Frischer Blick auf neue Kunst

Zehn Studierende und
Alumni der Hochschule für bildende Künste in Essen zeigen 23.
Februar bis 7. April 2019 Positionen im Künstlerhaus Dortmund unter
dem Titel „45257//44147“. Dass die Postleitzahlen als
Ausstellungstitel benutzt werden, zeigt, dass es kein Thema oder
Motto gab. Es sollte die Grenzen der Disziplin ausgelotet werden.
Die Leitung des Studienganges Fotografie und Medien hat Prof. Carsten
Gliese, der zusammen mit Peter Schmieder vom Künstlerhaus das
Konzept und die Organisation übernommen hat.

Ruben S. Bürgam
wurde durch die „Wisch-Bewegungen“, die Interaktion mit
Smartphones und Co., zu ihrer Arbeit „serial.interfaces“
inspiriert. Durch Positionierung und Ausrichtung der Bildträger aus
Glas und Orthopädieschaum, wird die Projektion vervielfältigt und
entwickelt sich dadurch zur multiperspektivischen Installation.

Bei den Arbeiten von
Annette Hiller stehen Struktur, Form,Licht und Raum im Vordergrund.
Sehr spannend sind ihre dreidimensionalen Bilder. Hierbei nimmt sie
das Bild als Material für einen weiteren Prozess und baut aus
Kartons einen weiteren Raum. Zusätzlich ist sie mit ihren
Reliefbildern im Künstlerhaus zu sehen.

Annette Hiller macht aus zweidimensionalen Fotos dreidimensionale Objekte.
Annette Hiller macht aus zweidimensionalen Fotos dreidimensionale Objekte.

Zum Thema „Fake
News“ hat sich Diana Hommel Gedanken gemacht,. „Das große
Durcheinander“ aus der Reihe „Fake News oder stille Post für
Fortgeschrittene“ zeigt eine Flut von Bildmanipulationen eines
Ortes im digitalen Zeitalter, Sie wirken wie Originale, die keine
Originale sind.

„Schönheit der
Physik“ – so könnte man die Installation „Inertia“ von Loïc
Hommel. Hier sind zwei Pendel in einer Konstruktion angebracht, die
sich in einem bestimmten Zeitintervall für einen kurzen Augenblick
um ihre eigene Zentralachse drehen. An beiden enden des Pendels ist
eine Lichtquelle angebracht, die einen Lichtpunkt über die
Oberfläche einer darunterliegenden phosphoreszierenden Fläche
wirft.

Dirk Krüger zeigt
im Keller des Künstlerhauses den Film „Verzaubert“, bei dem der
Protagonist Tom über sein Leben erzählt. Tom ist sehr eloquent und
der Betrachter muss entscheiden, in wie weit er Toms Erzählungen
vertrauen möchte.

So schön kann Physik sein. "Inerta" von Loïc Hommel.
So schön kann Physik sein. „Inerta“ von Loïc Hommel.

Kritik an der mediale Schönheitsideal übt Meike Poese. Sie fotografierte über 90 verschiedene Menschen aus dem gesamten Ruhrgebiet, um zu zeigen, wie unterschiedlich und einzigartig jeder Einzelner ist. Zu sehen sind etwa 50 Schwarz-Weiß-Bilder im Künstlerhaus.

Neben einer
skulpturalen Arbeit zeigt Gabi Rottes zwei Videoinstallationen, bei
der sie zwei Räume seziert und auseinander nimmt. „Ich entnehme
die Details und stelle sie neu zusammen“, so die Künstlerin. In
„MIES.movin .curtain“ und „Mies.misian motion“ lässt sie den
Betrachter duch Räume fliegen, deren Grundlagen der
Barcelona-Pavillion, das Farnsworth House oder die Neue
Nationalgalerie sind.

„Elemente stehen
immer in Beziehung“ – so lautete der Titel der Arbeit von Simon
Tretter übersetzt. Im „untitled – elements are always relatet“
geht es ihm um das Verhältnis von Kunst und Betrachter. In der
dreigeteilten Arbeit wird eine wartezimmerähnliche Situation
dargestellt. Fremdartig, aber doch irgendwie vertraut.

Xiamo Wang fragt
nach den Unterschieden und Gemeinsamkeiten zwischen zwei urbanen
Zentren wie Dortmund und ihrer Heimatstadt Chengdu, Für Wang ist die
nächtliche Stadtlandschaft attraktiver und mysteriöser als am Tag.
In zwei Fotobüchern präsentiert sie ihre Entdeckungen und
entwickelt so etwas wie einen Chat zwischen den beiden Städten.

Simon Badura zeigt
Räume, die ihn in seiner Kindheit geprägt haben und die er den
Betrachtern vorstellt. Somit haben die Besucher die Gelegenheit, an
seinen Erinnerungen teilzuhaben oder aber eigene Ideen zu entwickeln.

Die Öffnungszeiten
der Ausstellung im Künstlerhaus sind von Donnerstag – Sonntag von 16
– 19 Uhr.




Poetische Fotografien im Kunstraum

Vom 23. Februar bis
zum 12. April 2019 zeigt der Kunstraum in Langen August an der
Braunschweiger Straße Fotos von Guntram Walter und Rolf Dennemann
unter dem Titel „Laue Luft kommt blau geflossen“.

Der Titel der
Ausstellung stammt zwar aus einem Gedicht von Joseph von Eichendorff,
doch die Fotografien, die beinahe jede Nische des Kunstraums
ausfüllen, spiegeln die jüngeren Projekte von artscenico wider.
Seit 2010 begleitet der Fotograf Guntram Walter artscenico und hält
eindrucksvolle Impressionen der Inszenierungen fest. Dabei gehen die
ausgewählten Fotografien über reine Erinnerungen und Dokumentation
hinaus, daher sind sie auch nicht chronologisch aufgehängt. Für
etwa 75 Prozent der Bilder ist Walter verantwortlich, die anderen 25
Prozent stammen von Dennemann.

Guntram Walter begleitet die artscenico-Produktionen schon seit 2010.
Guntram Walter begleitet die artscenico-Produktionen schon seit 2010.

Wer die Produktion
von Rolf Dennemann, dem Kopf hinter artscenico verfolgt hat, wird
häufig ein Dé­jà-vu-Er­leb­nis bekommen. Dennemann und
Wagner haben sich bis auf eine Ausnahme auf „Outdoor-Produktionen“
konzentriert, daher sind beispielsweise Bilder aus Litauen, der
Nordstadt („Juckpulver und Hagebuttentee“) oder dem Hauptfriedhof
(„Rehe auf der Lichtung“) zu sehen. Eine Ausnahme ich ein Foto
aus der Inszenierung „50 Menschen“, die im Depot stattfand.

Die größte Schwierigkeit bestand sicherlich aus der Auswahl der etwa 5.000 bis 6.000 Fotos. „Das Problem war die Befangenheit vor dem eigenen Spiegel“, formulierte Dennemann das Dilemma. Fotos, die man vor Monaten noch toll fand, fielen plötzlich in der Gunst weit nach hinten. Doch ein Foto hat einen besonderen Platz. Es stammt aus der Produktion „Juckpulver und Hagebuttentee“ und die abgebildeten Personen schauen den eintretenden Besucher an.

Auch wenn es Bilder
sind, die Aktionen „draußen“ zeigen, für die Ausstellung wurde
ein intimer Raum gesucht, der nicht so flüchtig ist. Da bot sich der
Kunstraum idealerweise an. Möglicherweise wird die Ausstellung auch
nach Lissabon und/oder Kaunas wandern.

Passend zur
Ausstellung gibt es noch ein kleines Rahmenprogramm. So werden Rolf
Dennemann und Elisabeth Pleß eine kleine Lesung mit Musik unter dem
Titel „Laute und leise Laute mit Gesicht“ geben. Sie findet am
06. April 2019 um 20 Uhr im Kunstraum statt.

Öffnungszeiten
Kunstraum

Dienstag bis Freitag
15 bis 19 Uhr

www.langer-august.de




Der Sandmann – und die düsteren Dämonen

Die Uraufführung
von E.T.A. Hoffmanns „Der Sandmann“ (ab 16 Jahren) in der
Inszenierung von Andreas Gruhn (Direktor des Kinder und Jugendtheater
Dortmund) im KJT am Freitag, den 22.02.2019 war ein eindringliches
Erlebnis für das Publikum. Die schaurige Erzählung um den
traumatisierten jungen Studenten Nathanael, der immer mehr in den
Wahnsinn driftet, wurde mit den modernen Mittel aber eng an der
Textvorlage vermittelt. Ein exemplarisches Stück aus dem Zeitalter
der der schwarzen Romantik.

Es war ein
gelungenes Zusammenspiel von atmosphärisch verstärkenden
Videoinstallationen, Musik und Klangbegleitung, gezieltem Einsatz der
Beleuchtung sowie dem eindrucksvollen Spiel der Schauspielerinnen und
Schauspieler des KJT-Ensembles.

Die Bühne wurde zu
einer dunklen, klaustrophobischen Umgebung mit dunklem Mobiliar und
geheimnisvoll verschlossener Doppeltür gestaltet. Hitchcock, Murnau
oder wahrscheinlich auch E.T.A. Hoffmann hätten ihre wahre Freude
gehabt.

Das Publikum sieht
die Geschichte zunächst mit den Augen des Nathanael. Die Rolle des
Protagonisten war eine große Herausforderung für den Schauspieler
Thorsten Schmidt, die er mit Bravour meisterte. Zur Vermittlung
seines Traumas aus der Kindheit, wurde ihm eine Kinderpuppe zur Seite
gestellt und symbolisiert auch die Macht dieses Traumas auf den
Protagonisten. Seine Mutter (Bettina Zobel) nutzt das Schauermärchen
vom ominösen „Sandmann“, um ihn zum einschlafen zu bringen.
Selbst verabscheut sie eigentlich das Märchen. Sensibel wurde sie
von Bettina Zobel gespielt. Dieser böse Mann kommt angeblich zu
Kindern, die nicht schlafen wollen, und streut ihnen eine große
Menge Sand in die Augen, um sie ihnen heraus zu reißen und für
seine Kinder zu klauen. Neugierig beobachtet Nathanael, dass eine
Eltern Besuch von einem ekeligen, windigen, bedrohlichen Advokaten
Coppelius bekommen, und sich offensichtlich ängstlich und
unterwürfig verhalten. Ist das der Sandmann? Was für seltsame
alchemistische Experimente finden statt und was für ein Geheimnis
hat sein Vater? Ein Jahr später kommt dieser bei einer chemischen
Explosion mysteriös ums Leben und Coppelius verschwindet.

Claras Bruder Lothar (in der Mitte, gespielt von Jan Westphal) versucht Nathanael (Thorsten Schmidt) vor Olympia (Bianka Lammert) zu warnen. (Foto: © Birgit Hupfeld)
Claras Bruder Lothar (in der Mitte, gespielt von Jan Westphal) versucht Nathanael (Thorsten Schmidt) vor Olympia (Bianka Lammert) zu warnen. (Foto: © Birgit Hupfeld)

Als Student glaubt
er nach Jahren, in dem italienischen Wetterglashändler Coppola,
jenen Coppelius wieder zu erkennen. Coppelius und Coppola wurden
wunderbar gruselig in einer Doppelrolle von Andrea Ksienzyk gespielt.
Als geduldig um das Seelenheil des Studenten kämpfende Verlobte
Clara und ihr Bruder Lothar, überzeugten Ann-Kathrin Hinz und Jan
Westphal. Der Blickwinkel wechselt nach und nach auch auf die
Sichtweise des Umfeldes des „seltsamen Studenten“. Der verliebt
sich bei einem vom Physikprofessor Spalanzani (ebenfalls von Rainer
Kleinespel gespielt) initiierten Ball unsterblich in eine leblose
Holzpuppe, die der Professor als seine maßgebliche Tochter Olympia
ausgibt. Er hatte sie heimlich zusammen mit Coppola erschaffen.
Bianka Lammert verkörpert die schwierige Rolle einer „leblosen
Hohlpuppe“ mit roboterhaften Bewegungen und Kontaktlinsen als tote
Augen beeindruckend. Sie bringt als einziges Wort „ach“ heraus.

Nathanael ist von
deren zurückhalten, widerspruchslosen seltsamen Schönheit
magnetisch angezogen, und fühlt sich nur durch sie richtig
verstanden. Nur durch seinen Blick wird sie lebendig.

Als er sieht, wie
sich in Spalanzanis Zimmer dieser mit Coppola um die Figur Olympias
streitet, erkennt er, dass sie nur eine leblose Puppe ist, der jetzt
die Augen fehlen.

Das sich Realität
und Fantasie ständig vermischen, zieht sich wie ein roter Faden
durch das Stück.

So erwacht Nathanael
zwei mal im Stück aus einem „langen Krankheitsschlaf“ und
befindet sich im Kreise der Familie. Scheinbar genesen, will er nun
zur Freude seiner Mutter endlich Clara heiraten. Durch den Blick
durch sein Fernglas auf Clara auf dem städtischen Rathausturm,
verfällt er wieder in seine Wahnwelt und stürzt in den Tod, während
die kritisch-realistische und lebensbejahende Clara letztendlich ihr
Glück findet.

Die Inszenierung ist
nicht nur als Gesamtkonzeption gelungen, sondern lässt dem Publikum
viel Raum für freie Assoziationen und Beurteilungen. Es wäre auch
ein gutes Stück für das Schauspielhaus.

Informationen über
die weitere Aufführungstermine erhalten Sie wie immer unter:

Tel. 0231/ 50 27 222
oder www.theaterdo.de