Struwwelpeter als Grusical

Wer kennt es nicht,
das Kinderbuch der „schwarzen Pädagogik“, den „Struwwelpeter“.
Die Personen in den einzelnen Stücken sind berühmt geworden. Der
Suppenkasper, Hans-guck-in-die-Luft oder der Zappel-Philip haben es
sogar als medizinische Diagnose geschafft. Das Buch aus dem Jahre
1844 hat mit Kuschelpädagogik nichts am Hut. Das Fehlverhalten der
Kinder wird sehr drastisch bestraft. Verstümmelung oder Tod sind
mögliche Konsequenzen. Dieses groteske Detail hat die englische Band
The Tiger Lilies bewogen, eine Art Musical aus dem Stoff zu machen.
„Shockheaded Peter“ heißt es und feiert rund um den Globus große
Erfolge. Die Kulturbrigaden unter der Leitung von Rada Radojcic
bringen es nun in Dortmund auf die freie Kunstbühne im Theater im
Depot. Nach der Vorpremiere zu Silvester hat das Stück seine
eigentliche Premiere am 22.02.19.

Wer die Stücke von Rada Radojcic und den Kulturbrigaden kennt, kann sich schon auf schöne Kostüme und Masken in „Shockheaded Peter“ freuen. Wenn schon das Original die Konsequenzen für die Kinder zeigt, versucht Radojcic noch einen drauf zu setzen. „Der Reiz liegt in der absoluten Übertreibung“, erklärt die Regisseurin, die aus dem Stoff ein Grusical geschaffen hat.

Die Katzen Minz und Maunz aus der Geschichte mit Paulinchen samt Conferencier. (Foto: © Wulf Erdmann)
Die Katzen Minz und Maunz aus der Geschichte mit Paulinchen samt Conferencier. (Foto: © Wulf Erdmann)

Es wird etwa 12 bis 13 Szenen geben, erklärte die Regisseurin, jede Szene hat ein komplett neues Outfit was natürlich hohe Anforderungen an Organisation und Kostüme mit sich bringt. Eingebettet ist das Stück in eine Rahmenhandlung, bei der Eltern ein schwierige Kind bekommen, das sie in den Keller sperren, weil sie nicht mehr weiter wissen.

Ein Conferencier
führt bei „Shockheaded Peter“ durch die Handlung, während eine
Sängerin (Rada Radojcic) die einzelnen Geschichten singend erzählt,
die Darsteller letztendlich setzen die Geschichte schauspielerisch
um.

Radojcic ist ein
großer Fan der Tiger Lilies, daher hat sie sich entschlossen die
Musik nicht einfach zu kopieren, was auch durch den unverwechselbaren
Falsettgesang von Martyn Jacques schwer möglich ist. Daher hat sie
zusammen mit ihrem musikalischen Leiter Dixon Ra einige Lieder
umgearbeitet, so dass die Melodien noch erkennbar sind, aber die
Lieder jetzt „mehr Punk, Funk und Pop statt Walzer“ sind.

Neben der Premiere
am 22.02.2019 um 20 Uhr, gibt es weitere Termine am 23.02., 12.04.
und 13.04. 2019 jeweils um 20 Uhr. Karten gibt es unter
ticket@theaterimdepot.de




Der Sandmann – Stoff zwischen Realität und Fiktion

In der nächsten
Zeit ist der Schauerroman „Der Sandmann“ von E.T.A. Hoffmann
(1778 – 1822) als Stoff für die Abiturklassen vorgesehen.

Da passt es gut,
dass der Direktor des Kinder- und Jugendtheaters in Dortmund, Andreas
Gruhn, in der ersten Premiere im Jahr 2019 diese Erzählung in der
Tradition der „Schwarzen Romantik“ mit seinem Ensemble im KJT
inszeniert. Die sogenannte „Schwarze Romantik“ entstand als
Gegenbewegung der auf Vernunft und Verstand gerichteten Aufklärung.

Der Schriftsteller
E:T:A. Hoffmann hatte schon hundert Jahre vor Sigmund Freud die
Entwicklung von Psychosen in allen Stadien beschrieben, so Gruhn.

Der hochdramatische
Stoff um einen traumatisierten jungen Mann ist ein drastisches
Schauerstück und für Jugendliche ab 16 Jahren geeignet.Wie der
Regisseur erklärte, dass sich Inszenierung in seiner Bearbeitung nah
an der geschriebenen Vorlage hält..

Nathanael (Thorsten Schmidt) führt Olympia (Birgit Lammert) aus. Doch ahnt er ihre Besonderheit? Oder passiert das nur in seiner Phantasie? (Foto: © Birgit Hupfeld)
Nathanael (Thorsten Schmidt) führt Olympia (Birgit Lammert) aus. Doch ahnt er ihre Besonderheit? Oder passiert das nur in seiner Phantasie? (Foto: © Birgit Hupfeld)

Es wird ein
interessanter Wechsel der Perspektiven stattfinden. Zunächst erlebt
das Publikum die Erzählung aus der den Augen und Briefen des jungen
Protagonisten Nathanael (Thorsten Schmidt), später aus der Sicht der
anderen Personen. Wie Andreas Gruhn beim Pressegespräch betonte,
schreit das Stück gerade zu nach starken Bildern. Atmosphärisch
passend begleitet wird die Inszenierung mit Musik, Videos und
Puppenspiel. Es geht ja auch um „künstliche Menschen“ (Olympia,
die Tochter des Dozenten Spalanzani ist eigentlich eine
automatisierte Holzpuppe). Das Publikum wird in eine Welt versetzt,
in der die Grenzen zwischen Realität und Fiktion verschwimmen.

Eine Frage von
großer Aktualität stellt sich uns in dem Stück. Wie verändert
sich die Wahrnehmung in einer zunehmend digitalisierten und medialen
Welt, und was hat das für Auswirkungen auf uns, vor allem aber
gerade junge Menschen.

Dramaturgin Lioba
Sombetzki erklärte, dass das Spannende am „Sandmann“ sich aus
verschiedene Arten lesen und verstehen lässt. Es besteht die
Möglichkeit, die Handlung als wahr zu betrachten und so ein
unheimliches Nachtstück vorzufinden, in dem sich sich die
unmittelbare Umwelt gegen Nathanael verschworen hat, bis es am Ende
zu seinem Tod kommt. Auf der anderen Seite bleibt die Ungewissheit
über den unheimlichen Sandmann tatsächlichen Geisteszustand des
Protagonisten. Der Blick durch das Perspektiv, dem Instrument zur
Vergrößerung der Sehkraft (deren Verlust eng mit dem
Kindheitstrauma von Nathanael verbunden ist), soll eigentlich
Sicherheit schaffen, zwischen Realität und Fiktion unterscheiden zu
können. Aber gerade die wird ihm dadurch geraubt und ist keine
Hilfe.

Der Stoff ist
sicherlich eine große Herausforderung für die SchauspielerInnen,
vor allem aber für den KJT-Schauspieler Thorsten Schmidt in der
Rolle des Nathanael.

Die Premiere am
22.02.2019 um 19:00 Uhr im Kinder-und Jugendtheater ist schon
ausverkauft. (Es lohnt sich aber immer , nachzufragen, ob Karten frei
geworden sind).

Informationen über
weitere Aufführungen gibt es unter www.theaterdo.de




I am still here – Hannes Brock mit Elan zurück

Vieles ist
mittlerweile aus Dortmund verschwunden, doch eine Konstante
widersetzt sich glücklicherweise. Kammersänger Hannes Brock bleibt
uns trotz seiner Abschieds-Gala im letzten Jahr weiter erhalten. Wohl
nicht ganz so glücklich mit seinem „Unruhe-Stand“, brauchte der
Intendant Heribert Germeshausen nicht viel Überredungskunst, um ihn
für ein ein weiteres Galakonzert am 16.02.2019 in der Oper Dortmund
zu überzeugen.

Brock ist eine
Institution in unserer Stadt und es gelingt ihm immer noch, dass
Publikum mit seiner ausdrucksstarken und einfühlsamem Stimme sowie
seinen Entertainer-Qualitäten mitzureißen.

Das Programm hatte
so bezeichnender Weise den Titel „I am still here“ (Ich bin immer
noch hier).

In der zweiten
Hälfte der Gala gab er passend dazu eine extra auf sein Leben
zugeschnittene deutschsprachige Version von „I‘m Still Here““
(aus Follies (Stephen Sondheim) zu Gehör.

Musikalisch zur
Seite standen ihm tatkräftig (wie schon viele Jahre) „seine“
Band mit Markus Otten (Gitarre), Simone Witt (Piano und Bandleitung),
Bernd Zinsius (Bass), Jan Rohling (Drums), Ana-Maria Dafova
(Keyboard) und Axel Riesenweber (Leadtrompete) zur Seite.

Außerdem zeigten im
Hintergrund auf der Bühne auch die Dortmunder Philharmoniker unter
der schwungvollen Leitung von Philipp Armbruster mit viel
Sensibilität wieder einmal ihr vielseitiges Können.

Die Arrangements
wurden Matthias Grimminger und Hennning Hagedorn zusammengestellt.

Der Kammersänger bot ein weit gefächertes Repertoire: Zu hören waren Musical-Hit aus Sunset Boulevard, A Chorus Line, Man of La Mancha, Miss Saigon oder Les Misérables, aber auch bekannte und beliebte Evergreens aus dem Bereich Pop. Dabei war zum Beispiel „Beautiful“ (Carole King), Paul Simons „Bridge Over Troubled Water“, das wunderschöne „Turn, Turn, Turn“ (Pete Seeger) oder „In My Life“ von den noch jungen Beatles John Lennon/ Paul McCartney, sowie „Piano Man“ (Billy Joel).

Kammersänger Hannes Brock bot wieder eine unterhaltsame Mischung aus Musical und Pop. (Foto: © Björn Hickmann)
Kammersänger Hannes Brock bot wieder eine unterhaltsame Mischung aus Musical und Pop. (Foto: © Björn Hickmann)

Eine gute Idee war,
sich als Special Guest die „Mordsstimme und Mordsfrau“ (so Hannes
Brock) Deborah Woodson für die Gala zur Seite zu holen. Beide kennen
sich gut aus ihrer gemeinsamen Arbeit bei dem Musical Hairspray
(2017) hier an der Oper Dortmund. Damals begeisterte sie als
Motormouth Maybelle. Ihre prägnante Gospel-Stimme (sie ist die
Tochter eines amerikanischen Baptistenpastors) hat enorme Power und
Volumen. Mit ihrem Temperament und starken Songs wie etwa „I Will
Survive“ (Freddie Perren/ Dino Fekaris), oder „Proud Mary“
(John Fogerty) rockte sie den Saal und begeisterte vor allem mit
einer starken Version von „I Will Always Love You“. Dieser
eigentlich für Dolly Parton komponierte Song wurde so richtig durch
Whitney Houston (Film Bodyguard) berühmt. Zusammen mit Ks. Hannes
Brock gab sie eine besondere Interpretation von „New York , New
York“ (John Kander) zum Besten.

Zu einer Gala gehört
selbstverständlich auch eine glanzvolle Garderobe. Zu jedem neuen
Song gab es ein neues zum jeweiligen Lied passendes Outfit für die
Sängerin. Hannes Brock wechselte seine Kleidung während der Pause.
Gewohnt humorvoll-ironisch kokettierte der Kammersänger während der
Gala mit seinen „Altersbeschwerden“ und scherzte mit dem
Dirigenten.

Als Zugabe durfte
„My Way“ (Frank Sinatra nicht fehlen. Zur Freude des Publikums
sang er zusammen mit Deborah Woodson auch noch etwas aus „Hairspray“.

Wer Lust bekommen
hat, kann die Gala „I am still here“ mit Ks. Hannes Brock noch am
12.04.2019 in der Oper Dortmund erleben.

Informationen gibt
es wie immer unter www.theaterdo.de
oder tel.. 0231/ 50 27 222.