Internationales Spitzenballett vor (wieder) vollem Haus

Die XXXIII. Internationale Ballettgala unter der künstlerischen Gesamtleitung von Ballettintendant Xin Peng Wang hatte am Samstag, dem 18.09.2021 (auch noch 19.09.2021) in Dortmund seine Premiere unter Pandemie-Bedingungen.

Die Plätze im Opernhaus waren seit langem zum ersten Mal wieder mit voller Publikumsbelegung gefüllt. Bei einigen mischte sich deshalb neben der großen Vorfreude sicherlich auch noch ein etwas mulmigen Gefühl.

Kammersänger Hannes Brock führte wie immer humorvoll durch das mit international renommierten Solist*innen besetzte Programm.

Mayara Magri und Matthew Ball vom Royal Bellet verzaberten das Publikum. (Foto: © André Uspenski)
Mayara Magri und Matthew Ball vom Royal Bellet verzaberten das Publikum. (Foto: © André Uspenski)

Pandemie bedingt bestand es hauptsächlich aus Pas de deux und Duetten. Ein sinnlich-besinnliches Programm aber mit einem hohen Grad an Perfektion und Ausdruckskraft der Tänzer*innen wurde zusammen gestellt.

Das Ballett Dortmund bewies das schon am Anfang bei „The Vertiginous Thrill of Exactitude“ (Musik: Franz Schubert, Choreografie: William Forsythe).

Als Gäste vom britischen Royal Ballet präsentierten Mayara Magri und Matthew Ball neben einem Grand Pas de deux auch noch beim abstrakten Ballett „Infra“ von Wayne McGregor und zeigten ihr technisches Können sowie viel Einfühlungsvermögen.

Infra begeisterte vor allem durch die starke Verbindung von Live-Tanz und modernen Licht-Effekten.

Elena Vostrotina und Alexander Jones vom Ballett Zürich verzauberten mit ihrer sensiblen Tanz-Interpretation zu den Klassikern Schwanensee von Tschaikowski ebenso wie bei „Nocturne“ von Chopin.

Bei „Duet“ (Choreograf: Christopher Wheeldon) und „Delibes Suite“ (José Carlos Martinez) zeigen Anna Tsygankova und Constantine Allen vom niederländischen Het Nationale Ballet viel technisches Können und Harmonie.

Ein Höhepunkt war sicherlich der Auftritt von dem gefragten Gaststar Friedemann Vogel und seiner Tanzpartnerin Elisa Badenes (beide Stuttgarter Ballett.

Ihr aktuelles Duett „Nachtmerrie“ (Albtraum) erhielt durch den persönlichen Stil des Choreografen Marco Goecke eine ganz besondere Ausdruckskraft. Bewegungen werden hier in ihre Einzelzeile zerlegt und ermöglichen so eine neue Sicht auf den Menschen. Dabei wurden sämtliche Körpergliedmaßen sowie sämtliche Muskeln wurden beansprucht. Ein starker Auftritt.

Die junge Primaballerina Maria Horvath (Ballett St. Petersburg) bewies als Solistin ihre Ausdrucksstärke, denn der Programmpunkt „Diamonds“ wegen Einreiseschwierigkeit ihres Tanzpartners Xander Parish nicht in der geplanten Form stattfinden konnte.

Zum Abschluss gab es mit „Cosmic“ noch eindrucksvolle Einblicke in die Uraufführung vom dritten Teil „Paradiso“ aus Dantes Göttlicher Komödie vom Ballett Dortmund mit der Choreografie von Xin Peng Wang.

Viel Applaus gab es vom Publikum für alle Beteiligten und ein Glücksgefühl, wieder live Ballett-Künstler*innen erleben zu dürfen.




Anfassen – auf der Suche nach Kontakt

Haben wir nach dem Lockdown vergessen, wie es ist, den anderen anzufassen? Müssen wir es wieder neu lernen? Und haben wir schon einmal über unsere Hände nachgedacht? Fragen, die sich das Stück „anfassen“ der Theatergruppe 4.D stellt und in insgesamt 10 Versuchen probiert Antworten zu finden. Die Premiere fand am 18. September im Fredenbaumpark und im Theater im Depot statt.

In der Produktion von „anfassen“ steckt einiges vom Dortmunder Schauspielhaus drin. Nicht nur das Mitglieder des Dortmunder Sprechchors teilgenommen haben, der ehemalige Dramaturg Thorsten Bihegue schrieb den Text zum Stück.

Die Figur von Elina Ritzau feierte die Distanz zwischen den Menschen.
Die Figur von Elina Ritzau feierte die Distanz zwischen den Menschen.

Zu Beginn wurden wir ins zwei Gruppen aufgeteilt und mit Kopfhörern und zwei Guides in den Fredenbaumpark geleitet. Dort wartete der erste Versuch auf uns. Pia Wagner, eine der Schauspieler*innen, versuchte uns das „Anfassen“ vorsichtig näherzubringen. Ging das Vorbeilaufen und die Begrüßung noch allen locker von den Lippen, war es beim „Berühren“ schon komplizierter, denn auch schon vor Corona war das Berühren von fremden Personen durchaus heikel, denn nicht jede*r möchte angefasst werden.

Als Teil der blauen Gruppe gingen wir weiter zum Versuch Nummer 3. Hier auf einer Parkbank hielt Jubril Sulaimon eine Elegie auf seine Hände. Ein perfektes Werkzeug, die Dinge tun, ohne es ihnen bewusst sagen zu müssen. Danach gelangten wir nach einem kleinen Spaziergang zu Versuch 2, dort hatte sich Elina Ritzau hinder einem Schirm mit langen Schnüren versteckt und feierte den Abstand. „Viel Luft zwischen den Körpern“ und „diese tolle Leere will ich nicht mehr missen“, stand sie für alle, die sich – vielleicht schon vor Corona – von Menschen eher fernhielten. Für die „Social Distancing“ kein neuer Begriff, sondern eine Lebenseinstellung ist.

Der vierte Versuch, geleitet von Matthias Damberg stellte wieder die Hände in den Mittelpunkt, denn schließlich heißt das Stück ja „anfassen“. Und das geht nur mit den Händen. Zurück am Theater im Depot konnten die Teilnehmenden den digitalen Sprechchor, der uns über die Kopfhörer begleitet hatte, auch „in echt“ sehen, oder fast: Denn der Sprechchor wurde auf hängende Gazebanner projiziert, durch die man durchgehen konnte.

Wer sich fragte, wo der „Tanz“ bei der Tanz-Theater-Performance blieb, wurde nicht enttäuscht, denn die Versuche sechs bis zehn fanden auf der Bühne im Theater im Depot statt. Hier waren alle Akteure von 4.D aktiv auf der Bühne und zeigten ein beeindruckendes Zusammenspiel zwischen Tanz und Wort. Ob der Versuch aus einem beengenden Raum auszubrechen, dargestellt durch einen Lichtkegel oder die Leere zu zeigen, wenn ein Mensch fehlt, es machte riesen Spaß den vier bei ihren Versuchen zuzuschauen.

Wer Lust auf eine spannende Theater-Performance hat, der kann noch am 25. und 26. September 2021 jeweils um 19 Uhr teilnehmen. Karten gibt es unter www.depotdortmund.de/theater-tanz.html.