Tichy in der Chemo-Matrix

[fruitful_alert type=“alert-success“]Die Bühne sieht ein wenig aus wie die Brücke eines Raumschiffes. (Foto: © Birgit Hupfeld)[/fruitful_alert]

Stanisław Lem trifft auf „Die Matrix“. Live-Animation trifft auf reale Schauspieler. „Der Futurologische Kongress“ nach Lem mischt Zukunftsvisionen und Darstellungsformen. Ars tremonia war bei der Premiere am 11. Juni 2017 im Megastore dabei.

Ein Stück über die Zukunft in Räumen, die bald der Vergangenheit angehören. Denn das Schauspiel Dortmund wird das Megastore bald verlassen und wieder zurück in ihr angestammtes Domizil am Burgwall gehen.

Für den Schluss hat man sich was besonderes aufgehoben: Eine Live-Animations-Performance. Die Idee hatten die Medienkünstler von sputnic unter der Leitung von Nils Voges. Manche werden sich an das Stück „Die Möglichkeit einer Insel“ erinnern, das 2015 Premiere feierte. Auch beim „Futurologischen Kongress“ gab es die Animationstafeln, die die Akteure auf einer Landwand zum leben erweckten. Daneben gab es Szenen mit Modellen und Puppen, die eher an Arbeiten von Klaus Gehre erinnerten, der ebenfalls in Dortmund inszenierte, beispielsweise mit „Minority Report“. Dazu gab es auch immer wieder Szenen, die live von Schauspielern Marlena Keil, Frank Genser, Friederike Tiefenbacher und Uwe Schmieder gespielt wurden. Musik kam vom musikalischen Leiter Tommy Finke.

Die Handlung orientiert sich an Lems Erzählung „Der Futurologische Kongress. Aus Ijon Tichys Erinnerungen“. Astronaut und Wissenschaftler Tichy wird von seiner Raumstation zurück auf die Erde befohlen. In Costricana findet der Futurologische Kongress statt. Doch Proteste begleiten den Kongress. Im Laufe der Auseinandersetzungen zwischen Polizei, Militär und Demonstranten werden auch psychotrophe Substanzen eingesetzt. Dennoch eskaliert die Gewalt und Tichy sowie sein Bekannter, Professor Trottelreimer, kommen ums Leben, nur um etwa 60 Jahre später wieder zu erwachen. Und zwar im Körper einer Frau. Inzwischen lebt die Gesellschaft in einer Chemokratie, bei der die Einnahme von Pillen zur Grundvoraussetzung gehört. Doch was ist Realität und was nicht?

Die Frage nach der Realität scheint ein beliebtes Thema in der Science-Fiction zu sein. Sputnic zitiert auch beispielsweise aus den „Matrix“-Filmen, gegen Ende muss sich Tichy zwischen der roten und der blauen Pille entscheiden. Lems Erzählung – eigentlich gegen das kommunistische System in seinem Heimatland Polen gerichtet – hat auch in der kapitalistischen Welt seine kritische Berechtigung. Gewalt gegen Demonstranten, Einschränkung von Bürgerrechten sind aktuelle Probleme und Herausforderungen. Tichy wird von Frank Genser und Marlena Keil (ja, der Körpertausch) herrlich dargestellt. Der männliche und weibliche Aspekt von Tichy kamen gut zur Geltung. Auch Uwe Schmieder als überdrehter Professor Trottelreimer war klasse. Friederike Tiefenbacher sprach die künstliche Intelligenz „Automaty“, die ebenfalls an die Matrix erinnerte.

Wobei alle Schauspieler die Doppelfunktion als „Animateure“ und Schauspieler mit Bravour hinbekamen.

Wer „Die Möglichkeit einer Insel“ liebte, sollte den „Futurologischen Kongress“ nicht verpassen.

Karten und Informationen unter www.theaterdo.de




Zauberhaftes „Acis and Galatea“

[fruitful_alert type=“alert-success“]Jede Sekunde fühlte man sich in die Barockzeit zurückversetzt. (Foto: © Bülent Kirschbaum) [/fruitful_alert]

Als szenische Oper wurde die Masque in zwei Akten „Acis and Galatea“ nach dem mythologischen Stoff von Ovid in der musikalischen Neubearbeitung von Georg Friedrich Händel (1685-1759) am 10. Juni 2017 im Orchesterzentrum als ein besonderes Klangvokalerlebnis aufgeführt. Es wurde ein Klang und Augenschmaus für das Publikum. Nicht nur das in der Barockmusik erfahrene Collegium Marianum (Prag) unter der musikalischen Leitung von Jana Semerádová (auch an der Flöte), fünf hervorragend harmonierende SängerInnen mit klaren Stimmen, sondern auch das Marionettentheater Buchty a loutky (Prag) spielte mit ihren fein geschnitzten Puppen eine wichtige und mystische Rolle. Das Publikum wurden mit wunderbaren barocken Kostümen und Masken für die Sänger, und fantasievollen und liebevoll entwickelten Marionetten in ein barocke Zeit vor etwa dreihundert Jahren versetzt.

Die Bühne für das Puppentheater und auch die SängerInnen war dreigeteilt. Neben dem üblichen Mittelteil für die Handelnden gab es noch zwei seitliche runde fenster mit goldenen Vorhängen und dahinter durchsichtigen Gardinen. Das ermöglichte einen fantasievollen Perspektive-Wechsel für Sänger und Puppen. Die Sänger waren mal vor der Puppenbühne, mal agierten sie darin.

Die Geschichte ist kurz erzählt: Der Hirte Acis (Tenor Benedikt Kristjánsson), liebt die Nymphe Galatea (Sopran Sophie Junker). Beide sind glücklich doch der Riese Polyphemus (Bariton Tomáš Král) will sie unbedingt für sich gewinnen. Am Ende erschlägt er Acis mit einem Stein, doch Galatea kann ihn durch einen Zauber in eine türkisfarbenen Fluss (ewige Liebe) verwandeln. Zur Seite standen immer die Freunde Damon (Tenor Patrick Grahl) und Tityrus (Tomáš Lajkep). Es ist eine Ode für die Natur und die Liebe.




Aus der französischen Barock-Schatzkiste

[fruitful_alert type=“alert-success“]Barocke Schätze wiederentdeckt durch das Ensemble Correspondances. (Foto: © Bülent Kirschbaum)[/fruitful_alert]

In der Bonifatiuskirche gab es am 09. Juni 2017 ein Wiedersehen mit dem Ensemble Correspondances. Spielten sie 2015 noch eine Mischung von italienischen und französischen Barockkomponisten, galt ihr Fokus auf wieder entdeckter Barockmusik aus Frankreich. Zum ersten mal seit 300 Jahren erklang die Musik wieder im öffentlichen Raum.

Eine zweite Änderung zu 2015 gab es auch in der Programmausrichtung. Standen 2015 noch sakrale Lieder im Vordergrund, wurde es dieses Jahr überwiegend weltlich. Gespielt wurde Komponisten wie Françoise de Chancy, Antoine de Boësset, Jacques Champion de Chambonnières, Pierre Guederon oder Louis Couperin. Die meisten Kompositionen stammen aus der Zeit des 30jährigen Krieges und während in Frankreich der Barock zur Blüte getrieben wurde, versank der größte Teil von Deutschland in Schutt und Asche. Die „Klänge der Nacht“ – so der Name des Programms – bezieht sich aber mehr auf die Nymphen, Ungeheuer und anderen mythologischen Gestalten. Wälder waren damals noch gefährlich („Noires Forets“) und verlorene Liebe wurde melancholisch beklagt.

Den ganzen Zauber der barocken Welt brachten die Musiker mit ihren typischen Instrumenten wie Theorbe oder einer barocken Viola musikalisch wunderbar rüber und auch die Sängerinnen und Sänger zeigten ihr großes Können. Dirigent Sébastian Daucé präsentierte ein rundes Programm, das den Geist des Barockes in jeder Sekunde atmete. Leider sorgte die Bonifatiuskirche, als doch eher moderne Kirche, nicht dafür, das barocke Feeling zu verstärken.

Insgesamt war es ein gelungenes Konzert wirklich erstklassiger Musiker und Solisten, die es von der ersten Note an schafften, ihre Zuhörer musikalisch ins Frankreich des 17. Jahrhunderts zu versetzen.