Ödipus meets Fargo auf dem Mars

Wild ging es her auf der Studiobühne am 16. Dezember 2021. Denn die Premiere von „Ödipus auf dem Mars“ war ein besonderer Ritt von eines der ältesten Sagen hin zu aktuellen Raumfahrplänen von Milliardären. Die Inszenierung von Florian Hein brachte Erinnerungen an die Zeit von Kay Voges zurück.

Ödipus ist sicher eine der ältesten Sagen der Welt. Kurz gesagt, ein Mann, der seinen Vater tötet und seine Mutter heiratet. Vorher überlistet er die Sphinx. Angeblich soll die Geschichte aus dem alten Ägypten stammen, wo Inzest in der Herrscherfamilie ja nicht unbekannt war. Beispielsweise waren Tutenchamuns Eltern Geschwister. Sigmund Freud hat Ödipus in seinen Ödipuskomplex verwurstet.

Lola Fuchs, Christopher Heisler und Linda Elsner bei "Ödipus auf dem Mars" (Foto: © Birgit Hupfeld)
Lola Fuchs, Christopher Heisler und Linda Elsner bei „Ödipus auf dem Mars“ (Foto: © Birgit Hupfeld)

Und was hat das mit dem Ödipus zu tun? Nun, zunächst begrüßte uns Peggy, aus der zweiten Staffel von „Fargo“, die zu verheimlichen versucht, dass sie einen Menschen überfahren hat und ihren Mann als Alibi benötigt.

Danach verwandelte sich die Szenerie. Im Studio stand eine große Box, in der die drei SchauspielerInnen Linda Elsner, Lola Fuchs und Christopher Heisler, als weiß gekleidete Damen auf ihre Therapiesitzung warteten (Freud!). Zu Beginn wurde noch über die Städtische Theaterkultur debattiert, ein kleiner Seitenhieb auf sich selbst und die Rolle des Theaters in der Stadtgesellschaft.

Zwischendurch trat der Sprechchor auf (in Schwarz) und brachte die Handlung mit Ödipus nach vorne. Das Ende spielte auf dem Mars und gehörte der Grafiknovel „Watchmen“.

Für Liebhaber griechischer Tragödien wird dieser Abend sicher nichts. Doch wer Spaß an einer leicht abgedrehten Stückentwicklung hat, von der Verwandlung von antiken Helden in moderne Superhelden, von Schauspielern auf der Bühne, von gefilmten hinter Bühne und vom Dortmunder Sprechchor, sollte sich die Gelegenheit nicht entgehen lassen. Auch wenn wir zu Beginn gewarnt wurden, der Humor kommt in den 90 Minuten definitiv nicht zu kurz.

Musikalische Funken beim Wiener Klassik Konzert

Das 1. Konzert Wiener Klassik „Olympie“ am 13.12.2021 der Dortmunder Philharmoniker unter der dynamischen Leitung von Johannes Klumpp (künstlerischer Leiter der Heidelberger Sinfoniker) versprühte den Konventionen brechenden musikalischen Wind der Aufklärung. Historische Stoffe mit oft exotischen Sujets waren damals sehr beliebt.

Zu Beginn standen im Dortmunder Konzerthaus zunächst die Ouvertüre aus der Schauspielmusik zu „Olympie“ ( eine Tochter von Alexander des Großen) vom „schwedischen Mozart“ Joseph Martin Kraus (1756 – 1792) auf dem Programm. Bei dem Stoff (Vorlage Voltaire) geht um eine Frau zwischen zwei Männern mit tragischem Ende. Dramatisch ist auch die Musik.

Von Hadyn bis Richard Strauß – das 1. Konzert Wiener Klassik besaß eine große Bandbreite.
Von Hadyn bis Richard Strauß – das 1. Konzert Wiener Klassik besaß eine große Bandbreite.

Die Ouvertüre gibt sich zunächst düster und feierlich, beim folgenden Allegro stark emotional, ehe es zum Ende wieder feierlich wird und leise verklingt.

Es folgte das Konzert für Waldhorn und Orchester Nr. 1 Es-Dur op. 11 von Richard Strauss (1864 – 1949).

Hier konnte der renommierte Hornist Christoph Eß sein Können und Feingefühl an diesem Instrument beweisen. Das Konzert für Waldhorn ist nicht nur kompliziert und anspruchsvoll, es besticht auch durch seine Vielseitigkeit. Mal kommt es romantisch daher, dann wieder kraftvoll mit starken Klängen. Beim Andante (2. Satz) überzeugend mit einem schönen Zusammenspiel von Horn und Streichern. Das Finale mit einem virtuosen Rondo „Jagdstück“ setzten die beiden das Horn begleitenden Flöten glanzvolle Akzente.

Nach der Pause folgte die Schauspielmusik zu „Thamos, König von Ägypten“ KV 345 (366a) von Wolfgang Amadeus Mozart (1756 -1791). Die Musik von Mozart diente als Spiegel der Handlung des „Heroischen Dramas“ Thamos. Zu Anfang ist der Klang noch feierlich (Krönung von Thamos). Schnell wechselt das Ganze vom gediegenen Maestoso zum lebendigen Allegro und hält die Spannung aufrecht. Dann sprengt der Komponist später die Grenzen seiner üblich bekannt gefälligen Musik. Es wird dramatisch und er changiert wunderbar zwischen Dur und Moll.

Unerwartetes und unkonventionelles bietet die Sinfonie Nr. 94 G-Dur „mit dem Paukenschlag“. Der Beiname „mit dem Paukenschlag“ aus dem 2. Satz ist nicht ganz präzise. Das ganze Orchester schreckt das Publikum mit einem überraschenden Fortissimo-Akkord auf. Die langsame Einleitung des 1. Satzes folgt schon ein bewegendes tänzerisches „Viivace assai“ im Funken schlagenden Sechsachteltakt.

Das bewusst „einfältig-langweilig“ gehaltene Andante versetzt vor dem „Paukenschlag“ in eine trügerische Ruhe. Es folgt eine variationsreich auftrumpfende Phase durch Dur und Moll, wird von den Streichern musikalisch umflutet.

Das Menuett erinnert an volkstümliche Tanzmusik und beschleunigt zum Allegro molto. Das Finale überrascht mit dem ständig wiederkehrenden Rondo-Thema im Piano. Es steigert sich dynamisch und das gesamte Orchester setzt schließlich im Forte ein.

Der Übermut ist durch den Paukenwirbel am Ende nicht zu stoppen, das Publikum auch nicht und belohnt die Leistung der Beteiligten mit viel Applaus.

Virtuelle Ausstellung: Cartoons gegen Rassismus

Unter dem Titel „Caught in Hate: Get out!“ ist vom 13.12.2021 bis 30.04.2022 eine neue virtuelle Ausstellung im am Dortmunder schauraum: comic + cartoon (im Schaufenster, Max-von-der-Grün-Platz 7) zu sehen. Nonstop zu sehen sind rund um die Uhr auf einem Monitor nationale und internationale Cartoons gegen Rassismus.

Alle Bilderstammen von Comiczeichner*innen und Cartoonist*innen aus aller Welt, die ihren Arbeiten im größten Social Network für Cartoons „toonpool.com“ hochgeladen haben. Aus über 300.000 Bildern zum Thema „Cartoons und Rassismus“ hat der Toonpool-Gründer Bernd Pohlenz von allen Kontinenten zum großen Teil auch aktuelle Zeichnungen ausgewählt.

Bei der Eröffnung des digitalen Schaufensters (v.li.) Roman Kurth (Projektleiter Comic-Schauraum), Sophia Paplowski (Stadt- und Landesbibliothek) und Dr. Stefan Mühlhofer (Geschäftsführender Direktor der Kulturbetriebe Dortmund). Foto: Katrin Pinetzki, Stadt Dortmund
Bei der Eröffnung des digitalen Schaufensters (v.li.) Roman Kurth (Projektleiter Comic-Schauraum), Sophia Paplowski (Stadt- und Landesbibliothek) und Dr. Stefan Mühlhofer (Geschäftsführender Direktor der Kulturbetriebe Dortmund). Foto: Katrin Pinetzki, Stadt Dortmund

Durch die Ausstellung soll das immer virulente Thema Rassismus gerade in polarisierenden Zeiten der Pandemie in Erinnerung gerufen werden. Wird etwa durch die Corona-Verunsicherung „Fremdenhass“ noch gefördert?

50 internationale Künstler*innen dokumentieren hier ihre ganz persönliche Auseinandersetzung mit dem Thema. Die Bandbreite geht von provozierend schrill oder ironisch-bissig bis nachdenklich anklagend.

Vorangestellt ist dieser Bildschau eine plakative Grafik des niederländischen Zeichners Ronald Slabbers. Sie wollen das Gefangensein des Einzelnen in seinen Vorurteilen visualisieren. Das weiße Individuum ist in einem „Gedankenkäfig“ eingesperrt und „Sklave“ seiner düsteren Gedanken. Eine offene Tür („Get out!“) weist ihm einen Weg, sich aus seinem Käfig zu befreien.

Es gibt hierzu auch eine kostenlose Postkarten-Edition, die auch von City-Card bis Mitte Januar verteilt wird.

Rassismus wird zumeist über die Erziehung erworben und erlernt. Das machen zum Beispiel die Arbeiten von Orhan Ates (Türkei), von der italienischen Künstlergruppe Alagooon oder die des deutschen Zeichners Hans Koppelredder deutlich.

Andere Cartoons zeigen wiederum, wie der hilflose Umgang mit fremden Bräuchen, Kulturen, Religionen und Sprachen zu einer Verunsicherung führen können. Diese endet im schlimmsten Fall in Hass und Gewalt.

Die Vielfältigkeit der Cartoons ist erstaunlich und es lohnt sich, mal vorbeizuschauen.

Auch die diversen wechselnden Ausstellung im schauraum comic + cartoon sind interessant.

Das virtuelle Ausstellungsprojekt ist ungekürzt auch abrufbar unter www.dortmund.de/comic und topticker.de .

Game of Thrones bei den Merowingern

Es war wild damals, in der Zeit zwischen Antike und Mittelalter, als das Römische Reich verschwand und die neuen germanischen Herrscher erst einmal das Machtvakuum füllen mussten. Die Franken herrschten über den größten Teil des heutigen Frankreichs, Westdeutschland (mit Ausnahme Norddeutschland) sowie dem heutigen Österreich und der Schweiz. Die Merowinger waren ein Herrschergeschlecht, das vom 5. Jahrhundert bis 751 die Königswürde innehatten.

Die Oper „Frédégonde“ spielt in der Zeit, als das Frankenreich in verschiedene Teilreiche aufgesplittet war, wobei die wichtigsten Austrasien und Neustrien waren. Die Oper handelt von den Machtintrigen ebenjener Frédégonde sowie ihrer Erzfeindin Brunhilda. Frédégonde hatte sich von einer Konkubine zur Ehefrau von König Chilperich von Neustrien („Hilpéric“ in der Oper) hochgearbeitet. Brunhilda war mit dem Halbbruder von Chiperich, König Sigibert, verheiratet, dem König von Austrasien. Den ließ Frédégonde ermorden, da er militärisch überlegen war. So gehört der Sieg Hilpéric, der die besiegte Brunhilda nun von seinem Sohn Mérowig in ein Kloster schicken lässt. Doch Mérowig verliebt sich in Brunhilda und die beiden heiraten. Das kann Frédégonde nicht akzeptieren und versucht die beiden zu vernichten.

Kampf zweier Königinnen Anna Sohn (Brunhilda), Hyona Kim (Frédégonde). Foto: © Björn Hickmann, Stage Picture)
Kampf zweier Königinnen Anna Sohn (Brunhilda), Hyona Kim (Frédégonde). Foto: © Björn Hickmann, Stage Picture)

Der Besuch am 27. November 2021 war ein ungewöhnlicher. Denn im Parkett saß niemand, alle Zuschauer mussten in die Logenplätze, denn das Parkett war dem Chor vorbehalten. Darüber hinaus wurde das Geschehen parallel per Film über eine Leinwand gezeigt und auf der Bühne live gesungen. So konnte noch etwas mehr Dramatik aus dem spannenden Stoff geschaffen werden.

Ein wesentliches Merkmal der Inszenierung von Marie-Eve Signeyrole war die Metapher des Schachspiels. Auch wenn den Merowingern Schach vermutlich unbekannt war, es gelangte erst ab dem 9. Jahrhundert ins abendländische Europa, bieten die Züge zwischen Frédégonde und Brunhilda eine willkomene Visualisierung der Intrigen.

Die Oper wurde 1895 aufgeführt und verantwortlich dafür waren nicht nur die beiden Herren Ernest Guiraud und Camille Saint-Saëns, auch Paul Dukas orchestrierte noch einige Skizzen der Oper. Dadurch spürt man natürlich etwas die „Ungleichheit“ in der Musik, doch die Mischung zwischen französischer Romantik und Wagnerisch anmutenden Klängen macht den Reiz aus. Nach nur neun Aufführungen verschwand die Oper, bis die Oper Dortmund den Schatz wieder hob. In den Händen von Motonri Kobayashi und den Dortmunder Philharmonikern konnte die Oper wieder erklingen.

Mag die Inszenierung auch noch so fesselnd sein, bei einer Oper sind natürlich die Stimmen entscheidend. DA hatte Regisseurin Marie-Eve Signeyrole ein gutes Händchen. Hyona Kim (Frédégonde) singt ihre Titelfigur mit kalter entschlossener Skrupellosigkeit, die gnadenlos ihre Ränke schmiedet. Dagegen hat Anna Sohn als „Brunhilda“ auch romantische Szenen mit dem ebenfalls gut aufgelegten Sergey Romanovsky als „Mérowig“.

In den Nebenrollen konnte Dennis Velev als Kleriker Prétextat Akzente setzen, dessen Verzweiflung spürbar wurde, ob er nun zum König Hilperíc oder zu seinem Sohn Mérowig halten soll.

Die Opernfans sollten sich den Mail 2022 vormerken, denn am 07. und am 22. Mai 2022 wird „Frédégonde“ wieder ihre Strippen ziehen und ihre Schachkunst zeigen.

Neuer Blick auf afrikanische Kunst

Spannende und vor allem neue Einblicke in die afrikanische Kunstszene erwarten die Besucher der neuen Ausstellung im Dortmunder U. Konzipiert von der renommierten Kuratorin Nana Oforiatta Ayim zeigt sie historische und zeitgenössische Kunst aus Ghana. Unter dem Ausstellungstitel „The Museum as Home“ stellt die Kuratorin große Fragen an sich und die Besucher. Wie steht es mit der Restitution gestohlener, enteigneter Kunstwerke und Objekte? Wie ist das heutige Verhältnis der Europäer zum afrikanischen Kontinent? Sind die kolonialen Vorurteile überwunden? Wie kommen die verschiedenen schwarzen und weißen Communities ins Gespräch? Können wir das auf Augenhöhe schaffen? Wie muss ein Museum aussehen, um passend für die afrikanischen Kunstwerke zu sein?

Die letzte Frage beschäftigt Ayim seit Jahren in dem von ihr gegründeten ANO Institut of Arts and Knowledge. Von dort versucht sie panafrikanische Perspektiven außerhalb ihres Kontinents zu etablieren. Im Zuge dieser Recherche hat sie eine Art Roadshow mit einem mobilen Museum entwickelt. Eine modulare, zerlegbare Bambusstruktur beherbergt die verschiedenen Kunstwerke und dient so als verbindendes Konzept einer Ausstellung. Diese Konstruktionen wurden durch den Architekten DK Osseo-Asare speziell entwickelt, er nennt sie Fufuzelas. Sie sind nun auch essenzieller Bestandteil der Dortmunder Ausstellung.

Ausstellung EFIE “ The Museum as Home“ im Dortmunder U. Kuratorin Nana Oforiatta Ayim führt durch die Ausstellung. (Foto: © Anja Cord)

„Wer das Museum und die darin beherbergten Werke als Teil von sich selbst begreift, nicht als Raum mit eigenen Codes und Zwecken, entwickelt ganz andere Gefühle gegenüber den Werken. Wir betrachten die Objekte nicht als tote Gegenstände, für uns haben sie eine Seele“, sagt Ayim.

Die Ausstellung zeigt Arbeiten von Na Chainkua Reindorf, Afroscope, Kwasi Darko, Diego Araúja, Kuukua Eshun, Rita Mawuena Benissan und Studio Nyali.

Gezeigt werden begehbare Installationen, Fotoarbeiten, Skulpturen, historische Objekte aus verschieden europäischen Museen und Videoarbeiten.

Ein besonderes Werk der Schau ist die Arbeit Sovereignty von El Anatsui. Sein Wandobjekt aus plattgeklopften Flaschenverschlüssen strahlt Kraft und Selbstvertrauen aus. Der etablierte Künstler wird als Godfather der ghanaischen Kunst bezeichnet und hat mit seinen, auf dem weltweiten Kunstmarkt gehandelten, Werken den Weg für die nächste Künstlergeneration geebnet.

Nachdenklich macht der Film von Nii Kwate Owoos „ You hide me“. 1970 filmte er im Depot des British Museum Regale voller Raubkunst und forderte schon damals die Restitution dieser Objekte. Dass auch nach 50 Jahren diese Aufgabe nur bruchstückhaft geschafft ist, fühlt sich etwas beschämend an.

Künstler der Ausstellung EFIE im Dortmunder U. re. Kuratorin Nana Oforiatta Ayim. v.li. Kwasi Darko, dann Dolmetscherin) , Diego Araúja, Kuukua Eshun, Na Chainkua Reindorf (Foto: © Anja Cord)
Künstler der Ausstellung EFIE im Dortmunder U. re. Kuratorin Nana Oforiatta Ayim. v.li. Kwasi Darko, dann Dolmetscherin) , Diego Araúja, Kuukua Eshun, Na Chainkua Reindorf (Foto: © Anja Cord)

Nana Oforiatta Ayim erläuterte mir, dass die afrikanischen Künstler nicht auf der Suche nach ihrer Identität seien, sondern auf dem Weg diese ureigene Identität stärker und lauter zu artikulieren.

Das Dortmunder U bietet ein umfangreiches Rahmenprogramm mit Filmen, Diskussionsrunden, Livekonzerten, Kunstkursen und Workshops.

Die Ausstellung läuft vom 10. Dezember bis zum 6. März 2022.

Musikalische Orientfantasien beim 4. Philharmonischen Konzert

Das 4. Philharmonische Konzert im Dortmunder Konzerthaus widmete sich am 07. und 08.12.2021 unter dem Titel „Orient und Okzident“ musikalischen Orientfantasien.

Auf dem Programm stand zunächst das Konzert für Violine und Orchester Nr. 5 A-Dur KV 219 „Türkisches“ von Wolfgang Amadeus Mozart (1756 – 1791) und die Sinfonische Suite op. 35 „Sheherazade“ von Nikolai Rimski-Korsakow (1844 -1908).

Als dynamischer Dirigent für die bestens aufgelegte Dortmunder Philharmoniker agierte Francesco Angelico (GMD des Hessischen Staatstheater Kassel).

Im 18./19. Jahrhundert kam das, was damals als „türkische Musik“ galt und durch kriegerische Auseinandersetzungen mit dem Osmanischen Reich bekannt wurde gerade groß in Mode. Diese waren gekennzeichnet durch schrille Blasmusik der Militärkapellen, lauten Schlagzeugen und rhythmischen Märschen. Es war aber auch der fremdartige Reiz der orientalischen geheimnisvollen Geschichten, die das europäische Interesse weckte. Ars tremonia war beim Konzert am 07.12.2021 anwesend.

Begeisterte als Solistin beim „Türkischen“ Konzert von Mozart: Arabella Steinbacher. (Foto: © Sammy Hart)
Begeisterte als Solistin beim „Türkischen“ Konzert von Mozart: Arabella Steinbacher. (Foto: © Sammy Hart)

Als Solistin für Mozarts Konzert für Violine und Orchester zeigte die renommierte Arabella Steinbacher ihr vielseitiges Können und Feingefühl an ihrem Instrument.

Gleich nach der Orchestereinleitung kommt dies nach einem überraschenden Allegro aperto („offenen“ Allegro) schon zu Geltung. Auf dem ersten heiteren Satz folgt der ausgreifende melancholische zweite Satz (Adagio) in der seltenen e-Moll Tonart.

Der dritte „türkische“ Rondosatz beginnt mit galantem Menuett-Tempo, wechselt dann aber schnell in romantische Moll. Dann ändert sich der Satz vollständig mit einem derben türkischen Marsch mit starken Akzenten und exotisch anmutender Harmonie. Nach diesen orientalischen Einsprengseln folgt nach einem ausgedehnten Violinsolo das musikalische Geschehen wieder beim Menuetto.

Das Publikum ließ die Gast-Solistin nicht ohne eine Zugabe (Sergej Prokofjew) von der Bühne gehen.

Nach der Pause folgte die Sinfonische Suite op.35 von Rimski-Korsakow. Sheherazade liegen Erzählungen aus der Sammlung „Tausendundeine Nacht“ zugrunde. Dabei geht es um die kluge persische Königin Scheherazade, die mit unterbrochenen spannenden Erzählungen ihren von Frauen enttäuschte Mann am ende besänftigt und sein Vertrauen gewinnt.

Das spiegelt sich auch in den vier Sätzen wider. Das volle Orchester konnte hier von Beginn an sein großes Können zeigen. Es führte das Publikum im ersten Satz „Allegro non troppo – (Das Meer und Sinbads Schiff) in ein wellenartig ansteigenden musikalischen Rausch. Die folgende Sätze sind mal tänzerisch festlich, dann wieder aufbrausend anschwellend. Die Solovioline (Alexander Prushinsky) übernahm (oft in Zusammenarbeit mit der Harfe (Renske Tjoelker) oder den anderen Streichern die „Rolle“ der Sheherazade, während die Bläser, Kontrabässeo der Pauken den „noch nicht besänftigten“ persischen Sultans symbolisierten. Auch die Querflöte, Oboe, Klarinette oder dem Fagott verzauberten das Publikum mit wunderschönen Soli.

Nach dem grandiosen Finale mit Schiffbruch (Sindbads Schiff zerschellt am Magnetberg) und dem am Ende „besänftigten Sultan“ wurden die beteiligten Akteure mit viel Applaus belohnt.

Ein Land, zwei Systeme – Fotoausstellung zu Hongkong

Die britische Kronkolonie Hongkong wurde 1997 an China zurückgegeben. Das Versprechen war, Hongkong in eine Sonderverwaltungszone umzuwandeln, mit einem hohen Maß an Autonomie. Doch bald fing die VR China an, diese Autonomie zu untergraben, was 2014 zur Regenschirmbewegung und 2019 zu Massenprotesten führte. Das Künstlerhaus Dortmund zeigt vom 11. Dezember 2021 bis zum 23. Januar 2022 die Ausstellung „One country – two images“. Neun Fotografinnen und Fotografen zeigen persönliche Ansichten aus Hongkong und natürlich auch Bilder der politischen Bewegungen.

Es machen mit Pierfrancesco Celada, Volker Heinze, Sabine an Huef, Marc Pearson, South Ho Siu Nam, Roman Wilhelm, Michael Wolf, Paul Yeung und Vincent Yu. Pearson, der eigentlich Investmentbanker ist, hat eine Fotoserie über übermalte Parolen gemacht. Die Wände oder andere Orte bekommen durch das Übermalen wieder eine ganz andere Ästhetik. Celada nahm die „Instagram-Pier“ ins Visier und fotografierte Menschen, die den Ort nutzen, um sich auf Instagram zu inszenieren.

Natürlich gibt es auch Fotos über die Proteste 2019, die zeigen, dass der Protest von einem Querschnitt der Bevölkerung getragen wird, da laufen bei Demonstrationen Banker neben Studenten.

Eine Assemblage zeigt Sabine an Huef, die sich mit der Shanzai-Philosophie beschäftigt hat. In der westlichen Welt wird das Kopieren ja verdammt, aber in anderen Kulturen gilt das Nachmachen als durchaus positiv. Denn erst, wenn man etwas exakt kopiert hat, kann man sich daranmachen, es zu verbessern.

Zusätzlich präsentiert die Ausstellung 29 Fotobücher über Hongkong, davon allein 17 vom verstorbenen Fotografen Michael Wolf.

Die Fotoausstellung ist für alle spannend, die sich mit der politischen Situation in Hongkong etwas auseinandersetzen wollen oder einfach einen anderen Blick auf die Stadt und die Menschen bekommen möchten. Passend dazu stehen bei den Arbeiten Zitaten, die den kulturellen Kontext und die besondere Identität zu beschreiben und zu unterstützen versuchen.

Öffnungszeiten der Ausstellungen (wenn nicht anders angegeben): Donnerstag – Sonntag 16 – 19 Uhr. Bitte beachten Sie: Das Künstlerhaus ist vom 23.12.21 bis 5.1.22 geschlossen.

La Belle et la Bête – Das Weihnachtsmärchen

Die Schöne und das Biest

Fast jeder kennt die DISNEY Zeichentrick Version mit den „lieblichen“ klischeehaften Figuren. Kaum jemand jenseits der Grenzen Frankreichs aber das Original. Und wer kennt die fantastische Verfilmung mit Jean Marais als Prinz/Biest?

Die erste Veröffentlichung war eine Aufbereitung der Französin Gabrielle-Suzanne de Villeneuve, die 1740 im „La jeune américaine, et les contes marins“ erschien. Diese griff wiederum auf Motive zurück, die sich in den Märchensammlungen von Giovanni Francesco Straparola finden (König Schwein in Ergötzliche Nächte, 1550–1555).

Der Vater von Belle (Rainer Kleinespel), Max Ranft als „Bête“ und  Ann-Kathrin Hinz als „Belle“. (Foto: © Birgit Hupfeld)
Der Vater von Belle (Rainer Kleinespel), Max Ranft als „Bête“ und Ann-Kathrin Hinz als „Belle“. (Foto: © Birgit Hupfeld)

Das KJT hat wieder zu Weihnachten einen Klassiker der für seine jungen und jung gebliebenen Zuschauer auf die Bühne gestellt, der nicht in stereotypen Rollenbildern und Klischees kleben bleibt. So wie 2019 mit Cinderella. Ich denke, unser Direktor des KJT, Andreas Gruhn, kann gar nicht in Stereotypen denken oder / und inszenieren.

Dieses Dortmunder KJT Weihnachtsmärchen handelt von einem mächtigen und bösen Fluch über jemanden der kaltherzig und nur auf den Schein bedacht war. Der Prinz verwandelte sich ein Biest, mehr Raubtier als Mensch. Sein Fluch aber könnte aufgelöst werden, wenn sich ein Mädchen in ihn, das hässliche Biest, verlieben würde. Also wartete das Biest fortan auf das eine Mädchen … Normalerweise warten ja die Mädchen auf den Prinzen, der sie „wegheiratet“ …

Belle, natürlich schön, kommt in das Schloss des Biestes, als Geisel für den liebenswürdigen, aber grantelnden Vater, der sich einer Rose des Biestes bemächtigte und ungefragt von den aufgetischten Speisen aß … Belle ist natürlich und unprätentiös, verdeutlicht durch den Wechsel von eleganten Schuhen, zu für ihre Interessen förderlicheren, Gummistiefel symbolisiert. Ann-Kathrin Hinz gelingt die Belle mit Bravour. So wie Bianka Lammert hinreißend die unglückselige oder unzufriedene Gundula darstellt.

Andreas Ksienzyk und Bettina Zobel, als Conférencier und Assistentin sind zum einen die Erzähler und geradezu „Antreiber“ des Spieles und doch auch ein eigenes Schauspiel im Schauspiel, mit ihren Kabalen und Zänkereien.

Das Biest, Max Ranft, stöhnt und röhrt sich nach Liebe sehend durch das Stück und robbt sich gleichsam, seinen Charme ausspielend an Belle heran, die seinem Werben zu erliegen scheint … Man hofft es, doch Belle lässt sich nicht so leicht erobern. Dazu ist sie zu selbstbewusst und sich ihrer sicher, dass sie nicht gleich jedem Hornochsen auf den Leim ginge. Nur „ihr Gefängnis“ wird ihr vom Biest verschönt, erleichtert. Seine Sehnsucht nach Erlösung vom Fluch lässt das Biest, wie ein Teenager fragen, ob Belle denn nun was für ihn empfände … Es wirkte wie die fürchterlichen Zettel auf denen die Frage „Willst Du mit mir gehen? Ja / Nein / Vielleicht“ standen …

Sie kehrt, mit dem Versprechen der Rückkehr, aus Sorge um den erkrankten Vater, nach Hause zurück. Gundula, ganz „liebreizend“ und eigennützig, schafft es, dass Belle nicht ins Schloss zurückkehrt … vorerst … Der Vater ist schnell wieder genesen. Und so bricht aber doch die Erinnerung an das nicht so schreckliche Biest wieder in Belle hervor …

Ganz wie im Film mit Jean Marais, wird das Biest, bei ihrer Rückkehr geradezu siechend, mit einem Knall, nach ihrer Liebeserklärung wieder der schöne, nun geläuterte Prinz Phillip, Thomas Ehrlichmann.

Das Schöne an der französischen Version des Märchens ist die Tatsache, dass hier der Mann, das Biest, auf die Erwählung durch die Frau/das Mädchen warten und hoffen muss, um in die Zweisamkeit zu segeln. Die DISNEY Version hingegen ist versteift im Klischee der prüden 50er der USA, wo die unemanzipierte Frau als Kreischobjekt auf der Leinwand zu agieren hat/hatte … Es gibt mittlerweile emanzipiertere Frauen, auch in DISNEY Verquälungen oder Hollywoodinszenierungen. Das alte französische Märchen ist nicht erst durch die Inszenierung des KJT modern. Es war immer schon modern. Moderner als es die Zeit seiner ersten gedruckten Publizierung gestattete … Wobei damals schon sehr emanzipierte Frauen in Frankreich unterwegs waren, die eigene Salons führten, in denen sich Voltaire und andere Geistesgrößen trafen und diskutierten. So waren es auch die Frauen von Paris, die die Französische Revolution von 1789 auslösten.

Das Ensemble:

Der Mann in Pink, der Conférencier – Andreas Ksienzyk

Cécile, seine französische Assistentin – Bettina Zobel

Belle, die Heldin – Ann-Kathrin Hinz

Gundula, ihre unglückseelige Schwester – Bianka Lammert

Vater, ihr noch unglückseeligerer Vater – Rainer Kleinespel

Biest, eine traurige, angsteinflößende Kreatur – Max Ranft

Phillip, ein schöner Prinz – Thomas Ehrlichmann

Mutter, ein Geist – Bianka Lammert

Regie – Andreas Gruhn

Ausstattung Oliver Kostecka

Dramaturgie – Milena Noëmie Kowalski und Lioba Sombetzki

Musik – Michael Kessler

Video – Peter Kirschke

Regieassistenz – Alina Baranoswki

Inspizienz – Peter Kirschke

Theatervermittlung – Erika Schmidt-Sulaimon und Linda Thaller

Licht – Markus Fuchs

Bühnenbildassistenz – Janina Hudde

Kostümbildassistenz – Nicola Gördes

Wieder ein „Bunter Teller“ im Kunstbonbon

Auch in diesem Jahr findet im Kunstbonbon (Chemnitzerstr. 11) in Dortmund wieder der vorweihnachtliche „Bunter Teller“ vom 04.12.2021 bis 21.12.2021 statt. Wenn Menschen noch eine kreative Idee für den Weihnachtsgeschenke-Einkauf brauchen, ist dort für jeden Geschmack etwas Passendes dabei.

Kunstvolle Kleinigkeiten, wie Postkarten, Zeichnungen, Illustrationen, Bücher, Kalender, bemaltes Porzellan, Bilder, Objekte, Skulpturen, Fotografien, Schmuck und mehr. Die Objekte sind für 1,50 Euro aufwärts erhältlich. Wer sich nicht in die volle Innenstadt begeben will oder online einkaufen möchte, ist im Kunstbonbon richtig. Er findet hier sicherlich ein ausgefallenes oder einzigartiges Geschenk für seine Lieben.

Finden Sie passende Weihnachtsgeschenke im Kunstbonbon.
Finden Sie passende Weihnachtsgeschenke im Kunstbonbon.

Beteiligte Künstler sind: Michaela Düllberg, Markus Jöhring, Claudia König, Ingrid Lacher, Hendrik Müller, Viginia Novarin, Ari Plikat, Almut Rybarsch-Tarry, Karin Schmidt, Lotte Wagner sowie Michael Wienand.

Die Eröffnung findet ab 15:00 Uhr am 04.12.2021 statt.

Öffnungszeiten: dienstags von 13 bis 18, freitags 15–18 und samstags von 12 bis 15 Uhr. Am 12.12.2021 ist vom 15 bis 18 Uhr ebenfalls geöffnet.

Es gibt außerdem wieder die „Grabbelkiste“ mit Überraschungspaketen (ein wenig wie „Schrottwichteln“ – man weiß nie was drin ist) für 2,50 Euro.

Das Geld geht dann als Spende an den Kinderhospizdienst „Löwenzahn“.

Im Kunstbonbon gilt die 2G-Regelung und Maskenpflicht. Bitte die entsprechenden Nachweise vor Eintritt bereithalten.

Meisterwerk-Miniaturen für das Streichquintett

Im Blickpunkt des 2. Kammerkonzert „Meisterwerk-Miniaturen“ der Dortmunder Philharmoniker im hiesigen Orchesterzentrum stand am 29.11.2021 das Streichquintett.

Das Programm bot mit dem Streichquintett Nr. 3 C-Dur KV 515 von Wolfgang Amadeus Mozart (1756 – 1790) und dem Streichquintett F-Dur von Anton Bruckner (1821 – 1896) meisterliche Sinfonik zu fünft für das Publikum.

Die Streicher standen im Mittelpunkt des 2. Kammerkonzertes mit Musik von Mozart und Bruckner. (Foto: © Ri_ya / pixabay)
Die Streicher standen im Mittelpunkt des 2. Kammerkonzertes mit Musik von Mozart und Bruckner. (Foto: © Ri_ya / pixabay)

An der Geige (Violine) waren Oleguer Beltran Pallarée und Joowon Park, den Bratschen (Viola) Hindenburg Leka und Juan Ureña Hevia und am Violoncello Emanuel Matz zu hören. Die beiden Bratschen ermöglichen zusätzliche klangliche Möglichkeiten.

Der erste Satz (Allegro) in Mozarts Streichquintett Nr. 3 C-Dur ist zwar in Form eines Sonatensatzes komponiert, ist dabei aber ungewöhnlich strukturiert und vielschichtig mit überraschenden harmonischen Wegrichtungen.

Das tänzerische verspielt anmutende Menuett im zweiten Satz hat seine Gewichtung im Mittelteil. Der dritte Satz Andante bietet ein spannendes Duett zwischen erster Geige und erster Bratsche.

Beim Finale im letzten Satz (Allegro) ist fantasievoll und das heitere Rondo-Motiv wurde vom Komponisten kunstvoll ausgeschlachtet.

Das folgende Streichquintett F-Dur von Bruckner zeigt die Entwicklung um Jahrzehnte später. Kontrapunktisch abenteuerlich hat es im ersten Satz noch am ehesten Kammermusikcharakter. Deutlich sind die Elemente der „Miniatur-Sinfonik“. An – und Abschwellen der Lautstärke, Motiv-Wiederholungen, Steigerungen oder Pausen. Das Violoncello wird öfter als Zupfinstrument benutzt. Das Scherzo ist skurril, mal flott und tänzerische , dann wieder lyrisch und langsamer.

Besonders bewegend der dritte Satz (Adagio). Der vierte Satz entspricht nicht den üblichen Erwartungen an eine Rondo-Heiterkeit. Es kommt abenteuerlich, gelöst und spielerisch-luftig daher. Zum Ende hin wird es aber, wie bei einem wahren Sinfoniker erwartet hymnisch.

Es ist immer wieder interessant, bei einem Kammerkonzert (intimeren ) die Instrumentengruppen und die hervorragenden Solisten der Dortmunder Philharmoniker genauer kennenzulernen.