Endstation Lesbos

Das Ende der Reise nach Europa ist für viele syrische, aber auch
afghanische Flüchtlinge die griechische Insel Lesbos.Auf über
85.000 Einwohner kommt eine riesige Zahl von Flüchtlingen, die
hauptsächlich im Lager Moria zusammengepfercht werden. Von Lesbos
geht es für die meisten nicht weiter. Die Insel ist quasi ein
Gefängnis. Fotograf Hendrik Müller war 2017 als Flüchtlingshelfer
auf der Insel Lesbos und erzählt auf fünf großen 180° Panoramen
unter dem Titel „Das Ende der Reise“ das Elend der Flüchtlinge.
Zu sehen sind die Arbeiten ab dem 24. Oktober 2019 im Foyer der
Auslandsgesellschaft

Dabei verzichtet
Hendrik Müller auf pathetische Aufnahmen von Flüchtlingen. Er zeigt
generell keine Menschen. Lieber richtet er den Blick des Betrachters
auf die Auswirkungen der Flüchtlingskrise auf Lesbos, die die
gesamte Infrastruktur der Insel sehr stark belastet. Auch Dinge wie
Friedhöfe. Müller präsentiert ein Bild voller Margeriten in einer
friedlichen Landschaft. Wenn auf dem Foto nicht ein Grabstein wäre.
Dies ist eines von vier bis fünf illegalen Friedhöfen für
muslimische Flüchtlinge, berichtet Müller. Das ruhige Blumenfeld
beherbergt ungezählte und vor allem meist namenlose Tote, die hier
beerdigt wurden.

Hendrik Müller war als Flüchtlingshelfer auf Lesbos und hat die Situation abseits von Klischees fotografisch in Szene gesetzt.
Hendrik Müller war als Flüchtlingshelfer auf Lesbos und hat die Situation abseits von Klischees fotografisch in Szene gesetzt.

Fotos von zerstörten
Booten (damit sie nicht erneut benutzt werden) und einem riesigen
Berg von Schwimmwesten machen die Tragik der Flucht deutlich.
Besonders perfide ist die Geschichte der Schwimmwesten, die Hendrik
Müller erzählt. Die Schwimmwesten werden in der Türkei an die
Flüchtlinge für viel Geld verkauft. Ihre Schwimmkörper bestehen
aber aus dem Füllmaterial von Autositzen. Weil es billiger ist.
Diese Schwimmkörper saugen sich aber im Wasser sofort voll und
ziehen den Träger unter Wasser. So wird aus dem Schwimmweste kein
Rettungsutensil, sondern eine Todesfalle.

Auch ein Strandbild
von Hendrik Müller zeigt keine Idylle, sondern ein erloschenes
Lagerfeuer. Wenn Flüchtlinge die 3 ½ Kilometer von der Türkei nach
Lesbos herüber kommen wollen, orientieren sie sich am Funkturm des
örtlichen Flughafens, der aber ab 1 Uhr seinen Dienst aufgibt. Ohne
Orientierung driften die Boote wegen der Strömung leicht ab und
gelangen auf das offene Meer. Daher brennt nachts ein Lagerfeuer,
damit die Menschen in den Booten sich orientieren können.

Hendrik Müller war
2017 für einen Monat als Flüchtlingshelfer der NGO „No border
kitchen“ auf Lesbos. Über seine Erfahrungen berichtet der Fotograf
am 14. November 2019 um 17:30 Uhr im Foyer der Auslandsgesellschaft
Steinstraße 48.




Scheinbare Sicherheit

Das Künstlerhaus Dortmund präsentiert mit “Human Impact” fotografische Arbeiten zum Thema “Sicherheit und Gesellschaft”

Vom 25. Oktober bis zum 01. Dezember 2019 zeigt das Künstlerhaus Dortmund die Ausstellung “Human Impact – Sicherheit und Gesellschaft” im Rahmen des f2 Fotofestivals in Dortmund. Fünf internationale Positionen zum Thema Sicherheit werfen einen frischen und überraschenden Blick auf das Thema. Nichts scheint wie es ist..Fotografie ist doch Abbild der Realität oder nicht? Verlassen Sie ihre Komfortzone und schauen Sie genauer hin. 

Fotografie ist der Erzeuger der Realität. Oder etwa nicht? Fälschungen von Fotos sind natürlich seit der Erfindung der Fotografie bekannt und Bildbearbeitungsprogramme wie Photoshop sind für viele zugänglich. Das Schweizer Künstlerduo Cortis und Sonderegger führen das Prinzip der Fälschung noch eine Stufe weiter. Ikonische Bilder wie der Fußabdrücke auf dem Mond oder die brennende Hindenburg werden im Studio nachgestellt, so dass der Betrachter den Eindruck bekommen könnte, auch die Ursprungsbilder seien gefaked. So werden Fake News ironisch als überdeutlich inszenierte Fälschungen kontaktiert. 

Der berühmte "Fußabdruck auf dem Mond". Echt oder im Studio nachgestellt? Cortis und Sonderegger spielen mit der Dekonstruktion unserer Erinnerungen.
Der berühmte „Fußabdruck auf dem Mond“. Echt oder im Studio nachgestellt? Cortis und Sonderegger spielen mit der Dekonstruktion unserer Erinnerungen.

Der Ire David Farrell beschäftigt sich mit dem Begriff der “unschuldigen Landschaft”. Seine Landschaftsbilder muten auch sehr ruhig, fast pastoral an, wenn sich dort nicht Tatorte aus der Zeit des irischen Bürgerkrieges verbergen würden. So verändert sich plötzlich die Landschaft und wird zum Zeugen eines Verbrechens. Es gibt keine unschuldige Landschaft, solange sich Menschen je  auf ihr bewegt und gehandelt haben. 

Sehr bedrückend sind die Fotos der Norwegerin Andrea Gjestvang. Hier geht es um den 22. Juli 2011, als der rechtsextreme Attentäter Brevik 77 Menschen ermordete. Gjestvang fotografierte die Überlebenden und ihre Wunden – äußerliche wie innere. An diesen Bildern sieht man: Hier war die Bedrohung nicht fiktiv, sondern real. 

Die internationale Prepper-Szene trainiert solche Bedrohungen. Dem Künstlerduo Hahn+Hartung aus Deutschland ist es gelungen, einige Prepper und ihre Gedankenwelt zu fotografieren. Prepper denken, dass der Ernstfall (Krieg, Terror oder Seuchen) bald eintreten wird und sie sich darauf vorbereiten müssen. In diesen Kreisen ist die Bedrohung und Unsicherheit zuhause. Aber auch staatliche Stellen wie der THW müssen sich auf Katastrophen vorbereiten.  

Wie aus einem Science-Fiction Film erscheinen manche Relikte aus dem Kalten Krieg, die der russische Fotograf Danila Tkachenko auf seinen Reisen durch Osteuropa aufgenommen hat. Seine Serie “Restricted Areas” dreht sich um Orte, die vorher nicht betreten werden durften, jetzt aber meist als “lost places” gelten. Wie ein UFO wirkt beispielsweise das Busludscha-Denkmal in Bulgarien.Tkachenko isoliert das Gebäude und lässt es in einem weißen, verschneiten Umfeld stehen. Dadurch wirken die Bilder beim betrachter äußerst kühl. 

Die Öffnungszeiten des Künstlerhauses sind Donnerstag bis Sonntag von 16 bis 19 Uhr. Weitere Informationen unter www.kh-do.de

Die Internetseite des Fotofestivals Dortmund (07. bis 24. November 2019) finden Sie unter www.f2-fotofestival.de




Geheimdienste contra Performancekunst

Ausstellung „Artists & Agents“ des HMKV zur Interaktion zwischen Geheimdiensten und Performancekunst

Auf der Ebene 3 im Dortmunder U in den Räumlichkeiten des Harteware MedienKunstVerein (HMKV) können Besucher*innen vom 26.10.2019 bis 22.03.2020 die Ausstellung „Artists & Agents“ erleben.

Diese besondere Ausstellung ist von Inke Arns (Direktorin HMKV), Kata Krasznahorkai (Historikerin Slavisches Seminar Department, Universität Zürich) und Sylvia Sasse (Professorin für Slawistische Literaturwissenschaft, Universität Zürich) kuratiert worden. Beteiligt daran sind 24 Künstlerinnen und Künstler aus 10 Ländern.

Im Mittelpunkt steht
die bis heute andauernden Interaktion zwischen Geheimdiensten und
Performancekunst. Diese Kunstform galt (und gilt wohl noch) als
besonders gefährlich für die Machthaber z.B. in Ost- aber auch in
Westeuropa. Zunächst denkt man bei perfiden Überwachungen von
Künstlern wohl an Osteuropa (Sowjetunion (jetzt Russland), Ungarn,
Polen u.s.w.). Wie wir in der Ausstellung erfahren können, betraf es
auch unliebsame (linke) Performancekünstler im Westen, etwa um 1919
die Dadaist*innen in der Schweiz (Bern). Es ist aber durchaus ein
sehr aktuelles brisantes Thema mit Sprengkraft. Die Frage nach dem
zunehmenden Einsatz geheimdienstlicher Methoden in Politik und Alltag
ist hochaktuell…

Die Kuratorinnen der Ausstellung "Artists & Agents" Kata Krasznahorkai (Historikerin,  Slavisches Seminar Department, Universität Zürich), Sylvia Sasse (Professorin für Slawistische Literaturwissenschaft, Universität Zürich) und Inke Arns (Direktorin HMKV).
Die Kuratorinnen der Ausstellung „Artists & Agents“: (v.l.n.r.) Kata Krasznahorkai (Historikerin, Slavisches Seminar Department, Universität Zürich), Sylvia Sasse (Professorin für Slawistische Literaturwissenschaft, Universität Zürich) und Inke Arns (Direktorin HMKV).

Viele Jahre
Recherchearbeit und Forschung in versch8iedenne Archive und
Begutachtung von Geheimdienstarchiven war von Nöten. Fast nur in
Osteuropa sind diese Archive zugänglich und offenbaren einen
Einblick in die „Zersetzung“ und „Liquidierung“ kritischer
Künstlerinnen und Künstler durch die Staatssicherheitsdienste.
Dafür mussten die Agenten jedoch teils selbst „Performancekünstler“
werden, um an ihre Informationen zu kommen.

Spannend ist es zu erfahren, warum diese Kunstform als so „gefährlich“ eingestuft wurde, und wie man dagegen vorging. Oft wurden mit perfidesten Mitteln versucht, „Performancekunst“ zu verhindern.

Die selbst
betroffenen ausstellenden Künstler*innen setzen sich mit den sie
betreffenden „Akten“ vorwiegend fotografisch, aber auch durch den
Einsatz von Videos (z.B. audiovisuelles Beispiel eines „Verhörs“)
und andere Ausdrucksformen (Mobile) künstlerisch auseinander. Die
zu lesenden Aktenvermerke geben einen ganz besonderen Einblick in
diese spezielle, teils paranoiden Welt des Misstrauens und Argwohns.

Wie Sylvia Sasse
beim Pressegespräch verriet, reagierte vor allem die ungarische
Staatsmacht damals schon auf das Wort „Happening“ mit
hysterischer Abwehr. Happenings waren zutiefst suspekt.

Subversion als
Methode wurde von Geheimdiensten (die mit staatlichem Auftrag die
Kunstszene unterwandern wollten) sowie von den Künstlern selbst (um
den Staat zu überlisten) angewandt.

Zusätzlich wurde
ein Ausstellungsmagazin (HMKV 2/2019, Erscheinungstermin: November
2019) erstellt, und ab dem 26.10.2019 ist das Buch „Artists &
Agents, Performencekunst und Geheimdienste“ (Hg.: Kata
Krasznahorkai, Sylvia Sasse) für 34,- Euro im Buchhandel erhältlich.

Die Ausstellung wird
am Freitag, den 25. Oktober 2019 um 19:00 Uhr auf der Ebene 3
(Dortmunder U) eröffnet.