Eindringliches „Zwischen den Stürmen“

Am 27.11.2021 hatte im Dortmunder Schauspiel „Zwischen den Stürmen“ unter der Regie von Poutiaire Lionel Somé (Burkina Faso) seine bemerkenswerte Premiere.

Grundlage für die Inszenierung bildete einerseits Shakespeares „Der Sturm“, andererseits das 1969 von Politiker, Schriftsteller und Mitbegründer der Négritude-Bewegung Aimé veröffentlichte „Ein Sturm“. Dieser konzentrierte die Geschichte auf Prospero (von seinem Bruder vertriebene einstige Herzog von Mailand, der zusammen mit seiner Tochter Miranda auf eine einsame Insel strandete.). Als Herrscher der Insel (bei ihm Karibik) unterstützen ihn der Luftgeist Ariel und sein Diener Caliban. „Ein Sturm“ ist eine Art Überschreibung des und Hinterfragung des Originals und stellt Fragen nach Macht, Kolonialisierung und Kultur in den Vordergrund. Somé sucht eine aktuelle Auseinandersetzung mit beiden Autoren und ihren Texten.

Es wurde eine modernen, interdisziplinären Inszenierung mit eindrucksvollen Video-Installationen, starken Bildern und fantasievollen Kostümen. Das Geschehen wurde zudem passend begleitet durch die Musik von Abdoul Kader Traoré.

Sarah Yawa Quarshie als "Caliban"  (Foto: © Birgit Hupfeld)
Sarah Yawa Quarshie als „Caliban“ (Foto: © Birgit Hupfeld)

Eindrucksvoll war das, wenn nötig flexibel nach oben verschiebbare, runde Bühnenkonstrukt mit Stelen, die herausgenommen werden konnten. Die sieben Schauspielerinnen verliehen dem Thema Kolonialisierung und seinen Folgen bis heute eine zusätzliche Authentizität.

Die kurzfristig eingesprungene Marlena Keil spielte den etwas chaotischen, selbstverliebten und herrschsüchtigen Prospero mit viel Humor, Ironie und Temperament. Ariel, gespielt von Valentina Schüle, sehnt sich nach Freiheit und ist hier ein Verbündeter von Prosperos Tochter Miranda (Nika Mišković). Miranda, die seit früher Kindheit auf der Insel lebt, hat im Gegensatz zu Prospero Respekt vor Natur und der Kultur dort und fühlt sich hier frei. Ariel spielt Prospero einfach die Rolle des Ferdinands vor. Prospero wollte den Königssohn mit ihrer Tochter verkuppeln, um wieder Macht zu bekommen.

Selbstbestimmung und kulturelle Identität sucht Caliban (Sarah Yawa Quarshinie). Sein wachsendes Selbstbewusstsein zeigt sich deutlich, als er nur noch mit seinem wirklichen Namen Bamawo angesprochen werden will. Er ist der Sohn der als „Hexe“ verschrienen Sycorax (Storytelling / Co-Autorin Bernice Lysania Akouala). Diese kam Ursprünglich aus Algier, spricht mit ruhiger klarer Stimme und erzählt ihre Geschichte.

Yemaya wird in ihrer Kultur als die Göttin des Meeres und der Mutterschaft verehrt und man hat Respekt vor jeglichem Leben. Die Erde ist für sie nicht „tot“ und kann nicht nach Belieben durch Menschen wie Prospero oder andere Eroberer ausgeplündert werden.

Seine Macht ist gebrochen.

Gehen wir den Weg gegenseitigen Achtung oder der Ausbeutung und Zerstörung fremder Kulturen sowie der Natur? Es liegt an uns. Der nächste „Sturm“, ob gewalttätige Aufstände gegen Unterdrückung oder Umweltkatastrophen kommen sonst schneller als uns lieb ist.

Informationen zu weiteren Aufführungsterminen finden sie wie immer unter

www.theaterdo.de oder Tel.: 0231/50 27 222

Die Bürgschaft – Kurz-Oper in der DASA

Friedrich Schillers Ballade um Treue und Freundschaft „Die Bürgschaft“ war das zentrale Element des neuen Bürgeroper-Projektes We DO Opera. Der Ort der Premiere war ein sehr ungewöhnlicher: Die DASA in Dorstfeld. Ein Premierenbericht vom 21. November 2021.

Der Ort der Premiere war ein großer Raum, voll mit Relikten aus der Stahlzeit von Dortmund. Währenddessen führt uns der Text von Schiller in die Antike. Denn Schillers Gedicht beruht auf eine Erzählung aus dem 4. Jahrhundert v. Chr. und spielt in Syrakus.

Dave Ivanov (Tyrann), Anna Schmalenbach (Damon), Ensemble (Foto: © Björn Hickmann, Stage Picture)
Dave Ivanov (Tyrann), Anna Schmalenbach (Damon), Ensemble (Foto: © Björn Hickmann, Stage Picture)

Damit jeder Besuchende auf dem Stand ist, wurde die Ballade zu Beginn von verschiedenen Sprechern vorgelesen. Dann erst traten die Mitwirkenden auf. Die meisten trugen graue Kleidung, was das ganze etwas dystopisch wirken ließ Kostüme von Anna Hörling). Nur der Tyrann war anders gekleidet. Um Damon (so der Held bei Schiller) und seinen Freund erkennbar zu machen, hatten sie sich rote Schals um den Arm gewickelt. Als möglicher Kreuzigungsort wurde ein großer Kasten benutzt. Zusätzlich wurden per Projektion antike Stadtmauen, ein Wald (wegen der Räuberszene) oder eine Wüste (wegen Durst).

In der etwa 45 Minuten Oper wurde die Ballade – vertont von Thierry Tidrow – in verschiedenen Szenen aufgeführt. Die Musik war zeitgenössisch modern, das Orchester besaß aber eine Santur-Gruppe sowie eine Bağlama-Gruppe, sodass die Musik einen orientalischen Touch bekam.

Gesungen wurde natürlich auch, natürlich keine komplizierten Arien, aber sowohl der Tyrann, als auch Damon machten ihre Sache sehr gut, das Gleiche gilt für die Mitglieder, die im Chor sangen und die Szenen nachstellten.

Ein guter Weg, Menschen in die Oper zu locken, die vielleicht von der Länge einer Oper eher zurückschrecken. Die Länge entsprach einer Folge einer Netflix-Serie und ist daher für Generation Streaming sehr gut geeignet.

Mehr Informationen unter www.theaterdo.de

Emerging Artists – Ausstellung und praktische Hilfe

Die vierte Ausgabe der zweijährlich stattfindenden Veranstaltung „Emerging artists“ zeigt nicht nur Arbeiten von acht Künstlerinnen und Künstlern, sondern hat auch ein interessantes Rahmenprogramm mit Seminaren, die jungen Kunstschaffenden den Start ins Berufsleben vereinfachen sollen. Die Ausstellung läuft vom 27.11.21 bis zum 13.02.22 in der UZWEI im Dortmunder U.

Neben den Seminaren stehen natürlich die Künstlerinnen und Künstler im Mittelpunkt. Um diese auch gut zu präsentieren, wird für jede Ausgab von Emerging Artists ein neues grafisches und szenografisches Konzept von Studierenden entwickelt. Für die Szenografie waren Ins Meyer und Lara König zuständig. Jede Künstlerin oder Künstler hat in der UZWEI einen eigenen Raum, getrennt durch transparente Rasterfolie.

Künstlerinnen und Künstler, Organisatorinnen und Organisatoren und weitere Altive von EMERGING ARTISTS in der UZWEI. (Foto: © Monika Hanfland)
Künstlerinnen und Künstler, Organisatorinnen und Organisatoren und weitere Altive von EMERGING ARTISTS in der UZWEI. (Foto: © Monika Hanfland)

In den Arbeiten von Sophia Weber werden die Auswirkungen von Krieg und der Technologie kritisch hinterfragt. Beispielsweise eine Drohne, die einerseits als sinnvolles Spielzeug für Landschaftsfotografie benutzt werden, aber auch dazu, um Leute zu töten. In der anderen Arbeit, einem Buchprojekt, werden Bilder von Verletzungen für 1. Hilfe Schulungen als Symbol für Kriegsverletzungen benutzt.

Die Malerei von Lucia Danieleit ist auf das Wesentliche reduziert und spielt mit Kitsch und Geschmack, sodass eine Art Parallelwelt sichtbar wird. Die Darstellungen in ihren Arbeiten scheinen irgendwie nicht möglich zu sein, oder vielleicht aber doch. Das muss der Betrachtende entscheiden. Generell interessiere sie sich für Menschen, so die Künstlerin.

Die fotografische Serie „Asking For The Sun“ von Steven Natusch entstand während eines mehrmonatigen Aufenthalts in Portugal. Den Bildern zeigen eine gewisse Nostalgie, eine Schwermut, die für Portugal typisch ist und dort Saudade genannt wird. Seine Fotos wirken wie lyrische Gedichte und sind offen assoziativ.

Lisa Grätsch arbeitet mit dem iPad. In ihren Arbeiten verbindet sie die Themen Erinnerung und die Mutter-Tochter-Beziehung. Die Werke sind collagenhaft, zeigen das Dilemma der Authentiziät und Fiktion. Denn können wir uns wirklich auf unsere Erinnerungen verlassen oder werden sie korrumpiert?

Mit Blender erschafft Philipp Hermeling virtuelle Welten, in der ein kleines Baby im Mittelpunkt steht. Obwohl die grafische Darstellung sehr genau ist, bleibt es für den betrachtenden etwas distanziert. Der „cuteness“ des Babys scheint noch etwas zu fehlen, die Illusion scheint nicht ganz perfekt.

Die Arbeiten von David Mellin befinden sich an der Schwelle zwischen digitaler Malerei und traditioneller Tafelbildmalerei. Eingescannte Malspuren dienen als Vorlage zur weiteren Bearbeitung mit selbstgemachten Farben. Dieses Spiel mit den Sehgewohnheit wird besonders deutlich, wenn die Bilder einen spiegelnden Effekt besitzen wie bei einem Display und sogar die typischen Kratzer aufweisen.

Alesha Klein ist Bildhauerin, deren Arbeiten von der Natur inspiriert sind. Sei es das Material selbst wie Schiefer oder Stahl oder die Abformung in Stuckmarmor. In ihrem ausgestellten Werk ist eine dezente Soundcollage gearbeitet, die der Arbeit eine weitere Dimension verleiht.

Constantin Grolig interessiert sich für die Materialbeschaffenheit und die Möglichkeiten der Formgebung. Seine Bildmotive sind von einer nebulösen Atmosphäre durchdrungen, sie zeigen beispielsweise die künstliche Lichtarchitektur des Stadtraums bei menschlicher Abwesenheit.

Zu der Ausstellung sind Postkarten zu den Künstlern erschienen sowie ein Flyer zum Begleitprogramm. Das Begleitprogramm ist offen für alle Interessierten. Aber eine Anmeldung ist verpflichtend. Informationen dazu gibt es auf der Internetseite www.emerging-artists.com

Arepas oder Currywurst – Leben zwischen zwei Welten

Die komplizierten und emotionalen Themen Integration und Einwanderung standen im Mittelpunkt des Programms „Arepas oder Currywurst“, das am 19. November 2021 im Fletch Bizzel aufgeführt wurde. Auf die Bühne gebracht wurde es von der Theatergruppe „Dali Moustache“.

Die Rahmenhandlung des Stückes ist eine Art südamerikanische „Telenovela“, die sich „Gudrun“ (Lore Duwe-Sherwat) am liebsten anschaut und auch an und an das gesehen auf der Bühne mit spitzer Zunge kommentiert. Die Telenovela handelt von den Erlebnissen eines venezolanischen Paares, das nach Deutschland auswandert. Carlota (Cynthia Scholz) ist Schauspielerin und Diego (Chino Monagas) ist Musiker. Wie in einer Soap-Opera gibt es verschiedene „Folgen“.

Mit bayerischer Volksmusik haben die beiden venezolanischen Neuankömmlinge Diego ( Chino Monagas) und Carlota (Cynthia Scholz) in Köln wenig Erfolg. (Foto:© Guntram Walter 2021)
Mit bayerischer Volksmusik haben die beiden venezolanischen Neuankömmlinge Diego ( Chino Monagas) und Carlota (Cynthia Scholz) in Köln wenig Erfolg. (Foto:© Guntram Walter 2021)

Besonders gut gemacht ist der Introfilm in einer Art Comic-Style, der ein wenig an das Intro von „Die Nanny“ erinnert. Zusätzlich gibt es Projektionen und 3D-Animationen.

Gleich zu Beginn wird schnell deutlich, dass sich Diego mit dem neuen Leben in Deutschland schwertut. Die Anpassung fällt ihm schwer, die neue Sprache, das kalte Land. Carlota hingegen ist der optimistischer Part, sie will schnell die Sprache lernen, sieht die Vorzüge des neuen Landes und will sich integrieren. Sie hat es auch leichter, da ihre Mutter schon in Köln lebt.

Auch arbeitstechnisch läuft es für das Paar eher schlecht. Auf der Kölner Domplatte ist die Akzeptanz für venezolanischen Volksmusik eher gering und als sie sich später als Bayern verkleiden, macht es die Sache nicht einfacher. Diego kapselt sich mehr und mehr ab und fliegt dann zurück nach Venezuela, obwohl sich das Land im Chaos befindet. Carlota hingegen wird für ihre Mühen irgendwann belohnt und bekommt eine eigene Fernsehshow, in der sie südamerikanische Musik vorstellt. Letztendlich kommt es dann auch zu einem Wiedersehen mit Diego.

Da Monagas und Scholz tatsächlich aus Venezuela stammen, macht das die Geschichte noch spannender, denn einiges, was in „Arepas oder Currywurst“ vorkommt, werden sie selbst erlebt haben. Einerseits der Wunsch nach Integration, andererseits die Wehmut zur Heimat. Der Spagat zwischen zwei Ländern zu leben, kann manche Menschen zerrissen. So wie bei Diego, der es in Deutschland nicht mehr aushält und nach Venezuela zurückkehrt, obwohl dort Chaos herrscht.

Etwas Schade fand ich, dass der Sohn, der im Comic-Intro noch dabei war, keine Rolle mehr spielte. Es wäre spannend zu erfahren, was ihm als Jugendlicher in seiner neuen Heimat so passiert.

Ein besonderer Gimmick war das Ende, denn die Band, die Carlota präsentierte, La Banda Rupo, spielte live neben der Bühne. Salsa. Natürlich stürmte das Publikum die freie Fläche, um dort zu tanzen. Das Stück war auf Spanisch und auf Deutsch, die jeweils andere Sprache wurde oben eingeblendet, sodass jeder dem Stück vollkommen folgen konnte.

Insgesamt ein wirklich gelungener Abend. Das Stück gibt einen Einblick in die Gefühlswelt von Migranten, die ihre Heimat verlassen haben und sich in Der neuen Heimat zurechtfinden müssen und dabei viel Frust erfahren. Die Welt wäre ideal, wenn man sich nicht entscheiden müsste zwischen Arepas (Maisfladen) Oder Currywurst, sondern die Möglichkeit besitzt, beides haben zu können.

Eine musikalische Reise zum Mittleren Osten

Das 2. Konzert für junge Leute entführte das Publikum am 22.1.2021 im Konzerthaus Dortmund unter dem Titel „Traveling through the Middle East“ in die Kultur des Mittleren Ostens.

Die Dortmunder Philharmoniker begab sich gemeinsam mit sieben Solist*innen des Babylon ORCHESTRA Berlin, der palästinensischen Sängerin und Komponistin Rasha Nahas sowie den Reiseblogger*innen Carolin Steig und Martin Merten (WE TRAVEL THE WORLD) in die arabischen Emirate, genauer gesagt: Dubai und Ras Al Khaimah.

Zunächst einmal trafen hier europäische zeitgenössische Musik und der des (urbanen) Nahen und Mittleren Ostens zusammen.

Wüstenromantik trifft auf knallharte Moderne: Dubai (Foto: © M.Hermsdorf / pixelio.de)
Wüstenromantik trifft auf knallharte Moderne: Dubai (Foto: © M.Hermsdorf / pixelio.de)

Dem aus insgesamt 15 Personen bestehenden Babylon ORCHESTRA aus verschiedenen Ländern (Syrien, Irak. Iran, Armenien, Frankreich, Italien u. a.) setzt sich für den Austausch zwischen den unterschiedlichen musikalischen Kulturen ein und damit für ein besseres Verständnis füreinander ein. Als „Reiseführerin“ und Moderatorin des Abends fungierte die Musikvermittlerin Andrea Hoever.

Der künstlerische Leiter und Arrangeur des Babylon ORCHESTRA Mischa Tangian brachte dem Publikum deren anders gestimmten Instrumente (iranische Violine, spezielle Zitter u. a.) näher und auf der großen Leinwand wurden zur Musik passende Bilder projiziert.

Rasha Nahhas überzeugte mit ihrer warmen und voluminösen Stimme. Die Songs musikalisch zwischen Rockabilly, Freejazz und Chanson drehen sich oft um den Konflikt in ihrem Heimatland und deren Folgen für die Menschen.

Die Dortmunder Philharmoniker trug klassisches mit Nikolai Rimski-Korsakows 1. Largo e maestoso aus der „Scheherazade op. 35 oder einen Auszug aus der Maurischen Rhapsodie (Engelbert Humperdinck) bei.

Ein starkes Zusammenspiel boten beide Orchester am Ende mit Isaac Albéniz (Arr. Mischa Tangian) aus der Suite espaňola op. 47 (Nr. 5 „Asturias“).

Die Reiseblogger Carolin und Martin erzählten zunächst etwas über sich und ihre Reisen nach Dubai und Ras Al Khaimah. Es folgte ein musikalisch begleiteter, auf Leinwand projizierter, Videoclip.

Es zeigte den Kontrast zwischen der grandiosen Wüsten, Gebirge mit ihrer Tierwelt und dem urban-glitzernden, auf immer mehr Luxus und Erlebnis-Touristen eingerichtetem Leben in Dubai. Dort zählen nur Superlativen wie zum Beispiel das größte Riesenrad, die längste Wasserrutsche und mehr.

Da bleiben zwiespältige Gefühle. Wie steht es in den Vereinigten Arabischen Emiraten zum Beispiel aus mit den Frauenrechten oder den Rechten für Homosexuelle? Auch bei der Behandlung von Arbeitsmigranten sieht es – ähnlich wie im benachbarten Katar – problematisch aus.

Musikalisch jedoch bot der Abend ein interessantes Zusammentreffen der unterschiedlichen Kulturen auf hohem Niveau.

Ein Abend für den Hooligan der Inbrunst – Wiglaf Droste

Am 09. November 2021 feierte das lesArt Festival mit „Teach me laughter, save my soul“ einen Mann, der sehr streitbar war und dabei eine satirische und literarische Eloquenz hatte, die ihresgleichen suchte: Wiglaf Droste. Er wird gerne als „Tucholsky unserer Tage“ bezeichnet, der Abend im domicil zeigte, wie vielschichtig und unbequem dieser Mann war, der 2019 leider viel zu früh verstarb.

Zu Beginn gab es eine Art Einführung zur Hauptperson. In dem etwa 15minütigen Film wird sehr schnell klar, dass Wiglaf Droste sich nicht scheute nach beiden Seiten auszuteilen. Klar hasste er Nazis, doch auch die typischen Esoterik-Linken bekamen ihr Fett weg. Er schrieb unter anderem für die taz, Titanic, junge Welt und andere Medien, später gab er mit Sternekoch Vincent Klink die Zeitschrift „Häuptling eigener Herd“ heraus. Darüber hinaus war er ein veritabler Sänger, seine erste Platte hieß „Grönemeyer kann nicht tanzen“ und imitierte den Bochumer Sänger sehr gut. Mit dem Essener Spardosen-Terzett veröffentlichte er einige Alben. Natürlich veröffentlichte er auch viele Bücher.

Ein Abend für einen alten Weggefährten. (v.l.n.r.) Danny Dzuik, Rayk Wieland, Ralf Sotschek, Fritz Eckenga und Klaus Bittermann feierten Wiglaf Droste. (Foto: © Hartmut Salmen)
Ein Abend für einen alten Weggefährten. (v.l.n.r.) Danny Dzuik, Rayk Wieland, Ralf Sotschek, Fritz Eckenga und Klaus Bittermann feierten Wiglaf Droste. (Foto: © Hartmut Salmen)

An diesem Abend erzählten seine Werkgefährten Fritz Eckenga, Ralf Sotschek, der Irland-Korrespondent der taz, Rayk Wieland oder der Verleger Klaus Bittermann Geschichten über ihn und mit ihm. Was auffällt, die Geschichten sind häufig alkoholgeschwängert und es macht deutlich, dass es bei Droste ziemliche Abstürze gab. Daher starb er auch schon mit 57 Jahren an Leberzirrhose. Musikalisch wurde der Abend begleitet von Danny Dziuk, der am Klavier Lieder von Droste oder die von ihm inspiriert wurden, zu Gehör brachte.

Alles in allem fehlt jemand wie Droste in unseren Corona-Zeiten.

DADADO vergibt den Prixx de No Bell

In Dortmund wird die Kunstrichtung DADA von engagierten Künstlerinnen und Künstlern unter dem Namen DADADO in Ehren gehalten. Nicht nur wegen Richard Hülsenbeck, der in Dortmund auf dem Südwestfriedhof liegt, auch das Museum Ostwall leistet mit seinem Schwerpunkt Fluxus, das mit DADA verwandt ist, einen Beitrag. Am 18.11.21 organisierte also DADADO die 5. DADADO-Filmnacht im Fletch Bizzel, bei dem auch Preise vergeben wurden, nämlich der „Prixx De No Bell“ in vier Kategorien.

Die Organisatoren von DADADO haben die Filmnacht in drei Teile geteilt. Im ersten Teil konnten die Besucherinnen und Besucher sieben Filme außerhalb des Wettbewerbs erleben. Darunter witzige Tutorials wie das finnische „How to open a door“ oder „Homemaid Noise Tutorial“ von Peter Valek. Der tschechische Künstler avancierte mit seinem leicht chaotischen Experiment zum Star des Abends. Leider, so erzählte Moderator Volker Krieger, wären bisher alle Kontaktbemühungen gescheitert wären. Dennoch wollen die Organisatoren weiter versuchen, mit Valek in Kontakt zu treten.

So schön wurden die Preise in den vier Kategorien präsentiert.
So schön wurden die Preise in den vier Kategorien präsentiert.

Nicht alle Beiträge waren neue Produktion, so war der Beitrag von Uwe Wand „Bestiarum von Ernst Jandl” bereits 1989/90 als Diplomarbeit erschienen. Neu war hingegen Beitrag des LK Kunst der Gesamtschule Gartenstadt, die mit ihrer Arbeit ein wenig an die animierten Zwischensequenzen der Monty Python erinnerte. Die Mühen der Schülerinnen und Schüler wurden mit einem Preis in der “Categorie Special” gewürdigt.

Im zweiten Teil wurde auch ein Film gezeigt, und zwar „Entr’acte“ aus dem Jahr 1924. Der dadaistische Kurzfilm von Reneé Clair wurde dabei vom Kollektiv Trio Randale musikalisch und tänzerisch begleitet. Ein äußerst gelungen Zwischenakt.

Der dritte Part war den 16 Wettbewerbsfilmen gewidmet. Ob es am Mangel an Teilnehmern lag? Jedenfalls nahm die Künstlergruppe „Leuchtstoff“ aus Witten mit 11 Filmen teil, der Dortmunder Künstler Arp Diegà schickte drei Beiträge ins Rennen.

Es ist nicht verwunderlich, dass Leuchtstoff zumindest einen Preis abräumen könnte, sie holten den zweiten Platz, de Catégorie Grande, mit ihrem Beitrag „Onomatopoesie“, was nach meiner Einschätzung näher an DADA war, als die anderen Beiträge. Der dritte Platz ging an Frank Niehusmann, der mit seinem „One two Test“, die Wordakrobatik des DADA Dank Sampling in die Moderne katapultiert.

Den ersten Preis erhielt Uwe Koslowski. Sein Film „Keine Panikattacken“, eigentlich ein Tutorial zum Thema „Passen Sie auf, dass genug Klopapier in der Toilettenkabine ist“, könnte die Konkurrenten hinter sich lassen.

Ein schöner kurzweiliger Abend, an dem DADA gefeiert wurde. Er hätte nur mehr Publikum verdient.

Fotokunst zwischen Illusion und Realität

In der Städtischen Galerie Torhaus Rombergpark haben Interessierte vom 21.11.2021 bis zum 12.12.2021 Gelegenheit, vierzehn großformatige fotografische Werke von Rolf Kluge aus den Jahren 2014 bis 2019 unter dem Titel „GegenÜberWelten“ zu sehen. Kluge arbeitet seit 1992 als Fotograf und Grafik-Designer in Lennestadt.

Während seiner diversen Reisen durch die Welt begeisterte ihn nicht nur die jeweilige Architektur in den verschiedenen Ländern und Städten, sondern die Bedeutung einzelner von ihm ausgewählten Fragmente in Bezug zu ihrer Umgebung.

Rolf Kluge vor seinen Arbeiten „Hongkong_2“ und „Guanghzou_2", beide von 2018.
Rolf Kluge vor seinen Arbeiten „Hongkong_2“ und „Guanghzou_2″, beide von 2018.

Mithilfe einer langen Brennweite ist es ihm möglich, aus der Entfernung einen Ausschnitt eines Gebäudes, Restaurants oder Schaufensters zu definieren. Er sieht beispielsweise eine Fassade, folgt seiner Intuition, sucht und definiert den Ausschnitt mit der Kamera. In den Flächen dieses Ausschnitts spiegelt sich das Gebäude oder eine Folie vielfach wider.

Es geht dabei darum, das scheinbar Unüberschaubare und die Details, die sich darin verstecken zu erkunden. Mit seinem visuellen Konzept entsteht eine spannende minimalistisch-abstrakte Formensprache, die von den Betrachtenden entschlüsselt werden muss. Diese werden eingeladen, sich auf Neues, Unerwartetes sowie Rätselhaft-Ungewohntes zu entdecken.

Der Künstler arbeitet mit Verzerrungen und Spiegelungen und bringt so lineare Strukturen in Bewegung. In Bangkok Airport (2015) erzeugen die Spiegelungen etwa den Effekt mehrerer übereinanderliegender Schichten. Hongkong (2018) und Hongkong 2 (2018) zeigen wiederum tanzende Fassaden aus lauter kleiner sich im Licht bewegender Bestandteile und völlige Auflösung der Linearität.

Kluge arbeitet (wie die alten Meister) dabei sehr detailgetreu und wenn er durch Gardinenstoffe oder andere Gitterstrukturen fotografiert, bekommt man als Betrachter das Gefühl, die unterschiedlichen Materialien spüren zu können.

Die Werke haben keinen speziellen Namen, sondern sind nach den jeweiligen Orten benannt.

Eine offizielle Vernissage wird es wegen der Corona-Situation nicht geben.

Das Torhaus ist geöffnet dienstags bis samstags von 14 bis 18 Uhr, sonntags und feiertags von 10 bis 18 Uhr. Der Eintritt ist frei. Ein Rundgang durch die Ausstellung wird auch in der virtuellen Galerie präsentiert: www.virtuellegalerie-dortmund.de

Eine abwechslungsreiche Ausstellung – das kann man mal machen

Die fünfte gemeinsame Ausstellung aller vier Dortmunder Künstlerverbände trägt den schönen Titel „Kann man mal machen“. 41 Künstlerinnen und Künstler wurden letztlich von einer Jury ausgewählt und präsentieren Skulpturen, Fotos, Malerei und weitere Spielarten der bildenden Kunst. Gezeigt wird die Ausstellung in der BIG gallery am Dortmunder U vom 21.11.21 bis zum 16.01.21.

Den Satz „kann man mal machen“ ist mir meist in der Sportreportage begegnet. Wenn ein Spieler etwas Außergewöhnliches tut, beispielsweise den Ball aus 40 Metern in Tor zu dreschen, dann sagt der Reporter – etwas lakonisch – „kann man mal so machen“ .

Laden zu einer abwechslungsreichen Ausstellung in die BIG gallery  ein. (v.l.n.r.) Die Organisatoren Axel M. Mosler, Irmhild Koeniger-Rosenlechner und Karl-Ulrich Peisker.
Laden zu einer abwechslungsreichen Ausstellung in die BIG gallery ein. (v.l.n.r.) Die Organisatoren Axel M. Mosler, Irmhild Koeniger-Rosenlechner und Karl-Ulrich Peisker.

Und wie ist das als bildende Künstler*in? Günter Rückert schreibt in seinem Pressetext zur Ausstellung, dass „Können“ einerseits bedeutet, dass man in der Lage ist oder die Fähigkeit besitzt, etwas zu tun. „Machen“ verweist auf die Tätigkeit, also den Umgang mit Material beispielsweise. Anders interpretiert, kann das Motto auch bedeuten, etwas ganz Verrücktes zu machen, weil man es halt kann.

Daher finden sich viele spannende Beiträge in der Ausstellung, von denen ich nur ein paar vorstellen möchte, denn ein Besuch der Ausstellung lohnt sich auf alle Fälle. Karl-Ulrich Peisker hat ein „Chemogramm“ gemacht, in dem er verschiedene Chemikalien wie Terpentin oder Nagelhautentferner zwischen zwei Glasplatten gelegt hat. Den dadurch entstandenen Prozess hat er durch sein Eingreifen gesteuert und ist so einem interessanten Ergebnis gekommen.

Ute Höschen hat eine Vielzahl von PET Flaschen zu einem riesigen Gesamtbild verklebt. Kritik an der männlich dominierten Geschäftswelt zeigt die Arbeit von Heide Müller. Hier sind einige gebügelte Herrenhemden zu sehen. Gisbert Danberg präsentiert mit „Tholus_aranae“ eine riesige Spinne, die aus einem Warhammer-Spiel zu kommen scheint. Dagegen ist Dieter Ziegenfeuters Arbeit „Pommes Ketchup“ so appetitlich, dass es sich jeder Imbissbudenbesitzer in sein Lokal hängen sollte. Medienkritik kommt von Rita-Maria Schwalgin. Sie fotografierte Fotos von Facebook-Freundschaftsanfragen, die sie bekommen hat unter dem Titel „Kontakt unerwünscht“. Aus eigener Erfahrung weiß ich, wie nervig so etwas sein kann. Axel M. Mosler zeigt Fotografien einer alten Litfaßsäule, deren alte Geschichte Wind und Wetter hervorzauberte. Da die Plakate immer übereinander geklebt wurden, konnte man welche bewundern, die von 2005 stammen. Durch die Witterung und den Verfall bekommt das Ganze einen archäologischen Touch.

Die vier teilnehmenden Künstlerverbände sind BBK Ruhrgebiet, BBK Westfalen, Künstlervereinigung Dortmunder Gruppe und Westfälische Künstlerbund Dortmund.

Die Öffnungszeiten der BIG gallery sind montags bis freitags von 10:00 bis 19:00 Uhr sowie sonntags von 14:00 bis 17:00 Uhr. Der Eintritt ist frei.

Böhmische Romantik mit Dvořák und Suk

Den bekanntesten Komponisten der böhmischen Romantik Antonín Dvořák und seinen Schüler Josef Suk verband nicht nur die Liebe zur Musik. Der jüngere Musiker Suk war mit der jüngsten Tochter Dvořáks liiert und heiratete sie auch. Diese schicksalhafte familiäre Verbindung bildete die Klammer des 3. Philharmonischen Konzertes unter dem Titel „Todesengel“.

Zu Beginn wurde Dvořáks Opus 104, Konzert für Violoncello und Orchester gespielt. Daniel Müller-Schott brillierte als Solist und wurde zu Recht vom Publikum für bejubelt. Das technisch sehr anspruchsvolle Stück galt nach seiner Vollendung sogar als unspielbar. Dvořák schrieb das Konzert in New York. Eigentlich mochte er die Cellomusik nicht, ließ sich jedoch überreden und schrieb dann eines der bis heute beliebtesten Cellowerke. Der Sound und die Hektik der Großstadt klangen immer wieder an, und ließen mich kurz an Melodien von Gershwin denken. In seiner Zeit in New York war er immer von Heimweh geplagt, weshalb auch zahlreiche Motive der böhmischen Volksmusik in den Melodien auftauchen. Die letzten 60 Takte seines Konzertes änderte Dvořák später nochmal um. Er gedachte damit seiner einstmals unerwiderten Liebe zu der gerade verstorbenen Josefina Čermáková. Deren Lieblingslied von ihm „Lasst mich nicht allein“ hatte Dvořák auch schon in den zweiten Satz seines Konzertes eingearbeitet.

Daniel Müller-Schott verzauberte das Publikum mit Dvořáks Konzert für Violoncello. (Foto: © Uwe Arens)
Daniel Müller-Schott verzauberte das Publikum mit Dvořáks Konzert für Violoncello Nr. 2. (Foto: © Uwe Arens)

Nach der Pause erwartete die Besucher die Sinfonie „Asrael“ von Josef Suk. Diese Sinfonie in c-Moll schrieb der Komponist nach dem plötzlichen Tod Antonin Dvořáks. Josef Suk, vom Tod seines bewunderten Schwiegervaters tief getroffen, begann mit der Arbeit an Asrael. Asrael gilt als eine mystische Engelsfigur, die im islamischen Glauben die Seelen der Verstorben auf dem Weg zu Allah begleitet. Vielleicht fand Josef Suk in seiner Trauer auch Trost in dieser Vorstellung. Nur ein halbes Jahr später, er steckte mitten in der Komposition, verstarb auch seine über alles geliebte Frau Otilka. Ein weiterer Schicksalsschlag für ihn. Zum Ausklang seiner Sinfonie wechselt der Komponist aus dem getragenen c-Moll in ein viel helleres C-Dur. Dies klingt wie ein erster Hoffnungsschimmer in einer schweren persönlichen Krise. Es gibt ein Zitat von Josef Suk zu seinem Gemütszustand: „Solch ein Unglück zerstört entweder einen Menschen oder trägt alle schlafenden Kräfte in ihm an die Oberfläche. Die Musik hat mich gerettet“.

Ein wunderbarer Konzertabend, der sehr berührte, und dennoch nicht traurig nach Hause gehen ließ.