Klangvokal 2018 – Barock meets Jazz im Konzerthaus

Unter dem Titel „Händel Goes Wild“ konnte das Publikum am Sonntag, den 03.06.2018 im Dortmunder Konzerthaus ein besonderes Crossover-Projekt genießen.

Die Leiterin des im Jahr 2000 gegründeten Ensemble L‘Arpeggiata, Christina Pluhar, lud mit ihrem Ensemble die renommierte belgische Sopranistin Céline Scheen und den in Rumänien (Arad) geborenen Countertenor Valer Sabadus zu einer spannenden musikalischen Reise ein.

L‘Arpeggiata hat sich der Musik des 17. und 18. Jahrhundert verschrieben und sich beispielsweise schon 2014 in einem Projekt Henry Purcell angenommen.

Gerne bringen sie Genreübergreifend die „alte Musik“ mit anderen Musikstilen zu einem neuen Klangerlebnis zusammen. Der harmonische Rhythmus aus den Opern, Oratorien oder Kantaten von Georg-Friedrich Händel (1685-1759) und auch emotionalen Arien bietet sich für eine Verbindung mit Jazz-Rhythmen gut an.

Händel hätte sicher seinen Spßa gehabt bei "Händel goes wild" von L‘Arpeggiata. (Foto: © Bülent Kirschbaum)
Händel hätte sicher seinen Spßa gehabt bei „Händel goes wild“ von L‘Arpeggiata. (Foto: © Bülent Kirschbaum)

Das Ensemble mit seinen alten Instrumenten wie Zink, Barockgeige, Barockbratsche, Viola da Gamba, Barockcello, Barockgitarre, Laute, Orgel oder Cemballo korrespondierten wunderbar mit der Percussion (Sergey Saprychev), dem Flügel (Francesco Turrisi) und dem Kontrabass (Boris Schmidt). Der Klarinettist Gianluigi Trovesi, einer der führenden Jazzmusiker Italiens, sorgte mit ihnen zusammen durch geniale Improvisationen für das Salz in der Suppe.

Pluhar selbst dirigierte nicht nur, sondern spielte oft auf ihrer langhalsigen Theorbe, einem historischen Lauteninstrument,engagiert mit.

Die Spielfreude und das Improvisationstalent der Beteiligten zeigte sich vor allem bei dem Instrumental-Stücken „Sinfonia „ (aus „Alcina“, 3. Akt) von Georg Friedrich Händel. Orientalische Anklänge oder Passagen, die an jiddische Klezmer-Musik erinnerten, begeisterten das Publikum. Temperamentvoll ging es beim Instrumentalstück „Canario“ (von den kanarischen Inseln) zu. Der Sergey Saprychev überzeugte mit starken Percussion-Improvisationen.

Mit Bedacht sowie Können und Respekt vor der Musik Händels ließ man einige Stücke, so zum Beispiel das berührende „Verdi prati“ (Valer sabadus) oder das von Semele gesungene Wiegenlied „O sleep, why dost thou leave me“ (Céline Scheen) wie sie in ihrer ursprünglichen Schönheit waren.

Die beiden Sänger/innen bezauberten das Publikum mit ihren klaren und weichen Stimmen sowohl als Solisten wie auch im Duett.

Nach Standing Ovations gab es noch zwei Zugaben für das Publikum.

Dieser Konzertabend von hoher musikalischer Qualität machte Spaß auf mehr.




Klangvokal 2018 – Weltpremiere im Orchesterzentrum

Am 01. Juni 2018 stand eine öffentliche Weltpremiere auf dem Programm: Claudio Monteverdis „L‘Arianna“. Jetzt werden Sie sich fragen: Die Oper wurde doch schon 1608 uraufgeführt. Ja, aber wesentliche Teile waren verschollen, wie es leider mit vielen Opern von Monteverdi ergangen ist. Claudio Cavani, der Leiter der Gruppe „La Venexiana“ hat die fehlenden Teile rekonstruiert. So erklang zum ersten Mal seit 400 Jahren die vollständige Oper erneut.

Ein erlebnisreicher Ausflug in die Frühzeit der Oper durch das Ensemble La Venexiana. (Foto: © Bülent Kirschbaum)
Ein erlebnisreicher Ausflug in die Frühzeit der Oper durch das Ensemble La Venexiana. (Foto: © Bülent Kirschbaum)

Die Geschichte stammt wie Monteverdies erste Oper „L‘Orfeo“ aus der griechischen Mythologie. Theseus hat auf Kreta erfolgreich den Minotaurus besiegt und erhält die Königstochter Ariadne als Frau. Auf seinem Weg zurück nach Athen machen sie einen Zwischenstopp auf Naxos. Nach den Einflüsterungen seines Beraters lässt Theseus die schöne Ariadne zurück, worauf jene sehr verzweifelt ist und sich umbringen will. Als Retter in der Not erscheint der Gott Bacchus, der sich der armen Ariadne als Ehemann annimmt.

Das Stück selbst führt uns in die Anfänge der Oper. Bei „L‘Arianna“ gibt es keine Arien wie wir sie von Mozart oder Verdi kennen, es ist rezitativ aufgebaut. Die elf Sängerinnen und Sänger übernehmen nicht nur die einzelnen Figuren, sondern schließen sich auch zum Chor zusammen. Dabei überzeugt vor allem Raffaella Milanesi als Ariadne, besonders in ihre berührende Klage in der siebten Szene. Auch Riccardo Pisani (Theseus) zeigt sein Können, als er den griechischen Held zunächst als Verliebten präsentiert, später dann als Zweifler und Zögerer, angestachelt durch seinen hinterlistigen Berater (Luca Dordolo).

Die Musiker von „La Venexiana“ unter der Leitung von Davide Pozzi am Orgelpositiv und Cembalo präsentierten sich spielfreudig und versetzten die Besucher musikalisch in die Zeit des frühen 17. Jahrhunderts.

Monteverdis Musik steht zwischen Renaissance und Barock. Bei „L‘Arianna“zeigt er, was den Erfolg von Opern ausmacht: mit musikalischen Mitteln die unterschiedlichen Emotionen auszudrücken. Bei seiner zweiten Oper ist ihm das vorzüglich gelungen.




Klangvokal 2018 – Mittelalterliche Klänge vom Ensemble Tiburtina

Ein vielseitiges Programm bietet das Klangvokal Festival auch wieder in diesem Jahr. In der Dortmunder Marienkirche gastierte am 29.05.2018 das renommierte Vokalensemble Tiburtina aus Tschechien mit „Ego sum homo“ (Ich bin Mensch) mit musikalischen Kompositionen der Äbtissin, Hildegard von Bingen (1098 – 1179). Eine mutige Frau, die sich mit der „männlich dominierten katholischen Kirche“ gerne einmal anlegte und unbeirrt ihren Weg ging. Sie war zudem als Dichterin, Mystikerin, Naturwissenschaftlerin, Historikerin, Ärztin und Komponistin eine vielseitig begabte Frau.

Als erste Frau überhaupt schaffte Hildegard von Bingen mit 77 überlieferten Kompositionen in die Musikgeschichtsbücher. Für ihre Gesänge hatte sie die Texte und Musik selbst geschrieben.

Im feierlichen Rahmen der Marienkirche sangen sieben der acht Frauen Antiphonen (frei gedichtete Texte, die vor oder nach einem Psalm gesungen werden), Reponsorien (frei gedichtete Texte, die nach der Schriftlesung gesungen werden) sowie Sequenzen ((Dichtungs- und Gesangsform nach dem Prinzip der fortschreitenden Wiederholung) aus dem Kompositionen der Äbtissin.

Das Ensemble schritt mit der 1. Sequentia (O Jerusalem, goldene Stadt) langsam vom hinteren Kirchenbereich nach vorne.

Mittelalterliche Stimmung mit Liedern von Hildegard von Bingen vom Ensemble Tiburtina. (Foto: © Bülent Kirschbaum)
Mittelalterliche Stimmung mit Liedern von Hildegard von Bingen vom Ensemble Tiburtina. (Foto: © Bülent Kirschbaum)

Das Ensemble Tiburtina besteht aus der künstlerischen Leiterin Barbora Kabátkov (Sopran, Harfe), Ivana Brouková, Tereza Havlíková (Sopran), Hana Blažíková (Sopran, Harfe), sowie als Altstimmen Daniela Čermáková, Anna Chadimová Havlíková und Kamila Mazalová.

Margit Übellacker (Psalterium) bereicherte den Gesang als atmosphärische musikalische Begleitung mit einem mittelalterlichen Pantaleon (historisches, mit Schlägeln geschlagenes Saiteninstrument, ähnlich einem Hackbrett). Das Ensemble gilt auf dem Gebiet der frühen Musik als eines der besten in Europa.

Das in lateinischer Sprache gesungen wurden, war nicht die einzige Herausforderung für das Frauen-Ensemble. Das Programm war auch höchst anspruchsvoll für die wunderbar klaren Stimmen. Die Gruppe überzeugte sowohl in den Solo-Sequenzen wie auch in der Harmonie als ganzes Ensemble. Das Publikum wurde in eine mystische, fremde Musikwelt hineingezogen.

Das Ensemble hat sich bewusst für eine improvisierte Begleitung des monophonen Gesangs entschieden. Es werden alte Zupfinstrument wie Harfe und Zither aus der Zeit von Hildegard von Bingen verwendet. Die gesungenen polyphonen Kompositionen, wie Beispielsweise „Conducti Premii dilatio“ stammen etwa aus der selben Zeit wie die monophonen Gesänge von Hildegard von Bingen. Die Komponisten sind allerdings anonym und gehören der sogenannten Notre Dame-Schule an.

Der Großteil des dargebotenen Liedguts waren Lobgesänge und Klagelieder. Themen waren die Stadt Jerusalem, die Jungfrau Maria, Natur und die Schöpfung im allgemeinen. Mit dem Lobgesang Psalm 8 „Herr unser Herr“ begab sich das Ensemble wieder langsam zum hinteren Kirchenbereich.

Es gab natürlich eine Zugabe für das Publikum, dass sich mit viel Applaus für die Darbietung bedankte.