball in den 70er Jahren oder als Paul Breitner die Scherben besuchte

Man kann wirklich nicht sagen, dass die 70er Jahre ein erfolgreiches Jahrzehnt für den Ballspielverein Borussia aus Dortmund war. In der Saison 71/72 ging es für vier Spielzeiten in die Zweitklassigkeit und am Ende der Spielzeit 78/79 stand das 0:12 gegen Borussia Mönchengladbach.Mit diesen JAhren beschäftigen sich die Fußballbücher von Alexander Heflik und Bernd-M. Beyer. Während sich Beyer mit der Saison 71/72 und dessen Einbettung in die kulturelle Gesamtsituation der Bundesrepublik beschäftigt, thematisiert Hefliks Buch einen tragischen Helden: Erwin Kostedde. Passenderweise fanden die Lesungen im Rahmen des Les.Art-Festivals am 08. November 2021 in den Umkleidekabinen des Westfalenstadions statt.

Alexander Heflik erzählte die tragische Geschichte von Erwin Kostedde, dem ersten schwarzen NAtionalspieler. (Foto: © Hartmut Salmen)

Da ich mich entscheiden musste, begann ich mit der Heimkabine und lauschte zunächst den Worten von Alexander Heflik. Es gibt sicherlich viele tragische Helden und einer trägt den Namen Erwin Kostedde. Ein begnadeter Fußballer, der erste schwarze Nationalspieler, aber auch jemand, der gut darin war, falsche Entscheidungen zu treffen. Ob es nun der richtige Verein für die Karriere war oder finanzielle Optionen. Kostedde hatte erfolgreiche Zeiten in Offenbach und in Belgien sowie spät in seiner Karriere in Bremen, wo er zum dritten Mal auf Otto Rehagel traf. Er hatte bereits in Offenbach und in Bremen mit ihm trainiert. Von 1976 bis 1978 spielte Kostedde auch in Dortmund. Er traf gleich beim ersten Spiel nach dem Wiederaufstieg gegen den HSV doppelt. In der zweiten Saison lief es dann nicht mehr so rund für den Stürmer.

Wegen seiner Hautfarbe war Kostedde ähnlich wie Jimmy Hartwig Opfer von Rassismus. Bei Kostedde war seine Hautfarbe sogar der Grund, dass man ihn fälschlicherweise verdächtigte, eine Spielhalle überfallen zu haben. Er musste mehrere Monate in Untersuchungshaft verbringen.

Die 70er Jahre waren nicht nur eine Hochzeit der deutschen Nationalmannschaft, sondern war auch eine gesellschaftlich spannende Zeit.Bernd-M. Beyer berichtete darüber. (Foto: © Hartmut Salmen)
Die 70er Jahre waren nicht nur eine Hochzeit der deutschen Nationalmannschaft, sondern war auch eine gesellschaftlich spannende Zeit.Bernd-M. Beyer berichtete darüber. (Foto: © Hartmut Salmen)

Nach 45 Minuten und 15 Minuten Pause ging es dann in die Gästekabine, wo Bayer aus seinem Buch „71/72 – Die Saison der Träumer“ las. Die Anfänge der 70er Jahre in Deutschland waren geprägt von der neuen Ära von Willy Brandt, der mit seiner Ostpolitik viele Türen öffnete, aber auch in konservativen Kreisen verhasst war. Die Anfänge der RAF machten sich bemerkbar, in der Bundesliga leckte man sich die Wunden nach dem Bundesligaskandal. Meister wurden die Bayern, die den BVB zu Hause mit 11:1 schlugen. Der BVB beendete die Saison als Tabellenvorletzter und stieg ab. Fußballerisch war die deutsche Nationalmannschaft 1972 an der Spitze. Sie wurde souverän Europameister und verzauberte mit ihrer Spielweise. Währenddessen kam 1972 ein prägendes Musikalbum auf dem Markt mit dem Titel „Keine Macht für Niemand“ von „Ton, Steine, Scherben“. Diese revolutionäre Platte fand Anklang bei einem Revoluzzer in München: Paul Breitner. Breitner, der sich mit Mao-Bild und „Pekinger Rundschau“ ablichten ließ, wurde die Platte von der Band geschenkt, worauf sich Breitner mit einem Gegenbesuch in Berlin revanchierte. Ein Europameister und Bayern-Star zu Gast bei einer Politrockband. Wäre heute nicht denkbar, oder?

Lebendige Lesung mit Christian Berkel

Im Rahmen des diesjährigen LesArt.Festivals in Dortmund las der bekannte Schauspieler und Autor Christian Berkel im Theater Fletch Bizzel am 06.11.2021 aus seinem neuen Roman „Ada“ (2018). Wegen Corona konnte die schon früher geplante Lesung erst jetzt stattfinden.

Nach seinem erfolgreichen autobiografischen Roman „Der Apfelbaum“ erschien als Folgeroman „Ada“. Im Mittelpunkt steht hier die Geschichte von Ada, die mit ihrer jüdischen Mutter Sala in der Nachkriegszeit zunächst nach Argentinien flieht und 1955 in ein ihr fremdes Deutschland nach Berlin zurückkehrt. In einem noch immer autoritären Land trifft sie auf den lang ersehnte Vater Otto (der war in Kriegsgefangenschaft). Das Familienglück bleibt jedoch aus. In einer „sprachlosen“ Gesellschaft stößt sie auf viel Schweigen (das betraf Opfer wie Täter) über die Kriegszeit und ihre jüdische Familienvergangenheit. Sie sehnt sich nach Freiheit, Unabhängigkeit und Selbstbestimmung.

Christian Berkel (links) im Gespräch mit Matthias Bongard. (Foto: © Hartmut Salmen)
Christian Berkel (links) im Gespräch mit Matthias Bongard. (Foto: © Hartmut Salmen)

Der Roman ist gleichzeitig ein Abriss der politischen Entwicklung von der Adenauer-Ära über die 1968er Aufbruchstimmung und Studentenrevolten (Experimentieren mit Drogen, freier Sexualität) bis hin zum Mauerfall 1989.

Berkel begibt sich als Ich-Erzähler empathisch in die weibliche Person der Ada. Wie er während der Lesung erklärte, fühlte er sich am Anfang damit etwas unsicher, ob er so als Mann in eine andere Identität schlüpfen könnte. Seine Verlegerin und Lektorin beruhigten ihn aber, dass das in Ordnung sei.

Der Autor las nicht nur aus seinem Buch, sondern das Publikum (falls es seinen „Apfelbaum“ nicht gelesen hatte) erfuhr auch viel über seine Lebensgeschichte und jüdischen Familienhintergrund, und das er sich damals nicht „richtig und ganz“ gefühlt hatte.

Bereichert wurde der Abend durch ein anschließendes Interview vom WDR Fernseh- und Rundfunkmoderator Matthias Bongard mit Christian Berkel. Da wurden Themen wie etwa der aktuelle Antisemitismus, Verunsicherungen, Verschwörungstheorien, Angst vor dem Fremden und mehr behandelt.

Deutlich wurde wieder einmal, dass Demokratie und Freiheit nichts Selbstverständliches sind. Gerade in einer Zeit zunehmender gesellschaftlicher Spaltung ist es notwendig, sich dafür aktiv einzusetzen und sich gegen die Instrumentalisierung von rechten Politikern und Kräften sowie Verschwörungstheoretikern zu schützen und wehren.

Eine interessante und lebendige Lesung.

Musikalisch begleitete Lesung mit Ralf Sotschek

Der Journalist und Autor Ralf Sotscheck (*1954 in Berlin-Landwitz) ist einem breiteren Publikum seit 1991 vor allem durch seine montägliche witzig-skurrilen und manchmal auch makabre Kolumnen in der Berliner taz bekannt. Seit 1985 ist er zudem schon Auslandskorrespondent für Irland und das Vereinigte Königreich für die Zeitung. Er schreibt seit 1990 regelmäßig für das Irland Journal und lebt an der irischen Westküste.

Da kommt genug Stoff für seine Geschichten von Farmern, künstliche Besamung von Kühen, seinen diversen kleinen Abenteuer und Missgeschicke und politischen Inkorrektheiten und ähnlichem.

Friedrich Küppersbusch (links) lauscht den Geschichten von Ralf Sotschek. (Foto: © Hartmut Salmen)
Friedrich Küppersbusch (links) lauscht den Geschichten von Ralf Sotschek. (Foto: © Hartmut Salmen)

Davon gab er am 10.11.2021 im Rahmen des Dortmunder LesArt.Festivals in der Rotunde des hiesigen Museums für Kunst und Kulturgeschichte (MKK) zum Besten.

Musikalisch stimmungsvoll begleitet wurde er dabei von dem Journalisten, Autor und Fernsehproduzenten (heute-show) Friedrich Küppersbusch und seiner Bandfreud*innen. Neben Küppersbusch (Gitarre) gehörten zu ihr Jürgen Friesenhahn (Percussion), Guido Schlösser (Piano) sowie als Sängerin mit cooler Soul-Stimme, Claudia Zahn.

Dabei zeigte die Band mit einem speziellen Sound eine musikalische Bandbreite. Die ging von einer eigenen Version von „Blue Velvet“ (Bobby Vinton, The Moonglows) bis zu einer eindrucksvollen Interpretation des alten deutschen Song von Paul Kuhn „Schau mich bitte nicht so an.“ (gesungen etwa von Mireille Mathieu).

Eingeleitet und moderiert wurde der Abend von Autorin Frederike Jacob. Mit ihr lieferte sich Sotscheck ein kleines kulinarisches Duell. Während der in Irland beliebte Porridge (Haferbrei) bei dem Autor seit seiner früheren „Kinderverschickung“ nicht in guter Erinnerung ist, liebt Frederike Jacob das „Hafersüppchen“ nach dem Rezept ihrer Großmutter als wärmenden Trostspender.

Das Sotscheck nicht viel für den „Gutmenschen“ Bono (U2) übrig hat, machte er mit einer kleinen Anekdote deutlich.

Ein interessante und humorvoll-ironische musikalische Lesung, bei der nur etwas schade war, dass die kurzen Gespräche zwischen Küppersbusch und Sotscheck nur schwer zu verstehen waren.

MO Kunstpreis 2021 geht an den Künstler Lee Mingwei

Am Sonntag, dem 14.11.2021 um 11:00 Uhr wird schon zum achten Mal der MO Kunstpreis von den Freunden des Museum Ostwall e. V. im gleichnamigen Museum im Dortmunder U (MO, Schaufenster#28 MO) verliehen.

Dieser mit 10.000 Euro dotierte Preis wird alljährlich an eine oder einen Künstler*in verliehen, die/der in der Tradition oder Verwandtschaft der Fluxus-Bewegung arbeitet. Mit diesem Preisgeld wird von den Freunden des Museums ein Kunstwerk erworben, um den Sammlungsbestand mit Schwerpunkt Fluxus zu stärken und zeitgenössische Positionen zu erweitern. Seit 2020 fördert die Stadt Dortmund den Ankauf mit weiteren 10.000 Euro.

In diesem Jahr erhält der taiwanesische Künstler LEE Mingwei (* 1964, lebt in Paris und New York) den begehrten Preis. Die Besucher*innen haben vom 16.11.2021- 30.01.2022 die Gelegenheit, neben der erworbenen partizipatorischen Arbeit „Money for Art“ (2006/2020) auch noch die beiden Leihgaben „100 Days with Lily“ und „Stone Journey“ zu sehen und sich damit auseinander zu setzen.

MO-Kunstpreisträger LEE Mingwei vor einer seiner vom MO angekauften Arbeiten. (Foto: ©Torsten Tullius, Dortmund Agentur)
MO-Kunstpreisträger LEE Mingwei vor einer seiner vom MO angekauften Arbeiten. (Foto: ©Torsten Tullius, Dortmund Agentur)

Denn der Künstler schafft bewusst Situationen, in denen Menschen miteinander in Austausch treten und so einander aber vor allem auch sich selbst befragen können.

Seine emotional bewegenden Arbeiten sind zumeist als langjährige Projekte angelegt,

Das Projekt „Money for Art“ hatte schon in den 1990er Jahren seinen Ausgangspunkt. Es besteht unter anderem besteht aus fünf von ihm erschaffenen Origami-Skulpturen, die der Künstler aus 100-Dollar-Scheinen individuell gefaltet hat und in einem Objektkasten untergebracht hat sowie fünf begleitende Fotografien. Diese zeichnen das gleichnamige Projekt aus dem Jahr 1994 nach, bei dem LEE Mingwei der Frage nachging: Unter welchen Bedingungen kann man den Wert von Kunst in Geld bemessen? Damals bot er in einem Restaurant neun interessierten, ganz unterschiedlichen Menschen Origami-Skulpturen aus 10 Dollar-Scheinen unter der Bedingung, mit ihnen ein Jahr lang in Kontakt zu bleiben. Er wollte sehen, was in dieser Zeit aus den „Geld-Skulpturen“ geworden war. Interessant war, dass einige von ihnen die Skulpturen in Schuhe oder Essen veräußert haben, einem wurde sie gestohlen, aber gerade der Obdachlose John sie besonders wertschätzte und sie anderen Menschen zeigte.

Mingwei erzählte beim Pressegespräch, dass er immer noch Kontakt zu ihm hat und seine „10 Dollar-Schein-Skulpturen“ immer mal wieder erneuert hat. Das Spannungsfeld zwischen materiellem Wert und ideellem künstlerischen Wert steht hier im Mittelpunkt.

Bei seinem ersten Projekt „100 Days with Lily“ geht es in fünf großformatigen Fotografien um ein besonderes Ritual zur Verarbeitung des schmerzlichen Verlusts seiner Großmutter. Der Künstler ist dort über 100 Tage hinweg mit kurz geschorenen Haaren in grau gekleidet (an einen tibetanischen Mönch erinnernd) immer mit einer Narzisse zusammen zu sehen. Eine Blume, die im Leben seiner Oma sehr präsent gewesen war und die er mit ihr verband. Narzisse konnte er damals übrigens schwer aussprechen, deshalb „Lily“).

Für das Multiple „Stone Journey“ sammelte LEE Mingwei elf eiszeitliche Steine von Neuseelands Südinsel, von denen er jeweils ein Bronze-Replik erstellte.

Wer die beiden Steine erwarb, wurde aufgefordert, sich von einem der beiden Steine (Naturstein oder Replik) zu trennen und einen geeigneten Ort für ihn zu suchen. Was bedeutet es, etwas zu besitzen und zu entscheiden, was eigentlich kostbarer ist? Das ist hier die Frage.

Übrigens:

Dr. Sarah Hübschner und Elvira Neuendank vom Institut für Allgemeine Erziehungswissenschaften und Berufspädagogik an der TU Dortmund haben mit ihren Studierenden als Begleitprogramm ein Vermittlungsprojekt entwickelt.

Vormerken können sich Interessierte schon einmal den 21.01.2022. Dann wird es eine Diskussion zum Thema „Rituale“ mit den Studierenden geben.

Zu sehen ist die Ausstellung im MO Schaufenster vom 16. November 2021 bis zum 30. Januar 2022.

Mäusekens Sehnsucht nach einem Mäuserich

Die Kulturbrigaden haben unter der Regie von Kathrin Brunner im Dortmunder Theater Fletch Bizzel am 07.11.2021 passend zur Vorweihnachtszeit das Puppenspiel „Mäuseken Wackelohr“ (ab 4 Jahren nach der Fabel von Hans Fallada) als Premiere auf die Bühne gebracht.

Alle Puppen im Stück wurden mit viel Engagement, Witz und Empathie von Bettina Stöbe geführt, gesprochen, gesungen und gespielt. Mitgespielt hatte sie unter anderem schon bei der Produktion „Piratenmolly Ahoi“.

Musikalisch begleitet wurde die Geschichte am Piano stimmungsvoll weihnachtlich oder dramatisch wie in einem Krimi von Dixon Ra (Musikalischer Leiter).

Happy End. Mäuseken und Mäuserich sind zusammen. (Foto: © Kulturbrigaden)
Happy End. Mäuseken und Mäuserich sind zusammen. (Foto: © Kulturbrigaden)

Auf drei flexibel drehbaren Gestellen auf Rädern waren liebevoll drei kleine Häuser aufgebaut. Die ließen sich nach Bedarf festlich beleuchten und in einem war sogar ein winziger Aufzug eingebaut, mit dem Mäuseken auf und ab fahren konnte.

Die Story spielt um die Weihnachtszeit und das Mäuseken Wackelohr fühlt sich besonders alleine und sehnt sich nach einem liebevollen Mäuserich. Den Namen Wackelohr bekam sie übrigens nach einer Attacke einer gefräßigen Hauskatze. Plötzlich sieht Mäuseken auf der anderen Straßenseite einen coolen Mäuserich, in den sie sich verliebt. Wie aber über die Straße gelangen, ohne von der Katze gefressen zu werden? Vermeintliche und nicht uneigennützige Hilfe bietet eine Ameise an. Wirkliche Unterstützung bekommt sie aber von ein einer Taube…

Am Ende sangen und tanzten Mäuseken und Mäuserich noch zwei coole Weihnachts-Raps.

Eine zauberhafte Geschichte für „kleine und große Kinder“ um die Macht der Liebe und über falsche, beziehungsweise richtige Freunde.

Weitere Aufführungstermine:

So. 05. Dezember, 11:00 und 15:00 Uhr

Mi. 15. Dezember, 10:00 Uhr

Mi. 22. Dezember, 10:00 Uhr

Eintritt: 8€

Mehr Informationen unter www.fletch-bizzel.de

Eine Frage der Gerechtigkeit – besser ist besser – oder nicht?

Wie bemisst man die Leistung einer Schauspieler*in oder einer Performer*in? Wer mehr Applaus bekommt, bekommt auch mehr Geld? Wäre das gerecht oder öffnet diese Methode nicht noch mehr Missbrauch. Die Theatergruppe „i can be your translator“ fragt in ihrem neuen Stück „besser ist besser“ nach der Gerechtigkeit von Bezahlung. Die Dortmunder Premiere fand am 06. November 2021 im Theater im Depot statt.

Das Besondere an der Theatergruppe „i can be your translator“ ist, dass drei ihrer Mitglieder „challenged people“ sind, wie es mein Kollege Gerd Wüsthoff in der Vorbesprechung nannte und was ich gerne übernehmen will. Denn es geht darum, wie werde ich bewertet, wenn ich bestimmte Aufgaben meistere. Dafür hat sich die Gruppe eine Art Wettkampf ausgedacht. Die Bühne ist grandios gestaltet. Es gibt im hinteren Bereich einen Boxring und passend dazu tragen alle sieben Spieler*innen eine schwarze Boxhose. Dazu hängen oben große Porträts von ihnen als Gelduhr. Das Motto ist klar: Im Topf sind mehrere tausend Euro Abendgage. Es soll nach erbrachter Leistung bewertet werden und das Publikum entscheidet. Das entscheidende Kriterium ist die Lautstärke des Applauses.

Das Ensemble von " i can be your translator" bei den Proben zum Stück.(Foto:© Louisa-Marie Nübel)
Das Ensemble von “ i can be your translator“ bei den Proben zum Stück.(Foto:© Louisa-Marie Nübel)

Neben einer Aufwärmrunde führte der Moderator die Teilnehmer*innen durch zwei Hauptrunden und einer Finalrunde. Dabei wurden Dinge veranstaltet wie Tanzen, Emotionen zeigen (vor Publikum weinen) oder mit einer lachenden Maske am Bühnenrand stehen. Nach jeder Hauptrunde wurde die Lautstärke des Publikumsapplauses für jeden Teilnehmer in Geld umgerechnet.

Was kam heraus? Die drei „challanged“ Mitglieder wurden mit deutlich mehr Geld bedacht und landeten auf den ersten drei Plätzen. Ist das gerecht den anderen vier gegenüber? Gab es einen Mitleidbonus?

Mitnichten, denn ich bin davon überzeugt, dass die Umrechnungen Fake waren und es eigentlich um etwas anderes ging. Denn zum Schluss sagte Linda Fisahn, eine der Spieler*innen, im Nebensatz: „Wenigstens kann ich das Geld behalten, in der Behindertenwerkstatt würden sie mir das wegnehmen“. Wussten Sie, dass der Stundenlohn in einer Behindertenwerkstatt bei 1,35 € liegt („Stern“ vom 23.04.2021)? Das wären 200 € im Monat bei einer Vollzeitstelle. Ist das gerecht?

Daher macht das Stück bei all seiner Komik, die es in sich trägt, auch sehr nachdenklich. Lis Marie Diehl, Linda Fisahn, Christian Fleck, Julia Hülsken, Lina Jung, Christoph Rodatz, Christian Schöttelndreier und Laurens Wältken zeigen wie ungerecht es bei der Bezahlung zugehen kann.

5G – Superhelden auf verzweifelter Mission

Eine ungewöhnliche Premiere gab es am 04. November 2021 im Studio des Schauspielhauses. „5G – Die Rückkehr der Superheld*innen“. Eine Stückentwicklung des Regie-Teams unter Dennis Duszczak und den Schauspielern Anton Andreew, Linus Ebner, Lola Fuchs und Sarah Yawa Quarshie.

Superhelden wie wir sie kennen, gibt es seit etwa 100 Jahren. Lassen wir die antiken Hilden wie Herkules außen vor, gehören sie zur Comic-Kultur wie Enten und Mäuse aus dem Hause Disney. Superman war der erste Superheld mit Kostüm, Hintergrundgeschichte und Schwächen. Danach kamen seine Kollegen wie Spiderman, Batman und sicher hunderte andere. Inzwischen sind sie präsent im Kino in unzähligen Filmen und prägen die Pop-Kultur.

Lana (Sarah Yawa Quarshie), die Fliege (Anton Andreew), Asha (Lola Fuchs) und Lapsus of Light (Linus Ebner) wirken ratlos. (Foto: © Birgit Hupfeld)
Lana (Sarah Yawa Quarshie), die Fliege (Anton Andreew), Asha (Lola Fuchs) und Lapsus of Light (Linus Ebner) wirken ratlos. (Foto: © Birgit Hupfeld)

Doch die Dortmunder Superhelden sind anders. Sie können nicht fliegen oder sich an Spinnenfäden herunterhangeln, sie haben andere, spezielle Fähigkeiten. Da wäre Lana, die sich so vorstellt: „Ich bin Lana Morello und ich gehe jedes Risiko ein.“ Sie ist Influenzerin und Netzaktivistin und hat durch die Schwarmintelligenz die Fähigkeit erworben, Gedanken zu lesen. „Am Ende aller Tage werden das Recht und die Freiheit auf meiner Seite sein. Denn es gibt viele, die mir folgen, die so denken wie ich, denn sie denken durch mich. Meine Gedanken sind ihre Gedanken.“

Während Lana also eine Mission hat, sieht es bei Lapsus of Light (LOL) anders aus. „Ich hasse Recycling und vegane Mülltrennung. Aufräumen? Langweilig! Chaos, das ist das Ziel.Wisst ihr was? Ich lade Euch ein in meine kleine Chaosfamilie und stelle euch meine bezaubernden Verwandten vor“ Er ist eine Art Personifizierung der Spaßgesellschaft. Seine Fähigkeit ist, Menschen in Delfine zu verwandeln.

Das Gegenteil von LOL stellt „Die Fliege“ dar. Während LOL die Welt bunt und fröhlich sieht, steht die “Fliege“ für das Notwendige. „Wir sind die Deadline. Die Ersten bei jeder Katastrophe. Die Ersten bei der Leiche, die Ersten, wenn es ernst wird. Die ersten bei verdorbenen Fraß: Ich vertilge und beseitige.“ Er ist Recyclingspezialist.

Fehlt nur noch ein Superheld und dieser Held hat ein Geheimnis (Achtung! Spoiler), den Asha (kurz für X ASH – A 12) ist der Sohn eines superreichen Unternehmers mit Weltraumambitionen. Wem Tesla einfallt, liegt richtig. Sein geheimer Plan ist es, die Superkräfte der drei zu stehlen und für teures Geld als Produkt auf den Markt zu bringen. „Die Gabe von dem Mann in Lila, Lapsus of Light, Menschen in Delfine zu verwandeln, würde ich analysieren, um daraus die ultimative Droge zu entwickeln. Eine Art Heroin ohne Nebenwirkungen. Den enormen Bestand dieser zukünftigen Droge würde ich dann künstlich verknappen, das Gerücht, dass es etwas Neues auf dem

Markt gibt, bei den richtigen Leuten streuen und sie dann durch Unterhändler teuer im Darknet

verscherbeln. Die Fähigkeit von diesem komischen Typen mit dem S-Fehler, würde ich extrahieren, um ein effizientes Recyclingsystem für den Mars zu entwickeln. Und die Fähigkeit von Lana Morello, Gedanken zu lesen, würde ich schließlich als Marktforschungsinstrument an diverse High Ranking Unternehmen verkaufen.“

So kann man das Stück auch als Kritik lesen, menschliche Bedürfnisse, Fähigkeiten und Notwendigkeiten zu kapitalisieren.

Die vier Akteure auf der Bühne bieten ein grandioses Schauspiel. Anton Andreev hat mit seiner Fliegenmaske und seinem summenden S die Lacher auf seiner Seite. Ebenfalls exaltiert spielt Linus Ebener Lapsus of Light im schicken Lila, während Sarah Yawa Quarshie eine Lana spielt, deren Selbstbewusstsein nur so strahlt. Sie ist auch die einzige Superheldin mit Cape, das macht sie besonders. Lola Fuchs spielt den kühlen Asha als blassen hinterlistigen Elfen.

Ein gelungener Abend, der nicht nur lustig ist oder sich über Superhelden lustig macht, sondern versucht einen Blick in die Zukunft zu werfen: Wie weit lassen sich unsere Wünsche und Fähigkeiten kapitalisieren.

Mehr unter www.theaterdo.de

Der Platz – Der Aufstieg führt zur Sprachlosigkeit

Am 30. Oktober 2021 feierte das Theaterstück „Der Platz“ seine Premiere im Schauspielhaus. Die Regisseurin und Intendantin Julia Wissert inszenierte den Roman von Annie Ernaux als Monologstück, das von sechs Schauspieler*innen getragen wurde.

Die Geschichte der Familie von Ernaux ist beinahe typisch und kam so ähnlich auch in meiner Familie vor. Mein Urgroßvater kam aus einer ländlichen Gegend in der Nähe von Posen und landete 1900 in Dortmund. Mein Großvater und Vater waren beide Bergleute, also Arbeiter, während ich den „Aufstieg“ Dank meines Studiums „geschafft“ habe. Bei Ernaux ging es ähnlich vonstatten, arbeitete der Großvater noch auf dem Land, begann ihr Vater in der Fabrik, um sich später eine Gaststätte samt Laden zuzulegen. Das war ein Aufstieg in die Mittelschicht.

Antje Prust, Linda Elsner, Raphael Westermeier, Lola Fuchs, Marlena Keil und Mervan Ürkmez (Foto: © Birgit Hupfeld)
Antje Prust, Linda Elsner, Raphael Westermeier, Lola Fuchs, Marlena Keil und Mervan Ürkmez (Foto: © Birgit Hupfeld)

Dennoch schien ihr Vater immer zwischen den beiden Klassen zu wandern. Einerseits fand er die Sprache der einfachen Leute negativ. „Für meinen Vater war das Patois etwas Altes, Hässliches, ein Zeichen gesellschaftlicher Unterlegenheit. Er war stolz darauf, es abgelegt zu haben.“

Seine Tochter, die Erzählerin schafft den Einstieg in das Bürgertum, in der andere Werte zählten. Damit hatte sie zunächst Schwierigkeiten. „Ebenso brauchte ich Jahre, bis ich die übertriebene Freundlichkeit ‚verstand‘, mit der gebildete Menschen etwas so Simples wie „guten Tag“ sagten.“

Doch je mehr sich die Tochter von ihren Eltern entfremdet, desto deutlicher wird der soziale Unterschied, zumal sie einen Mann aus dem Bildungsbürgertum geheiratet hatte „Wie sollte ein Mann, der ins Bildungsbürgertum hineingeboren worden war, mit einer ironischen Grundhaltung, sich in der Gesellschaft rechtschaffener Leute wohlfühlen, deren Liebenswürdigkeit, die er durchaus sah, in seinen Augen niemals das entscheidende Defizit wettmachen können, die Unfähigkeit, ein geistreiches Gespräch zu führen.“

Die Bühne war stark reduziert. Ein Gartenhäuschen als Reminiszenz an den Vater, der gerne im Garten gewerkelt hatte. Dazu viele Gartenutensilien aus Plastik. Am linken Rand stand ein Pult, auf dem die Musikerin houaïda passende Musik und Gesang beisteuerte. Auch wenn Antje Prust, Linda Elsner, Lola Fuchs, Marlena Keil, Mervan Ürkmez und Raphael Westermeier in ihren bunten Kostümen einen guten Job machten, eigentlich ist „Der Platz“ in dieser Form ein Monodrama, ein Einpersonenstück. Denn es berichtet eigentlich nur die Erzählerin und andere Figuren tauchen nicht auf. Das wäre sicherlich noch intensiver geworden und beispielsweise Marlena Keil hat dies bei „Die Erzählung der Magd Zerline“ von Hermann Broch bereits unter Beweis gestellt, das so etwas sehr gut funktioniert.

Mehr Informationen unter www.theaterdo.de