MO-Kunstpreis 2020 geht an VALIE EXPORT

Der 7. MO-Kunstpreis (Museum Ostwall, Dortmunder U) „DADA, Fluxus und die Folgen“ geht in diesem Jahr an die österreichische Feministin, Pionierin der Medien-Performance und Filmkunst VALIE EXPORT (Waltraud Stockinger, 1940 in Linz geboren). Die Freunde des Museum Ostwall und Initiatoren des Preises haben sich passend zu ihrem 80. Geburtstag für diese besondere Künstlerin entschieden.

Im MO-Schaufenster (Ebene 5) können Besucherinnen und Besucher die vielseitigen Werke der radikalen und und direkt mit ihrem Körper arbeitenden Künstlerin vom 04.12.2020 bis 02.05.2021 auf sich wirken lassen. Die Bandbreite geht dabei von Gedicht, Fotografien, Skulpturen und Video- und anderen Installationen.

Die Ausstellung mit dem bezeichnenden Titel „Irritationen des Blicks“ sagt viel darüber, worum es der Künstlerin geht.

Sie möchte irritieren und arbeitet mit dem Mittel der Verfremdung, oft im öffentlichen Raum in direktem Kontakt mit den Menschen. Mit ihren Performances und Filmkunst thematisiert VALIE EXPORT (Name inspiriert durch Zigarettenmarke „Smart Export“) den gesellschaftlichen, männlichen und medialen Blick auf unser Körperbild. Welchen Einfluss haben Umgebung, Sprache oder Herkunft auf unseren Körper? Stereotype werden hinterfragt.

Benjamin Sieber (Vorsitzender der Freunde des Museum Ostwall),  Dr. Stefan Mühlhofer (Kommissarischer Direktor des Museum Ostwall im Dortmunder U), Regina Selter, stellvertretende Direktorin und Natalie Çalkozan (wissenschaftliche Mitarbeiterin des MO) in der Ausstellung im MO Schaufenster.
Benjamin Sieber (Vorsitzender der Freunde des Museum Ostwall), Dr. Stefan Mühlhofer (Kommissarischer Direktor des Museum Ostwall im Dortmunder U), Regina Selter, stellvertretende Direktorin und Natalie Çalkozan (wissenschaftliche Mitarbeiterin des MO) in der Ausstellung im MO Schaufenster.

Ihre Arbeit ist im Kontext ihres beginnenden künstlerischen Wirkens in den 1960iger und 1970iger Jahren zu sehen. Eine gesellschaftliche Zeit des politischen Aufbruchs und Widerstands in einer konservativ geprägten Zeit. Die Frauenbewegung kämpfte für das Recht Selbstbestimmung, Das betraf etwa auch die Frage der Abschaffung des § 218.

Der Körper war dabei ein Terrain der Auseinandersetzung. Die angekaufte Foto-Dokumentation von „HOMO METER II“ (1976) zeigt dies deutlich. Bei dieser Straßenaktion band sich die Künstlerin einen Brotleib vor ihren Bauch und bot den Passant*innen in Wien an , sich mit einem scharfen Brotmesse davon ein Stück abzuschneiden. Das Brot war dabei ein Symbol für Erde, leben, Ernährung und Mutterschaft.

Schon 1970 ließ VALIE EXPORT mit „Weiblichkeitssymbolen“ auseinander und lässt sich öffentlich ein Strumpfband auf den Oberschenkel tätowieren.

Seit 1972 fotografiert und setzt sie sich auch immer wieder in Bezug zur Architektur.

In ihren „Körperkonfigurationen“ (1982) diente ihr Körper als Messinstrument, mit dem sie repräsentative Bauten nachzeichnete. Mit Körperhaltungen machte sie Formen sichtbar und eroberte sich so männlich dominierte Architektur zurück.

Mit ihrer Skulptur die „Scherentänzerinnen“ (2008) zeigt sie ein (Fluxus)-Kernprinzip ihrer Arbeiten. Gegenstände des Alltäglichen Gebrauchs wurden aus ihrem alltäglichen Zusammenhang gerissen. Jeweils zwei Scheren wurden wie „Tänzerinnen“ miteinander verwoben, grazil und bedrohlich abweisend zugleich.

Wegen der Corona-Pandemie kann der mit 20.000 Euro dotierte Fluxus-Preis (Hälfte von den Freunden des MO, andere Hälfte Kulturbetriebe) erst im nächsten Jahr am 16. April 2021 verliehen werden. Zur gegebenen Zeit gibt es noch genaue Informationen.

Bunter Teller – Eine Art Weihnachtsmarkt im Kunstbonbon

Das kleine, aber feine „Kunstbonbon“ in der Chemnitzer Str. 11 in Dortmund bietet für das Publikum auch in Zeiten von Corona vom 20.11.2020 bis 13.02.2021 unter dem Motto „Bunter Teller“ eine Art Weihnachtsmarkt zum Stöbern und der Möglichkeit für Ideen und den Kauf kleiner besonderer Geschenke für ihre Lieben. Vierzehn Künstlerinnen und Künstler stellen ihre Malerei, Objekte, Skulpturen, Schmuck, Zeichnungen, Bücher, Kalender, Drucke, Collagen, Karikaturen, Assemblagen und Fotografien aus.

Für jeden Geldbeutel ( von 1,50 Euro aufwärts) und Geschmack ist etwas dabei.

Folgende Künstler*innen sind mit ihren Werken dabei: Laura Dröge, Thomas Dröge, Michaela Düllberg, Markus Jöhring, Claudia König, Ingrid Lacher, Hendrik Müller, Virginia Novarin, Ari Plikat, Günter Rückert, Almut Rybasch-Tarry, Karin Schmidt, Lotte Wagner und Michael Wienand.

Die Galerie "Das Kunstbonbon" bietet eine Art Weihnachtsmarkt für Kunstliebhaber an.
Die Galerie „Das Kunstbonbon“ bietet eine Art Weihnachtsmarkt für Kunstliebhaber an.

Die Eröffnung zum Besuch des „Bunten Teller“ findet am Freitag, dem 20.11.2020 ab 15:00 Uhr im Kunstbonbon statt.

Da die Räumlichkeiten relativ begrenzt sind, können wegen den Corona-Bestimmungen maximal zwei Personen gleichzeitig eintreten und müssen sich dann in den beiden Räumen etwas aufteilen. Mund-Nasen-Schutz ist natürlich Pflicht und die Besucher müssen sich in eine Liste eintragen. Desinfektionsmittel ist genug vorhanden und es wird gebeten, diese auch zu nutzen.

Trotz all der Auflagen sollten sich die neugierigen Besucher nicht den Spaß an den Exponaten und der Möglichkeit, ein ausgefallenes Weihnachtsgeschenk zu ergattern nehmen lassen.

Öffnungszeiten: dienstags 13-18, freitags 15-20 und samstags 12-15 Uhr

Vielschichtige Musik an der Grenze zwischen Jazz und Ambient

Das zweite Album des Dortmunder Trios „About Aphrodite“ mit dem Titel „Future Memories“ ist Ende Oktober erschienen. Auch wenn es vielleicht unter dem Genre „Contemporary Jazz“ eingeordnet wird, ist es doch viel mehr. Die Gruppe zeichnet sich wie schon beim Debut „Polaris“ durch starke Ambient-Elemente aus, hinzu kommen Bezüge aus der Klassik und Filmmusik.

Das Trio besteht aus Gilda Razani, die vor allem Theremin und Sopransaxophon spielt sowie das Instrument „The Pipe“, das eine Art Synthesizer ist, der mit dem Mund gespielt wird. Hinzu kommt Hans Wanning, der Klavier und Synthesizer spielt sowie Jaime Moraga Vasques am Schlagzeug.

Die Songs auf „Future Memories“ sind offensichtlich durch die Klimadiskussionen der vergangenen Jahre inspiriert, doch manche Lieder wie „Seclusion“ lassen auch auf einen Weltraumtrip hindeuten. Das ganze Album ist sowieso sehr vielschichtig, der Klangteppich lädt dazu ein, die Lieder öfter zu hören, denn dann fallen dem Hörer wieder ein paar neue Klänge auf.

"About Aphrodite" sind (v.l.n.r.) Hans Wanning, Gilda Razani und Jaime Moraga Vasques (Foto: © About Aphrodite)
„About Aphrodite“ sind (v.l.n.r.) Hans Wanning, Gilda Razani und Jaime Moraga Vasques (Foto: © About Aphrodite)

Den Beginn macht „Protection zone“. Hier beginnt das Klavier mit serieller Musik, gefolgt von einem hypnotischen Saxophon, Naturgeräusche erklingen, scheinbar entführt uns die Musik in ein unbekanntes verborgenes Land. Ruhige Phasen wechseln sich mit rhythmischen ab.

Der folgende Titel „Seclusion“ wirkt etwas technischer vom Sound. Hier geht die Reise möglicherweise ins Weltall, das Theremin erschafft einen sphärischen Sound, ideal zum Entdecken fremder Welten.

Bei „Reflector“ erkennt man am deutlichsten, dass es sich um ein Jazz-Trio handelt. Jazz-Rhythmen dominieren, aber immer noch ist der typische, unverwechselbare Sound von „About Aphrodite“ im Vordergrund. Der längste Track des Albums,

Mit „Last Resources“ ist wieder ein Umweltthema im Mittelpunkt. Das klagendes Theremin und die langsamen Klavier-Akkorde haben etwas melancholisches an sich, im Laufe des Stückes nimmt die Dynamik und Dramatik zu.

Was ist das Gegenteil von künstlicher Intelligenz? „Artificial Stupidity“. Mit tanzbarem Offbeat und Theremin überrascht das Trio den Hörer, es wird in der Mitte kurz wild und verrückt. Der Song könnte auch gut in einem Club gespielt werden. Mein Lieblingsstück auf dem Album.

Nach dem Offbeat Ausflug geht es mit „Future Memories“ zurück zum Jazz. Ein Loop von einer Art Orgel, Saxophon im Mittelpunkt, schöne langsame Steigerung des Tempos gegen Ende des Songs.

„Way out“ wieder sehr technisch, mit einem warmes Saxophon. Das Stück wird mit Minute zu Minute vielschichtiger vom Sound. Es könnte die Musik für das Ende von einem Film sein.

„Future memories“ ist ein wundervolles Album, ein gelungener Genre-Mix aus Jazz, Ambient und anderen Inspirationsquellen. Es lohnt sich, die Songs wegen ihrer Vielschichtigkeit öfter zu hören.

Zurück vom Titicacasee

Bis zum 08. November 2020 hatten die Künstlerinnen und Künstler der Dortmunder Gruppe die Gelegenheit genutzt, mit eigenem und fremden Material gemeinsam Kunstwerke zu schaffen (wir berichteten). In Zeiten von Corona war das gemeinsame Arbeit auch ein weg, um ein wenig aus der Isolation zu kommen. Der Austausch untereinander hatte 2020 durch die beiden Lockdowns sehr gelitten. Die Idee einer gemeinsamen thematischen Arbeit, wobei jede/r Künstlerin und Künstler autonom für sich arbeitete war geboren und manifestierte sich in der Ausstellung „Urlaub am Titicacasee“, die am 18. Oktober im Torhaus Rombergpark startete.

Zu Beginn nahm jeder der teilnehmenden Künstlerinnen und Künstler Material aus seinem Atelier mit. Somit entstand quasi eine künstliche Insel im Torhaus. Aus diesem Material konnte sich jede/r bedienen.

Was ist entstanden? Da der Titicacasee sehr stark verschmutzt ist, gab es einige Arbeiten, die sich mit dem Thema der Umweltverschmutzung beschäftigten. Andere KünstlerInnen erkundeten die Natur wie die Bildhauerin Pia Bohr beispielsweise, die aus nicht benutzten Holzstücken und anderen Materialien eine Schlange fertigte. Rosa Fehr-von Ilten widmete ihre Arbeit den Fröschen des Sees. Lutz Kemper entschied sich für den Condor, wobei unklar ist, ob er vielleicht nicht die deutsche Fluggesellschaft meint. Wenn alles nicht hilft, brauchen wir einen Notausgang, dachte sich Monika Pfeiffer und erschuf einen.

Ein Blick in die entstandenen Kunstwerke vom "Urlaub am Titicacasee".
Ein Blick in die entstandenen Kunstwerke vom „Urlaub am Titicacasee“.

Eindrucksvoll ist auch der Schamane von Roul Schneider, der sitzend auf die Erleuchtung wartet. Die Ureinwohner spielten auch bei mancher KünstlerIn eine Rolle.

Wolfgang Schmidt bezog die Besucher, die ins Torhaus kamen, in sein Kunstwerk sein. Sie könnten seine markante Figur eigenhändig bemalen.

Wer jetzt sagt: Schade, die Ausstellung hätte ich gerne gesehen, den kann ich beruhigen. Zumindest virtuell wird es möglich sein die Entwicklung des ganzen Projektes mitzuverfolgen. Denn es wird ein Film erscheinen, der die Prozesse in Zeitraffer noch einmal entstehen lässt. Mehr Informationen dazu auf der Seite http://www.torhaus-rombergpark.de/

Ein schwacher Held – Faust unterliegt Frauenpower

Starke Frauen stehen im Mittelpunkt einer modernen Fassung des Faust. Mephisto, verkörpert von Antje Prust überzeugt genauso wie Margarete (Marlena Keil). Als Vorlage der Inszenierung dienten Auszüge aus den Romanen Eis und Bro von Vladimir Sorokin. Die Proben fanden unter erschwerten Bedingungen statt, da die Regisseurin Mizgin Bilmen eine Woche vor der Premiere erkrankt war. Intendantin Julia Wissert und ihre Dramaturgin Kirsten Müller vollendeten die Inszenierung in dieser heißen Probenphase gemeinsam mit dem Ensemble. Der Chor der Studierenden, bestehend aus Studierenden der Folkwang Universität musste Coronabedingt per Audioaufzeichnung eingespielt werden.

Als der Vorhang sich hebt, blicken die Zuschauer in einen weißen Raum, im Hintergrund führt eine Treppe zu einer Tür in der ersten Etage. Zu Beginn erscheint Faust (Linus Ebner) als verzweifelter Künstler auf der Suche nach größerer Inspiration und Bedeutung. Mit großen ausladenden Bewegungen zeichnet er seine Verzweiflung mit dynamische Linien auf die weißen Wände. Möglich wird dies durch virtuos eingesetzte Beamertechnik, gestaltet durch Tobias Hoeft, der für Bühne und Visual Art verantwortlich zeichnet.

Statt in einer Studierstube erlebt man den Faust wie in einem überdimensionierten Atelier. Er fühlt sich zu Höherem berufen. Gelangweilt vom Alltag, getragen von einer Art Hybris giert er nach Verführung, Abenteuer und Extase. Erdgeister und Hexen krauchen über die Bühne, Mephisto sieht die Chance gekommen den Verzweifelten mit Erlösung zu locken. Sexy gekleidet mit schwarzem, durchsichtigem Bodysuit, ist Antje Prust auf der Bühne in ständiger Bewegung. Während die Geschichte ihren Lauf nimmt, färben sich die Wände in immer stärkeres Violett, die feministische Kraft und das Geistige symbolisierend. Machtbewusst setzt Mephisto ihre zerstörerischen Kräfte ein. Mit teuflischen Gesten, als Pudel bellend und strampelnd beherrscht sie das Geschehen. Nachdem der Pakt mit Faust geschlossen ist, verfällt dieser im Liebeswahn der Margarete. Die Schauspielerin ist als moderne junge Frau gekleidet, ganz in schwarz mit kurzem Rock und dicken Boots. Kein Gretchen, sondern eine Margarete, die auch einmal laut Scheiße brüllt, nicht nur Opfer ist, sondern auch handlungsfähig. Entzückend gespielt ist die Liebesszene als Faust und Margarete einander verfallen.

Faust ist ein schwacher Held, zur Walpurgisnacht darf er nicht kommen, sondern Margarete nimmt daran teil. Selbst bei der Befreiung aus dem Kerker hockt er nur schwach im hinteren Bühnenbereich und sieht passiv zu wie Margarete durch Mephisto und die Hexen erlöst wird.

Das Ende der 100minütigen Vorstellung ist unverhofft ein wenig kraftlos geraten. Obwohl zur Bildung einer widerständigen Bewegung aufgerufen wird, verpufft die Kraft der Worte. Ein starkes Bild ist jedoch Mephisto mit Flügeln aus Fleischhälften gekleidet, die Rolle der Lilith zitierend.

Die nächsten Vorstellungen sind am 2. und 3. Dezember geplant.

Faust (Linus Ebner) ist nicht nur in diesem Bild im Hintergrund. In der Inszenierung dominieren starke Frauen wie margarete (Marlena Keil) und Mesphisto (Antje Prust). (Foto: © Birgit Hupfeld)
Faust (Linus Ebner) ist nicht nur in diesem Bild im Hintergrund. In der Inszenierung dominieren starke Frauen (v.l.n.r.) wie Margarete (Marlena Keil) und Mesphisto (Antje Prust). (Foto: © Birgit Hupfeld)

Groove Symphony in vier Jahreszeiten

Beim ersten Konzert für junge Leute erwarteten die Besucher die „Four seasons reloaded“ aus der Reihe der Groove Symphony. Ein Remix des beliebten Klassikers von Antonio Vivaldi nach einer Bearbeitung von Max Richter.

Die Dortmunder Philharmoniker dirigiert von Christoph JK Müller, das Live-Elektronik Duo Cylvester und Poetry Slammerin Jule Weber beschäftigten sich mit den Folgen des Klimawandels und daraus resultierenden drängenden Fragen unsere Zukunft.

Das zyklisch Wiederkehrende der Jahreszeiten wird dadurch verstärkt, dass die Musiker und auch Yule Weber sich in ihren Vorträgen an die Abfolge von Frühling, Herbst, Sommer und Winter halten. Jeder beschäftigt sich auf seine Art mit der jeweiligen Jahreszeit und der Interpretation dazu. Das ist im Herbst etwas langatmig, da sich der Wiederholungseffekt etwas abschleift. Die Poetry Slammerin Yule Weber bildet mit ihren Texten die Klammer zwischen den musikalischen Stücken. Poetisch, wortgewandt, lyrisch, politisch steht sie bildlich gesehen an ihrem Fenster, beobachtet den Wandel der Jahreszeiten beschreibt ihre Gedanken dazu.

Eines der letzten Veranstaltungen im Konzerthaus vor dem Lockdown im November war das "Konzert für junge Leute". (Foto: © Anja Cord)
Eines der letzten Veranstaltungen im Konzerthaus vor dem Lockdown im November war das „Konzert für junge Leute“. (Foto: © Anja Cord)

Das Kölner Elektronik Duo, bestehend aus den Künstlern Max Schweder und Tobias Hartmann ist hinter den Philharmonikern unter einer großen Videoleinwand platziert. Dort sind sie die Herren über Sampler, Synthesizer und Sequenzer. Die reaktive Performance der Musiker wurde an der Akademie für Theater und Digitalität in Dortmund entwickelt. Reaktiv bedeutet, dass Bilder auf Rhythmus, Klänge und Bewegung der Musiker reagieren.

In drei von vier Tracks, G5, Sun, Frank und Foto verarbeitet Cylvester die Eindrücke der diesjährigen Jahreszeiten in extra überzeichneten Bildern, um die Besonderheiten herauszustellen. Einen euphorischen Frühling mit impressionistisch verlaufenden Landschaftsbildern, der hitzeflirrende Sommer zeigt eine gefährliche Grimasse und ein Herbst der wie eine Atempause gebremst auf den Winter wartet. Der vierte Track „Foto“ ist extra für das gemeinsame Spiel mit den Philharmonikern komponiert. Die dicht verwobene gemeinsame Musik wird bildgewaltig auf der Leinwand verstärkt. Kraftvolle Bilder mit kosmischen Motiven leiten den Blick in die Zukunft, die gemeinsam und nachhaltig gestaltet werden sollte. Unterstrichen werden die Darbietungen durch die rhythmisch blinkende, farbig abgestimmte Saalbeleuchtung. Im dramatischen Sommer gesteigert bis ins Stakkato, so dass man sich beinah auf der Tanzfläche eines Clubs wähnt. Die Visuellen Effekte, Bilder und Videos entwickelte Visual Jockey Alexander Rechberg. Das Konzertdesign gestaltete Andrea Hoever, die Theaterpädagogin der Philharmonie.

Die vielfältigen Eindrücke fordern den ganzen Zuschauer. Alle Sinne sind beansprucht um dem Vortrag zu folgen.Zwischendurch war es ganz entspannend kurz die Augen zu schließen und nur der Musik zu lauschen.

Die Vier Jahreszeiten von Max Richter klingen an vielen Stellen stark zurückgenommen. Man erlebt die typischen Jahreszeiten in jeweils drei Sätze eingeteilt. Vögel zwitschern, Wasser plätschert, Sturm weht, allerdings fehlt an manchen Stellen die Dynamik, die den Zuhörer empathisch in die Stimmung der Jahreszeit eintauchen lässt.

Blick in die Psyche eines Reichsbürgers

Im Schatten des drohenden erneuten Lockdowns wegen der steigenden Corona-Fallzahlen im November hatte „Der Reichsbürger“ von Konstantin und Annalena Küspert unter der Regie von Jens Dornheim als neue Produktion des freien Theaters glassbooth am 30.10.2020 im Theater im Depot seiner Uraufführung.

Die Thematik und wachsende Problematik der sogenannten „Reichsbürger“ ist wieder ein kontroverser Stoff und dabei hoch aktuell. Trotz ihrer uneinheitlichem diversen Erscheinungsformen und Auftretens eint sie, dass sie die Rechtmäßigkeit der Bundesrepublik Deutschland nicht anerkennen. Für sie ist das Land seit dem Kriegsende nicht wirklich souverän und nur eine GmbH, deren Gesetze für die Reichsbürger nicht gelten.

Der Protagonist in der als Reichsbürger-Monolog konzipierten Inszenierung wird von Schauspieler Sebastian Thrun eindrucksvoll und fast erschreckend glaubhaft auf der Bühne dargestellt. Er bezeichnet sich als „Selbstverwalter“ und provoziert das Publikum gleich zu Anfang mit der ironischen Bemerkung, wegen ihm müssten die Zuschauer*innen keinen Mund-Nasenschutz tragen.

Sebastian Thrun überzeugte als wortgewandter "Reichsbürger" im gleichnamigen Stück. (Foto: © Oliver Mengedoht)
Sebastian Thrun überzeugte als wortgewandter „Reichsbürger“ im gleichnamigen Stück. (Foto: © Oliver Mengedoht)

Von Beruf Elektriker, könnte der Protagonist aber ein sehr guter Verkäufer auf einer Werbeveranstaltung sein. Er kommt als wortgewandter Menschenfreund daher, der eigentlich nur seine Ruhe will, nicht plump aggressiv.

Er stellt provokative Fragen, weist geschickt auf Missstände (marode Straßen, kein Geld für Bildung, „Migranten-Kriminalität“ u.s.w.) hin, gegen die man doch etwas tun müsse. Das Recht auf Waffenbesitz eines jeden Bürgers ist ihn ein selbstverständliches „Recht“ um sich und seine Familie zu schützen. Dass der freie Waffenbesitz etwa in den USA vielen Menschen das Leben kostet, wird wohlweislich ignoriert.

Widersprüche zwischen gespielter Toleranz, Naturverbundenheit, Humanität und offen zur Schau getragenen Überlegenheit des „Deutschen“ gegenüber dem „Fremden“ werden nicht zur Diskussion gestellt. So beruft er sich auf unter anderem auf Albert Einstein als als einer der „großen Deutschen“, um dann eine herablassende Bemerkung gegen Juden loszulassen. Obwohl er wohl auch gerne mal beim „Syrer, Chinesen, Türken oder anderen“ essen geht, wird die Bereicherung unseres Lebens durch fremde Kulturen geleugnet.

Der „Selbstverwalter“ hat den Durchblick und weiß, wer im Hintergrund die Strippen zieht. Kanzlerin Angela Merkel wird nur als „IM“ Merkel bezeichnet. Offen bekennt er im Gegensatz zu den „Linksliberalen“ einfache Erklärungen und Lösungen für komplexe Zusammenhänge zu haben.

Wie alle Rattenfänger versucht er, Menschen bei ihren Ängsten und Befürchtungen zu packen und sie für seine Zwecke zu instrumentalisieren. Die Vorteile (Rosinen) des abgelehnten Staatssystems nimmt er jedoch gerne für sich in Anspruch, wenn es ihm zu pass kommt.

Eine starke Leistung von Thrun, die Zuschauerinnen und Zuschauer aber auch mit einem ambivalenten Gefühl zurück lässt.

Die Inszenierung verdeutlicht, wie sehr wir aufpassen müssen, kritisch zu reflektieren und nicht auf einfach Lösungen oder „Heilsbringer“ herein zu fallen.

Der Reichsbürger – Inneneinsichten eines Querdenkers

Deutschland ist nur eine GmbH? Das Land immer noch besetzt? Das Deutsche Reich besteht fort? Es gibt Menschen, die das glauben und verbreiten – sogenannte Reichsbürger. Im Theater im Depot präsentiert das Theater glassboth das Stück „Reichsbürger“ von Annalena und Konstantin Küspert. Premiere ist am 30.10.2020.

Die Reichsbürger sind keine homogene Gruppe. Es gibt so manche selbsternannte Reichskanzler oder gar Kaiser, die auf ihrem Grund und Boden eigene Dokumente wie Pässe oder Führerscheine ausstellen. Doch es gibt auch einige, die sich als „Selbstverwalter“ ansehen und versuchen, sich vom Staat abzunabeln. Das klingt doch auf den ersten Blick nicht verkehrt, oder?

Genau in diese Schnittstelle zwischen „klingt doch ganz logisch“ und „was für ein Blödsinn“ setzt das Stück an. Denn der Reichsbürger, gespielt von Sebastian Thrun ist klein plumper Wutbürger oder selbsternannter Kaiser, sondern wirkt ganz vernünftig und versucht das Publikum mit geschickten Fragen und Argumenten auf seine Seite zu ziehen.

Sebastian Thrun versucht in seiner Rolle als  "Reichsbürger"  in dem Stück das Publikum auf seine Seite zu ziehen. (Foto: © Oliver Mengedoht)
Sebastian Thrun versucht in seiner Rolle als „Reichsbürger“ in dem Stück das Publikum auf seine Seite zu ziehen. (Foto: © Oliver Mengedoht)

Für die Reichsbürger ist die Sache einfach: Sie haben den Durchblick und die anderen schlafen noch. Sie wissen, wie das System funktioniert und wer als Strippenzieher dahinter steckt.

Die Gefährlichkeit darf man dabei nicht außer acht lassen. Für NRW sollen rund 3.200 Reichsbürger bekannt sein, früher wurden sie nur als Spinner belächelt, doch mit immer häufigeren Waffenfunden ist klar, dass diese Gruppierung nicht so ganz harmlos ist.

Regisseur Jens Dornheim hat das Stück als Reichsbürger-Vortrag konzipiert. Daher ist das Publikum nicht nur stiller Beobachter, es kann sicherlich passieren, dass manche Thesen des Reichsbürgers auf Widerspruch aus dem Publikum stoßen. Eine spannende Aufgabe für Schauspieler Sebastian Thrun.

Die Premiere ist am 30.10.2020 um 20 Uhr. Weitere Vorstellungen sind am 31.10., 08.11., 13.11. und 14.11.2020. Weitere Informationen unter www.depotdortmund.de

Besuch beim Hörder Sehfest 2020

Am 24. und 25. Oktober 2020 fand wieder das Hörder Sehfest statt. An 19 Orten wartete Kunst auf die Besuchenden, die sich vom Wetter und den Corona-Regeln nicht abhalten ließen. Eine Premiere gab es auch: ars tremonia besuchte am Sonntag zum ersten Mal das Hörder Sehfest und entdeckte eine Menge Kunst in Ateliers, Gärten und Hinterhöfen. Auf den weg machten sich Michael Lemken und Anja Cord.

Den Beginn machten wir bei Igor Jablunowskii. Er ist professioneller Auftragsmaler und verschönt aber auch Häuserfassaden. Ein eindrucksvolles Beispiel findet man in Huckarde in der sogenannten Eisheiligen-Siedlung. Seine realistischen Gemälde zeigt er auch noch in der Galerie in der Wißstraße. Sein dort ausgestelltes Bild von Greta Thunberg hat für einiges Aufsehen gesorgt.

Igor Jablunowskii vor seinen Arbeiten. (Foto: © Anja Cord)
Igor Jablunowskii vor seinen Arbeiten. (Foto: © Anja Cord)

Gleich daneben befindet sich das Atelier von Karla Christoph. Ihre ausgestellten Arbeiten entstehen ähnlich wie Graffito. Elemente werden am Computer entwickelt und in Schablonen umgewandelt, danach per Hand ausgeschnitten. Letztendlich mit Farbe besprüht. So entstehen eindrucksvolle Bildkompositionen.

Karla Christoph mit einer Schablone, die zum Bestandteil des Bildes wurde. (Foto: © Anja Cord)
Karla Christoph mit einer Schablone, die zum Bestandteil des Bildes wurde. (Foto: © Anja Cord)

Nicht weit weg lag der „Garten der Figuren“. Wie viele es genau sind, könnte die Künstlerin Stefanie Becker selbst nicht sagen. Die Figuren bestehen meist aus Messing oder Beton und bevölkern in unterschiedlicher Größe den Garten. Eine Besonderheit in ihrem Garten sind die Figuren der vier Affen, denn man kennt sie eigentlich nur zu dritt (Nichts sehen, nichts hören, nichts sagen). Doch es gibt auch noch einen vierten: „Habe keinen Spaß“.

Bei Stefanie Becker hängen die "Vier Affen" im Käfig. (Foto: © Anja Cord)
Bei Stefanie Becker hängen die „Vier Affen“ im Käfig. (Foto: © Anja Cord)

Die Beschränkungen durch Corona haben es leider verhindert, dass die bulgarische Künstlerin Genoveva Gencheva selbst vor Ort sein konnte. Dafür war aber ihre Kunst im Haus Rode zu sehen. Neben Ölbildern wurden auch Aquarelle und Tuschezeichnungen gezeigt. In ihren Arbeiten finden sich abstrakte wie gegenständliche Motive.

Ein Motiv aus dem 13. Jahrhundert in einer bulgarischen Kirche inspirierte Genoveva Gencheva zu dieser Interpretation. (Foto: © Anja Cord)
Ein Motiv aus dem 13. Jahrhundert in einer bulgarischen Kirche inspirierte Genoveva Gencheva zu dieser Interpretation. (Foto: © Anja Cord)

Fotografische Arbeiten zeigte Jonathan Zipfel. Seine Motive findet er nicht weit weg, denn die Bebauung rund um den Phoenix-See sind sein Thema. Die Entwicklung „bereitet mir Unbehagen“, so der Künstler. Darüber hinaus präsentierte er kleinformatige Fotos, auf denen er die Gegenständlichkeit durch Makroaufnahmen abstrahierte.

Die Gentrifizierung rund um den Phoenix-See beschäftigt den Fotografen Jonathan Zipfel. (Foto: © Anja Cord)
Die Gentrifizierung rund um den Phoenix-See beschäftigt den Fotografen Jonathan Zipfel. (Foto: © Anja Cord)

Michael Wienand versucht in seinen 3D-Bildobjekten das Lebensgefühl des Ruhrgebietes einzufangen. Denn für ihn besteht das Ruhrgebiet nicht nur aus Arbeit und Industrie. Im Mittelpunkt steht eher die Eckkneipe und der Kiosk. Beide Orte des Zusammenkommens sind stark gefährdet, nicht nur wegen Corona. Der gelernte Bühnenbauer erschafft aber auch vielschichtige Lebensräume wie beispielsweise ein Studentenzimmer mit einer Vielzahl an liebevollen Details.

Michael Wienand erinnert in seinen 3D-Bildobjekten an das Lebensgefühl im Ruhrgebiet. (Foto: © Anja Cord)
Michael Wienand erinnert in seinen 3D-Bildobjekten an das Lebensgefühl im Ruhrgebiet. (Foto: © Anja Cord)

Die grafischen Arbeiten von Rita-Maria Schwalgin passen sehr gut zu der ruhigen Ausstellung im „Wohnzimmer im Piepenstock“ und lassen mit der überwiegend Schwarz-Weiß-Kombination sehr eindrücklich die Folgen des Klimawandels erahnen. Gefällte Stämme, kahle Bäume stimmen den Betrachter nachdenklich. Nur ab und zu experimentiert Schwalgin mit Farbflächen. Das Besondere an den grafischen Arbeiten ist, dass sie aus Naturmaterialien geschaffen wurden.

An das Waldsterben erinnert Rita-Maria Schwalgin in ihren grafischen Arbeiten. (Foto: © Anja Cord)
An das Waldsterben erinnert Rita-Maria Schwalgin in ihren grafischen Arbeiten. (Foto: © Anja Cord)

Bunte Farbe in den grauen Corona-Alltag versucht Rüdiger Philipp zu bringen. In der Musikschule Crescendo zeigt er in seiner Reihe „pandemische Lichter“ bunte Aquarelle in leuchtenden Farben.

Farbe gegen Corona-Tristesse. Rüdiger Phillip mit seinen pandemischen Lichtern. (Foto: © Anja Cord)
Farbe gegen Corona-Tristesse. Rüdiger Phillip mit seinen pandemischen Lichtern. (Foto: © Anja Cord)

In den Ateliers an der Schildstraße gab es gleich drei Stationen zu bewundern. Neben den Arbeiten von Matthias Corta und Maureen Brauckmann zeigte der Airbrush-Künstler Thorsten Krüger, was mit der Sprühpistole alles möglich ist. Seine Arbeiten sind vielfältig, farbenfroh und zeugen von handwerklicher Finesse. Die Bildhauerin Christa Bremer beschäftigt sich in ihren Skulpturen mit dem menschlichen Körper, den sie auf die wesentlichen Merkmale reduziert. So entstehen eindrucksvolle Kunstwerke aus Bronze.

Im Mittelpunkt der Arbeiten der Bildhauerin Christa Bremer steht der menschliche Körper. (Foto: © Anja Cord)
Im Mittelpunkt der Arbeiten der Bildhauerin Christa Bremer steht der menschliche Körper. (Foto: © Anja Cord)
Filigranes aus der Sprühpistole. Thorsten Krüger präsentierte Airbrush-Bilder. (Foto: © Anja Cord)
Filigranes aus der Sprühpistole. Thorsten Krüger präsentierte Airbrush-Bilder. (Foto: © Anja Cord)

Auf unserer vorletzten Station erwartete uns erneut ein Dreierpack. Michael Schulz-Runge, Peka (Peter Krüger) und Susanne Matull zeigten ihre Arbeiten. Susanne Matull beschäftigt sich in ihren Werken oft mit dem Thema Tanz, daher verwendet sie Tüll, Bast und ähnliches, so dass ihre Bilder eine plastische Dimension entwickeln. Michael Schulze-Runge zeigte fotografische Makroaufnahmen von Graffiti und Peka präsentierte neben Porträts, Zeichnungen von Leseratten auch Arbeiten von Emscherlandschaften auf Furnierholz.

Peka arbeitet gerne auf Holz. Daher sind die Landschaftsbilder auf Furnierholz entstanden und nicht auf Leinwand. (Foto: © Anja Cord)
Peka arbeitet gerne auf Holz. Daher sind die Landschaftsbilder auf Furnierholz entstanden und nicht auf Leinwand. (Foto: © Anja Cord)
Eine fotografische Entdeckungsreise in die Strukturen von Graffiti zeigte Michael Schulz-Runge. (Foto: © Anja Cord)
Eine fotografische Entdeckungsreise in die Strukturen von Graffiti zeigte Michael Schulz-Runge. (Foto: © Anja Cord)
Den Tanz ist das Thema in den Bildern von Susanne Matull, die sie mit verschiedenen Materialien versieht. (Foto: © Anja Cord)
Den Tanz ist das Thema in den Bildern von Susanne Matull, die sie mit verschiedenen Materialien versieht. (Foto: © Anja Cord)

Den Abschluss machte ein Besuch beim Atelier von Marc Bühren. Er zeigte überwiegend filigrane Arbeiten, die er mit Hilfe von 3D-Druckern zu eindrucksvollen Gebilden zusammensetzt. So entstehen Objekte, die aus der Natur entlehnt sind, aber auch der Fantasie entspringen.

Manche Arbeiten von Marc Bühren entwickeln durch Lichtquellen noch eine weitere Dimensionalität. (Foto: © Anja Cord)

Wir möchten uns auf jeden Fall bei den Künstlerinnen und Künstlern um Verzeihung bitten, bei denen wir bei der knappen Zeit nicht vorbeischauen konnten. Wir hoffen, das beim nächsten Sehfest nachzuholen. Hoffentlich dann ohne Maske und ständiger Adressangabe.

In die Falle gegangen?! – Ausstellung „Trap“ im Künstlerhaus zeigt 17 Positionen

Vom 24. Oktober bis zum 29. November präsentiert das Künstlerhaus Dortmund eine besondere Ausstellung. Hier zeigen 17 KünstlerInnen des Kunstmentorats NRW ihre Arbeiten. Neben 13 Mentees waren auch vier Mentoren beteiligt, namentlich Gerd Borkelmann, Elisabeth Brosterhaus, Brigitte Heidtmann und Klaus Schmitt.

Doch die Ausstellung „Trap“, die von den Mentees Jennifer Lubahn, Nadjana Mohr, Anna Schütten und der Mentorin aus dem Künstlerhaus Annett Frontzek kuratiert wurde, hat noch ein weiteres Merkmal. Jeder der teilnehmenden Künstlerinnen und Künstler bekam jeweils eine fremde Position zugeordnet, mit der sie sich auseinandersetzen mussten. Die so entstandene zweite Ebene wird im Katalog zur Ausstellung deutlich.

In der Ausstellung selbst gibt es viele unterschiedliche Materialien und Herangehensweisen. Videos, Objekte, Malerei oder Fotografie – alles ist in den Räumen des Künstlerhauses vorhanden.

Gleich zu Beginn wird der Besucher von der Arbeit „Feine Backware“ von Thomas Kuhn empfangen. Doch Vorsicht, in den Backformen steckt Schwefel und kein Kuchenteig. Schwefel hat eine mystische Komponente, sein Material sieht in der Arbeit verlockend aus, ist aber nicht genießbar, sondern nur als Kunstobjekt. Zudem präsentiert Anna Schütten „on screens II“, bei der sie Sound und projizierte Farben zu einem Kunstwerk verschmilzt.

Im Hintergrund sind die Arbeiten von Gerd Borkelmann, Elisabeth Brosterhaus und Klaus Schmitt zu sehen. Im Vordergrund die Mentees und Kuratorinnen (v.l.n.r.) Jennifer Lubahn, Nadjana Mohr und Anna Schütten.
Im Hintergrund sind die Arbeiten von Gerd Borkelmann, Elisabeth Brosterhaus und Klaus Schmitt zu sehen. Im Vordergrund die Mentees und Kuratorinnen (v.l.n.r.) Jennifer Lubahn, Nadjana Mohr und Anna Schütten.

Im großen Raum haben sich Brigitta Heidtmann, Gerd Brockelmann und Klaus Schmitt gleich drei Mentoren versammelt. Schmitt zeigt mit „O-T. 9.15“ ein großformatiges Objekt aus PVC und Holz und erschafft dabei eine Beziehung zwischen Raum, Objekt und dem Betrachter. Brigitta Heidtmann arbeitet stark konzeptionell. Sie greift in ihrer Arbeit – ähnlich wie Schmitt – die Beziehung zwischen Raum und Objekt auf. Brockelmann hingegen arbeitet mit Papier auf einem kleineren Format. Die Arbeiten enthalten fast immer einfache geometrische Mittel wie Linien, Gitter und Kreise und sind farblich reduziert. In dem Raum hat auch noch Lisa Klinger Platz gefunden. Ihre Arbeit „Infidelity“ (Untreue) ist vor Ort im Künstlerhaus entstanden. Ihre zweidimensionalen Grafiken entwickeln beim Betrachter eine Dreidimensionalität und stellen wie Schmitt und Heidtmann eine Beziehung zum Raum her.

Im Raum nebenan zeigt Roya Noorinezhad ihre Fotoarbeiten aus der Serie „Transformation“. Dadurch, dass sie das Fotopapier unterschiedlich biegt, entsteht ein anderer Eindruck des fotografierten Objektes. Gegenüber zeigt Ale Bachlechner ihre Videoarbeit, in denen sie politische, und gesellschaftliche Themenkomplexe bearbeitet.

Hinter dem Korridor begrüßt uns die Arbeit von Nadjana Mohr. Vereinnahmung von Flächen und Räumen durch den Betrachter ist das Thema ihres malerischen Werks in der Ausstellung. Bei der Videoarbeit „Re Source“ von Melanie Windl stehen biologische Prozesse im Mittelpunkt. Sie greift das Missverhältnis zwischen Mensch und Ozean auf, bei der der Mensch die wichtige Ressource Wasser kapitalisiert. Für die Arbeit von Maurits Boetther „The Presense of Absense“ braucht man ein wenig Geduld, denn der Künstler befasst sich mit dem Thema Zeit als Medium.

Im Keller gibt es weitere Arbeiten. Jennifer Lubahn zeigt uns in „Do o.T.“ quasi die Entstehung und das Ende eines Lichtspaltes, der in einen dunklen Raum dringt. Es entstehen während des Videos viele kleine Spannungsmomente, die den Betrachter zum Weiterschauen verleitet.

In der ehemaligen Waschkaue wird die Videoarbeit „BODY IN SPACE“ gezeigt. Die Künstlerin verarbeitet die alltägliche Realität. Dabei verwendet sie unter anderem Google Maps, um Wege aufzuzeigen, die sie zurückgelegt hat, die für sie eine gewisse Bedeutung haben. Ihr geht es dabei um soziale, politische und ökologische Ebenen aufzudecken.

Alle beteiligten Künstlerinnen und Künstler: Ale Bachlechner, Maurits Boettger, Gerd Borkelmann, Elisabeth Brosterhus, Stefani Glauber, Brigitta Heidtmann, Alwina Heinz, Lisa Klinger, Thomas Kuhn, Jennifer Lubahn, Tonka Malekovic, Nadjana Mohr, Roya Noorinezhad, Stefanie Pluta, Klaus Schmitt, Anna Schütten und Melanie Windl

Mehr Infos unter www.kuenstlerhaus-dortmund.de