Chaflierplatz – Ausstellung im Kunstverein von Iván Argote

Der kolumbianische, in Paris lebende Künstler Iván Argote präsentiert uns einen neuen Begriff: chaflieren. Mit diesem Begriff fördert uns der Künstler auf, den öffentlichen Raum fantasievoll zu nutzen. Der Kunstverein zeigt neben Videos verschiedene Bronzeskulpturen, gestaltete Bänke, Zeichnungen und einen großen Chaflierplatz. Die Ausstellung ist bis zum 21. November zu sehen.

Die Idee, sich den öffentlichen Raum anzueignen, ist nicht neu. Bereits in den 60er Jahren formulierte der französische Philosoph Henri Lefebvre das „Recht auf Stadt“, indem er dazu aufrief, den urbanen Raum als Ort der Begegnung zu gestalten. Argote geht noch einen Schritt weiter, indem er Orte des Dialogs schafft, die unser Verhältnis zum „Anderen“ sowohl in zwischenmenschliche Ebene als auch im globalen Kontext analysieren. Das erklärt er in Video „La Plaza del Cafleo“ von 2019.

Iván Argote auf seinem Chaflierplatz im Dortmunder Kunstverein.
Iván Argote auf seinem Chaflierplatz im Dortmunder Kunstverein.

Diese Plaza findet sich auch im Kunstverein wieder. Der „Chaflierplatz“ ist eine spielerische Bodenskulptur aus eingefärbt beton, deren Hände mal vier, mal sechs oder mal fünf Finger haben. Alle Hände sind durch ihre Fingernägel miteinander verbunden. Inspiriert wurde der Künstler auch durch die AfD, die „Deutschland. Aber normal“ zur Bundestagswahl plakatiert. Dabei stellt sich nicht nur für den Künstler die Frage: Was ist „normal“? Was passiert mit den „Unnormalen?“ Argote Arbeit zeigt, dass der „Andere“ nicht als Fremder angesehen werden sollte, sondern als Einheit in der Diversität.

Wenn der „Andere“ unbekannt ist und nur in der Fantasie existiert, dann macht man sich merkwürdige Vorstellungen. In der Antike und im Mittelalter stellte man sich die Menschen auf der Südhalbkugel als „Antipoden“ vor. Ihre Füße sitzen verkehrt herum am Körper, sodass sie nach einer Richtung schauen und in die andere laufen. Argotes Antipoden aus Bronze sind selbstbewusst und schauen stolz und fröhlich.

Es gibt verschiedene Sondertermine zur Ausstellung. Am 23.09.21 gibt es nicht nur um 19 Uhr eine Ausstellungsführung, im Kino im Dortmunder U findet um 19:45 Uhr ein Videoscreening mit vier Filmen, die der Künstler zusammengestellt hat.

Am 07.10.21 gibt um 18 Uhr eine öffentliche Führung statt und am 21.10.21 um 19 Uhr ein Ausstellungsgespräch.

Der Dortmunder Kunstverein ist geöffnet dienstags bis freitags von 13 bis 18 Uhr sowie samstags und sonntags von 11 bis 16 Uhr. Weitere Informationen auf www.dortmunder-kunstverein.de.




„Wie war ich?“

Über die Gerechtigkeit der Entlohnung

Premiere am 23. Oktober 2021 um 20:00 Uhr im Ringlokschuppen in Mülheim

Im Rahmen des Festivals „szene machen“ hatte ich die Gelegenheit, mir die Proben zu „Wie war ich?“ der Gruppe „I can be your translator“ in Depot in der Immermannstraße anzuschauen. Dabei handelt es sich bei dem Titel um einen Arbeitstitel, denn die Probenschau stellte nur zwei der drei Aufzüge oder besser Aufgaben vor.

Drei der Schauspieler sind Challenged People, dieser englische Begriff gefällt mir weit besser als der deutsche: „Behinderte“. Nicht der Mensch ist behindert, sondern unterliegt besonderen Herausforderungen, er ist challenged.

Die Akteur*innen von „I can be your translator“ bei den offenen Proben im Depot.
Die Akteur*innen von „I can be your translator“ bei den offenen Proben im Depot.

Bei den beiden ersten Aufzüge/Aufgaben, wenn man sich ganz unvoreingenommen dem Stück hingibt, erkennt man, das ein jeder von uns seinen kleinen oder großen Tick hat … drei der Schauspieler, und ich meine dieses POSITIV!, haben halt mehr Ticks und damit Herausforderungen. Und diese meistern sie im Ensemble.

Die über dem Stück stehende Frage ist die nach Gerechtigkeit generell und einer gerechten Bezahlung im Detail … Eine Frage, die sich nicht erst seit der Corona-Pandemie stellt, denn Klatschen zahlt keine Mieten, oder füllt Kühlschänke, die zuweilen sehr gefräßig sein können u8nd in direkter Korrespondenz mit den Kalorien stehen, den in Schränken lebenden Organismen, stehen, die unsere Kleidung jede Nacht ein wenig enger machen.

Wie also ist am Theater eine Bezahlung und im Besonderen diesem Stück gerecht? Woran misst es sich, die Bezahlung, die Gerechtigkeit? Ist es gerecht den challenged Darstellern mehr Applaus zu geben als den nicht challenged?

Der Zuschauer wird bewusst in ein Dilemma gestoßen. Bei jedem Applaus, der hier direkt angefordert wird, wenn das Ensemble an den Bühnenrand tritt, nicht spontan erfolgen soll oder möchte, stellt man sich als selbstkritischer Mensch die Frage: war das gut? Wer war gut? Mittel? Oder gar schlecht? Und warum?

Denn jeder wird einzeln mit Applaus bewertet …

Eine Spielshow? Nein!

Ein Vorführen? Nein!

Ein Experiment? Ja, eines mit Nebeneffekt: Nachdenklichkeit.

Wenn sie also am 23. Oktober sich Neuem stellen mögen, dann bitte nach Mühlheim in den Ringlokschuppen.

Von und mit:
Lis Marie Diehl, Linda Fisahn, Christian Fleck, Julia Hülsken, Lina Jung, Christoph Rodatz, Christian Schöttelndreier, Laurens Wältken
Licht, Raum, Video: Birk-André Hildebrandt
Produktionsleitung: Maren Becker
Dramaturgie: Philipp Schulte
Kostüm: Julia Strauß