Kammerkonzert als musikalische Entdeckungsreise

Auf eine spannende musikalische Entdeckungsreise schickten fünf KünstlerInnen der Dortmunder Philharmoniker das Publikum beim 4. Kammerkonzert am 05.03.2018 im hiesigen Orchesterzentrum. Außer den vier Streichinstrumenten Violine (Shinkyung Kim und Joowon Park), Viola (Hindenburg Leka) und dem Violoncello (Markus Beul) kam noch eine Klarinette (Martin Bewersdorff) zum Einsatz.

Es wurden sowohl klassische, wie auch ein modernes zeitgenössisches Stück geboten. Das ermöglichte neben einem besonderen Klangerlebnis die Gelegenheit, das künstlerische Können der Musiker und Ausdrucksmöglichkeiten der Instrumente zu erleben.

Das Programm fing klassisch mit dem Quintettsatz für Bassettklarinette und dem Streichquartett B-Dur KV Anh. 91 (516c) von Wolfgang Amadeus Mozart (1756-1791) an. Mozart schrieb diese Musik wenige Jahre vor seinem Tod. Die Besonderheit war, dass der Allegro-Satz nach 94 Takten abbrach und unvollendet blieb. Erst der 1947 in New York geborene amerikanische Pianist Robert Levin vollendete dieses Fragment ganz in einer Mozart entsprechenden Art mit einer ansprechenden Leichtigkeit.

Mutig ging die Entdeckungsreise mit dem Nachtstück „Nel Fiume eterno“ per clarinetto di bassetto e quartetto d‘archi des zeitgenössischen Komponisten Hannes Pohlit (*1976 in Heidelberg) weiter.

In diesem modernen Stück mit Dissonanzen tritt die sich ständig verwandelnde Wasserfee Undine auf. Der zweiten Satz führt die Zuhörer in einen tiefen rauschhaften Traum, bevor die Musik (Undines Gesang) sich im letzten Satz durch hin zu einem erlösenden Schluss steigert.

Nahm das Publikum mit auf eine musikalische Entdeckungsreise: (v.l.n.r.) Markus Beul (Violoncello), Shinkyung Kim (Violine), Martin Bewersdorff (Klarinette), Joowon Park (Violine) und Hindenburg Leka (Viola). (Foto: © Dortmunder Philharmoniker)
Nahm das Publikum mit auf eine musikalische Entdeckungsreise: (v.l.n.r.) Markus Beul (Violoncello), Shinkyung Kim (Violine), Martin Bewersdorff (Klarinette), Joowon Park (Violine) und Hindenburg Leka (Viola). (Foto: © Dortmunder Philharmoniker)

Wenn man sich darauf einließ, verleitete die Komposition dazu, dass Bilder vor dem inneren Auge entstanden. So konnte man etwa rauschendes Wasser hören oder sich einen vorbei flatternden Schmetterling vorstellen. Hannes Pohlit war anwesend und konnte sich seinen Applaus selbst abholen.

Nach der Pause ging es mit dem bewegend Streichquartett Nr. 2g-Moll von Sergej Rachmaninow (1873-1943) weiter. Die Experten sind sich nicht einig, ob es sich hierbei um ein unvollendetes Fragment handelt, oder ob es so von dem Komponisten von Anfang an konzipiert war. Ein besonders Erlebnis ist der sehr emotionale Trauermarsch im zweiten Satz. Für diesen gibt es zwar eine Tempoangabe, die aber verschieden interpretiert werden kann. Die Dauer des Satzes kann zwischen sieben Minuten und zwanzig Minuten schwanken (Spieldauer an diesem Abend insgesamt fünfzehn Minuten).

Zum Schluss gab es Einblick in das Quintett für Klarinette und Streichquartett op. 10 des heute weniger beachteten Londoner Komponisten Samuel Coleridge-Taylor (1875-1912). Als Sohn von afroamerikanischen Einwandern aus Sierra Leone versuchte er, die Musik seiner westafrikanischen Heimatwurzeln mit der romantischen westliche Kunstmusik zu verbinden. Das wird vor allem im dritten Satz (einem vielseitigen Scherzo) deutlich.




Die große Sehnsucht nach „Nimmerland“

Viele Träume sind mit der Geschichte von Peter Pan verbunden. Nicht von ungefähr haben sich die dreizehn Beteiligten des neuen integrativen Theaterprojekt (vorwiegend geflüchteten Jugendlichen und jungen Erwachsenen) unter der Regie von Christina Keilmann und Marc Ossau diese Story als Grundlage ausgewählt. Es hat schließlich sehr viel mit ihren Wunschgedanken vor ihrer langen Flucht nach Deutschland zu tun.

Die Uraufführung von „Im Herzen Peter Pan“ fand am Sonntag, den 04.03.2018 im Dortmunder Kinder- und Jugendtheater statt. Die weiblichen Protagonisten wurden mit zwei nicht geflüchteten Personen (Julia Kubensky und Mareike Stötzel) besetzt. Außerdem spielten noch zwei „heimische“ Kinder mit, die auch schon bei den beiden vorherigen Projekten engagiert dabei waren. Die neun anderen Rollen wurden von geflüchteten jungen Männern aus verschiedenen Krisengebieten eindrucksvoll und mit Herz ausgefüllt.

Die „Lost Boys“ und Wendy träumen von einem Land ohne Krieg und Gewalt, Freiheit und ohne Langeweile. So steht es auch in einem Buch der „Reality Boys“ über Peter Pan und sein Paradies.

Als nachdem sie sich schlafen legen, ist er tatsächlich da. Peter Pan führt sie nach „Nimmerland“, wo die Reality Boys“ unter der Führung der intrigante Tinker Bell sie erstaunt empfangen. Auf dem ersten Blick ist alles vollkommen. Ein liebevoller Umgang und die Möglichkeit der freien Entfaltung scheinen hier ein glückliches Leben zu garantieren. Doch Eifersucht, Neid und Missgunst drohen die friedliche Fassade zu zerstören….

Mit einfachen und fantasievollen Mittel gelang es der Gruppe, eine sensible und eindringliche Parabel über Wunschträume, Toleranz und ein friedliches Miteinander. Dem Publikum zwei Alternativen für die Entwicklung am Ende des Stückes angeboten. Wie schon bei den letzten Projekte wurde mit bedacht Musik im Hintergrund und ein live gesungener Song eingebaut.

Im Herzen Peter Pan ist ein Integratives Projekt mit Jugendlichen. (Foto: © Birgit Hupfeld)
Im Herzen Peter Pan ist ein Integratives Projekt mit Jugendlichen. (Foto: © Birgit Hupfeld)

Großartiges hat auch Marc Ossau mit seinem schwierigen Körper- und Sprachtraining bei der Projektgruppe geleistet. Eine gute Choreografie und schon erstaunliche Ausdrucksfähigkeit bei den geflüchteten jungen Menschen waren das Ergebnis.

Die Farbe Rot steht sowohl für Liebe wie für Hass, Blut und Gewalt. Das wurde bildhaft mit zwei roten Bällen dargestellt.

Es war eine trotz aller Melancholie mit Humor gespickte Vorstellung. Eins wird klar. Für ein friedliches Zusammenleben von „Einheimischen“ und „Fremden“, die wegen verschiedenster Bedrohungen ihrer Existenz zu uns geflüchtet sind, müssen alle Seiten etwas tun. Alle Menschen haben ihren berechtigten Wunsch nach einem friedlichen, nicht von Gewalt jeder Art oder vom Klimawandel bedrohten Leben. In Zukunft werden die Migrations-Bewegung in der ganzen Welt wohl weiter zunehmen. Einfache Lösungen wird es nicht geben, auch wenn uns das rechte „Populisten“ weiß machen wollen. Dabei heißt: Wachsam bleiben und sich nicht gegeneinander ausspielen zu lassen und sich für bestimmte Machtinteressen instrumentalisieren zu lassen.

Weitere Vorstellungen: Freitag, den 09.03.2018 und Samstag, den 10.03.2018 jeweils um 20:00 Uhr im KJT Dortmund, Sckellstraße 5-7.

Karten & Info: 0231/50 27 222 oder mobil buchbar unter: awendelstigh@theaterdo.de




After Life – Poetische Annäherung an die Erinnerung

Was ist, wenn man eine einzige Erinnerung nach seinem Tod behalten könnte? Diese Idee stammt vom Japaner Hoirokazu Koreeda, der daraus den Film „After Life“ gedreht hat. Thorsten Bihegue entwickelte daraus einen Bühnenstück mit dem Dortmunder Sprechchor. Ein Premierenbericht vom 04. März 2018.

„Sie sind soeben gestorben“. So wurden die Anwesenden Zuschauer vom bleich geschminkten Sprechchor begrüßt. Es ist wahrhaftig ein Erlebnis, wenn man im relativ kleinen Studioraum in der Mitte ist und wie auf einer Schulbank oder vor Gericht auf der Anklagebank sitzt. Aber das Jüngste Gericht ist eher ein Unternehmen. Es bietet allen sogar die Chance, eine Erinnerung ins Jenseits mitzunehmen…

Der Dortmunder Sprechchor begrüßt in seiner Rolle als Angestellte die "Neuankömmlinge". (Foto: © Birgit Hupfeld)
Der Dortmunder Sprechchor begrüßt in seiner Rolle als Angestellte die „Neuankömmlinge“. (Foto: © Birgit Hupfeld)

Tja, welche Erinnerung nimmt man jetzt? Ich vermute, dass sich die meisten Zuschauer das gefragt haben und ihr Leben rekapituliert haben. Erinnerungen prägen unser Leben. Sie geben uns unsere Identität. Es ist schwierig, davon eine bestimmte auszuwählen. Zumal klar ist: Erinnerungen sind sehr subjektiv und Hirnforscher haben herausgefunden, dass unser Gehirn die Wirklichkeit verfälscht. Erinnerungen werden immer wieder neu bewertet.

Bihegue benutzt die gleiche nüchterne Atmosphäre wie Koreeda in seinem Film. Kein übersinnliches Bling-Bling oder ähnliches. Routine eben. Fühlt man sich bei Koreeda wie beim Arbeits- oder Finanzamt, wirkt Bihegues Inszenierung Dank des Sprechchores wie eine Art Anhörung.

Die Mitglieder des Chores ziehen uns unwillkürlich tiefer in die Geschichte. Sie erzählen von Personen, die Schwierigkeiten gehabt haben, sich eine besondere Erinnerung auszusuchen oder die sich verweigert haben. Begleitet wird dies von Familienaufnahmen aus den 60er/70er Jahren, die typische Feierszenen zeigen. Passend dazu war das Lied der Carpenters „Yesterday Once More“ das musikalische Leitmotiv, auch hier geht um Erinnerungen.

Ein schönes, kurzes, aber intensives Theaterstück zum Nachdenken über das Leben und was einem wirklich wichtig ist unter Beteiligung des engagierten Sprechchores, der diesmal Unterstützung bekam vom Kindersprechchor.

Termine und Karten: http://www.theaterdo.de