Der Reichsbürger – Inneneinsichten eines Querdenkers

Deutschland ist nur eine GmbH? Das Land immer noch besetzt? Das Deutsche Reich besteht fort? Es gibt Menschen, die das glauben und verbreiten – sogenannte Reichsbürger. Im Theater im Depot präsentiert das Theater glassboth das Stück „Reichsbürger“ von Annalena und Konstantin Küspert. Premiere ist am 30.10.2020.

Die Reichsbürger sind keine homogene Gruppe. Es gibt so manche selbsternannte Reichskanzler oder gar Kaiser, die auf ihrem Grund und Boden eigene Dokumente wie Pässe oder Führerscheine ausstellen. Doch es gibt auch einige, die sich als „Selbstverwalter“ ansehen und versuchen, sich vom Staat abzunabeln. Das klingt doch auf den ersten Blick nicht verkehrt, oder?

Genau in diese Schnittstelle zwischen „klingt doch ganz logisch“ und „was für ein Blödsinn“ setzt das Stück an. Denn der Reichsbürger, gespielt von Sebastian Thrun ist klein plumper Wutbürger oder selbsternannter Kaiser, sondern wirkt ganz vernünftig und versucht das Publikum mit geschickten Fragen und Argumenten auf seine Seite zu ziehen.

Sebastian Thrun versucht in seiner Rolle als  "Reichsbürger"  in dem Stück das Publikum auf seine Seite zu ziehen. (Foto: © Oliver Mengedoht)
Sebastian Thrun versucht in seiner Rolle als „Reichsbürger“ in dem Stück das Publikum auf seine Seite zu ziehen. (Foto: © Oliver Mengedoht)

Für die Reichsbürger ist die Sache einfach: Sie haben den Durchblick und die anderen schlafen noch. Sie wissen, wie das System funktioniert und wer als Strippenzieher dahinter steckt.

Die Gefährlichkeit darf man dabei nicht außer acht lassen. Für NRW sollen rund 3.200 Reichsbürger bekannt sein, früher wurden sie nur als Spinner belächelt, doch mit immer häufigeren Waffenfunden ist klar, dass diese Gruppierung nicht so ganz harmlos ist.

Regisseur Jens Dornheim hat das Stück als Reichsbürger-Vortrag konzipiert. Daher ist das Publikum nicht nur stiller Beobachter, es kann sicherlich passieren, dass manche Thesen des Reichsbürgers auf Widerspruch aus dem Publikum stoßen. Eine spannende Aufgabe für Schauspieler Sebastian Thrun.

Die Premiere ist am 30.10.2020 um 20 Uhr. Weitere Vorstellungen sind am 31.10., 08.11., 13.11. und 14.11.2020. Weitere Informationen unter www.depotdortmund.de

Besuch beim Hörder Sehfest 2020

Am 24. und 25. Oktober 2020 fand wieder das Hörder Sehfest statt. An 19 Orten wartete Kunst auf die Besuchenden, die sich vom Wetter und den Corona-Regeln nicht abhalten ließen. Eine Premiere gab es auch: ars tremonia besuchte am Sonntag zum ersten Mal das Hörder Sehfest und entdeckte eine Menge Kunst in Ateliers, Gärten und Hinterhöfen. Auf den weg machten sich Michael Lemken und Anja Cord.

Den Beginn machten wir bei Igor Jablunowskii. Er ist professioneller Auftragsmaler und verschönt aber auch Häuserfassaden. Ein eindrucksvolles Beispiel findet man in Huckarde in der sogenannten Eisheiligen-Siedlung. Seine realistischen Gemälde zeigt er auch noch in der Galerie in der Wißstraße. Sein dort ausgestelltes Bild von Greta Thunberg hat für einiges Aufsehen gesorgt.

Igor Jablunowskii vor seinen Arbeiten. (Foto: © Anja Cord)
Igor Jablunowskii vor seinen Arbeiten. (Foto: © Anja Cord)

Gleich daneben befindet sich das Atelier von Karla Christoph. Ihre ausgestellten Arbeiten entstehen ähnlich wie Graffito. Elemente werden am Computer entwickelt und in Schablonen umgewandelt, danach per Hand ausgeschnitten. Letztendlich mit Farbe besprüht. So entstehen eindrucksvolle Bildkompositionen.

Karla Christoph mit einer Schablone, die zum Bestandteil des Bildes wurde. (Foto: © Anja Cord)
Karla Christoph mit einer Schablone, die zum Bestandteil des Bildes wurde. (Foto: © Anja Cord)

Nicht weit weg lag der „Garten der Figuren“. Wie viele es genau sind, könnte die Künstlerin Stefanie Becker selbst nicht sagen. Die Figuren bestehen meist aus Messing oder Beton und bevölkern in unterschiedlicher Größe den Garten. Eine Besonderheit in ihrem Garten sind die Figuren der vier Affen, denn man kennt sie eigentlich nur zu dritt (Nichts sehen, nichts hören, nichts sagen). Doch es gibt auch noch einen vierten: „Habe keinen Spaß“.

Bei Stefanie Becker hängen die "Vier Affen" im Käfig. (Foto: © Anja Cord)
Bei Stefanie Becker hängen die „Vier Affen“ im Käfig. (Foto: © Anja Cord)

Die Beschränkungen durch Corona haben es leider verhindert, dass die bulgarische Künstlerin Genoveva Gencheva selbst vor Ort sein konnte. Dafür war aber ihre Kunst im Haus Rode zu sehen. Neben Ölbildern wurden auch Aquarelle und Tuschezeichnungen gezeigt. In ihren Arbeiten finden sich abstrakte wie gegenständliche Motive.

Ein Motiv aus dem 13. Jahrhundert in einer bulgarischen Kirche inspirierte Genoveva Gencheva zu dieser Interpretation. (Foto: © Anja Cord)
Ein Motiv aus dem 13. Jahrhundert in einer bulgarischen Kirche inspirierte Genoveva Gencheva zu dieser Interpretation. (Foto: © Anja Cord)

Fotografische Arbeiten zeigte Jonathan Zipfel. Seine Motive findet er nicht weit weg, denn die Bebauung rund um den Phoenix-See sind sein Thema. Die Entwicklung „bereitet mir Unbehagen“, so der Künstler. Darüber hinaus präsentierte er kleinformatige Fotos, auf denen er die Gegenständlichkeit durch Makroaufnahmen abstrahierte.

Die Gentrifizierung rund um den Phoenix-See beschäftigt den Fotografen Jonathan Zipfel. (Foto: © Anja Cord)
Die Gentrifizierung rund um den Phoenix-See beschäftigt den Fotografen Jonathan Zipfel. (Foto: © Anja Cord)

Michael Wienand versucht in seinen 3D-Bildobjekten das Lebensgefühl des Ruhrgebietes einzufangen. Denn für ihn besteht das Ruhrgebiet nicht nur aus Arbeit und Industrie. Im Mittelpunkt steht eher die Eckkneipe und der Kiosk. Beide Orte des Zusammenkommens sind stark gefährdet, nicht nur wegen Corona. Der gelernte Bühnenbauer erschafft aber auch vielschichtige Lebensräume wie beispielsweise ein Studentenzimmer mit einer Vielzahl an liebevollen Details.

Michael Wienand erinnert in seinen 3D-Bildobjekten an das Lebensgefühl im Ruhrgebiet. (Foto: © Anja Cord)
Michael Wienand erinnert in seinen 3D-Bildobjekten an das Lebensgefühl im Ruhrgebiet. (Foto: © Anja Cord)

Die grafischen Arbeiten von Rita-Maria Schwalgin passen sehr gut zu der ruhigen Ausstellung im „Wohnzimmer im Piepenstock“ und lassen mit der überwiegend Schwarz-Weiß-Kombination sehr eindrücklich die Folgen des Klimawandels erahnen. Gefällte Stämme, kahle Bäume stimmen den Betrachter nachdenklich. Nur ab und zu experimentiert Schwalgin mit Farbflächen. Das Besondere an den grafischen Arbeiten ist, dass sie aus Naturmaterialien geschaffen wurden.

An das Waldsterben erinnert Rita-Maria Schwalgin in ihren grafischen Arbeiten. (Foto: © Anja Cord)
An das Waldsterben erinnert Rita-Maria Schwalgin in ihren grafischen Arbeiten. (Foto: © Anja Cord)

Bunte Farbe in den grauen Corona-Alltag versucht Rüdiger Philipp zu bringen. In der Musikschule Crescendo zeigt er in seiner Reihe „pandemische Lichter“ bunte Aquarelle in leuchtenden Farben.

Farbe gegen Corona-Tristesse. Rüdiger Phillip mit seinen pandemischen Lichtern. (Foto: © Anja Cord)
Farbe gegen Corona-Tristesse. Rüdiger Phillip mit seinen pandemischen Lichtern. (Foto: © Anja Cord)

In den Ateliers an der Schildstraße gab es gleich drei Stationen zu bewundern. Neben den Arbeiten von Matthias Corta und Maureen Brauckmann zeigte der Airbrush-Künstler Thorsten Krüger, was mit der Sprühpistole alles möglich ist. Seine Arbeiten sind vielfältig, farbenfroh und zeugen von handwerklicher Finesse. Die Bildhauerin Christa Bremer beschäftigt sich in ihren Skulpturen mit dem menschlichen Körper, den sie auf die wesentlichen Merkmale reduziert. So entstehen eindrucksvolle Kunstwerke aus Bronze.

Im Mittelpunkt der Arbeiten der Bildhauerin Christa Bremer steht der menschliche Körper. (Foto: © Anja Cord)
Im Mittelpunkt der Arbeiten der Bildhauerin Christa Bremer steht der menschliche Körper. (Foto: © Anja Cord)
Filigranes aus der Sprühpistole. Thorsten Krüger präsentierte Airbrush-Bilder. (Foto: © Anja Cord)
Filigranes aus der Sprühpistole. Thorsten Krüger präsentierte Airbrush-Bilder. (Foto: © Anja Cord)

Auf unserer vorletzten Station erwartete uns erneut ein Dreierpack. Michael Schulz-Runge, Peka (Peter Krüger) und Susanne Matull zeigten ihre Arbeiten. Susanne Matull beschäftigt sich in ihren Werken oft mit dem Thema Tanz, daher verwendet sie Tüll, Bast und ähnliches, so dass ihre Bilder eine plastische Dimension entwickeln. Michael Schulze-Runge zeigte fotografische Makroaufnahmen von Graffiti und Peka präsentierte neben Porträts, Zeichnungen von Leseratten auch Arbeiten von Emscherlandschaften auf Furnierholz.

Peka arbeitet gerne auf Holz. Daher sind die Landschaftsbilder auf Furnierholz entstanden und nicht auf Leinwand. (Foto: © Anja Cord)
Peka arbeitet gerne auf Holz. Daher sind die Landschaftsbilder auf Furnierholz entstanden und nicht auf Leinwand. (Foto: © Anja Cord)
Eine fotografische Entdeckungsreise in die Strukturen von Graffiti zeigte Michael Schulz-Runge. (Foto: © Anja Cord)
Eine fotografische Entdeckungsreise in die Strukturen von Graffiti zeigte Michael Schulz-Runge. (Foto: © Anja Cord)
Den Tanz ist das Thema in den Bildern von Susanne Matull, die sie mit verschiedenen Materialien versieht. (Foto: © Anja Cord)
Den Tanz ist das Thema in den Bildern von Susanne Matull, die sie mit verschiedenen Materialien versieht. (Foto: © Anja Cord)

Den Abschluss machte ein Besuch beim Atelier von Marc Bühren. Er zeigte überwiegend filigrane Arbeiten, die er mit Hilfe von 3D-Druckern zu eindrucksvollen Gebilden zusammensetzt. So entstehen Objekte, die aus der Natur entlehnt sind, aber auch der Fantasie entspringen.

Manche Arbeiten von Marc Bühren entwickeln durch Lichtquellen noch eine weitere Dimensionalität. (Foto: © Anja Cord)

Wir möchten uns auf jeden Fall bei den Künstlerinnen und Künstlern um Verzeihung bitten, bei denen wir bei der knappen Zeit nicht vorbeischauen konnten. Wir hoffen, das beim nächsten Sehfest nachzuholen. Hoffentlich dann ohne Maske und ständiger Adressangabe.

In die Falle gegangen?! – Ausstellung „Trap“ im Künstlerhaus zeigt 17 Positionen

Vom 24. Oktober bis zum 29. November präsentiert das Künstlerhaus Dortmund eine besondere Ausstellung. Hier zeigen 17 KünstlerInnen des Kunstmentorats NRW ihre Arbeiten. Neben 13 Mentees waren auch vier Mentoren beteiligt, namentlich Gerd Borkelmann, Elisabeth Brosterhaus, Brigitte Heidtmann und Klaus Schmitt.

Doch die Ausstellung „Trap“, die von den Mentees Jennifer Lubahn, Nadjana Mohr, Anna Schütten und der Mentorin aus dem Künstlerhaus Annett Frontzek kuratiert wurde, hat noch ein weiteres Merkmal. Jeder der teilnehmenden Künstlerinnen und Künstler bekam jeweils eine fremde Position zugeordnet, mit der sie sich auseinandersetzen mussten. Die so entstandene zweite Ebene wird im Katalog zur Ausstellung deutlich.

In der Ausstellung selbst gibt es viele unterschiedliche Materialien und Herangehensweisen. Videos, Objekte, Malerei oder Fotografie – alles ist in den Räumen des Künstlerhauses vorhanden.

Gleich zu Beginn wird der Besucher von der Arbeit „Feine Backware“ von Thomas Kuhn empfangen. Doch Vorsicht, in den Backformen steckt Schwefel und kein Kuchenteig. Schwefel hat eine mystische Komponente, sein Material sieht in der Arbeit verlockend aus, ist aber nicht genießbar, sondern nur als Kunstobjekt. Zudem präsentiert Anna Schütten „on screens II“, bei der sie Sound und projizierte Farben zu einem Kunstwerk verschmilzt.

Im Hintergrund sind die Arbeiten von Gerd Borkelmann, Elisabeth Brosterhaus und Klaus Schmitt zu sehen. Im Vordergrund die Mentees und Kuratorinnen (v.l.n.r.) Jennifer Lubahn, Nadjana Mohr und Anna Schütten.
Im Hintergrund sind die Arbeiten von Gerd Borkelmann, Elisabeth Brosterhaus und Klaus Schmitt zu sehen. Im Vordergrund die Mentees und Kuratorinnen (v.l.n.r.) Jennifer Lubahn, Nadjana Mohr und Anna Schütten.

Im großen Raum haben sich Brigitta Heidtmann, Gerd Brockelmann und Klaus Schmitt gleich drei Mentoren versammelt. Schmitt zeigt mit „O-T. 9.15“ ein großformatiges Objekt aus PVC und Holz und erschafft dabei eine Beziehung zwischen Raum, Objekt und dem Betrachter. Brigitta Heidtmann arbeitet stark konzeptionell. Sie greift in ihrer Arbeit – ähnlich wie Schmitt – die Beziehung zwischen Raum und Objekt auf. Brockelmann hingegen arbeitet mit Papier auf einem kleineren Format. Die Arbeiten enthalten fast immer einfache geometrische Mittel wie Linien, Gitter und Kreise und sind farblich reduziert. In dem Raum hat auch noch Lisa Klinger Platz gefunden. Ihre Arbeit „Infidelity“ (Untreue) ist vor Ort im Künstlerhaus entstanden. Ihre zweidimensionalen Grafiken entwickeln beim Betrachter eine Dreidimensionalität und stellen wie Schmitt und Heidtmann eine Beziehung zum Raum her.

Im Raum nebenan zeigt Roya Noorinezhad ihre Fotoarbeiten aus der Serie „Transformation“. Dadurch, dass sie das Fotopapier unterschiedlich biegt, entsteht ein anderer Eindruck des fotografierten Objektes. Gegenüber zeigt Ale Bachlechner ihre Videoarbeit, in denen sie politische, und gesellschaftliche Themenkomplexe bearbeitet.

Hinter dem Korridor begrüßt uns die Arbeit von Nadjana Mohr. Vereinnahmung von Flächen und Räumen durch den Betrachter ist das Thema ihres malerischen Werks in der Ausstellung. Bei der Videoarbeit „Re Source“ von Melanie Windl stehen biologische Prozesse im Mittelpunkt. Sie greift das Missverhältnis zwischen Mensch und Ozean auf, bei der der Mensch die wichtige Ressource Wasser kapitalisiert. Für die Arbeit von Maurits Boetther „The Presense of Absense“ braucht man ein wenig Geduld, denn der Künstler befasst sich mit dem Thema Zeit als Medium.

Im Keller gibt es weitere Arbeiten. Jennifer Lubahn zeigt uns in „Do o.T.“ quasi die Entstehung und das Ende eines Lichtspaltes, der in einen dunklen Raum dringt. Es entstehen während des Videos viele kleine Spannungsmomente, die den Betrachter zum Weiterschauen verleitet.

In der ehemaligen Waschkaue wird die Videoarbeit „BODY IN SPACE“ gezeigt. Die Künstlerin verarbeitet die alltägliche Realität. Dabei verwendet sie unter anderem Google Maps, um Wege aufzuzeigen, die sie zurückgelegt hat, die für sie eine gewisse Bedeutung haben. Ihr geht es dabei um soziale, politische und ökologische Ebenen aufzudecken.

Alle beteiligten Künstlerinnen und Künstler: Ale Bachlechner, Maurits Boettger, Gerd Borkelmann, Elisabeth Brosterhus, Stefani Glauber, Brigitta Heidtmann, Alwina Heinz, Lisa Klinger, Thomas Kuhn, Jennifer Lubahn, Tonka Malekovic, Nadjana Mohr, Roya Noorinezhad, Stefanie Pluta, Klaus Schmitt, Anna Schütten und Melanie Windl

Mehr Infos unter www.kuenstlerhaus-dortmund.de

Eindrucksvolle Porträts von Holocaust-Überlebenden

Im Dortmunder Westfalenpark säumen vom 24.10.2020 bis zum 09.11.2020 den Weg vom Eingang Ruhrallee bis zum Florianturm 80 überlebensgroße Porträts von Überlebenden der NS-Verfolgung unter dem Titel „Gegen das Vergessen“. Der Fotograf und Filmemacher Luigi Toscano (Mannheim) traf seit 2014/2015 (bewegt auch durch das Flüchtlingsdrama) weltweit mehr als 400 dieser Holocaust-Überlebenden.

Begegnungen gab es zum Beispiel in Deutschland, den USA, Österreich, der Ukraine, Russland, Israel, den Niederlanden oder Weißrussland. Das Spektrum reichte von verfolgten Juden, politisch unliebsamen Personen, Zwangsarbeiter*innen bis zu Sinti-und Roma. Jede und jeder der Porträtierten hat seine ganz individuelle Lebens- und Leidensgeschichte. Diesen Menschen soll unter dem Titel „Gegen das Vergessen“ ein Gesicht gegeben werden. Die Opfer werden, so Klaus Kaiser (Parlamentarischer Staatssekretär im Ministerium für Kultur und Wissenschaft NRW) beim Pressetermin, aus ihrer Anonymität geholt.

Auf Initiative des Ministeriums für Kultur und Wissenschaft des Landes NRW präsentiert Toscano sein großes multimediales Erinnerungsprojekt nach erfolgreicher „Tournee“ zum Beispiel in Washington (und anderen Städten) im Dortmunder Westfalenpark. Koordiniert wird die Ausstellung von der Mahn- und Gedenkstätte Steinwache.

Neben dem Porträt von Horst Sommerfeld stehen (v.l.n.r.) Luigi Toscano (Fotograf und Filmemacher), Markus Günnewig (Leiter der Mahn- und Gedenkstätte Steinwache) und Klaus Kaiser (Parlamentarischer Staatssekretär im Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen).
Neben dem Porträt von Horst Sommerfeld stehen (v.l.n.r.) Luigi Toscano (Fotograf und Filmemacher), Markus Günnewig (Leiter der Mahn- und Gedenkstätte Steinwache) und Klaus Kaiser (Parlamentarischer Staatssekretär im Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen).

Für eine Patenschaft konnte Schüler*innen des hiesigen Westfalenkollegs für die Dortmunder Schau gewonnen werden. Toscano betonte wie wichtig es vor allem ist, die junge Generation für die Thematik zu sensibilisieren und sie dazu zu bewegen, sich für den Erhalt unserer Demokratie einzusetzen.

Er hätte hunderte bewegende Geschichten zu erzählen. Etwa die von dem inzwischen verstorbenen Horst Sommerfeld (geb. in Flatow), dessen gesamte Familie in Auschwitz ermordet wurde. Sein Porträt befand sich einer Ausstellung von Luigi Toscano zufällig neben dem des heute in Stockholm lebenden Walter Frankenstein. In der einzigen deutschen Zeitung, die Frankenstein in Stockholm las, sah er ein Porträtfoto der Ausstellung von Horst Sommerfeld neben seinem eigenen. Sie kannte sich beide aus ihrer Vergangenheit in Flatow. Anders als bei Sommerfeld hatte seine Familie den Holocaust überlebt. Es kam nur noch zu einem telefonischen Kontakt zwischen ihnen, da Sommerfeld inzwischen verstorben war.

An jedem Porträt ist eine kleine Gedenktafel mit den wichtigsten Daten angebracht. Über einen QR-Code können Besucher*innen vertiefende Informationen zu den Persönlichkeiten erhalten.

Die Ausstellungs-Eröffnung findet am Samstag, den 24.10.2020 um 14:00 Uhr am Florianturm (bei Unwetter: Café im Florianturm) statt. Nach Grußworten des Parlamentarischen Staatssekretärs Klaus Kaiser und von Bürgermeister Manfred Sauer stellt Luigi Toscano sein Ausstellungsprojekt vor. Anschließend gibt es einen Beitrag von Schüler*innen des Westfalenkollegs Dortmund.

Es moderiert Markus Günnewig, Leiter der Gedenkstätte Steinwache. Es wird um Anmeldung unter gegen-das-vergessen@fulfil.de gebeten.

World Press Photo 2020 – Fotos, die Geschichten zeigen

Trotz der momentan Situation um die Corona-Pandemie zeigt das Depot Dortmund erneut die Bilder der preisgekrönten Pressefotografen des vergangenen Jahres. Vom 24.10. bis zum 15.11.2020 sind in der Mittelhalle des Depots die 150 Fotografien zu sehen. Ein Besuch lohnt sich, denn Dortmund ist nur einer von drei Standorten in Deutschland, an denen die Bilder gezeigt werden.

Da die Bilder das Jahr 2019 reflektieren, ist Corona noch kein Thema. Irritiert ist der Betrachter von einem Bild aus Hongkong, doch in asiatischen Ländern war das Tragen eines Mundschutzes schon vor Corona deutlich verbreiteter. Stichwort Hongkong. Die Themen 2019 waren unter anderem natürlich die Proteste der Demokratiebewegung nicht nur in Hongkong, sondern auch in anderen Ländern.

Ein weiteres großes Thema im Jahr 2019 war die Umwelt. Brände in Australien sorgten – leider muss man hier sagen – für spektakuläre Fotos. Ansonsten gibt es verschiedene Oberthemen wie Porträts, Sport, langfristige Projekte und anderes.

Das diesjährige Siegerfoto des Jahres zeigt Demonstranten in Khartoum (Sudan), die während eines Blackouts ihren Protest unter Handylicht weiterführen. (Foto: ©  © Yasuyoshi Chiba, Japan, Agence France-Presse)
Das diesjährige Siegerfoto des Jahres zeigt Demonstranten in Khartoum (Sudan), die während eines Blackouts ihren Protest unter Handylicht weiterführen. (Foto: © © Yasuyoshi Chiba, Japan, Agence France-Presse)

Besonders stolz sind die Organisatoren, dass zwei Fotografen ausgezeichnet wurden, die in Dortmund ihr Handwerk gelernt haben. Mit Maximilian Mann und Nikita Teryoshin wurden im diesjährigen World Press Photo Wettbewerb zwei Studenten der hiesigen Fachhochschule ausgezeichnet.

Darüber hinaus wartet während der World Press Photo Ausstellung ein Rahmenprogramm mit Führungen, Vorträgen und Workshops. Von Drohnenfotografie, einer Doku über Helmut Newton bis hin zu einem Abend rund um das Thema Whistleblowing – im Kulturort Depot es gibt viel zu entdecken. Eine Reihe von Sonntagsmatineen bietet außerdem die Gelegenheit, junge Fototalente und ihre Arbeit persönlich kennenzulernen. Den Anfang macht Maximilian Mann, der am 25. Oktober um 11:00 Uhr in der Galerie im Depot zu Gast sein wird. Tickets für seinen Vortrag sind für fünf Euro im Online-Vorverkauf erhältlich.

Wie überall gelten im Depot aktuell verstärkte Hygienemaßnahmen und Beschränkungen der Besucherzahl. Alle Infos zur Ausstellung und dem Rahmenprogramm sowie kurzfristige Änderungen im Hinblick auf die Lage rund um Corona sind auf www.depotdortmund.de zu finden.

Die WORLD PRESS PHOTO AUSSTELLUNG 2020 im Kulturort Depot – gefördert von der DEW21

Termin: SA 24.10. bis SO 15.11.2020

Öffnungszeiten:
MO – MI: 11.00 – 19.00 Uhr
DO: 11.00 – 20.00 Uhr
FR – SA: 11.00 – 22.00 Uhr
SO: 11.00 – 19.00 Uhr

Eintritt: 6 € / 4 € (ermäßigt)

Fatadǎ/Fassade – Eine besondere Ausstellung zur Roma-Baukultur

Der Hardware MedienKunstVerein (HMKV) zeigt auf der Ebene 3 des Dortmunder U vom 24.10.2020 bis 21.03.2021 die Ausstellung „Fatadǎ/Fassade“.

Diese besondere Ausstellung baut auf dem gleichnamigen kollaborativen Kunstprojekt der Werkstatt Mallinckrodtstraße auf. Das Projekt wurde 2018 von Akteur*innen aus der Dortmunder Roma-Community zusammen mit den Künstlern Christoph Wachter und Mathias Jud sowie Interkultur Ruhr initiiert.

Im Jahr 2019 wurde ein Hausfassade in der Dortmunder Nordstadt (Schleswigerstr. 31) nach Art der Roma-Baukultur (wie in Rumänien zu sehen) umgestaltet und im September eingeweiht.

Die im Rahmen des Projekts zahlreich entstandenen imposanten teils raumhohe Hausmodelle präsentiert.

Die besondere Form der Architektur zeichnet sich durch ihre expressiven, teils bunten Fassaden, Kuppeln, Burgzinnen oder den silbrig schimmernden Zwiebeldächern – den charakteristischen Spenglerarbeiten der Roma – aus.

Die Leiterin des HMKV, Imke Arns, vor einem der Exponate der Ausstellung "Fatadǎ/Fassade"
Die Leiterin des HMKV, Imke Arns, vor einem der Exponate der Ausstellung „Fatadǎ/Fassade“

Neben dem Sichtbar machen der Roma-Kultur soll aber auch ein Gegen-Narrativ etwa zum Vorurteil, Roma würden „nicht gerne sesshaft in Wohnungen leben“ geschaffen werden. Es ist zudem ein eindringlicher Ausdruck einer Selbstermächtigung. Der Rom‘nja, der Wunsch nach gesellschaftlicher Teilhabe und Anerkennung.

Im Rahmen der Ausstellung wurde von der Werkstatt Mallinckrodtstraße der Eingangsbereich auf der Ebene 3 mit einer neuen Wandgestaltung versehen.

Im hinteren Bereich der Ausstellung steht ein großer Raum mit Lesebereich mit weiterführenden Texten zum Thema Kultur der Roma oder ein Hörspiel zum tieferen Eintauchen zur Verfügung.

Zudem wird ein gedrucktes Magazin zur Ausstellung herausgebracht, das ab Dezember 2020 zu erhalten sein wird.

Der HMKV öffnet am 23.10.2020 (15.00 – 20:00 Uhr) seine Türen für „Fatadă/Fassade“.

Schauspielhaus Dortmund – ein neues Ensemble stellt sich vor

In der Spielzeit 2020/2021 hat das Schauspiel Dortmund mit Julia Wissert nicht nur eine neue Intendantin, sondern bis auf wenige Ausnahmen (Marlena Keil, Ekkehard Freye, natürlich der Sprechchor) ein noch unbekanntes Ensemble.

Seit der Premiere von „17 x 1“ am 24.09.2020 haben sich die Mitglieder des Ensemble dem hiesigen Publikum mit jeweils 10-minütigen individuellen Performances vorgestellt.Ars tremonia nahm die Gelegenheit wahr, am 18.10.2020 an der Tour-A ab 18:00 Uhr zu besuchen, um einen kleinen Eindruck von den „Neuen“ zu bekommen. Die einzelnen Performances fanden an verschiedenen Orten des Schauspiels statt.

Als Moderator fungiert mit seiner Stimme Ekkehard Freye. Die Publikumsgruppen (zwei unterschiedliche von etwa 10 Personen) wurden von ihren Guides zu den Orten des Geschehens geführt.

Los ging es auf dem Vorplatz mit Nika Mišković. Hier erfuhr das Publikum von ihr, dass sie ursprünglich aus Kroatien kommt und nun über die Zwischenstation Berlin als Schauspielerin in Dortmund gelandet ist. Humorvoll-ironisch zeigte sie in Großformat ihren Ausweis, Pass, diverse Zertifikate, Pokale und sogar ein Foto mit BVB Trikot zusammen mit Michael Zorc und Joachim Watzke. Was kann da schief gehen?

Im Institut des Schauspiel sah die Gruppe dann zunächst ein Video von Sarah Yawa Quarshie (About me?). Die junge Schauspielerin hat, wie sie dann perönlich erzählte, ihr Schauspielstudium in Berlin relativ frisch abgeschlossen. Frauenrechte und Antirassismus sind wichtige Themen für sie, aber ebenso Lebensfreude, Tanzen und gutes Essen.

Alexander Darkow begrüßte sein Publikum im Aufzug. (Foto: © Florian Dürkopp)
Alexander Darkow begrüßte sein Publikum im Aufzug. (Foto: © Florian Dürkopp)

In dem großen Lastenaufzugs des Schauspiels wartete danach Alexander Darkow (kommt aus dem Osten Deutschlands) im Anzug auf das Publikum. Zwischen Auf – und Abstiegsversuchen gefangen versucht er rechtzeitig zu seinem „Chef“ zu kommen, um einen wichtigen „Auftrag“ (Heiner Müller) zu erhalten. Welchen Auftrag erfüllt der Schauspieler?

Während später Schauspielerin Bettina Engelhardt (Das Leben ist kein Wunschkonzert. Eine Passion!) im Studio in ihrer „Badewanne“ in einer vergangenen Zeit und einer Liebe gefangen ist, geht danach Raphael Westermeier auf dem Balkon der Frage nach: Was bleibt von den live Theater-Momenten?

Auf der großes Bühne des Schauspielhauses kommt dann noch mit „I‘ll fly with you“ zu einer besonderen Hochzeitsfeierlichkeit. Das Schauspiel in Person von Mervan Ürkimez geht eine „besondere“ Verbindung mit dem BVB, in Person des Maskottchens Emma, ein und sie entschwinden in den Weltraum.

Man darf gespannt sein, was uns bei diesem diversen Ensemble noch so alles erwartet.

Abstand – ein Zeitballett unter besonderen Bedingungen

Die aktuelle Kreation „Abstand“ von Ballettintendant Xin Peng Wang hatte am Samstag, den 17.10.2020 im Dortmunder Opernhaus seine mit Spannung erwartete Uraufführung.

Gemeinsam mit seiner Ballett-Compagnie und dem gesamten Produktionsteam setzte er sich mit der Corona-Pandemie – ihren Gefahren, aber auch Chancen – künstlerisch auseinander.

Unseren zwischenmenschlichen Bedürfnissen nach Nähe und Sicherheit ist momentan eine Bremsspur verordnet. Dies betrifft alle Bereiche. Gefahr lauert nicht nur für unsere Gesundheit, sondern zudem auch durch die ideologische Instrumentalisierung der Pandemie. Die Risse quer durch die Gesellschaft verstärken sich zunehmend.

Während die Zeit still zu stehen scheint, besteht aber auch die Chance, den Umgang mit (Um)Welt, oder unser Verhältnis innerhalb einer Solidargemeinschaft gemeinsam neu zu überdenken.

Aktuelle Themen wie "Fridays for future" wurden im Ballett "Abstand" auch behandelt.(Foto: © Leszek Januszewski)
Aktuelle Themen wie „Fridays for future“ wurden im Ballett „Abstand“ auch behandelt. (Foto: © Leszek Januszewski)

Mit Abstand hat Xin Peng Wang ein Zeitballett geschaffen, das sich mit einem „choreografischen Augenzwinkern“ mit den Kernfragen sozialer Bedürfnisse nach Nähe und Sicherheit fantasievoll beschäftigt. Kreative Videoinstallationen und passende Musikauswahl verstärkten die Ausdruckskraft der Tänzer*innen zusätzlich.

Es war aber nicht nur moderner Ausdruckstanz mit Empathie gefordert, sondern auch mit Sprache und Gesang gearbeitet.

Zu Anfang standen die Umweltaktivisten von „Fridays for Future“ (sowie eine eindrucksvollen Greta Thunberg Video-Installation) im Mittelpunkt. Im weiteren Verlauf wurden fantasievoll-witzigen Versuche, mit den veränderten Lebensbedingungen klarzukommen von den Tänzer*innen auf der Bühne umgesetzt. Ein Beispiel dafür war etwa die Situation, als eine Frau und ein Mann nur mit „Übermittlung“ durch ein Spielzugwagen Kontakt miteinander aufnehmen konnten.

Fantasievolle Mund-Gesichtsmasken,Visiere und mehr kamen zum Einsatz, und es wurde mit Fahrräder über die Bühne gefahren sowie Krankenbetten von Personen in Schutzanzügen über die Bühne gezogen.

Wie sehr sich das Theater und ihre Akteure wieder volle Säle wünscht, wurde eindringlich klar, als ein(e) Tänzer*in (Guillem Rojo I Gallego) zu den Klängen von „Vissi d‘arte aus Giacomo Puccinis Tosca vor den an die Leinwand projizierten leeren Sitzen des Opernhauses expressiv tanzte.

Der Abschluss zu rhythmischen Klängen verbreitete eine hoffnungsvoll optimistischen Ausblick auf die Zeit, wenn die Mund-Nasen- Gesichtsmasken zur Vergangenheit gehören (Symbolisch flogen sie schon einmal per Videoprojektion durch die Lüfte.

Selbst der Ballettintendant reihte sich am Ende zur Freude des Publikums noch in die Reihe der Tänzer*innen ein.

Informationen zu weiteren Vorstellungsterminen erhalten Sie wie immer unter www.theaterdo.de oder Tel.: 50 27 222

„Gefangen im Netz der Intrige“ Zwei Komponisten aus zwei Jahrhunderten begeisterten das Konzerthaus-Publikum

Star des Konzerts für Klavier und Orchester Nr.2 f-moll war der virtuos spielende Pianist Bernd Glemser. Das Werk von Frédéric Chopin ist im Geist des „Style brilliant“ komponiert. Dies bedeutet, dass das Orchester neben dem Klavier eine zurückgenommene Rolle spielt und das Tasteninstrument in den Mittelpunkt des Konzertes rückt. Hierfür war Glemser genau der Richtige. Der als „ deutscher Klaviermagier“ und Solist von Weltrang bekannte Musiker entwickelte den majestätischen ersten Satz in romantisch melancholischer Anmutung. Die Glissandi perlten in beschwingten Passagen und verführten zum Träumen. Das romantische Larghetto des zweiten Satzes ist eine Liebeserklärung an die von Chopin verehrte Sängerin Konstancja Gladkowska. Das Allegro vivace des dritten Satzes entwickelt sich aus einer melancholischen Stimmung zu einem beschwingten Walzer mit einem fulminanten Finale. Mit anhaltendem Applaus belohnte das Publikum Pianisten und Orchester.

Die wahre Entdeckung des Abends erwartete die Besucher dann nach der Pause. Die Symphonische Serenade B-Dur von Erich Wolfgang Korngold war ein Musikerlebnis von höchster Qualität. Im Programmheft mit „Herbe Nachtmusik“ betitelt folgten die Zuhörer gebannt dem Stück in drei Sätzen. Mitreißend, spannend, von starken Rhythmen voran getrieben, dann wieder sanft dahin gleitend waren Orchester, Dirigent Feltz sowie das Publikum gleichermaßen von der anspruchsvollen Partitur gefordert. Besonders in Erinnerung bleibt der gezupfte Teil des zweiten Satzes.

Bernd Glemser verzückte das Konzertpublikum mit Chopin. (Foto: © Werner Kmetitsch)
Bernd Glemser verzückte das Konzertpublikum mit Chopin. (Foto: © Werner Kmetitsch)

Korngold emigrierte in den 30iger Jahren in die USA. Dort stieg er ins Filmbusiness ein und schrieb Filmmusiken für 18 Hollywoodfilme. Später, unter dem Eindruck des zerstörerischen Weltkrieges und dessen erschütternden Nachwirkungen, schrieb er 1946/47 diese Serenade, die mit diversen starken Dissonanzen spielt. Ein Konzerterlebnis, das man gerne wiederholen möchte.

Der 3. Philharmonische Konzertabend am 10. Und 11. November läuft unter dem Tiel „Orte der Sehnsucht“ mit Werken von Bruch, Tschaikowsky und Mendelson-Bartholdy.

Liebe und Tod – berührendes Musiktheater bei Opus Love

Liebe und Tod gehören irgendwie zusammen, fand Rolf Dennemann von artscenico und entwickelte mit „Opus Love“ ein Musiktheater mit starken Gefühlen von Nähe, Verbundenheit, aber auch von Abschied und Verzweiflung. So facettenreich wie die Liebe eben. Ein Premierenbericht vom 16. Oktober 2020 im Theater im Depot.

Nähe ist etwas, was gerade unter Corona-Bedingungen extrem schwer ist. Das Theater im Depot konnte daher in seinem Theatersaal nur eine begrenzte Menge an Besuchern zulassen. Dennoch zeigten sich die Beteiligten auf der Bühne voller Spiellust.

Dazu gehörten vor allem die Musiker, die der musikalische Leiter Yoyo Röhm zusammen gestellt hatte. Es spielten Marie-Claire Schlameus (Cello), Achim Färber (Schlagzeug), Andreas Dormann (Saxophon, Klarinette) und Roman D. Metzner (Akkordeon). Für die Performance waren Elisa Marschall, Elisabeth Pleß, Sascha von Zambelly zuständig, es sang zudem noch der Tenor José Francisco Vieira.

Vieira kam als „Trauernde in Schwarz“ auf die Bühne komplett mit Schleier, während auch die anderen Akteure in Schwarz gekleidet waren. Kein Rot, keine anderen Farben.

Der erste Text wurde von Elisabeth Pleß vorgetragen, eine Liebeselegie aus „Gier“ von Sarah Kane. Pleß spielte diese Ode an die völlige Hingabe, an die bedingungslose Liebe mit einer ordentlichen Portion Körpersprache, ihre Arme unterstützten ihren Vortrag. Vorher sang Pleß das Lied „Komm in mein Boot“ von Rammstein, doch in einer ruhigen, fast chansonartigen Version. Die Band unterstrich ihren Monolog durch zumeist sanfte unterstützende Klänge. Das Ende der Liebeserklärung war deutlich: „Das muss aufhören“, wiederholte Pleß. Ein Hinweis vielleicht, dass eine Liebe, für die man sich aufgibt, in eine persönliche Sackgasse führen kann. Die Autorin Kane, die ein Jahr nach der Uraufführung Selbstmord beging, schrieb das Stück als sie nach eigenen Angaben ihren Glauben an die Liebe verloren hatte.

Elisabeth Pleß bei ihrem Vortrag von "Gier" von Sarah Kane. (Foto: © Guntram Walter)
Elisabeth Pleß bei ihrem Vortrag von „Gier“ von Sarah Kane. (Foto: © Guntram Walter)

Um Liebe und Tod ging es auch im zweiten Akt. Hier stand ein Text von André Gorz im Mittelpunkt. Das Besondere dabei: Der Text kam vom Band und Elisa Marshall hat dazu getanzt. Die Musik kam eher aus dem Blues/Jazz-Bereich, hatte durch das Akkordeon auch französischen Charakter. Gorz behandelt in seinem Text „Brief an D.“ seine Liebe zu seiner Frau, mit der er über Jahrzehnte verheiratet war. Sie wird kränker, aber er kann nicht ohne sie leben. Im Text schreibt Gorz „Ich möchte nicht bei deiner Einäscherung dabei sein“. Dazu kommt es auch nicht, beide scheiden gemeinsam aus dem Leben.

Im dritten Akt wird wieder Rammstein gespielt. „Ohne dich“, wieder gesungen von Elisabeth Pleß. Auch hier geht es um dem Tod, aber nicht um den eigenen. Denn Samuel Becketts Geschichte „Erste Liebe“ spielt auf einem Friedhof. Sascha von Zambelly präsentiert einen völlig kauzigen Erzähler, einen Sonderling, der scheinbar keine Empathie besitzt, sich aber über Grabinschriften köstlich amüsieren kann. Im dritten Akt hat auch José Francisco Vieira seinen großen Auftritt mit „When I am laid in earth“ von Henry Purcell.

Insgesamt drei bewegende Akte mit passender Musik und guten Performern. Es bleibt zu hoffen, dass dieses Stück öfter gespielt wird. Ein Besuch würde sich auf jeden Fall lohnen.