Digital ist besser – auch fürs Theater?!

Wie man den Songtitel von Tocotronic interpretiert, bleibt jedem selbst überlassen, aber das Digitale wird auch die Welt des Theaters verändern. Die Bretter, die die Welt bedeuten, werden sich wandeln müssen, wenn sie in einer Welt voller digitaler und virtueller Möglichkeiten bestehen möchten.

Das Theater der Zukunft soll die Akademie für Digitalität und Theater begleiten, die mit ihrer ersten Konferenz „ENJOY COMPLEXITY – Konferenz für Digitalität und Theater“ vom 23. bis zum 25. Februar 2018 in der ehemaligen Grundschule in Dortmund-Kley ihr erstes Lebenszeichen von sich gab. Die Akademie soll als sechste Sparte des Theaters fungieren.

Die Presseführung zeigte bereits Einblicke in die Zukunft: Mario Klingemann zeigt wie neuronale Netze halb-autonom Bilder und Filme generieren. So erhofft er sich Antworten auf die Fragen, wie Kreativität, Kunst und deren Wahrnehmung funktionieren.

"Amygdala" von Mario Donnarumma in Aktion. Amygdala ist ein Gebiet im Gehirn, das für Emotionen wie Angst zuständig ist.
„Amygdala“ von Mario Donnarumma in Aktion. Amygdala ist ein Gebiet im Gehirn, das für Emotionen wie Angst zuständig ist.

Beeindruckend war auch die Installation von Marco Donnarumma. Seine Installation „Amygdala“ ist ein Roboterarm, dessen Aufgabe es ist, ein Ritual namens „Hautschneiden“ zu lernen. Seine Bewegungen sind nicht vorprogrammiert, sondern reagieren spontan und schrittweise durch die Aktivität der neuronalen Netzwerke.

Augmented Reality ist das Thema der Mixed Reality-Installation „VerteXplusfuxxtorX“ von Chris Bruckmayr und den Ragdoll Twins. Hier kann man durch den Blick eines Tablets in eine veränderte Welt blicken, in der das reale Leben mit dem digitalen verschmelzen kann.
Die Dortmunder Firma „Puppeteers“ beschäftigt sich mit Thema Motion-Tracking. Die kreative Möglichkeit dies jetzt auch in Echtzeit darstellen zu können, eröffnet ganz neue Perspektiven für innovative experimentelle und künstlerische Darstellungsformen.

Die Konferenz fand aber nicht nur in der Kleyer Grundschule statt, sondern es gab für die Teilnehmer auch die Möglichkeit, am Schauspielhaus einige Vorstellungen zu besuchen wie beispielsweise „4.48 Psychose“. Hierzu gehörte auch das Konzert von Moritz Simon Geist, dessen elektronische Tanzmusik von zahllosen Robotern live erzeugt wurde. Ein spannendes Konzerterlebnis mit Licht, Sound und Video.




Der schwierige Weg der Selbstfindung

Am 23.02.2018 konnte das Publikum die Premiere der Stückentwicklung „Wertvoll – am besten bist du als du selbst“ unter der Regie von Johanna Weißert und Klaus Fehling im Dortmunder Kinder- und Jugendtheater (KJT) erleben.

Es wird dort die problematische Selbstfindung junger Menschen in einer Welt mit starken Druck zur „Selbstoptimierung“ und Beeinflussung durch moderne digitale Medien wie etwa „Youtube“. Um im Leben erfolgreich zu sein, wird von klein an alles „geplant“ und diesem Ziel untergeordnet. Genug „Unterstützung“ gibt es von „Helikopter-Eltern“ und wenn man es sich leisten kann, einem professionellem „Coach“. Was zählt ist Geld und die Wirkung nach außen, mehr Schein als Sein.

Als ein Ergebnis solcher Einflüsse steht der erwachsene Alexander auf der leeren Bühne. Er wollte doch nur wertgeschätzt und als er selbst akzeptiert werden und hat alle „Erwartungen“ erfüllt.

Rückblickend erfährt das Publikum die Lebensgeschichte eines jungen Menschen, der zu Beginn als gedankenloser Gaffer eines schweren Unfalls zusammen mit anderen Fotos vom Ort des Geschehens postet.

Schon als Kleinkind wird Alexander von seine Helikopter-Eltern seine Zukunft geplant. Natürlich wird dem „kleinen Prinz“ jeder Wunsch von den Augen abgelesen und alle Schwierigkeiten aus dem Weg geräumt. Seine kleine Freundin von frühen Kindertagen Gretchen dagegen erkämpft sich ihren Weg und erkundet die Welt mit Neugierde. Sie hat eine große Sehnsucht nach dem weiten Meer und nach Freundschaft und sendet ihre Wünsche an eine imaginäre Macht im Weltall. Ihr zu Seite steht der im Leben abgestürzte Hubert.

Für Alexander geht alles scheinbar den gewünschten Gang. Der erste Schultag, Abitur und später ein profitabler Beruf als Versicherungsmakler und die Heirat mit dem „Youtube“-Star Miriam Miracle, obwohl er eigentlich Gretchen liebt.. Auf seinen seinen ehemaligen Schulkameraden Tom blickt er herab, der ja nur als Rettungs-Assistent arbeitet.

Erst spät wird er wach und und erkennt das Wesentliche…

Alexander (Thorsten Schmidt) wird von seinen Eltern (Bianka Lammert und Andreas Ksienzyk) gepampert bis sein Ego riesig wird. (Foto: © Birgit Hupfeld)
Alexander (Thorsten Schmidt) wird von seinen Eltern (Bianka Lammert
und Andreas Ksienzyk) gepampert bis sein Ego riesig wird. (Foto: © Birgit Hupfeld)

Eine geniale Idee für das assoziative Stück war der Einsatz einer riesigen weißen, aufblasbaren Figur auf der Bühne als Sinnbild des riesigen aufgeblasenen Egos für die Entwicklung von Alexander als einem jungen Menschen, der mehr aus Luft als aus einem Kern zu bestehen scheint. Eine passende musikalische Untermalung unterstützte das Geschehen auf der Bühne.

Ein großes Kompliment an die fünf SchauspielerInnen. Sie bewiesen große Wandlungsfähigkeit. Thorsten Schmidt als Alexander und Ann-Kathrin Hinz als Gretchen spielten ihre Charaktere in den verschiedenen Altersstufen humorvoll und glaubwürdig. Die komischen Moment kamen trotz aller Ernsthaftigkeit nicht zu kurz. Bianka Lammert überzeugte vor allem als Helikopter-Mutter und als „Youtube“-Star, Andreas Ksienzyk als Alexanders Vater, Hubert, Pfarrer und Schuldirektor und Philip Pelzer als Gretchens Vater und dem bodenständigen Tom.

Ein gleichermaßen unterhaltsamer wie nachdenklich machender Theaterabend im KJT.

Weitere Informationen und Aufführungstermine unter 0231/ 50 27 222 oder www.theaterdo.de