Ein schwacher Held – Faust unterliegt Frauenpower

Starke Frauen stehen im Mittelpunkt einer modernen Fassung des Faust. Mephisto, verkörpert von Antje Prust überzeugt genauso wie Margarete (Marlena Keil). Als Vorlage der Inszenierung dienten Auszüge aus den Romanen Eis und Bro von Vladimir Sorokin. Die Proben fanden unter erschwerten Bedingungen statt, da die Regisseurin Mizgin Bilmen eine Woche vor der Premiere erkrankt war. Intendantin Julia Wissert und ihre Dramaturgin Kirsten Müller vollendeten die Inszenierung in dieser heißen Probenphase gemeinsam mit dem Ensemble. Der Chor der Studierenden, bestehend aus Studierenden der Folkwang Universität musste Coronabedingt per Audioaufzeichnung eingespielt werden.

Als der Vorhang sich hebt, blicken die Zuschauer in einen weißen Raum, im Hintergrund führt eine Treppe zu einer Tür in der ersten Etage. Zu Beginn erscheint Faust (Linus Ebner) als verzweifelter Künstler auf der Suche nach größerer Inspiration und Bedeutung. Mit großen ausladenden Bewegungen zeichnet er seine Verzweiflung mit dynamische Linien auf die weißen Wände. Möglich wird dies durch virtuos eingesetzte Beamertechnik, gestaltet durch Tobias Hoeft, der für Bühne und Visual Art verantwortlich zeichnet.

Statt in einer Studierstube erlebt man den Faust wie in einem überdimensionierten Atelier. Er fühlt sich zu Höherem berufen. Gelangweilt vom Alltag, getragen von einer Art Hybris giert er nach Verführung, Abenteuer und Extase. Erdgeister und Hexen krauchen über die Bühne, Mephisto sieht die Chance gekommen den Verzweifelten mit Erlösung zu locken. Sexy gekleidet mit schwarzem, durchsichtigem Bodysuit, ist Antje Prust auf der Bühne in ständiger Bewegung. Während die Geschichte ihren Lauf nimmt, färben sich die Wände in immer stärkeres Violett, die feministische Kraft und das Geistige symbolisierend. Machtbewusst setzt Mephisto ihre zerstörerischen Kräfte ein. Mit teuflischen Gesten, als Pudel bellend und strampelnd beherrscht sie das Geschehen. Nachdem der Pakt mit Faust geschlossen ist, verfällt dieser im Liebeswahn der Margarete. Die Schauspielerin ist als moderne junge Frau gekleidet, ganz in schwarz mit kurzem Rock und dicken Boots. Kein Gretchen, sondern eine Margarete, die auch einmal laut Scheiße brüllt, nicht nur Opfer ist, sondern auch handlungsfähig. Entzückend gespielt ist die Liebesszene als Faust und Margarete einander verfallen.

Faust ist ein schwacher Held, zur Walpurgisnacht darf er nicht kommen, sondern Margarete nimmt daran teil. Selbst bei der Befreiung aus dem Kerker hockt er nur schwach im hinteren Bühnenbereich und sieht passiv zu wie Margarete durch Mephisto und die Hexen erlöst wird.

Das Ende der 100minütigen Vorstellung ist unverhofft ein wenig kraftlos geraten. Obwohl zur Bildung einer widerständigen Bewegung aufgerufen wird, verpufft die Kraft der Worte. Ein starkes Bild ist jedoch Mephisto mit Flügeln aus Fleischhälften gekleidet, die Rolle der Lilith zitierend.

Die nächsten Vorstellungen sind am 2. und 3. Dezember geplant.

Faust (Linus Ebner) ist nicht nur in diesem Bild im Hintergrund. In der Inszenierung dominieren starke Frauen wie margarete (Marlena Keil) und Mesphisto (Antje Prust). (Foto: © Birgit Hupfeld)
Faust (Linus Ebner) ist nicht nur in diesem Bild im Hintergrund. In der Inszenierung dominieren starke Frauen (v.l.n.r.) wie Margarete (Marlena Keil) und Mesphisto (Antje Prust). (Foto: © Birgit Hupfeld)



Groove Symphony in vier Jahreszeiten

Beim ersten Konzert für junge Leute erwarteten die Besucher die „Four seasons reloaded“ aus der Reihe der Groove Symphony. Ein Remix des beliebten Klassikers von Antonio Vivaldi nach einer Bearbeitung von Max Richter.

Die Dortmunder Philharmoniker dirigiert von Christoph JK Müller, das Live-Elektronik Duo Cylvester und Poetry Slammerin Jule Weber beschäftigten sich mit den Folgen des Klimawandels und daraus resultierenden drängenden Fragen unsere Zukunft.

Das zyklisch Wiederkehrende der Jahreszeiten wird dadurch verstärkt, dass die Musiker und auch Yule Weber sich in ihren Vorträgen an die Abfolge von Frühling, Herbst, Sommer und Winter halten. Jeder beschäftigt sich auf seine Art mit der jeweiligen Jahreszeit und der Interpretation dazu. Das ist im Herbst etwas langatmig, da sich der Wiederholungseffekt etwas abschleift. Die Poetry Slammerin Yule Weber bildet mit ihren Texten die Klammer zwischen den musikalischen Stücken. Poetisch, wortgewandt, lyrisch, politisch steht sie bildlich gesehen an ihrem Fenster, beobachtet den Wandel der Jahreszeiten beschreibt ihre Gedanken dazu.

Eines der letzten Veranstaltungen im Konzerthaus vor dem Lockdown im November war das "Konzert für junge Leute". (Foto: © Anja Cord)
Eines der letzten Veranstaltungen im Konzerthaus vor dem Lockdown im November war das „Konzert für junge Leute“. (Foto: © Anja Cord)

Das Kölner Elektronik Duo, bestehend aus den Künstlern Max Schweder und Tobias Hartmann ist hinter den Philharmonikern unter einer großen Videoleinwand platziert. Dort sind sie die Herren über Sampler, Synthesizer und Sequenzer. Die reaktive Performance der Musiker wurde an der Akademie für Theater und Digitalität in Dortmund entwickelt. Reaktiv bedeutet, dass Bilder auf Rhythmus, Klänge und Bewegung der Musiker reagieren.

In drei von vier Tracks, G5, Sun, Frank und Foto verarbeitet Cylvester die Eindrücke der diesjährigen Jahreszeiten in extra überzeichneten Bildern, um die Besonderheiten herauszustellen. Einen euphorischen Frühling mit impressionistisch verlaufenden Landschaftsbildern, der hitzeflirrende Sommer zeigt eine gefährliche Grimasse und ein Herbst der wie eine Atempause gebremst auf den Winter wartet. Der vierte Track „Foto“ ist extra für das gemeinsame Spiel mit den Philharmonikern komponiert. Die dicht verwobene gemeinsame Musik wird bildgewaltig auf der Leinwand verstärkt. Kraftvolle Bilder mit kosmischen Motiven leiten den Blick in die Zukunft, die gemeinsam und nachhaltig gestaltet werden sollte. Unterstrichen werden die Darbietungen durch die rhythmisch blinkende, farbig abgestimmte Saalbeleuchtung. Im dramatischen Sommer gesteigert bis ins Stakkato, so dass man sich beinah auf der Tanzfläche eines Clubs wähnt. Die Visuellen Effekte, Bilder und Videos entwickelte Visual Jockey Alexander Rechberg. Das Konzertdesign gestaltete Andrea Hoever, die Theaterpädagogin der Philharmonie.

Die vielfältigen Eindrücke fordern den ganzen Zuschauer. Alle Sinne sind beansprucht um dem Vortrag zu folgen.Zwischendurch war es ganz entspannend kurz die Augen zu schließen und nur der Musik zu lauschen.

Die Vier Jahreszeiten von Max Richter klingen an vielen Stellen stark zurückgenommen. Man erlebt die typischen Jahreszeiten in jeweils drei Sätze eingeteilt. Vögel zwitschern, Wasser plätschert, Sturm weht, allerdings fehlt an manchen Stellen die Dynamik, die den Zuhörer empathisch in die Stimmung der Jahreszeit eintauchen lässt.