Wohnen in Stahl

Mitte der 60er Jahre gab es ein ungewöhnliches Produkt: Die Firma Hoesch produzierte Fertighäuser aus Stahl. Tatsächlich wurden etwa 200 Einfamilienhäuser errichtet, von denen ungefähr 50 noch existieren, davon sieben in Dortmund-Kleinholthausen. Der Fotograf Philipp Robien (FH Dortmund) hat diese Häuser dokumentiert und zeigt sie in der Ausstellung „Zum Aufhängen eines Bildes reicht ein Magnet“ vom 03. Februar bis zum 7. April 2019 im Hoesch-Museum.

Fertighäuser aus Stahl gibt es schon seit den 1920er Jahren. Der Zweite Weltkrieg unterbrach dies Entwicklung, aber danach stieg die Stahlproduktion und neue Ideen zur Vermarktung des Stahls wurden gesucht. Der Häuserbau in Fertigbaumethode wurde in Angriff genommen. Hoesch hatte die idee, mit dem Werkstoff PLATAL (plattierter Stahl) zu arbeiten. PLATAL war ein mit PVC beschichteter Werkstoff. Der Plan war, ein schlüsselfertiges Haus in vier Wochen zu errichten, dank standardisierter Wände und Dächer im Bungalowstil. Die Oberflächen waren abwaschbar und zum Aufhängen eines Bildes benötigte man nur Magnete.

Zunächst wurden 1963/64 in Kleinholthausen sechs Stahlfertighäuser vom Typ K109 gebaut. Sie waren unterkellert und hatten Garten und Garage. 1966 kam mit dem Prototypen L141 ein weiteres Stahlhaus dazu. Das L141 (die 141 bezeichnete die Quadratmeterzahl) hat damals 125.000 DM gekostet. Dieses Haus ist noch im Originalzustand erhalten, während die anderen Eigentümer ihre Häuser nach ihren Bedürfnissen umgebaut haben mit Satteldach, Holzverkleidung oder Wintergarten.

Philipp Robien (2.v.l.) fotografierte außergewöhnliche Architekturgeschichte aus dem Dortmunder Süden. Mit dabei (v.l.n.r.) Dr. Karl Lauschke, Isolde Parussel und Dr. Jens Stöcker (Leiter des Museums für Kunst und Kulturgeschichte)
Philipp Robien (2.v.l.) fotografierte außergewöhnliche Architekturgeschichte aus dem Dortmunder Süden. Mit dabei (v.l.n.r.) Dr. Karl Lauschke, Isolde Parussel und Dr. Jens Stöcker (Leiter des Museums für Kunst und Kulturgeschichte)

Dass die Fertighäuser aus Stahl kein großer Renner wurden lag laut Museumsleiterin Isolde Parussel hauptsächlich an den hohen Kosten. Darüber hinaus waren sie sehr hellhörig. Das Raumklima war ebenfalls gewöhnungsbedürftig, denn die wärme kam von unten, so dass die Bewohner eine Art „Umluft-Heizung“ hatten.

Die Fotoserien von Philipp Robien (Jahrgang 1988) entstanden als ein Wochenprojekt der FH Dortmund im Rahmen eines Austausches mit der University of Teheran. Der Fotograf bedient sich Elementen der Neuen Sachlichkeit wie beispielsweise die serielle Arbeitsweise, eines einheitlichen Himmels und größtmöglichen Betrachtungsabstandes. Überrascht war Robien von der Entwicklung seines Wochenprojektes in eine Ausstellung im Hoesch-Museum. „Das hätte ich nicht für möglich gehalten“, so der Fotograf.

Dazu plant das Hoesch-Museum einen ganz besonderen Coup: Eines der Stahlhäuser aus Kleinholthausen soll in die Nordstadt transloziert, also abgebaut und originalgetreu wieder ausgebaut werden. Auf dem Gelände neben dem Hoesch-Museum könnte der Stahlbungalow als zusätzliche Ausstellungsfläche im nächsten Jahr zur Verfügung stehen. Die Verhandlungen mit den erben und ThyssenKruppSteel sollen bis Ostern abgeschlossen sein. Der Kostenrahmen ist auch schon abgesteckt. „Die Translokation wird einen kleinen sechstelligen Betrag kosten“, schätzt Dr. Karl Lauschke, der Vorsitzende der Freunde des Hoesch-Museums.

Die Öffnungszeiten des Hoesch-Museums sind Dienstag und Mittwoch von 13.00 bis 17.00 Uhr, Donnerstag von 09.00 bis 17.00 Uhr und Sonntag von 10.00 bis 17.00 Uhr.

Der Eintritt ist frei.

Die Eröffnung der Ausstellung findet am 03. Februar um 11 Uhr statt.

RuhrHOCHdeutsch – Ein Stück Tradition mit Qualität

Schon zum 10. Mal findet das RuhrHOCHdeutsch Festival in diesem Jahr mit Kabarett, Comedy und Musik hier in Dortmund statt. In den letzten Jahren wurde das Festival immer im historischen Spiegelzelt – an den Dortmunder Westfalenhallen am Ruhrschnellweg 200 durchgeführt und erlangte über die Stadtgrenzen als als Highlight im Veranstaltungskalender über die Sommermonate hinaus steigende Beliebtheit.

Ohne die Unterstützung durch die Sparkasse Dortmund, DOGEWO 21 oder die DSW21 wäre das nicht möglich. Besonders, da sich die Stadt schrittweise aus der finanziellen Beteiligung heraus gezogen hat. Nur noch 30.000 Euro gibt es in diesem Jahr als Förderung, im nächsten Jahr nichts mehr.

Der künstlerische Direktor Horst Hanke-Lindemann freut sich, dass dem Publikum 2019 nicht nur eine Fülle an hervorragende Künstlern aus verschiedenen Bereichen aus dem Ruhrgebiet aber auch darüber hinaus geboten werden kann. Das Ganze über vier Monate vom 13.06.2019 bis zum 13.10.2019!

Der künstlerische Direktor Horst Hanke-Lindemann konnte wieder ein hochkarätiges Programm für die Reihe "RuhrHOCHdeutsch" präsentieren.
Der künstlerische Direktor Horst Hanke-Lindemann konnte wieder ein hochkarätiges Programm für die Reihe „RuhrHOCHdeutsch“ präsentieren.

Über 180 Künstler an 123 Programmtagen ist dieses Festival wieder einmal das größte Festival dieser Art im deutschsprachigem Raum. Das Festival beginnt am13.06.2019 mit einer Benefiz-Gala für die „Clownsvisite Dortmund“ unter dem Titel „Lachen für‘n guten Zweck“.

Es fehlt schwer, einen der Musiker, etwa Klaus Hoffmann, Pe Werner oder hinlänglich bekannte „heimischen“ Ruhrpott-Heroen und dem „befreundeten Inland“ in diesem Geschäft herauszuheben. (Der Programmflyer oder das Internet geben genaue Informationen). Einige Künstler, wie etwa der Kabarettist Sven Kemmler, die Kabarettistin Hazel Brugger aus der Schweiz oder Bastian Bielendorfer sind erstmals mit von der Partie.

Neu ist ist das Format „Rebell Comedy mit zwei Comedians plus DJ“ am 30.06.2019 um 18:00 Uhr. Die besonders bei dem jungen Publikum beliebte „NightWash Comedy wird ein Special NightWash Live Programm im Sommer am 14.07.2019 um 18:00 Uhr bieten.

Altbewährte Specials bleiben erhalten wie „Pommes, Currywurst, Bier und Kabarett vom Feinsten“ für 22,- Euro immer montags und das Spiegelzelt-Ensemble mit „Kuballa anne Bude – jetzt auch Heimatmuseum“ mit dem 5-Gänge-Menü für 49,- Euro inklusive Speisen und Getränke und Sketchen. Liedern und schrillen Vögeln immer dienstags. Achtung, neue Anfangszeit für Kuballa & Co. 19:30 Uhr.

Fünfte Runde für Knacki Deuser, der den Deuser Mix an zwei aufeinander folgenden Abenden einen bunten Querschnitt aus der Stand-Up-Szene bietet. Obwohl, oder gerade weil im Sommer kein Fußball-Event anliegt, heißt es auch in diesem Jahr wieder „der Trainer muß weg- ein Best Of für alle Fußballbekloppten“. Auf ein unterhaltsames Programm darf man sich mit bekannten Größen wie Fritz Eckenga, Peter Großmann, Peter Freiberg und anderen freuen.

Der Geierabend wird im Sommer nicht mehr traditionell Open-Air bei „Tante Amanda“ zu erleben sein, sondern unter dem Motto „nach dem Geierabend ist vor dem Geierabend“ im Spiegelzelt. Am letzten Juliwochenende, von Donnerstag bis Samstag geben die Geier Höhepunkte aus dieser Session und zahlreiche Klassiker zum Besten.

Am Mittwoch, den 18.09.2019 findet dann für die Freunde des alternativen Karnevals die Stunk-Sitzung „Stunk Unplugged 2019“ unter dem Titel „ Stimmung bleibt“ statt.

An den Montagen hat der Musiker Fred Ape speziell Künstler ausgesucht, die noch nicht an der vordersten Front vorzufinden und – noch – nicht so bekannt sind und bietet ihnen ein Forum.

Natürlich darf bei dem Festival auch Bruno „Günna“ Knust , ob Solo („Pottseidank“) oder mit Lioba Albus („Platzhirsch aus dem Pott trifft Hirschkuh aus dem Sauerland“), nicht fehlen.

Es wird also viel geboten. Die moderate Preiserhöhung um die 3,- Euro für die Veranstaltungen sind da durchaus gerechtfertigt.

Bleibt die Frage wo es Karten gibt: Der Vorverkauf beginnt am Samstag, 02. Februar 2019 an 08:00 Uhr (bis 14:00 Uhr) im TicketShop des Theaters Fletch Bizzel, Humboldtstraße 45, Ticket-Hotline 0231 14 25 25.

Ab 10:00 Uhr in allen anderen bekannten Vorverkaufsstellen sowie online unter www.ruhrhochdeutsch.de

Kammermusik aus düsteren Zeiten

Das 2. Kammerkonzert der Dortmunder Philharmoniker am 28.01.2019 im hiesigen Orchesterzentrum stand unter dem bezeichnenden Titel „Über dem Abgrund der Zeit“. Im Blickpunkt waren hier Werke von drei besondere Komponisten, die in düsteren Kriegs-Zeiten zwischen 1940 und 1944 unter schwierigen Bedingungen entstanden sind.

Vier Meister*innen an ihren Streichinstrumenten von der Dortmunder Philharmoniker wurden von der bekannten Pianistin Tatiana Prushinskaya (seit 2011/2012 Solorepetitorin am Theater Dortmund) bei dem Konzert unterstützt.

Gespielt wurde einmal als Klavier-Solo, und bei anderen Stücken in unterschiedlichen Konstellationen. Beteiligt als Streicher*innen waren Yang Li (Violine). Susanne Schmidt (Violine), Hindenburg Leska (Viola) und Andrei Simion (Violoncello). Sie bewiesen viel musikalisches Einfühlungsvermögen und Virtuosität.

Tragisch ist die Geschichte des zu Anfang vorgetragenen „Trio für Violine, Viola und Violoncello von dem jüdischen Komponisten Gideon Klein (1919 – 1944). Dieses Streichtrio beendete der begabte Komponist am 7. Oktober 1944 im KZ Theresienstadt, wohin er nach der Annektion seiner Heimat Böhmen durch die Nazis deportiert worden war. Zu dem von den deutschen Machthabern zwecks positiver „Image-Darstellung“ für das KZ geduldete Musik-Ensemble unter den Insassen gehörte auch Gideon Klein. Nur wenige Tage nach der Vollendung des Trios, wurde der Komponist nach Auschwitz (Außenlager Fürstengrube) deportiert und starb unmittelbar nach seiner Ankunft unter „ungeklärten Umständen“ in den Kohlengruben. Das Ganze neun Tage vor der Befreiung durch die Alliierten.

Die Musikerinnen und Musiker bei der Probe (v.l.n.r.) Yang Li, Tatiana Prushinskaya, Susanne Schmidt, Hindenburg Leka und Andrei Simion. (Foto: © Dortmunder Philharmoniker)
Die Musikerinnen und Musiker bei der Probe (v.l.n.r.) Yang Li, Tatiana Prushinskaya, Susanne Schmidt, Hindenburg Leka und Andrei Simion. (Foto: © Dortmunder Philharmoniker)

Das ausdrucksstarken Musikstück enthält in seinen drei Sätzen Elemente aus böhmischen Volksliedern in Variationen bis zum virtuosen Finale, das mit einem hohen Schwierigkeitsgrad von Anfang bis Ende in gleichbleibenden, kleinen Notenwerten und schnellen Bewegungen ausgeführt wurde. Einige Dissonanzen unterstrichen die schmerzvolle und teilweise wehmütige Stimmung.

Als zweites standen drei jeweils achtminütige Sätze aus dem Werken des französischen Komponisten Olivier Messiaen (1908 – 1992), der den Winter 1940 im deutschen Kriegsgefangenenlager Görlitz verbrachte. Dort entstanden das „Quartett für das Ende der Zeit“ (Quatuor pour la fin du temps) für Klavier, Violine, Cello und Klarinette. Der fünfte Satz für Cello und Klavier ist der „Lobgesang für die Ewigkeit“, der 8. Satz ein „Lobgesang auf die Unsterblichkeit Jesu“. Wie von Messiaen selbst postuliert, ist es dem Mensch gewordenen Jesu. Der langsame Aufstieg der Geige ins höchste Register symbolisiert für ihn den Aufstieg des Menschen zu Gott. Dabei entwickelt sich einen ungeheure Dynamik zwischen den Instrumenten mit ebenfalls Aufsteigenden, dann aber auch absteigenden Akkorden des Klaviers. Eindrucks voll war das zuerst gespielte, drei Jahre später in Paris entstanden „20 Blicke auf das Jesuskind“ für Klavier, sensibel mit all seinen Dissonanzen von Tatiana Prushinskaya dar gebracht.

Einen speziellen Geschichtsbezug hat auch das nach der Pause zu hörende „Klavierquintett g-Moll op. 57“ von Dimitri Schostakowitsch (1906 – 1975). Es wurde im Sommer 1940, neun Monate bevor Hitler den Pakt mit Stalin brach und seine Truppen in der Sowjetunion einmarschieren ließ.

Unterschwellig ist die Bedrohung in seinem Quintett mit der unterdrückten Dynamik schon zu spüren. Dass sein großes musikalisches Vorbild Johann Sebastian Bach ist, merkt man vor allem am Anfang des Quintetts. Der Komponist bezog hier seine Inspiration aus den harmonischen Spannungsbögen und Präludien von J. S. Bachs. Auch die klare Linienführung des Werkes erinnert an das Vorbild. Jede Note scheint sorgsam berechnet, das lyrische Intermezzo im 4. Satz bildet dabei einen große Ruhepunkt. Typisch für Schostakowitsch die Gebrochenheit der Musik, die eine zu romantischen Überschwang vermeidet.

Ein spezielles Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus nach dem 27.01.2019.

Gemeinsam in den Tod?!

Es klingt wie eine von diesen Fake-News, doch hat das Stück „norway.today“ von Igor Bauersima einen realen Hintergrund. Mitte Februar 2000 sind ein Norweger und eine Österreicherin gemeinsam vom „Prekestolen“-Felsen int Norwegen gesprungen. Kennengelernt und verabredet hatten sich beide in einem Chat. Bauersima dreht die tragische Geschichte ins positive und schreibt ein kluges Stück über den Wert des „Echten“ gegenüber dem „Fake“. Premiere hatte das Stück am 26.01.2019.

Gemeinsam in den Tod zu gehen hat durchaus etwas romantisches an sich. Man denke an Heinrich von Kleist und andere. Doch Julie (Alexandra Sinelnikova) ist anders. Sie hält das Leben in der Gesellschaft für sinnlos und fühlt sich nicht authentisch mit anderen. Daher möchte sie Selbstmord begehen, sucht aber Begleitung beim Sterben. Die sucht sie in einem Chat und findet den 19-jährigen August (Frieder Langenberger), den sie nach Norwegen fliegen lässt. August fühlt sich nicht wirklich lebendig, für ihn ist alles „Fake“.

Am Anfang steht für das „Blinddate“ erst einmal das Kennenlernen. Die Motive für den Selbstmord werden abgeklopft und das Misstrauen von Julie weicht sehr langsam. Denn sie ist die abgeklärte von beiden. Während August in seiner Unsicherheit ein sehr starkes Redebedürfnis hat, braucht Julie für ihre Selbstbeherrschung das Schweigen. Der Streit zwischen den beiden birgt angesichts des Todes dennoch komödiantisches Potential. Beispielsweise, als Julie halt von August braucht beim Herunter sehen über den Felsen. Der erste Selbstmordversuch endet im Fiasko, beide sind ängstlich und wütend. August, weil er Angst hat, dass Julie ihn umbringen will, Julie, weil er sie hängen lässt.

Julie (Alexandra Sinelnikova) und August (Frieder Langenberger) stellen fest, dass man das "echte" Leben nicht auf Video bannen kann. (Foto: © Edi Szekely)
Julie (Alexandra Sinelnikova) und August (Frieder Langenberger) stellen fest, dass man das „echte“ Leben nicht auf Video bannen kann. (Foto: © Edi Szekely)

In der Nacht geschieht ein besonderes Naturerlebnis: Ein Polarlicht ist zu sehen und zwar in echt und nicht als „Fake“. Beim Versuch es mit der Kamera aufzunehmen, erkennen sie den Unterschied. Das ist auch der Punkt, an dem beide versuchen, sich emotional zu öffnen.

Am nächsten Morgen probieren August und Julie einen medialen Abschiedsgruß an Familie und Freunde – und scheitern total. Beide finden zurück ins Leben, denn nur wer lebendig ist, ist echt. Der Wunsch zu Sterben und die Lebenslust sind nicht miteinander vereinbar und was viel wichtiger ist, sie sind auch nicht medial festzuhalten. Denn das Echte muss erlebt werden.

Bei der Inszenierung feierte Frank Genser sein Regiedebut. Er gab seinen beiden Darstellern genug Raum sich zu entfalten und sie dankten es ihm mit einem engagiertem Spiel. Die Bühne war minimalistisch, der Felsen durch eine Kante angedeutet. Ein Zelt für die Nacht und zwei Kleiderständer zum Umziehen, das war alles, was das Stück benötigte.

Ein intensives Stück nicht nur über das Leben, sondern auch über die postmoderne Wirklichkeit, bei der Schein mehr ist als Sein und das Leben als Schauspiel gesehen wird, welches inszeniert wird. „norway.today“ ist mit Recht eines der beliebtesten Jugendtheaterstücke (wegen des Alters der Protagonisten), aber die Zahl der Menschen, die in einer Filterblase voller „Fake-News“ leben, wächst. Daher ist das Stück – nicht nur wegen den tollen Schauspielern – allen Altersklassen zu empfehlen.

Theaterstück zwischen Todessehnsucht und Lebenslust

Im Studio des Schauspiel Dortmund hat Ensemble-Mitglied Frank Genser am Samstag, den 26.01.2019 um 20:00 Uhr mit dem Theaterklassiker „norway.today“ von Igor Bauersima (Schweizer Dramatiker) Premiere und feiert gleichzeitig sein Regiedebüt.

Dieses Kammerspiel für zwei Personen hat, obwohl vor neunzehn Jahre uraufgeführt, nichts von seiner Aktualität und Brisanz eingebüßt. Ganz im Gegenteil.

Im Stück treffen die jungen Erwachsenen Julie und August aufeinander. Sie möchte sich das Leben nehmen und sucht eine Person, die sich zusammen mit ihr von einem 604 Meter hohen Fels am norwegischen Lyse-Fjord ins Bodenlose stürzen will. Der von der Scheinheiligkeit des Lebens angewiderte August sagt dem Vorhaben entschlossen zu. Das Datum wird festgelegt und mit Proviant und Zelt sind die Beiden alleine und ohne gesellschaftlichen Druck zusammen, lernen sich kennen und arbeiten sich aneinander ab. Mit ihren Zweifeln, gespielten gesellschaftlichen Rollen und den echten Gefühlen. Überrascht von ihren eigenen Gefühlen und der der Naturschönheit, bewegen sie sich zwischen Todessehnsucht und jugendlicher Lust auf Leben…

Es steht viel auf dem Spiel!

Das Stück ist auf mehreren Ebenen interessant. Es ist zum einen, so Genser, eine Auseinandersetzung mit dem Tabu-Thema „Freitod“ oder „Selbstmord“. Darf man das „geschenkte Leben“ von sich aus beenden? Wofür lohnt es sich zu Leben? Das sind nur zwei der vielen Fragen, die sich ergeben.

Alexandra Sinelnikova (Julie) und Frieder Langenberger (August) sind die Darsteller des kleinen Kammerstücks im Studio. (Foto: 
©Birgit Hupfeld)
Alexandra Sinelnikova (Julie) und Frieder Langenberger (August) sind die Darsteller des kleinen Kammerstücks im Studio. (Foto:
©Birgit Hupfeld)

Zum anderen spielt der immer größer werdende Einfluss der modernen Medien auf das Lebensgefühl, gerade bei Jugendlichen, eine wachsende Rolle. Das Gefühl von „persönlichen Defiziten“ wird oft zu einem unerträglichen Problem. Mobbing hat eine immense Dimension angenommen und verzweifelte (junge) Menschen nehmen sich (wie schon geschehen) das Leben. Dazu gibt es auch einschlägige Foren (Suizid-Foren).

Es gibt eine Diskrepanz zwischen dem „idealem“ und dem realen Leben. Es ist das Gefühl, den Anforderungen des Lebens nicht zu genügen. Was für ein Bild wollen wir vor anderen von uns abgeben? Zweifel bleiben. Am Ende bleibt, so der Regisseur, die Frage: Was ist das richtige Happy-End?

Für Bühne und Kostüm ist Ann-Heine, für Video Laura Urbach verantwortlich. Einen Eisberg aus Styropor, wie bei früheren Aufführungen des Stückes, wird jedenfalls, soviel verrieten der Dramaturg Matthias Seier und Regisseur Frank Genser, nicht auf der Bühne zu sehen sein.

Julie wird von Alexandra Sinelnikova vom Ensemble, und August von Frieder Langenberger gespielt.

In der Saison 2018/2019 ist Langenberger im Rahmen des Schauspielstudio Graz Ensemblemitglied am Schauspiel Dortmund.

Für die Premiere am 26.01.2019 gibt es noch Rest-Karten.

Informationen über weitere Aufführungstermine erhalten Sie wie immer unter www.theaterdo.de oder Tel.: 0231/ 50 27 222

Die Natur als Kraftquelle

Der Kunstraum im Langen August zeigt ab dem 19. Januar 2019 Arbeiten von Eva Zimnoch unter dem Titel „Kraft-Orte“. Ihre Bilder sind zwar stark abstrahiert, lassen aber noch figurative Elemente erkennen.

Eine Abtei in Duisburg, das Emsland oder Spanien. Auch wenn die Werke sehr stark von der Abtsraktion geprägt sind, durch die vorhandenen figurativen Elemente ist ein Wiedererkennungswert gegeben. So erkennt der Betrachter bei genauem Hinsehen Kapitelle der Abtei oder das Schilf in den Moorgebieten im Emsland. Ebenso haben die Gemälde, die von Spanien inspiriert sind, andere Farbgebungen als das eher dunkle schwarze Moor.

Zimnoch ist erst spät zur Malerei gekommen, seit 2011 arbeitet sie als bildende Künstlerin und seit 2018 Mitglied im Bundesverband bildender Künstler Westfalen e.V. Als Kind hatte gerne genäht. „Ich wollte Modedesign studieren“, so die Künstlerin. Seit 2007 nahm sie Unterricht bei verschiedenen Dozenten und belegte Malereikurse.

Eva Zimnoch zeigt ihre Arbeiten im Kunstraum im "Langen August".
Eva Zimnoch zeigt ihre Arbeiten im Kunstraum im „Langen August“.

Ihre Malerei ist mehr oder weniger abstrakt. Immer wieder gibt es Elemente wie Ziegel oder Pflanzen, die fast gegenständlich abgebildet werden in einer sehr abstrahieren Landschaft. Es gefällt der Künstlerin nicht, „wenn die Bilder so abstrakt werden, dass der Betrachter keinen Bezug herstellen kann“. Das malen nur aus der Lust an der Farbe ist nicht ihr Ding. Ihre Inspirationsquelle ist die Natur, was sich auch in ihren Bildern widerspiegelt. „Ich suche nach dem Schönen, nach dem, was mir gut tut“, erklärt Zimnoch.

Der Kunstraum in der Braunschweiger Straße 22 ist geöffnet von Dienstag bis Freitag von 15 – 19 Uhr.

Musik voll Triumph und Schmerz

Die Dortmunder Philharmoniker unter der engagierten Leitung von Generalmusikdirektor Gabriel Feltz haben am 15./16.01 .2019 unter dem Motto „Teurer Triumph“ ganz besondere Werke von zwei außergewöhnlichen russischen Komponisten für ihr 5. Philharmonisches Konzert ausgewählt.

Zum einen die „Ouverture Solennelle „1812“ op. 49“ von Peter Tschaikowsky (1840 – 1893, )und nach der Pause die 7. Sinfonie C-Dur op. 60 „Leningrader“ von Dimitri Schostakowitsch (1906 – 1975). Ars tremonia war am 15. Januar im Dortmunder Konzerthaus anwesend.

Die beiden Werke sind in mehrfacher Hinsicht beachtlich und besonders. Die „Ouverture Solennelle „1812“ nimmt Bezug auf den Einmarsch der französischen Truppen am 22.Juni 1812 in Russland, und den teuer mit vielen Menschenleben erkaufte Sieg der Russen gegen Napoleon. Als historisch einzigartigen Parallele beginnt genau 129 Jahre später, am 22. Juni 1941 der Überfall des deutschen NS-Regimes auf die Sowjetunion unter dem Namen „Unternehmen Barbarossa“. Nach der Einkesselung der Stadt Leningrad und dem lange Kampf voll Entbehrungen und am Ende über 1.000.000 Toten gegen die Deutsche Armee begleitet als musikalische Unterstützung Schostakowitsch mit seiner 7. Sinfonie bis zum siegreichen Ende.

Die Ouverture 1812 entspricht vom Wesen her einer sogenannten „Battaglia ( einem musikalischen Schlachtgemälde) und ist auch so aufgebaut. Aufstellung der Heere – Kampflärm – Siegeslied. Die feierliche Einleitung erinnert an russisch-orthodoxe Kirchenklänge. Nach einer Passage der leichten Verunsicherung kann der Zuhörer die französische „Marseillaise“ erkennen. Die war zwar 1812 nicht die Nationalhymne Frankreichs, unter Napoleon erklang „Le Chant du Départ“, aber 1882 (Zeit der Aufführung) schon. Es steht als Sinnbild für die anfänglichen Siege der Franzosen. Nach dem „Kampflärm“ strahlt das folgende Thema Hoffnung aus. Das nachfolgende russische Volkstanzthema bringt eine folkloristische Note (etwa mit dem Tamburin) in die Ouverture. Es entwickelt sich ein weiterer musikalischer Kampf zwischen der „Marseillaise“ und dem russischen Volkslied, bis am Ende der Anfangschoral majestätisch-pompös mit Glockengeläut ein weiteres Mal erklingt. Nun ist der russische Sieg Gewissheit.

Die 7. Sinfonie op. 60 von Schostakowitsch begleitete als stützende musikalische moralische Begleitung die Zeit der Belagerung Leningrads durch die Deutsche Wehrmacht. Es ist nicht nur eine heroische Sieges-Sinfonie, sondern macht auch den tiefen Schmerz und die unzähligen Verlust spürbar.

Nachdem im ersten Satz zunächst ein eher idyllisches Bild mit in Hinblick auf eine glücklichen Vergangenheit vermittelt wird, trübt diese sich schnell ein. Die kleine Trommel läutet erst ganz leise, dann immer deutlicher die folgende Invasionsepisode ein. Was folgt ist ein gigantisches Crescendo, das sich Furcht erregend monströs steigert.

Imposante Musik von Tschaikowsky und Schostakowitsch, die das Ringen der Russen gegen Invasoren eindrücklich widerspiegelt. Dargeboten von den Dortmunder Philharmonikern unter Generalmusikdirektor Gabriel Feltz. (Foto: © Anneliese Schürer)
Imposante Musik von Tschaikowsky und Schostakowitsch, die das Ringen der Russen gegen Invasoren eindrücklich widerspiegelt. Dargeboten von den Dortmunder Philharmonikern unter Generalmusikdirektor Gabriel Feltz. (Foto: © Anneliese Schürer)

Das folgende traditionelle Scherzo erinnert mit unbeschwerten Klängen zwar an die „Glückliche Zeit“, wird aber durch subtil eingesetzte Taktwechsel unterlaufen. Der schrille Mittelteil führt wieder Invasionsepisode zurück und es bleibt nichts von der Unbeschwertheit übrig.

Das Adagio ist ein großer Trauer-Choral. Durch einzelne Instrumente werden klagende Erinnerungstöne eingeführt. Der Mittelteil ist musikalisch wieder von Klänge der Invasionsperiode geprägt und geht zum schwelgenden Anfangs-Rhythmus über als Zeichen von dem Gewinn des Lichts über die Dunkelheit.

Der Sieg über die Invasoren im vierten Satz entwickelt sich musikalisch langsam zum Sieg hin. Das feierliche und triumphale C-Dur der letzten Takte wird dabei aber immer mit irritierende schreiende Untertöne gestört. Ein klares Zeichen, das dieser Triumph schwer und teuer mit unzähligen Opfern errungen wurde.

Dieses besondere Konzert hat alle beteiligten Musiker mit ihrem Dirigenten spürbar auch an ihre emotionalen Grenzen gebracht.

Das Konzert am Dienstag, den 15.01.2019 wurde von WDR 3 live im Rahmen der Reihe „WDR 3 Städtekonzerte“ übertragen.

Aus für Veranstaltungen im Torhaus Rombergpark

Es ist ein nicht nur bei Künstlern beliebter und einzigartiger historischer Kulturort. Das Torhaus Rombergpark (entstanden 1681) am Nordausgang des Botanischen Gartens ist nicht nur wunderbar gelegen und hat eine reizvolle Architektur, sondern gehört zu den wenigen komplett erhaltenen Relikten des damaligen Schloss Brünninghausen, das im Zweiten Weltkrieg zerstört wurde. Historische Gebäude gibt es in Dortmund nicht viele. Es ist als Baudenkmal in die Denkmalliste der Stadt Dortmund eingetragen worden.

Seit 1968 wurde es als städtische Kunstgalerie mit wechselnden Ausstellungen und verschiedener Konzertveranstaltungen genutzt und beliebt. Nun muss dieser Kulturort, mit dem so viele schöne Ausstellung und Konzert verbunden sind geschlossen werden. Wegen der mangelnden Barrierefreiheit, der schmalen Wendeltreppe und fehlenden weiteren Fluchttüren darf das Gebäude nun nicht mehr für öffentliche Veranstaltungen genutzt werden.

Wie Claudia Kokoschka (Leiterin des Kulturbüros) beim Pressegespräch verriet, sind auch die betroffenen Künstlerinnen und Künstler darüber sehr betrübt. Bis dahin hatte man sich mit dem Einsatz von Wachpersonal und dem kontrollierten Zugang von höchsten 50 Personen auf der sicheren Seite gefühlt.

„Seit den tragischen Ereignissen um die „Love Parade“ (2010) hat sich der Blick auf die potenziellen Gefahren verschärft und die Einschätzung geändert“, erklärte Kokoschka.

Die Leiterin des Kulturbüros, Claudia Kokoschka, möchte gerne wieder  ins das besondere Ambiente des Torhauses zurück..
Die Leiterin des Kulturbüros, Claudia Kokoschka, möchte gerne wieder ins das besondere Ambiente des Torhauses zurück..

Nach dem ersten Schock hat sich das Dortmunder Kulturbüro als Träger der Einrichtung schnell um kurzfristige Alternativen für die bisherigen Ausstellungen der städtischen Galerie im Torhaus und die beliebten Gitarrenkonzerte bemüht. Als neuer Spielort für die Ausstellungen ist der schwarze Pavillon vor dem Dortmunder U (Leonie-Reygers-Terrasse) und für die Konzerte die Rotunde des Museums für Kunst und Kulturgeschichte (MKK) vorgesehen.

Heimische bildende Künstlerinnen und Künstler können nach Ende der Pink Floyd-Ausstellung Februar 2019 an dieser zentraler Stelle am Dortmunder U ausstellen. Der Pavillon wurde als Shop und Kasse für die Pink Floyd-Schau errichtet, wird aber dauerhaft an seinem Platz vor dem U stehen bleiben.

Die Gitarrenkonzerte haben dann ein neues Domizil in der Rotunde des MKK. Der neue Name der Reihe lautet „Gitarrenmusik in der Rotunde“. Das Programm wird in Kürze bekannt gegeben.

Ob und in welcher Form das Torhaus Rombergpark umgebaut wird und damit für kulturelle Veranstaltungen wieder zur Verfügung stehen kann, werden die zuständigen Dienststellen der Stadt (etwa das Bauordnungsamt) nun klären.

Die Entscheidung obliegt am Ende bei der Politik. Dabei spielen neben dem Brandschutz natürlich auch Fragen des Denkmalschutzes eine wesentliche Rolle. Das Kulturbüro hofft und kämpft dafür, das Torhaus als Kulturort langfristig erhalten zu können. „Wir werden alle Möglichkeiten prüfen, die uns eine kulturellen Nutzung dieser beliebten Veranstaltungsstätte wieder ermöglichen“, so Claudia Kokoschka.

Unter die Räuber gefallen

Yasmina Rezas „Gott des Gemetzels“ meets Schillers „Räuber“. So könnte man das neueste Stück der Theatergruppe „Sir Gabriel Trafique“ charakterisieren. „Die Räuber.Live“ mit dem schönen Untertitel „Utopien aus deutschen Lenden“, zeigte den eindringenden Wahnsinn in einen aufgeklärten linksliberalen Freundeskreis mit der Hoffnung, das Schillers „Räuber“ die Lösung zeigt. Doch tut er das? Ein Bericht von der zweiten Aufführung vom 13. Januar 2019 im Theater im Depot.

Der erste Teil der Inszenierung von Björn Gabriel, dem Kopf hinter „Sir Gabriel Trafique“, wirkt ein wenig wie aus „Gott des Gemetzels“. Zwei Pärchen aus dem gleichen Milieu – sie sind wohl alle auch Schauspieler – treffen sich zum Klönen. Essen, trinken, grillen und in die „360°-Sauna mit Musik“. Dabei wird nicht der Fehler gemacht, die Szenerie übertrieben naturalistisch darzustellen, das Bühnenbild von Anna Marienfeld war reduziert und sehr symbolhaft gestaltet.

Im Laufe der Unterhaltung, die sich hauptsächlich um die Bedrohung von Rechts dreht, eskaliert unter den vier Protagonisten und der Fernseher(!), quasi als „deus ex machina“, empfiehlt, sich mit Schillers „Räuber“ auseinanderzusetzen. Vielleicht stünde da ja des Rätsels Lösung. Gesagt, getan, die beiden Pärchen übernehmen vier Rollen und wir sind mitten im klassischen Stück der „Sturm-und-Drangzeit“.

Besonders gelungen war die Darstellung der beiden Pärchen. Die eigentlich weltoffenen Gastgeber (Dominik Hertrich und Aischa-Lina Löbbert) zeigten sehr gut die Angst vor dem Unbekannten draußen. Richtig glücklich waren sie nur in ihrem Zuhause mit ihrem schicken Sprachsystem „Alexandre“ und der bereits erwähnten 360°-Sauna, sozusagen eine schwere Form des „Cocooning“. Das andere Pärchen bestand aus zwei Frauen (Fiona Metscher und Mirka Ritter). Zwischen den Pärchen begann es nicht nur verbal zu knistern, auch erotisch ging es zur Sache. Hier war die Weltoffenheit aber schnell vorbei.

Entspannung nach der 360°-Sauna. (v.l.n.r.) Aischa-Lina Löbbert, Fiona Metscher, Mirka Ritter und Dominik Hertrich). Foto: © Alexander Huegel).
Entspannung nach der 360°-Sauna. (v.l.n.r.) Aischa-Lina Löbbert, Fiona Metscher, Mirka Ritter und Dominik Hertrich). Foto: © Alexander Huegel).

Im zweiten Teil verwandelte sich das Stück in eine Art moderner Inszenierung mit Versatzstücken aus Schillers Räuber. Hier übernahmen die Vier Rollen aus Schiller und die Geschichte der Brüder Karl und Franz entfaltet sich. Natürlich wurde nicht der komplette Schiller gespielt. Monologe wurden zusammengefasst, verbunden, gekürzt und bearbeitet. Gabriels Intention war natürlich auch, die Forderung der AfD nach „mehr deutschen Stoffen“ im Theater auf die Spitze zu treiben. Denn Schillers hochpolitisches Werk dreht sich um den erwachenden Kampf des Bürgertums gegen den Feudalismus.

Letztlich bleibt auch die Frage: Wo stehen wir? Stehen wir kurz vor 1933 oder sind wir noch weit davon entfernt? Ist es der letzte Moment, wo man noch aktiv eingreifen kann, um ein neues 33 zu verhindern? Am Ende bleibt: Resignation und ein „Egal“, ein Weg den manche Künstler und Intellektuelle im 3. Reich gingen.

Wer möchte, kann das sehenswerte Stück noch am 28. und 29. März im Theater im Depot (jeweils um 20 Uhr) erleben. Wer das früher möchte, muss nach Köln zur studiobühneköln fahren. Hier wird es vom 31.01. bis 04.02. jeweils um 20 Uhr aufgeführt.

Infos und Karten unter www.sirgabrieltrafique.de

Operette im Spannungsfeld von Liebe und fremder Kultur

Regisseur Thomas Enzinger konnte sich schon mehrfach seinen Ruf als Spezialist für das Genre Operette in Dortmund unter Beweis stellen. Nach seinen Erfolgen mit „Roxy und das Wunderteam“ oder „Die Blume von Hawaii“ hatte am 12.01.2019 seine neueste Inszenierung der romantischen Operette „Land des Lächelns“ von Franz Lehár (Libretto Ludwig Herzer und Fritz Löhner-Beda) im hiesigen Opernhaus Premiere. Musikalisch begleitet wurde die Aufführung sensibel von der Dortmunder Philharmoniker unter der souveränen Leitung von Generalmusikdirektor Gabriel Feltz.

Musikalisch anspruchsvoll ambitioniert, wollte der der Komponist zu seiner Zeit den bisherigen Rahmen der als „seichte Unterhaltung“ verschrienen Operette sprengen und ihr unter anderem durch Elemente der Oper Tiefe und als Kunstgattung Geltung zu verschaffen. Enzingers Inszenierung besticht nicht nur durch eine opulente Bühnen-Ausgestaltung und schonen farbenfrohen Kostümen, die sinnbildlich für die damalige Zeit stehen. Eine zugefügte tänzerische Ebene verlieh den Emotionen der handelnden Protagonisten eine weitere verstärkende Dimension.

Die Handlungskonflikte bieten sich dafür gut an. Nicht nur bei der Ouvertüre wurde getanzt – übrigens eine sehr nette Idee – sondern ebenfalls während der Zwischenmusiken wurde die Dramatik des Liebespaares tänzerisch dargestellt.

Die selbstbewusste Grafen-Tochter und Witwe Lisa ist ein begehrter Mittelpunkt der Wiener Highsociety. Verehrt vor allem von dem Dragonerleutnant Graf Gustav von Pottenstein (genannt Gustl), ihrem besten Freund. Sie verliebt sich aber in den exotischen und zurückhaltend charmanten chinesischen Prinzen Sou-Chong. Wohl gerade wegen seiner geheimnisvollen, für sie anziehenden und fremden Art. Auch er ist von ihr angetan, wird aber als Ministerpräsident in sein Heimatland zurück beordert. Hals über Kopf folgt ihm Lisa und heiratet ihn. Doch die Liebe wird durch die unterschiedlichen Kulturen und Lebensentwürfe dieser beiden Persönlichkeiten auf eine harte Probe gestellt. Als Sou-Chong sich letztendlich durch die Verantwortung der ihm verliehenen „Gelben Jacke“ der Tradition unterwirft, vier Mandschu-Mädchen zu heiraten, eskaliert die Situation. Lisa ist zutiefst enttäuscht und will von Heimweh geplagt, China mit Hilfe von Gustl verlassen. Am Ende gibt es nicht nur für Sou-Chong, sondern auch für seine Schwester Mi kein Happy End…

Erste Zweifel werden bei Lisa in China bemerkbar. Martin Piskorski (Prinz Sou-Choung) und Irina Simmes (Lisa).
(Foto © Oper Dortmund)
Erste Zweifel werden bei Lisa in China bemerkbar. Martin Piskorski (Prinz Sou-Choung) und Irina Simmes (Lisa).
(Foto © Oper Dortmund)

Für die beiden Haupt-Protagonisten Lisa und Prinz Sou-Chong konnten mit Irina Simmes und Martin Piskorski zwei hochkarätige Sänger*innen mit klaren Stimmen und sensibler, aber nicht zu kitschiger Interpretationen der romantisch, oft melancholischen Arien gewonnen werden.

Ein Höhepunkt war sicherlich die starke Darbietung der bekanntesten Arie „Dein ist mein ganzes Herz“ von Tenor Piskorski.

Fritz Steinbacher, ein alter Bekannte hier im Opernhaus, füllte seine Rolle des Graf Gustl wie schon so oft mit viel Sinn für Humor aus. Ihm zur Seite stand als kongeniale PartnerinAnna Sohn als die in ihn verliebte Mi. Eine der lustigsten Szenen ist die, als Gustl Mi mit der als geschenk für Lisa vorgesehenen Sacher-Torte „füttert“.

Humor bringt auch seine resolute Tante, die Exzellenz Hardegg, wunderbar dargestellt von Johanna Schoppa , in die Inszenierung.

In weiteren Nebenrollen wussten Georg Kirketerp als Lisas Vater Graf Ferdinand Lichtenfels und und Hiroyuki Inoue als Sou-Chongs gestrenger Onkel Tschang zu gefallen.

Diese Inszenierung bringt die trotz starker Gefühle der beiden Protagonisten die Unvereinbarkeit ihrer persönlichen Lebensentwürfe und die mangelnde Fähigkeit zu einem Kompromiss über die fremden Kulturen hinweg mit der ganze emotionale Palette von Liebe und Sehnsucht, sowie Neugier und Verzweiflung mit dem desillusionierendem Ende verdeutlicht. Das alte konfuzianische Weltbild hatte bis zur Kulturrevolution von Mao bestand. Bei all den negativen Folgen und den vielen Toten hatte die Kulturrevolution wenige Lichtblicke. Dazu gehörte die Frauenemanzipation: Danach wurden auch die Frauen in China freier, denn so Mao „die Frauen können die Hälfte des Himmels tragen.“

Weitere Aufführungstermine und Infos gibt es wie immer unter www.theaterdo.de oder Tel. 0231 5027222.