Session Night – Funkiger Abend im Fletch Bizzel

Seit einiger Zeit hat das Fletch Bizzel mit Dixon Ra auch einen musikalischen Leiter. Der Saxophonist und Multiinstrumentalist nutzt seine musikalischen Fähigkeiten nicht nur, Theaterstücke zu begleiten, sondern bietet Interessierten auch unter dem Namen „Session Night“ eine neue musikalische Reihe an, bei der er auch Gäste einlädt. Manche werden sich an das „Small Beast“ erinnern, das unter dem damaligen musikalischen Leiter des Schauspielhauses, Paul Wallfisch, zum festen Repertoires der Dortmunder Musikliebhaber avancierte.

Den ersten Abend der „Session Nights“ am 05.10.21 bestritt Dixon Ra alleine, begleitet von Marc Reece (Gitarre), Caspar van Meel (Bass) und Lennart Rybica (Schlagzeug). Und die Musik zeigte sofort die Richtung an: Funk. „Stratus“ von Billy Cobham und „Blast“ von Marcus Miller ließen Erinnerungen an Serien wie „Straßen von San Francisco“ aufkommen. Der dritte Titel „Jovano Jovanke“ zeigte auch, dass Dixon Ra sehr gut Jazz-Funk mit traditionellen Balkanmelodien verbinden kann. Nach zwei Liedern vom Gastgeber gab es noch drei Zugaben. Bei „Bar Jedan Ples“ sang dann die künstlerische Leiterin Rada Radojčić und brachte den Saal vollends in Stimmung.

Sorgten für einen gelungenen Abend: (v.l.n.r.) Marc Reece, Lennart Rybica, Dixon RA und Casper van Mee. (Foto: © Rada Radojčić)
Sorgten für einen gelungenen Abend: (v.l.n.r.) Marc Reece, Lennart Rybica, Dixon RA und Casper van Mee. (Foto: © Rada Radojčić)

Gute Stimmung herrschte schon vorher. Denn alle Beteiligten waren handwerklich oberste Klasse. Dixon Ra ließ sein Saxophon mal weich mal rau klingen. Verzerrte Töne machten den Sound des Instrumentes interessant. Daneben hatte Dixon Ra auch Hochkaräter eingeladen. Marc Reece bewies, dass er nicht nur im Bluesrock-Genre zu Hause ist, sondern auch als Funk-Gitarrist begeistern kann. Caspar van Meel wurde 2003 beim „Grote Prijs van Nederland“ als bester Bassist ausgezeichnet und er zeigte, dass er den Titel 2021 vermutlich verteidigen könnte. Das Fundament legte Lennart Rybica am Schlagzeug, der auch mit einigen Soloeinlagen punkten konnte.

Insgesamt ein guter Start in die „Session Nights“, der neugierig macht auf die weiteren Folgen. Am 02.11.21 hat Dixon Ra die Coverband Wild Child eingeladen, wer am 07.12.21 dabei sein wird, ist noch eine Überraschung.

Mehr Informationen unter www.fletch-bizzel.de




Technoschamanismus als Möglichkeit gesellschaftlicher Transformation

Auf der 3. Etage im Dortmunder U können die Besucher*innen in den Räumlichkeiten des Hardware MedienKunstvereins vom 09.10. 2021 – 06.03.2022 die Gruppen-Ausstellung „Technoschamanismus“ erleben.

Im Rahmen der Beuys-Jubiläumsausstellung 2021 widmet sich diese Ausstellung verschiedenen aktuellen technoschamanistischen künstlerischen Positionen. Die Figur des Schamanen wurde von Joseph Beuys damals zeit seines Lebens kultiviert.

Die elf anderen als Künstler*innen vertretenen Personen sehen den Schamanismus aber nicht nur als Technologie aus vergangenen Zeiten, die über viele Generationen vermittelt wurde. Es gibt ja viele „Schamanismen“, die über die Welt verteilt verschieden Ausrichtungen erfahren haben. Ob als Heiler, Wahrsager, Alchemisten u. a. versuchten sie die Verbindung zur Natur und deren Kräften herzustellen, Menschen zu heilen und etwa mit oder ohne psychogenen Drogen in Kontakt zum „Jenseits“ zu gelangen.

Blick in die Arbeit "Transformelle malor ikeae shrine" des Künstlers JP Raether.
Blick in die Arbeit „Transformelle malor ikeae shrine“ des Künstlers JP Raether.

Die Künstler suchen, ausgehend von einer zerstörerischen, auseinanderbrechenden Post-Kapitalistischen Gesellschaft, den neoliberalen Individualismus und Rationalismus nach schamanischen Kräften. Das machen sie mithilfe des Einsatzes von (spekulativer) Technologie.

Die zeitgenössischen Künstler*innen versuchen über eine Verbindung von Spiritualität und moderner Technologie Beuys‘ Strategien und Fragestellungen für das digitale Zeitalter zu aktualisieren und zu transformieren.

Obwohl sie sich nicht alle direkt mit der Figur des Schamanen oder der Schamanin identifizieren, eint sie das Interesse an rituellen, folkloristischen Praktiken, alternativen Formen von Spiritualität oder veränderten Bewusstseinszuständen.

Die Ausstellung ist in vier Bereiche untergliedert, die die Besucher*innen mit Kopfhörern für die Videos durchstreifen können.

1. Alchemie /Metallurgie: Die Schweizer Gruppe „knowbotig“ (Yvonne Wilhelm, Christian Hübler) zeigen zum Beispiel in ihrem Video (Swiss Psychotropic Gold, the Molecular Refinery), wie dort bis 70 % des weltweit gehandelten Golds raffiniert wird. Da in diesem Prozess der Verfeinerung und Veredelung alles „Schmutzige Blutgold“ eliminiert und neutralisiert wird, schreibt die Gruppe dem Edelmetall psychoaktive Wirkungen zu.

Transformella dagegen gehört zu den aLifveForms (fiktionale Identitäten und hysterisch-subversive Drag-Charaktere). Umsorgt werden diese vom Künstler JP Raether.

Die Lebenslinien der Transformellae interessieren sich für biotechnische und soziopolitische Reproduktionstechnologien. Sie sprechen über in-vitro-Fertilisation, den globalen Markt der menschlichen Reproduktion (Beispiel IKEA) sowie die kommende „Reprovolution“.

Im Zentrum der Ausstellung befindet sich ein riesiger hellblauer „Shrine“ aus Pappmaschee, den man mit einer 3D-Brille und Kopfhörer betreten kann.

Wir werden Zeugen eines „alchemistischen“ Forkings, der Gabelung der Lebenslinien und der Entstehung von Transformella cinis. Hier geht es um den Kohlenstoffkreislauf als zentralem Bestandteil des Lebens.

2. Kosmologie:

Als ein Beispiel zu nennen ist die Videoinstallation von Tabita Rezaire „Mamelles Ancestrales“. Dort reist sie zu den Steinkreisen (300 v. Chr. Und 1600 n, Chr.) im westafrikanischen Senegambia. Sind es versteinerte Bräute, antike Observatorien, Zeremonien-Plätze, Geisterorte oder Energiequellen?

In Zeiten des privatwirtschaftlichen Eroberungsstrebens im Weltall ist die Beschäftigung mit diesen steinernen Zeugen einer alten afrikanischen megalithischen Zivilisation von großer Aktualität.

3. Ökologie/Künstliche Intelligenz:

Ökologie und künstliche Intelligenz gehen hier zum Beispiel bei der Arbeit von Jana Kerima Stolzer & Lex Rütten (Dortmund) eine eigene Verbindung ein. Es ist eine Art Science Fiction Video-Erzählung ausgehend von der Geschichte des Ruhrgebiets und des westrheinischen Braunkohletagebaus. Eine Erzählung mithilfe des Fluges einer Drohne über die Zukunft der Erde, die nach der restlosen Ausbeutung der Rohstoffe unbewohnbar wird und die Menschen ins Weltall auswandern.

4. Nicht- menschliche Akteure:

Anja Dornieden & Juan David González Monroy beobachten etwa indonesische Affendompteure und ihre tanzenden, maskierten Makaken. Sobald dem Affen die Puppenmaske aufgesetzt wird, fungiert dieser als ein Medium, welches die Zuschauer*innen in Trance versetzen soll. Der hypnotische Effekt wird durch audiovisuelle Flicker-Effekte verstärkt.

Joseph Beuys dreitägige Begegnung mit einem Kojoten (Symbol für die Ureinwohner 1974 in New York (I like America and America likes Me) ist noch mit dabei. Seine Aktionen wurden (oft) als problematisch angesehen.

Das Soft Opening findet am Freitag, dem 0.10.2021 vor Ort von 17:00 – 22:00 Uhr statt.

Zur Ausstellung erscheint Mitte November 2021 im Verlag Kettler ein reichhaltig bebildertes Magazin und Dokumentation (10,00 € in der Ausstellung, 18,00 € im Buchhandel).

Außerdem finden jeden Sonntag Führungen durch die Ausstellung um 18:00 Uhr statt und es gibt ein spannendes Veranstaltungsprogramm.

Nähere Informationen unter https://www.hmkv.de/ausstellungen/ausstellungen-detail/technoschamanismus.html