Der Briefroman wird digital

Wird die virtuelle Nähe durch die reale Nähe durchbrochen oder nicht? Katja Heinrich (Emmi) und Harald Schwaiger (Leo) (Foto: © Mario Perricone)

Die E-Mail hat den Briefverkehr revolutioniert. Zumindest was die Wartezeiten angeht. Dauerte beispielsweise eine Schachpartie zwischen einem Deutschen und jemanden aus Australien mehrere Jahre, ist die Zeit zwischen den Antworten deutlich kürzer geworden. So kann ein moderner Briefroman wie „Gut gegen Nordwind“ von Daniel Glattauer auf die langwierigen Zustellzeiten verzichten. Doch eines bleibt damals wie heute aktuell: Wann schreibt er/sie mir endlich wieder. Zudem variiert Glattauer auch das schöne Thema: Zwei Menschen wollen zusammenkommen, aber irgendetwas passiert immer, dass es nicht klappt. Diese beiden „Königskinder“ werden gespielt von Katja Heinrich und Harald Schwaiger. Ars tremonia war bei der zweiten Vorstellung am 04. Februar 2017 im Theater im Dortmunder U dabei.

„Ever fallen in love with someone you shouldn‘t fallen in love with“ sagen die „Buzzcocks“ 1978. Auf Deutsch: Hast du dich schon mal in jemanden verliebt, in den du dich nicht verlieben solltest? Genau das passiert langsam aber sich den beiden Protagonisten in „Gut gegen Nordwind“.

Das Bühnenbild ist deutlich erkennbar in einen weiblichen und einen männlichen Bereich für die Protagonisten aufgeteilt.

Durch ein Tippfehler sendet Emmi Rothner eine E-Mail an Leo Leike statt an die Zeitschrift „Like“. Daraus entspinnt sich ein Briefwechsel zwischen den beiden, der anfänglich von Distanz geprägt wird, aber sich schnell in Vertrautheit wandelt. Doch so einfach ist es nicht: Leo hat eine kaputte Beziehung hinter sich und Emmi ist verheiratet. So wechselt Anziehung und Distanzierung hin und her.

Wie schnell die technische Entwicklung voranschreitet, sieht man an Glattauers Stück. Waren Briefe jahrhundertelang das A und O der schriftlichen Kommunikation, wurden sie von der E-Mail abgelöst. Doch 2017 wirkt das 2006 erschienene Buch, auf dem die Bühnenfassung von Glattauer und Ulrike Zemme fußt, bereits ein wenig antiquiert. Facebook, Instagram und WhatsApp scheinen für die Kommunikationsprofis – Emmi macht was mit Webseiten und Leo ist Kommunikationsberater und Uni-Assistent für Sprachpsychologie – komplettes Neuland zu sein.

Für die kleinen Unstimmigkeiten in der Vorlage können die beiden Schauspieler nichts. Sie überspielen die aus dem Ruder laufende E-Mail-Kommunikation mit großer Lust und Leidenschaft. In jeder Sekunde bangt man mit Emmi und Leo mit und hofft auf ein positives Ergebnis oder verzweifelt, weil irgendeine Kleinigkeit wieder einen Kompromiss verhindert hat. Heinrich spielt eine Emmi, die zunächst souverän agiert, aber sich immer mehr in ihre E-Mail-Freundschaft verliert. Schwaiger präsentiert einen kühlen, abgeklärten Leo, der ebenfalls wie Emmi, schnell eine Coolness verliert.

Was wäre wohl passiert, wenn Lotte und Werther schon über E-Mails verfügen könnten? Leo geht nicht den Weg von Werther, so viel sei verraten. Doch das Stück hat viele Überraschungen und sehr viel Tiefgang zu bieten. Und was gegen Nordwind hilft, erfahren Sie im Stück.

Zu austropott: 2012 taten sich zum ersten Mal Schauspieler aus Österreich und dem Ruhrgebiet zusammen, um gemeinsam eine Inszenierung auf die Bühne zu bringen – austroPott war geboren. Nach den Inszenierungen Kunst, Indien, Der Kontrabass und Die Wunderübung ist Gut gegen Nordwind die fünfte Produktion der Gruppe.

Infos über weitere Termine und Karten gibt es unter www.austropott.de




Say it loud – Die Fortsetzung folgt

Nach dem ersten Theaterprojekt mit Flüchtlingen „Say it loud- Storys from the brave new world“ unter der Leitung von Andreas Wrosch im Kinder- und Jugendtheater in Dortmund gibt es nun mit „Say it loud II“ eine Fortsetzung.

Im letzten Jahr ging es um die Beweggründe, Erlebnisse, Ängste,Träume, Hoffnungen und Enttäuschungen der Jugendlichen und Erwachsenen aus verschiedenen Fluchtländern. Die Spielfreude und die Dankbarkeit darüber, in Deutschland Schutz gefunden zu haben. Wer beim ersten Teil dabei war, wird einige bekannte Gesichter wieder erkennen.

In der Stückentwicklung zu „Say it loud II“ erzählen die elf jungen Frauen und Männer auf der Bühne nichts mehr über ihr persönliches Leben, sondern arbeiteten in einem Workshop zusammen mit Regisseur Wrosch die Geschichte von „Hänsel und Gretel“ als eine allgemeine Flüchtlingsgeschichte mit komischen und ironischen Elementen um. Aufgelockert wird die Erzählung durch Gesang, Musik und Tanzchoreografie.

Wie das Publikum am 03.02.2017 im Café des KJT schon einmal sehen und hören konnte, wurde das Stück durch den Beitrag eines jugendlichen Stand-up-Comedian mit albanischen Wurzeln mit viel Selbstironie bereichert. Vorurteile und Schubladendenken werden von ihm aufs Korn genommen. Unterstützt wurde das Team zusätzlich tatkräftig durch den kleinen Paul, ein Kind aus dem Umfeld der hiesigen Theaterszene.

Bei den Flüchtlingen blickt Dankbarkeit gegenüber Deutschland und der der Wunsch nach etwas Geduld (zum Beispiel etwa Schwierigkeiten mit der deutschen Sprache) bei der Bevölkerung durch. Das durch internationale Gäste aus Frankreich, Portugal und Schweden bereicherte Publikum war von der Vorab-Darbietung angetan und spendeten viel Beifall. Die Premiere des Stücks findet am 11.06.2017 um 18:00 Uhr im KJT statt. Weitere Informationen unter : www.theaterdo.de