Klassische Musik in Zeiten von Umbrüchen

Die neue Spielzeit 2018/2019 steht bei der Dortmunder Philharmoniker unter dem Motto „Krieg und Frieden“. Beim 1. Philharmonischen Konzert am 11. und 12.09.2018 stand Musik von Georg Friedrich Händel, Richard Strauss und Ludwig van Beethoven auf dem Programm, die geprägt war von ihrer jeweiligen „Zeitenwende“. Ars tremonia war am 11.09.2018 anwesend.

Unter diesem Titel luden der engagierte Generalmusikdirektor Gabriel Feltz und die gut aufgelegte Dortmunder Philharmoniker ihr Publikum ein.

Die „Zeitenwende“ für die Feuerwerksmusik HWV 351 von Händel (1685 – 1759) das Ende des sogenannten Österreichischen Erfolgskriegs (1740 – 1748), das in London mit einer Siegesfeier gebührend gefeiert werden sollte. Der zu dieser Zeit größte Komponist sollte zu dem geplanten Feuerwerk am 27.04.1748 die passende feierlich Musik komponieren. Die strahlende und feierliche und ebenso beschwingte Musik ließ auch nichts zu wünschen übrig. Einen kleinen (bewussten?) Affront leistete sich der Komponist jedoch. Bereits die Ouvertüre wurde von ihm rhythmisch im Stile der barocken französischen Opernouvertüre konzipiert. Frankreich war aber Hauptgegner der Engländer in diesem Krieg gewesen! Das Finale ist italienisch tänzerisch gehalten.

Dem folgenden Oboenkonzert D-Dur von Richard Strauss (1864 – 1949) , dass nach dem der Befreiung durch die Alliierten und dem Ende des 2. Weltkrieges entstand, wurde das melancholische „Soliloquy“ von Edward Elgard (1857 – 1934) für den großartigen Oboisten Leon Goossens geschrieben. In Gedenken auch an seine 1920 verstorbene Frau Alice.

Albert Mayer begeisterte mit seinem Oboenspiel das Konzerthaus. (Foto: © Anneliese Schürer)
Albert Mayer begeisterte mit seinem Oboenspiel das Konzerthaus. (Foto: © Anneliese Schürer)

Als Solo-Oboist konnte erneut der hervorragende und charmante Albrecht Mayer gewonnen werden. Im vergangenen Jahr überzeugte Mayer mit dem Oboenkonzert Nr. 1 von Frigyes Hidas. Dieses Mal interpretierte er zunächst „Soliloquy“ sensibel und zeigte direkt anschließend auch sein ganzes Können beim Oboenkonzert von Richard Strauss. Nach nur zwei kurzen Cello-Takten folgten 57 anstrengende Takte nahezu pausenlosen Soloflug für die Oboe. Der ersten Tutti-Akkord bringt die Erlösung und es folgt ein musikalisch elegischer Abschnitt. Heitere und getragene Passagen wechseln sich im Folgenden ab und es entspinnt ein munterer Dialog der Solo-Oboe mit einzelnen Instrumenten. Das Andante verfällt nach seinem reinen Fluss nur kurz in eine eher düstere Stimmung, um schließlich wieder zum klaren klang zurück zu kehren. Als es gen Ende musikalisch ruhiger und elegischer wird, kann die Solo-Oboe noch einmal ihr ganzes können beweisen.

Das begeisterte Publikum verzauberte Mayer dann mit seiner ersten Zugabe von J.S. Bach (Ich hatte viel Bekümmernis BWV 21).

Nach der Pause stand dann Ludwig van Beethovens (1770 – 1827) heroische Sinfonie Es-Dur op. 55 auf dem Programm. Es ist laut Widmung eine „Heldensinfonie, komponiert um das Andenken an einen großen Mann zu feiern.“ Es ranken viele Anekdoten darum, wem diese Widmung galt . Dem damaligen preußischen Prinzen Louis Ferdinand oder doch Napoleon Bonaparte?

Es ist vor allem Musik von revolutionärer Kraft. Nach zwei gewaltigen Akkorden beginnt das erste Thema mit einem eher pastoralen Dreiklang, ehe nach einigen Takte unvermittelt und tonartfremd ein Cis mitten in das Es-Dur hinein. Es ist eine Art Startschuss für ein revolutionäre thematische Arbeit mit einem Satz voller musikalischer Konflikte. Im folgenden wechseln sich triumphale Akkorde mit Trauermarsch-Musik ab. Statt eines für den dritten Satz üblichen höfischen Menuetts bringt Beethoven revolutionär ein und furioses Scherzo, bei dem die Streicher unerbittlich und rasant voran treiben. Romantisch wird es nur im Mittelteil, wo die Hörner musikalisch dominieren .Der vierte Satz mit seiner Mischung aus Rondo und den vielen Variationen mit den strengen Fugen-Elementen ist der formal wohl am anspruchsvollsten.

Eine fulminante Code steht am Ende einer unvergleichlichen Sinfonie.




Die Parallelwelt – Eine Simultanaufführung zwischen zwei Theatern

Intendant Kay Voges und sein Team eröffnen die Spielzeit 2018/2019 am Schauspiel Dortmund mit einem völlig neuen und spannenden Projekt in Koproduktion mit dem Berliner Ensemble.

Hier werden wieder einmal die Möglichkeiten, welche die Digitalisierung dem Theater bietet ausgelotet.

Zusammen mit dem Dramaturgen Alexander Kerlin und der Schauspielerin Eva Verena Müller entwickelte er das Stück „Die Parallelwelt“ als Simultan-Uraufführung, die zeitgleich in Berlin (Berliner Ensemble) und hier im Haus in Dortmund stattfindet. Dazwischen liegen 420,62 km Luftlinie, die mit Hilfe einer extra reservierten „Daten-Autobahn“ über Glasfaserkabel verbunden sind und miteinander interagieren.

Das Ensemble bei den Proben für die "Parallelwelt". (Foto: Birgit Hupfeld)
Das Ensemble bei den Proben für die „Parallelwelt“. (Foto: Birgit Hupfeld)

Schon bei der Pressekonferenz am 12.009.2018 bekamen die eingeladenen Journalisten schon einen kleinen Eindruck von den technischen Herausforderungen und Möglichkeiten des ambitionierten Projekts. Bei Live-Schaltung über Glasfaserkabel begrüßte Voges sie aus dem Berliner Ensemble von der zweigeteilten Leinwand. Im oberen Bereich konnten alle Anwesenden im Schauspiel Dortmund sehen, der untere Teil zeigten die im Gegenzug die entsprechende Gruppe von Interessierten im Berliner Ensemble. Dort sind die Gegebenheiten zum Beispiel mit ähnlichen roten Klappsesseln und Größe mit denen in Dortmund vergleichbar. Dann gab es auch eine virtuellen Rundgang in die angrenzenden Bereiche. Ein aufwendiges Organisation-Management war es, möglichst exakt gleiche Bühnenbilder oder Kostüme für die SchauspielerInnen zu erstellen.

Die beiden Ensembles hatten sich für einige Wochen zum genauen Kennenlernen und Besprechungen in Berlin getroffen. Die letzte zweieinhalb Wochen haben sie dann wieder an ihren Heimatorten gearbeitet. Der Kontakt musste virtuell gehalten werden und viel Kommunikation war unabdingbar. Regisseur Kay Voges musste mit der Bahn mehrmals in der Woche von Dortmund nach Berlin hin und her fahren. Wie er zugab, ging ihm wohl die Orientierung in letzter Zeit dadurch etwas verloren.

Das Stück geht von folgender spannenden Frage aus: Was wäre, wenn die uns bekannte Welt irgendwo im Universum ein zweites Mal identisch existierte? Die moderne Quantenphysik revolutioniert die wissenschaftlichen Erkenntnisse nach Newton. Der ging davon aus : „Real existent ist, was messbar ist“. Die Quantenphysik geht davon aus, das Teilchen oder Objekte sich an mehreren Stellen zugleich befinden können. Für den gesunden Menschenverstand zunächst schwer zu begreifen.

„Die Parallelwelt“ erzählt die Geschichte eines Lebens (der Person „Fred“), das sich selbst begegnet in existenziell und emotional wesentlichen sieben Lebensabschnitten. Zeitgleich wird sie in beiden Theatern erzählt.

Die Erzählung beginnt im Berliner Ensemble mit der Geburt, Kindheit, erste Liebe , Hochzeit, Trennung , Alter bis hin zum Tod.Im Schauspiel Dortmund beginnt die Erzählung entgegengesetzt mit dem Tod bis hin zur Geburt. Jeder der sieben SchauspielerInnen aus Dortmund hat eine „Zwillings-Schauspielerin und Schauspieler“ im Berliner Ensemble.Nicht umsonst heißt der Untertitel: „Eine Simultanaufführung über die Gleichzeitigkeit der Ungleichzeitigkeit“. Interessanterweise kreuzen sich die beiden Erzählweisen bei der Hochzeit von Fred. Das sorgt nicht nur für Verwirrung, sondern eben auch für die Erweiterung der Wahrnehmungsräume und Entgrenzung. Raum und Zeit sind relative Größen.

Der Theaterabend ist auch ein philosophischen Diskurs über unsere „Einzigartigkeit“.

Eva Verena Müller, die sich wohl auch gut in Quantenphysik auskennt, hat nicht einen wichtigen Beitrag für die Stückentwicklung geleistet, sondern hat auch noch eine wichtige Funktion mit ihrem Auftritt als „blinder Engel“ Semiel, der böse und satanisch ist und laut der Schriften aus der Zeit um Christ Geburt zusammen mit Satan gegen Gott revoltierte und den Menschen schaden will.

Für die Musik zeigt wieder einmal Musiker, Sänger und Komponist T.D. Finck von Finckenstein verantwortlich.

Die Premiere findet am 15.09.2018 um 19:30 Uhr im Dortmunder Schauspielhaus am Hiltropwall (12,- bis 33,- Euro) statt.

Informationen zu weiteren Terminen und Karten erhalten Sie unter: www.theaterdo.de oder unter 0231/ 50 27 222