Klangvokal 2019 – Mit italienischem Flair ins Festivalvergnügen

Die italienische
Operngala war in den vergangenen Jahren der große Abschlusshöhepunkt
des Klangvokal-Festivals. Bei gutem Wetter gerne im Westfalenpark an
der Seebühne mit Feuerwerk. Im Jahr 2019 startete Klangvokal am 16.
Mai im Konzerthaus mit Musik aus italienischen Opern mit der
Sopranistin Anna Pirozzi und dem Tenor Teodor Ilincai.

Der überwiegende
Teil der Arien und Duette stammen aus den Opern des Verismo. Der
Verismo war eine populäre Operngattung zwischen 1890 und 1920 in
Italien. Nicht mehr um Götter, Kaiser oder andere hohe Personen
sollte sich die Oper drehen, sondern um „gewöhnliche Menschen“.
In den überwiegend als Einakter konzipierten Stücke passiert
gewöhnlich ein Beziehungsdrama, das schreckliche Konsequenzen nach
sich zieht. Die Libretti ähneln ein wenig dem Boulevardjournalismus.
Das „Wir“ (ganz nach dem Motto des Festivals) und der
gesellschaftliche Kontext spielen eine große Rolle.

Doch der Abend
begann mit Guiseppe Verdi. Seine Werke prägen die Opernkultur bis
heute. Aus seinem umfangreichen Schaffen erklangen Ausschnitte von
„Nabucco“, „Macbeth“ und „Simon Boccanegra“, gespielt von
der Neuen Philharmonie Westfalen unter der Leitung von Carlo
Montanaro. Hier konnte sich Anna Pirozzi als Lady Macbeth bei „Nel
dì della vittoria…“ auszeichnen.

Teodor Ilincai und Anna Pirozzi begeisterten mit ihren Stimmen beim ersten Konzert des Klangvokal-Festivals. (Foto: © Bülent Kirschbaum)
Teodor Ilincai und Anna Pirozzi begeisterten mit ihren Stimmen beim ersten Konzert des Klangvokal-Festivals. (Foto: © Bülent Kirschbaum)

Weiter ging es mit Pietro Mascagni. Sein berühmtestes Werk ist
„Cavalleria rusticana“, auf
Deutsch „Die Bauernehre“. Im Gegensatz zum Schicksal von Königen
oder Völkern geht es in Mascagnis Einakter um eine tödlich endende
Dreierbeziehung. Neben dem bekannten „Intermezzo“ zeigten Pirozzi
und Ilincai im Duett „Ti qui Santuzza“, dass ihre Stimmen gut
harmonierten.

Den schwungvollen Anfang nach der Pause
machte Giacomo Puccini und „Tosca“, es
folgte Amilcare Ponichielli, dessen
Oper „La Gioconda“ zwischen Verdi und dem Verismo beheimatet ist.
Die Oper „Pagliacci“ von
Ruggero Leoncavalli ist in Deutschland vermutlich bekannter unter dem
Namen „Der
Bajazzo“. Hier erklang die Arie des Tonio „Vesti la giubba“.
Den Schlusspunkt setzte Umberto Giordanos
Oper „Andrea Chénier“.

So
ein Abend steht und fällt mit den Sängerinnen und Sängern. Mit
Anna Pirozzi und Teodor Ilincai hatten
die Festivalorganisatoren ein gutes Händchen. Oft erklangen nach den
Arien „Bravo“-Rufe und den beiden hat es scheinbar auf der Bühne
richtig Spaß gemacht, so das der Funke schnell auf das Publikum
übersprang. Mit drei Zugaben wurde der Abend abgeschlossen. Ein
erfolgreicher Start in die diesjährige Klangvokal-Spielzeit.




Armenisches Klanggemälde

Mit zwei Werken des
sowjetisch-armenischen Komponisten Aram Chatschaturian und der 4.
Sinfonie von Peter Tschaikowsky entführten die Dortmunder
Philharmoniker im 8. Philharmonischen Konzert der Spielzeit 18/19
unter der Leitung von Markus Stenz das Publikum nach Russland und
nach Armenien. Der Titel „Düstere Leidenschaft“ war Programm und
Solokünstler Nemenja Radulović zeigte diese düsteren
Leidenschaften im Violinkonzert von Chatschaturian.

Den Beginn des
Philharmonisches Konzertes machten einige Sätze aus der Ballettmusik
„Gajaneh“ von Chatschaturian. Das Ballett war eine Auftragsarbeit
der Kommunistischen Partei der UdSSR und Chatschaturian komponierte
die Arbeit 1942, also während des Zweiten Weltkrieges. Populär
wurde vor allem der „Säbeltanz“ am Ende des Balletts. Er wurde
in einigen Filmen benutzt und wurde sogar in der Popmusik gecovert.
Klar, dass dieses bekannte Stück nicht fehlen durfte.

Gut bekannter Gast: Nemenja Radulović verzauberte erneut das Publikum beim Philharmonischen Konzert. (Foto: © Charlotte Abramow / Deutsche Grammophon)
Gut bekannter Gast: Nemenja Radulović verzauberte erneut das Publikum beim Philharmonischen Konzert. (Foto: © Charlotte Abramow / Deutsche Grammophon)

Mit einem großen
Griff in das Repertoire der armenischen Volksmusik ging es weiter,
denn auch das Violinkonzert in d-moll von Chatschaturian lebt in
seiner Virtuosität und Musikalität vom Heimatland des Komponisten.
Als Solokünstler wurde ein alter bekannter engagiert. Nemenja
Radulović war bereits im Juni des vergangenen Jahres zu Gast der
Dortmunder Philharmoniker. Damals spielte er das Violinkonzert in
a-moll von Mozart. Jetzt hat Radulović Chatschaturian im Gepäck und
passenderweise spielt er auf seiner neuen CD „Baïka“ auch sein
Violinkonzert. Mit dem ersten Bogenstrich entführt uns Radulović in
den Kaukasus. Die Dynamik, die rhythmischen Variationen der Tänze,
energisch dargeboten von Radulović und den Philharmonikern.
Verdientermaßen gab es Standing Ovations vom Publikum für den
Solokünstler, aber auch für das Orchester, das mit Radulović eine
musikalische Einheit formte. Der Künstler bedankte sich beim
Publikum mit einer Zugabe.

Die düstere
Leidenschaft hielt auch Tschaikowsky in ihren Bann. Zeitlebens konnte
er seine Homosexualität nicht öffentlich machen, er flüchtete
sogar in eine flüchtige Ehe, die ihn aber noch unglücklicher
machte. Ein Seelendrama in Musiknoten eindrucksvoll intoniert von den
Dortmundern Philharmonikern. Sehr anrührend ist der zweite Satz der
Sinfonie, das „Andantino“, das mit einem Oboensolo beginnt. Hier
erinnert sich Tschaikowsky musikalisch an bittersüsse
Kindheitserinnerungen, der vierte Satz führt alle drei Themen wieder
zusammen. Hier wird vielleicht ein Volksfest zelebriert und das Motto
lautet: Freuen Sie sich an den Freuden der anderen Menschen. Doch das
Schicksalsmotiv aus dem ersten Satz taucht wieder auf mit der
düsteren Erkenntnis des Komponisten: Ich muss leider außerhalb
dieser Freude bleiben.