Fotokunst zwischen Illusion und Realität

In der Städtischen Galerie Torhaus Rombergpark haben Interessierte vom 21.11.2021 bis zum 12.12.2021 Gelegenheit, vierzehn großformatige fotografische Werke von Rolf Kluge aus den Jahren 2014 bis 2019 unter dem Titel „GegenÜberWelten“ zu sehen. Kluge arbeitet seit 1992 als Fotograf und Grafik-Designer in Lennestadt.

Während seiner diversen Reisen durch die Welt begeisterte ihn nicht nur die jeweilige Architektur in den verschiedenen Ländern und Städten, sondern die Bedeutung einzelner von ihm ausgewählten Fragmente in Bezug zu ihrer Umgebung.

Rolf Kluge vor seinen Arbeiten „Hongkong_2“ und „Guanghzou_2", beide von 2018.
Rolf Kluge vor seinen Arbeiten „Hongkong_2“ und „Guanghzou_2″, beide von 2018.

Mithilfe einer langen Brennweite ist es ihm möglich, aus der Entfernung einen Ausschnitt eines Gebäudes, Restaurants oder Schaufensters zu definieren. Er sieht beispielsweise eine Fassade, folgt seiner Intuition, sucht und definiert den Ausschnitt mit der Kamera. In den Flächen dieses Ausschnitts spiegelt sich das Gebäude oder eine Folie vielfach wider.

Es geht dabei darum, das scheinbar Unüberschaubare und die Details, die sich darin verstecken zu erkunden. Mit seinem visuellen Konzept entsteht eine spannende minimalistisch-abstrakte Formensprache, die von den Betrachtenden entschlüsselt werden muss. Diese werden eingeladen, sich auf Neues, Unerwartetes sowie Rätselhaft-Ungewohntes zu entdecken.

Der Künstler arbeitet mit Verzerrungen und Spiegelungen und bringt so lineare Strukturen in Bewegung. In Bangkok Airport (2015) erzeugen die Spiegelungen etwa den Effekt mehrerer übereinanderliegender Schichten. Hongkong (2018) und Hongkong 2 (2018) zeigen wiederum tanzende Fassaden aus lauter kleiner sich im Licht bewegender Bestandteile und völlige Auflösung der Linearität.

Kluge arbeitet (wie die alten Meister) dabei sehr detailgetreu und wenn er durch Gardinenstoffe oder andere Gitterstrukturen fotografiert, bekommt man als Betrachter das Gefühl, die unterschiedlichen Materialien spüren zu können.

Die Werke haben keinen speziellen Namen, sondern sind nach den jeweiligen Orten benannt.

Eine offizielle Vernissage wird es wegen der Corona-Situation nicht geben.

Das Torhaus ist geöffnet dienstags bis samstags von 14 bis 18 Uhr, sonntags und feiertags von 10 bis 18 Uhr. Der Eintritt ist frei. Ein Rundgang durch die Ausstellung wird auch in der virtuellen Galerie präsentiert: www.virtuellegalerie-dortmund.de




Eine abwechslungsreiche Ausstellung – das kann man mal machen

Die fünfte gemeinsame Ausstellung aller vier Dortmunder Künstlerverbände trägt den schönen Titel „Kann man mal machen“. 41 Künstlerinnen und Künstler wurden letztlich von einer Jury ausgewählt und präsentieren Skulpturen, Fotos, Malerei und weitere Spielarten der bildenden Kunst. Gezeigt wird die Ausstellung in der BIG gallery am Dortmunder U vom 21.11.21 bis zum 16.01.21.

Den Satz „kann man mal machen“ ist mir meist in der Sportreportage begegnet. Wenn ein Spieler etwas Außergewöhnliches tut, beispielsweise den Ball aus 40 Metern in Tor zu dreschen, dann sagt der Reporter – etwas lakonisch – „kann man mal so machen“ .

Laden zu einer abwechslungsreichen Ausstellung in die BIG gallery  ein. (v.l.n.r.) Die Organisatoren Axel M. Mosler, Irmhild Koeniger-Rosenlechner und Karl-Ulrich Peisker.
Laden zu einer abwechslungsreichen Ausstellung in die BIG gallery ein. (v.l.n.r.) Die Organisatoren Axel M. Mosler, Irmhild Koeniger-Rosenlechner und Karl-Ulrich Peisker.

Und wie ist das als bildende Künstler*in? Günter Rückert schreibt in seinem Pressetext zur Ausstellung, dass „Können“ einerseits bedeutet, dass man in der Lage ist oder die Fähigkeit besitzt, etwas zu tun. „Machen“ verweist auf die Tätigkeit, also den Umgang mit Material beispielsweise. Anders interpretiert, kann das Motto auch bedeuten, etwas ganz Verrücktes zu machen, weil man es halt kann.

Daher finden sich viele spannende Beiträge in der Ausstellung, von denen ich nur ein paar vorstellen möchte, denn ein Besuch der Ausstellung lohnt sich auf alle Fälle. Karl-Ulrich Peisker hat ein „Chemogramm“ gemacht, in dem er verschiedene Chemikalien wie Terpentin oder Nagelhautentferner zwischen zwei Glasplatten gelegt hat. Den dadurch entstandenen Prozess hat er durch sein Eingreifen gesteuert und ist so einem interessanten Ergebnis gekommen.

Ute Höschen hat eine Vielzahl von PET Flaschen zu einem riesigen Gesamtbild verklebt. Kritik an der männlich dominierten Geschäftswelt zeigt die Arbeit von Heide Müller. Hier sind einige gebügelte Herrenhemden zu sehen. Gisbert Danberg präsentiert mit „Tholus_aranae“ eine riesige Spinne, die aus einem Warhammer-Spiel zu kommen scheint. Dagegen ist Dieter Ziegenfeuters Arbeit „Pommes Ketchup“ so appetitlich, dass es sich jeder Imbissbudenbesitzer in sein Lokal hängen sollte. Medienkritik kommt von Rita-Maria Schwalgin. Sie fotografierte Fotos von Facebook-Freundschaftsanfragen, die sie bekommen hat unter dem Titel „Kontakt unerwünscht“. Aus eigener Erfahrung weiß ich, wie nervig so etwas sein kann. Axel M. Mosler zeigt Fotografien einer alten Litfaßsäule, deren alte Geschichte Wind und Wetter hervorzauberte. Da die Plakate immer übereinander geklebt wurden, konnte man welche bewundern, die von 2005 stammen. Durch die Witterung und den Verfall bekommt das Ganze einen archäologischen Touch.

Die vier teilnehmenden Künstlerverbände sind BBK Ruhrgebiet, BBK Westfalen, Künstlervereinigung Dortmunder Gruppe und Westfälische Künstlerbund Dortmund.

Die Öffnungszeiten der BIG gallery sind montags bis freitags von 10:00 bis 19:00 Uhr sowie sonntags von 14:00 bis 17:00 Uhr. Der Eintritt ist frei.




Böhmische Romantik mit Dvořák und Suk

Den bekanntesten Komponisten der böhmischen Romantik Antonín Dvořák und seinen Schüler Josef Suk verband nicht nur die Liebe zur Musik. Der jüngere Musiker Suk war mit der jüngsten Tochter Dvořáks liiert und heiratete sie auch. Diese schicksalhafte familiäre Verbindung bildete die Klammer des 3. Philharmonischen Konzertes unter dem Titel „Todesengel“.

Zu Beginn wurde Dvořáks Opus 104, Konzert für Violoncello und Orchester gespielt. Daniel Müller-Schott brillierte als Solist und wurde zu Recht vom Publikum für bejubelt. Das technisch sehr anspruchsvolle Stück galt nach seiner Vollendung sogar als unspielbar. Dvořák schrieb das Konzert in New York. Eigentlich mochte er die Cellomusik nicht, ließ sich jedoch überreden und schrieb dann eines der bis heute beliebtesten Cellowerke. Der Sound und die Hektik der Großstadt klangen immer wieder an, und ließen mich kurz an Melodien von Gershwin denken. In seiner Zeit in New York war er immer von Heimweh geplagt, weshalb auch zahlreiche Motive der böhmischen Volksmusik in den Melodien auftauchen. Die letzten 60 Takte seines Konzertes änderte Dvořák später nochmal um. Er gedachte damit seiner einstmals unerwiderten Liebe zu der gerade verstorbenen Josefina Čermáková. Deren Lieblingslied von ihm „Lasst mich nicht allein“ hatte Dvořák auch schon in den zweiten Satz seines Konzertes eingearbeitet.

Daniel Müller-Schott verzauberte das Publikum mit Dvořáks Konzert für Violoncello. (Foto: © Uwe Arens)
Daniel Müller-Schott verzauberte das Publikum mit Dvořáks Konzert für Violoncello Nr. 2. (Foto: © Uwe Arens)

Nach der Pause erwartete die Besucher die Sinfonie „Asrael“ von Josef Suk. Diese Sinfonie in c-Moll schrieb der Komponist nach dem plötzlichen Tod Antonin Dvořáks. Josef Suk, vom Tod seines bewunderten Schwiegervaters tief getroffen, begann mit der Arbeit an Asrael. Asrael gilt als eine mystische Engelsfigur, die im islamischen Glauben die Seelen der Verstorben auf dem Weg zu Allah begleitet. Vielleicht fand Josef Suk in seiner Trauer auch Trost in dieser Vorstellung. Nur ein halbes Jahr später, er steckte mitten in der Komposition, verstarb auch seine über alles geliebte Frau Otilka. Ein weiterer Schicksalsschlag für ihn. Zum Ausklang seiner Sinfonie wechselt der Komponist aus dem getragenen c-Moll in ein viel helleres C-Dur. Dies klingt wie ein erster Hoffnungsschimmer in einer schweren persönlichen Krise. Es gibt ein Zitat von Josef Suk zu seinem Gemütszustand: „Solch ein Unglück zerstört entweder einen Menschen oder trägt alle schlafenden Kräfte in ihm an die Oberfläche. Die Musik hat mich gerettet“.

Ein wunderbarer Konzertabend, der sehr berührte, und dennoch nicht traurig nach Hause gehen ließ.




Wladimir Kaminer im MKK

Zu Gast bei LesArt, dem Literaturfestival Dortmund war am 11.11.21 Bestsellerautor Wladimir Kaminer. Lässig, abwechselnd mit einem Glas Wasser oder einem Glas Rotwein in der Hand an einem kleinen Bistrotisch stehend, bezauberte er das Publikum in der Rotunde des Museums für Kunst und Kulturgeschichte mit seinen Geschichten.

Wladimir Kaminer ist ein russischstämmiger Autor. Er lebt mit seiner Familie in Berlin und erfreut seit 20 Jahren seine Leser- und Hörerschaft mit einem schier unerschöpflichen Output an amüsanten Geschichten.

Wladimir Kaminer verzauberte seine Zuhörerschaft bei seiner Lesung im MKK. (Foto: © Anja Cord)
Wladimir Kaminer verzauberte seine Zuhörerschaft bei seiner Lesung im MKK. (Foto: © Anja Cord)

Diesmal stellte er Texte aus den Büchern „Rotkäppchen raucht auf dem Balkon“ und „Wellenreiter“ vor. Kaminer nennt die Bücher Teil einer Corona-Trilogie. Das dritte Buch ist gerade im Entstehen.

Beim Vortrag der ersten Geschichte erfuhren die Zuhörer wie seine Mutter das abgelegte Smartphone der Enkelin geschenkt bekam und mit welchen Schwierigkeiten die fast neunzigjährige Dame zu kämpfen hatte. Als sie eine SpieleApp herunterladen wollte, sollte sie die Erlaubnis ihrer Eltern einholen, um weiterzuspielen. Dann fehlte das Passwort und Wladimir Kaminer berichtete die witzigen Umstände, die ihn praktisch zum Elternteil seiner Mutter machten, der ihr den Umgang mit den gefährlichen Apps zubilligte.

Auch erfuhr das Publikum, dass Kaminers Tochter ihn zum Titel des ersten Buches inspirierte. Während eines Gesprächs mit seiner Mutter und seiner Tochter über Rotkäppchen und dessen Motivation zur Großmutter in den Wald zu gehen, ging seine Tochter zum Rauchen auf den Balkon und, voilà, der Titel des Buches war geboren.

Kaminer plauderte witzig, charmant und unterhaltsam. Er erzählte von Dreharbeiten einer Deutschlandreise, die beinah Corona zum Opfer gefallen wäre, ihn dann aber doch ins fast menschenleere Neuschwanstein oder nach Oberammergau führte. Dort aß er mit ‚Jesus‘ eine „Weißwurst und trank mit dessen Schwester ein Bier“. Egal worüber er berichtet, der Schriftsteller zieht seine Zuhörer in seinen Bann.

Kaminer beweist eine verblüffende Beobachtungsgabe und einen sehr genauen Blick auf Menschen und ihre Marotten.

Die Lachmuskeln wurden an diesem Abend reichlich beansprucht.

Das waren die kurzweiligsten und amüsantesten zwei Stunden, die ich seit langer Zeit erleben durfte.