Ausblick auf Faust II

Ein Abend für Steven McRae – der ungekrönte König der Internationalen Ballettgalas zeigte in der 24. Ausgabe am 24. September 2016 wieder, warum ihm das Dortmunder Publikum zu Füßen liegt: Exquisites klassisches Ballett und Stepptanz in Perfektion. Ansonsten bot die Ballettgala wieder einen Querschnitt unterschiedlicher Stile und einen Ausblick auf das neue Ballett von Xin Peng Wang.

Mit „Giselle“, „Scheherazade“ und „Don Quichotte“ kamen die Anhänger des klassischen Balletts auf ihre Kosten, leider verletzte sich Ekaterina Kondaurova bei ihrem ersten Stück am Fuß und daher entfiel ihr zweiter Auftritt nach der Pause. Bei „Don Quichotte“ konnten Iana Salenko und Steven McRae die Zuschauer begeistern.

Doch auch die Beiträge des modernen Tanzes bekamen viel Applaus. Choreograph Marco Goecke war mit „Tué“, getanzt von Drew Jacoby und „Black Swan“, getanzt von Mitgliedern des NRW Juniorballetts, doppelt vertreten. In beiden Stücken ist Goeckes avantgardistische Tanzsprache sichtbar.

Der Kubaner Miguel Altunaga vom Rambert Dance London erzählt in seinen eigenen Stücken viel über Liebe, Verlust und Hoffnung. Seine eigenen Choreografien unterstrichen seine enorme körperliche Beweglichkeit. Nach der Pause gab es erneut einen Auftritt von „Stammgast“ Steven McRae als Steppdancer, die bewies, warum der Titel „I got rhythm“ gut zu ihm passte.

Choreograph Itzik Galili begeisterte bei der 23. Internationalen Ballettgala mit dem Stück „Sofa“. Hier zeigten Alicia Amatriain und Friedemann Vogel vom Stuttgarter Ballett ein herausragenden Tanz mit Licht- und Schattenelementen.

Einen Ausblick auf das neue Stück „Faust II – Erlösung“ von Xin Peng Wang, das am 29.Oktober 2016 Premiere feiert, gab es ebenfalls zu bewundern. Den Schlusspunkt setzte „Cacti“ in der Choreografie von Alexander Ekman. Der Beginn erinnerte ein wenig an Zombiefilme und entwickelte sich zu einer Art Kampf der Tänzerinnen und Tänzer mit ihrem Quadrat.

Zwei Außenseiter werden Freunde

Das Ensemble des Stückes: (v.l.n.r.) Andreas Ksienzyk, Thorsten Schmidt, Bianka Lammert, Bettina Zobel, Rainer Kleinespel, Philip Pelzer und Talisa Lara. Foto: © Birgit Hupfeld)
Das Ensemble des Stückes: (v.l.n.r.) Andreas Ksienzyk, Thorsten Schmidt, Bianka Lammert, Bettina Zobel, Rainer Kleinespel, Philip Pelzer und Talisa Lara. Foto: © Birgit Hupfeld)

Mit „Rico, Oskar und die Tieferschatten“ nach dem gleichnamigen, preisgekrönten Jugendbuches von Andreas Steinhöfel (Bühnenfassung von Felicitas Loewe) steht im Dortmunder Kinder-und Jugendtheater ein echter Blockbuster auf dem Programm.

Regisseurin Antje Siebers verriet vorab zur Dramatisierung des Stoffes: „Das ist eine Geschichte von zwei Außenseitern. So unterschiedlich sie sind, vereint sie, dass sie oft alleine sind. Es ist eine Freundschaftsgeschichte und parallel dazu ein Krimi.“

Rico ist 11 Jahre und nach eigenen Angabe „tiefbegabt“, etwas langsamer und hat Konzentrationsschwierigkeiten. Man könnte sagen, er hat ein Aufmerksamkeits-Defizit-Syndrom (ADS). Zusammen mit seiner liebevollen Mutter Tanja, Geschäftsführerin eines Nachtclubs, lebt er in einem Wohnhaus in Berlin-Kreuzberg. Im Haus leben auch einige skurrile Bewohner. Zu ihnen hat Rico jeweils unterschiedliche Kontakt.

Rico ist ein Junge mit viel Fantasie und emotionaler Intelligenz. Er schließt Freundschaft mit dem hochbegabten und über-vorsichtigen Oskar. Als Schutz vor potentiellen Gefahren trägt dieser sogar einen Schutzhelm. Plötzlich verschwindet Oskar und es besteht der Verdacht, dass er von Mister 2000 entführt wurde. Dieser treibt seit einiger Zeit sein Unwesen in Berlin und verlangt immer genau 2000 Euro Lösegeld. Nun hat Oskar die schwere Aufgabe, seinen Freund zu befreien und gleichzeitig das Geheimnis der Tieferschatten zu lösen…

An Steinhöfel schätze ich vor allem seine liebevollen Beschreibung der einzelnen Typen ohne diskriminierend zu werden,“ so Siebers. Anders sein ist hier kein Makel, sondern Bereicherung.

Das Stück wird musikalisch von der speziell für die Aufführung von Michael Kessler komponierten Musik begleitet werden. Auf der Bühne wird ein einsehbares Wohnhaus stehen und Rico im Zentrum jeder Szene zu sehen sein.

Die Premiere des Stücks am Freitag, den 30. September 2016 um 19:00 Uhr ist schon ausverkauft. Für die zweite Aufführung am 2. Oktober 2016 um 16:00 Uhr im KJT gibt es aber auf alle Fälle noch Karten. Informationen zu weiteren Aufführungsterminen gibt es unter www.theaterdo.de

Mehr Dialog statt Wettstreit

Pia Bohr (links) und Sabine Held im Dialog der Künste.
Pia Bohr (links) und Sabine Held im Dialog der Künste.

Mit dem Begriff „Paragone“ verbindet man in der Kunstgeschichte einen künstlerischen Wettstreit innerhalb der bildenden Künste. In der Galerie Torhaus Rombergpark treten die Malerei (vertreten durch Sabine Held) und die Bildhauerei (vertreten durch Pia Bohr) gegeneinander an. Wer gewinnt? Oder geht es in der Ausstellung „Paragone“ vom 25. September bis zum 16. Oktober 2016 gar nicht ums Gewinnen, sondern eher um den Dialog zwischen den Künsten.

Die Frage der Künstler in der Renaissance und im Barock war: Welche Kunst bildet die Wirklichkeit besser ab? Bildhauerei, Malerei? Doch was ist mit der abstrakten Malerei, die überhaupt nicht den Anspruch hat, die Wirklichkeit abzubilden. Denn Bohr und Held arbeiten beide abstrakt.

So passiert durch den Aufbau der Ausstellung etwas anderes. „Es entsteht ganz viel Kommunikation zwischen den Arbeiten“, erklärt Pia Bohr. Die Bilder von Held hängen an der Wand und viele der Arbeiten von Bohr sind im Raum verteilt. Aber sie stehen dadurch immer in Beziehung zueinander.

Bei soviel Harmonie – was sind denn die Vorteile der jeweiligen Kunst? Für Pia Bohr hat die Bildhauerei drei wesentliche Pluspunkte: Die Haptik, die Dreidimensionalität und das prozesshafte Arbeiten mit dem Material. Für die Malerei führt Sabine Held folgende Argumente ins Feld: Die Farbigkeit, die Farbe frei vom Objekt zu gestalten und die Möglichkeit Geschichten zu erzählen, was allerdings nur für die realistische Malerei gilt.

Wie dem auch sei, einen Sieger wird es nicht geben, es gibt auch keine Medaillen zu gewinnen wie bei den Olympischen Spielen zwischen 1912 und 1948, die beiden Künste teilen sich das Torhaus schiedlich friedlich.

Zur Eröffnung am Sonntag, dem 25. September 2016 wird es einen performativen Dialog durch die Schauspieler Uta und Axel Holst geben.

Eine bunte Operetten-Gala

Unter dem Titel „Bei einem Tee à Deux“ lud Moderator Kammersänger Hannes Brock am Sonntag, den 18.09.2016 die Freunde der Operette wieder in das Dortmunder Opernhaus. Musikalisch begleitet wurde das vielseitige und bunte Programm des Abends von der Dortmunder Philharmoniker unter der locker-leichtfüßigen Leitung von Philipp Armbruster.

Sie begannen das Programm mit der Ouvertüre aus der „Lustigen Witwe“ von Franz Lehár.

Der Chor des Theaters Dortmund stand den acht hochkarätigen Interpreten bei einigen Nummern, wie etwa Emily Newton bei „Heia, heia, in den Bergen“ aus Emmerich Kálmáns „Die Csárdásfürstin“, tatkräftig zur Seite. Passend zu den jeweiligen Operetten wurden Fotos aus den entsprechenden Aufführung früherer Jahrzehnte in diesem Haus an die linke Wandseite projiziert. Neben Emily Newton versprühten Tamara Weimerich, Ashley Thouret und Almerija Delic Witz, Temperament und Freude am Gesang und Bewegung.

Auch die vier männlichen Pendants, Morgan Moody, Fritz Steinbacher, Luke Stoker und Joshua Whitener boten neben ihren guten Stimmen auch Kostproben ihres komödiantischen Talents.

So musste Luke Stoker beim „Fliegenduett“mit Ashley Thouret aus Jacques Offenbachs „Orpheus in der der Unterwelt“ zur Freude des Publikums in einem ganz besonderem „Insektenkostüm“ auftreten. Das tat er mit viel Sinn für Humor.

Einen Ausblick auf die Premiere von „Blume von Hawaii“ (Paul Abraham) im Januar 2017 gaben Tamara Weimerich und Morgan Moody mit dem komisch-lustigen Duett „Ich hab ein Diwanpüppchen“.

Die Bandbreite des Abends reichte von Operetten wie „Zigeunerliebe“ (Franz Lehár), Melodien aus Musicals wie „Maria“ aus Leonard Bernsteins „West Side Story“, weniger bekannten Stücken wie „Leise, ganz leise“ aus „Ein Walzertraum“ von Oscar Straus bis zu „If I loved you“aus „Carousel“ von Richard Rogers.

Ks. Hannes Brock bewies nicht nur als Moderator seinen gewohnten Witz und Selbstironie, sondern zeigte auch als Sänger und als Tänzer, was er alles noch drauf hat. Mit einem temperamentvollen Finale schickte das gesamte Gala-Ensemble das Publikum beschwingt nach hause.

Liebe oder gesellschaftlicher Aufstieg?

Auch in der Liebe gilt: Alles hat ein Ende, nur die Wurst hat zwei. (v.l.n.r. Bettina Lieder,  Frank Genser, Julia Schubert, Christoph Jöde und Max Thommes) Foto: © Birgit Hupfeld.
Auch in der Liebe gilt: Alles hat ein Ende, nur die Wurst hat zwei. (v.l.n.r. Bettina Lieder,
Frank Genser, Julia Schubert, Christoph Jöde und Max Thommes) Foto: © Birgit Hupfeld.

Immerhin geht es trotz Krise den Friseuren anscheinend prima, zumindest in der Inszenierung von „Kasimir und Karoline“ in der Regie von Gordon Kämmerer, die am 18. September im Megastore Premiere hatte. Die Kostüme und Frisuren wirkten leicht skurril und hatten einen leichten Comic-Touch. Hinzu kamen choreografische Elemente, die aus dem tragikomischen Stück eine flotte Unterhaltungspartie machte. Eben wie auf dem Rummel, Glück und Elend liegen eng beieinander und manchmal ist der Partner auf dem Nachhauseweg ein anderer als auf dem Hinweg.

„Kasimir und Karoline“ von Ödön von Horváth spielt in den Jahren der Weltwirtschaftskrise des 20. Jahrhunderts. Aber das Stück kann problemlos in die Jetztzeit verlegt werden, denn Wirtschaftskrise ist immer noch aktuell. Passend zur Jahreszeit spielt das Stück auf dem Oktoberfest. Kämmerer verzichtete – anders als die Düsseldorfer beim Theatertreffen 2014 – auf eine Verortung in heimische Gefilde.

Kämmerer beginnt mit einer Szene aus einem anderen Stück von von Horváth nämlich „GlaubeLiebeHoffnung“, in der eine Frau ihren Körper an die Anatomie verkaufen möchte. Diese Idee ist nicht neu, denn Jette Steckel hat es 2015 im Thalia Theater ähnlich gemacht. Glücklicherweise geht Kämmerer direkt danach straff zum eigentlich Stück über: Kasimir (Ekkehard Freye) und Karoline (Julia Schubert) möchten einen Abend auf dem Oktoberfest verbringen. Die Stimmung ist getrübt, denn Kasimir hat vor einem Tag seinen Job verloren. Kasimirs depressive Stimmung vertreibt Karoline, die mit dem Zuschneider Schürzinger (Frank Genser) eine passende Begleitung kennenlernt. Kasimir hingegen trifft seinen kriminell gewordenen Freund Merkl Franz (Christoph Jöde) mit seiner Freundin Erna (Bettina Lieder). Doch auch das aufkeimende Glück von Karoline wird gestört, als zwei Herren der gehobenen Gesellschaft, Kommerzienrat Rauch (Carlos Lobo) und Landgerichtsdirektor Speer (Max Thommes) ein Auge auf Karoline werfen.

Trotz der leicht schrillen Inszenierung (Jugendlichen wird‘s vermutlich gefallen), strahlt dieses Stück eine melancholische Stimmung aus. Kasimir, auch wenn er am Schluss mit Erna möglicherweise sein Glück und seine Bestimmung findet, muss den Verlust seiner Liebe Karoline verwinden. Karoline ist in gewisser Weise berechnend, denn sie will auf gesellschaftlicher Ebene aufsteigen und schafft es mit Schürzinger. Denn auch Schürzinger tauscht Liebe für Karriere, er überlässt Karoline seinem Chef Rauch für eine Beförderung. So gesehen passen beide gut zusammen.

Kämmerer inszeniert sein Stück passend für einen Rummelplatz. Schrill, laut, rasant (die umgebauten Carts sind ein Hingucker) und strafft den Horváth. So lässt er beispielsweise die menschlichen Kuriositäten wegfallen. Zwar ist der Beginn aus „GlaubeLiebeHoffnung“ in meinen Augen etwas merkwürdig, der zweite eingebaute Text von Horváth, der kleine Monolog „Die Wiesenbraut“ über die Rolle von manchen Mädchen auf dem Oktoberfest, ist aber sehr passend.

Das Ensemble macht einen guten Job, es harmonisiert sehr und es macht Spaß, ihnen beim der Handlung durch das Festzelt mit den riesigen Weißwürsten zu folgen. Musik gibt es in zwei Varianten: Hauptsächlich durch den Elektronik-Musiker Max Thommes, der passende Rummelplatz-Musik einstreut und dem Fanfaren-Corps 1974 Dortmund-Wickede, der für die entsprechende Bierzelt-Atmosphäre sorgt.

Auf dem Rummelplatz sind alle gleich, sagt Kommerzienrat Rauch einmal. Auf den ersten Blick vielleicht, aber es macht schon einen Unterschied, ob man einmal die teure Achterbahn fahren kann oder öfters. Das Stück und die Inszenierung ist eine absolute Empfehlung, vor allem für junges Publikum.

Mehr Infos: www.theaterdo.de

 

Die Demokratie auf wackeligem Fundament

Kaum gewählt wird der Abgeordnete (Sebastian Kuschmann) von der Basis (Dortmunder Sprechchor) in die Mangel genommen. (Foto: © Birgit Hupfeld)
Kaum gewählt wird der Abgeordnete (Sebastian Kuschmann) von der Basis (Dortmunder Sprechchor) in die Mangel genommen. (Foto: © Birgit Hupfeld)

Die Französische Revolution ist die Geburtsstunde des modernen Europas. Das Bürgertum emanzipiert sich gegenüber dem Adel und wird endgültig politische Kraft. Die Ideale „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit“ verbreiten sich über ganz Europa. Den ersten Schritt zur Revolution machten die Generalstände, die sich 1789 zur Nationalversammlung erklärten, mit dem Ziel Frankreich eine Verfassung zu geben. Mit dem Erwachen des Volkes erwachte auch der Volkszorn. In „Triumph der Freiheit #1“ nach dem ausgezeichneten Theaterstück „Ça ira (1) Fin de Louis (La Revolution #1)“ von Joel Pommerat geht es um die ersten Schritte der bürgerlichen Gesellschaft im Kampf um politische Macht. Ein Premierenbericht vom 16. September 2016.

Dass das Stück von Pommerat 2015 viele Preise in Frankreich abgeräumt hat, ist wahrscheinlich der Tatsache geschuldet, dass die Französische Revolution in den Genen der Franzosen verankert ist. Bei uns hier ist das eher ein Thema im Geschichtsunterricht. Je nach Aufmerksamkeit erinnert man sich noch an Namen wie Robespierre oder Danton und die Guillotine. Doch wie hat alles angefangen? Regisseur Ed. Hauswirth und Dramaturg Alexander Kerlin zeigen in ihrer Bearbeitung einen kleinen Politkrimi mit Intrigen, Finten und einem König, der vom Schachspieler zur Schachfigur mutiert. In der Inszenierung steht dabei nicht die historische Exaktheit im Mittelpunkt, sondern die Referenzen auf die Jetztzeit. Und davon gibt es mehr als uns lieb sein kann.

Bereits der Beginn ist hochaktuell: Frankreich ist 1789 so gut wie pleite. Staatsbankrott droht. Der Premierminister (gespielt von Andreas Beck) hat einen revolutionären Plan: Alle sollen sich gleichermaßen an den Staatsfinanzen beteiligen. Das kommt bei den privilegierten Ständen von Klerus und Adel gar nicht gut an. Eine Reichensteuer? Unvorstellbar! Daher verlangt der Adel die Einberufung des Generalstände, die seit über 150 Jahren nicht mehr getagt haben. Die einzelnen Stände sollen fein säuberlich getrennt tagen. Schnell ist den Abgeordneten des dritten Standes (Bürgertum) klar, dass sie nur Staffage sind und keinerlei politische Macht bekommen sollen. Die Unzufriedenheit wächst. Aus die Versammlung der Generalstände wird zur Nationalversammlung erklärt. Auf der Seite des Königs wie auch auf der Seite des Volkes wächst die Radikalität.

Ein Historienstoff im modernen Kostüm. Auch wenn das barocke Element in Kleidung oder Haartracht aufgenommen wurde, es wurde oft mit Ereignissen aus der Jetztzeit kombiniert. Der König (Uwe Rohbeck) wird per Videokonferenz zugeschaltet, bei der Berichterstattung über die Pariser Krawalle läuft ein Nachrichtenticker wie bei N24, die Ansprache des Königs auf dem Smartphone ist eine Reminiszenz auf eine ähnliches Ereignis nach dem Putsch in der Türkei.

Doch im Mittelpunkt des Stückes stehen die Diskussionen bei den Vertretern des Dritten Standes. Schon bald macht sich eine Radikalisierung und Aufspaltung in verschiedene Fraktionen breit, deren Gräben immer tiefer werden. Lefranc (Marlena Keil), ist eine radikale Politikerin, die die

Unzufriedenheit des Volkes schürt und mit geheimen Todeslisten arbeitet. Dem Vertreter Carray (Sebastian Kuschmann) wird Verrat an den Zielen des Volkes vorgeworfen. Er bekommt, auch eine kleine Anspielung, eine Torte ins Gesicht. Der Kampf zwischen Gemäßigten wie Gigart (Uwe Schmieder) und Boberlé (Caroline Hanke) und den radikalen Vertretern verläuft nicht immer starr. Es gibt Koalitionen und Zerwüfnisse je nach Entwicklung der Ereignisse.

Ein weiteres Thema in dem Stück spielt die Flüchtlingsproblematik. Hier sind sie keine Bootsflüchtlinge, sondern ausländische Soldaten, die für die Staatsmacht das aufständische Volk bekämpfen. Die Aufstände werden unter dem bekannten Schlachtruf „Wir sind das Volk“ begleitet. Hier verliert die junge Demokratiebewegung auch ihre Unschuld, indem sie gefangene Soldaten töten lässt.

Ein gelungenes Element im Stück war die Bühne. Sie stand in der Mitte des Raumes und war wie eine riesige rechteckige Wippe. Auf großen Federn gelegen zeigte sie die Fragilität der Demokratiebewegung, der Schritt ließ die Bühne in eine andere Richtung kippen.

Die Schauspieler inklusive des Dortmunder Sprechchors zeigten eine sehr kompakte Vorstellung. Herauszuheben ist Uwe Rohbeck als König, der vom mutmaßlichen Entscheider zum Getriebenen wird und trotz des Mantras „Wir schaffen das schon“ am Ende allein da steht. Ein bitteres Bild zum Schluss, als sich alle Figuren von ihm wegdrehen.

„Triumph der Freiheit“ ist mit Sicherheit mehr politisches Theater als historisches. Historische Genauigkeit stand nicht im Zentrum des Stückes, sondern die politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen und die haben manchmal erschreckende Parallelen zum Heute. Es lohnt sich, dieses Stück anzusehen, denn es wird nicht nur gezeigt, was passiert, wenn die Büchse der Pandora (Volkszorn) geöffnet wird, sondern auch wie Politik in den Hinterzimmern funktioniert.

Weitere Infos unter www.theaterdo.de

Geplagt von Gewissensbissen

Kurzes Glück vor der Katastrophe: Lucian Krascnec (Faust), Eleonore Marguerre (Marguerite) ©Thomas Jauk, Stage Picture.
Kurzes Glück vor der Katastrophe: Lucian Krascnec (Faust), Eleonore Marguerre (Marguerite)
©Thomas Jauk, Stage Picture.

Die Premiere von Charles Gounods (1818-1893) „Faust (Margarethe) nach J.W. Goethe unter der Regie von John Fulljames hatte in der Oper Dortmund am 17.09.2016 keinen leichten Stand.

Am gleichen Tag lockte ja zum Beispiel die Museumsnacht viele Menschen zu anderen Orten hin.

Wer sich dennoch ins Opernhaus begab, erlebte eine bewegende Inszenierung mit erstklassigen Sängern und einem beeindruckenden Gast-Schauspieler. Das Geschehen auf der Bühne wurde von emotionale romantische Musik von Gounod durch die Dortmunder Philharmoniker unter der souveränen Leitung von Motonori Kobayashi sensibel begleitet.

Fulljames hatte sich einen Kniff ausgedacht. Der alte Faust (Schauspieler David Koch) lässt sein Leben kurz vor seinem Tod Revue passieren. Natürlich spielt die Episode mit Margarethe eine wichtige Rolle. Von Gewissensbissen geplagt muss er alles noch einmal erleben. Auch wenn der alte Faust fast gar nicht sprach, war es beachtlich, wie dieser durch Gesten und Bewegungen die unterschiedlichsten Gefühle, wie zum Beispiel Begierde und Verzweiflung transportieren konnte.

Die karge leere Bühne mit nur einer großen Öffnung von der Decke und zwei Luken an der Seite bildete den düsteren Rahmen für den alten Dr. Faust. Lebensmüde hängt er am Tropf grämt sich, das er sein Leben hauptsächlich der Wissenschaft gewidmet hat. In seiner Verzweiflung ruft Faust den Teufel um Hilfe. Diese erscheint in Gestalt seiner Krankenschwester. Karl-Heinz Lehner spielt einen wahrhaft diabolisch-zynischer Méphistophélès überzeugend und mit komödiantischem Talent. Mit seiner prägnanten Stimme ist er eine Idealbesetzung für den Teufel.

Als dieser dem Faust in einer Vision das Bildnis seiner Jugendliebe Marguerite vor Augen führt, will der alte Mann nur noch eins, wieder jung sein. Er verspricht dem Teufel im Gegenzug seine Seele. In seinen jungen Jahren hatte Faust ein Verhältnis mit der Marguerite, die er dann schwanger im Stich ließ. Das Gewissen plagt ihn vor allem so kurz vor dem Lebensende. Nun erlebt er das damals Geschehen ohne wirklich eingreifen zu können.

Mit intensiven Spiel und starken Stimmen beeindrucken Eleonore Marguerre als Marguerite und Lucian Kraznec als junger Faust. Ein umgekehrt von der Decke hängender Baum dient als Symbol des Lebens und der Natur. Wichtige Nebenrollen spielen Gerado Garciacano als Marguerites Bruder Valentin und Ileana Mateescu als Verehrer Siébel.

Valentin, Soldat und Beschützer seiner Schwester, wendet sich von ihr ab, als sie die „Ehre“ der Familie nach seiner Ansicht beschmutzt. Noch im Sterben verflucht er Marguerite und bleibt in seinen starren, archaischen Weltbild verhaftet.

Sein Freund Sibél, ein sensibler junger Mann, ist aufrichtig in Marguerite verliebt. Diese fühlt sich jedoch durch den von Faust durch den Teufel in einer Kiste geschenktem teuren Kleid und Schmuck geschmeichelt und in ihrem Selbstbewusstsein gestärkt.

Die große Rolle des Mammons und die Lebensgier-und Lust in der Gesellschaft wird beim „Tanz um das goldene Kalb“ und durch den Opern- und Extrachor und der Statisterie des Theaters Dortmund unter der Leitung von Manuel Pujol gut und plastisch dargestellt. Diese Gesellschaft wendet sich gnadenlos und heuchlerisch von Marguerite ab, als die unverheiratete Frau schwanger sitzen gelassen wird. In der letzten Konsequenz wird sie dazu getrieben, sogar ihr Kind zu töten.

Das Gounod nicht nur ein Komponist, sondern auch ein Geistlicher war, ist der Oper vor allem bei dem religiös-pathetischen Finale anzumerken.

Musikalisch sind die Einflüsse von Felix Mendelssohn Bartholdy und Richard Wagner deutlich zu spüren.Insgesamt ein gelungener Opernabend, der vom Publikum gebührend mit viel Applaus bedacht wurde. Weitere Informationen und Termine finden sie unter www.theaterdo.de

Auf dem Rummelplatz sind alle gleich

Kasimir (Ekkehard Freye) in schlechter Gesellschaft mit Merkl Franz (Christoph Jöde) und Dem Merkl Franz seine Erna (Bettina Lieder). (Foto: © Birgit Hupfeld)
Kasimir (Ekkehard Freye) in schlechter Gesellschaft mit Merkl Franz (Christoph Jöde) und Dem Merkl Franz seine Erna (Bettina Lieder). (Foto: © Birgit Hupfeld)

Oder auch nicht. In Ödön von Horváths Drama „Kasimir und Karoline“ geht es für die Protagonisten um die Frage, welchen Platz sie in der Gesellschaft einnehmen und ob die Liebe die Unterschiede ausgleichen kann. Premiere des Stückes in der Regie von Gordon Kämmerer ist am 18. September 2016 um 18 Uhr im Megastore.

Kasimir hat seinen Job als Chauffeur verloren, aber seine Verlobte Karoline möchte gerne auf den Rummelplatz, um für einen Abend die Sorgen des Alltags zu vergessen. Doch geht das überhaupt? Der Rummelplatz ist zwar ein Ort, bei dem die Standesunterschiede verwischen, ähnlich vielleicht wie im Fußballstadion, aber ganz verschwinden sie nicht.

Von Horváth hat das Stück kurz nach der Weltwirtschaftskrise geschrieben, es wurde 1932 aufgeführt. Doch von seiner Aktualität hat es bis heute nichts verloren.

Freuen können sich die Zuschauer auf den Musiker Max Thommes, der auch eine Rolle im Stück übernimmt und den Fanfaren-Corps 1974 Dortmund-Wickede, der für die entsprechende Rummelplatz-Musik sorgen wird.

Neben der Premiere am 18. September gibt es weitere Vorstellungen am 25. September, 01., 15. und 26. Oktober, 03., 11. und 18. November, 08. Januar 2017, 26. Februar 2017 und 05. Mai 2017. mehr Informationen unter www.theaterdo.de

Ça ira oder „Wir schaffen das“

Die königliche Familie: Uwe Rohbeck, Leonhardt Walkenhorst und Friederike Tiefenbacher. (Foto: © Birgit Hupfeld)
Die königliche Familie: Uwe Rohbeck, Leonhardt Walkenhorst und Friederike Tiefenbacher. (Foto: © Birgit Hupfeld)

Mit „Ça ira (19 Fin de Louis (La Révolution #1)“ hat Joël Pommerat das Stück des Jahres 2015 in Frankreich geschaffen. Das Schauspiel Dortmund zeigt eine Bearbeitung unter dem Titel „Triumph der Freiheit #1“, die am 16. September 2016 im Megastore um 19:30 Uhr Premiere feiert. Im Mittelpunkt stehen die Anfänge der französischen Revolution, die die Geburtsstunde des modernen Europas sind. Regie führt Ed. Hauswirth.

Mit einer Schuldenkrise fängt das Stück an. Nein, nicht Griechenland, 1788 ist der französische Staat zahlungsunfähig. Der König versucht nun, die Generalstände einzuberufen und den Adel sowie den Klerus davon zu überzeugen, sich an den Kosten des Staates zu beteiligen. Doch die privilegierten Stände lehnen ab und sorgen somit für politischen Zündstoff. Der dritte Stand, Bürger und Bauern, radikalisiert sich zusehends.

Es wird kein historischen Kostümtheater“, verspricht Dramaturg Alexander Kerlin. Die Atmosphäre wird vielmehr der Serie „House of Cards“ ähneln, so Kerlin. Also wird der Zuschauer in die Hinterzimmer schauen können. „‘Triumph der Freiheit‘ ist politisches Theater, aber unterhaltsam“, fasst der Dramaturg den Charakter des Stückes zusammen.

Neben zehn Schauspielern des Ensembles sind drei Videokünstler, der musikalische Leiter Tommy Finke und der Dortmunder Sprechchor mit dabei.

Die ersten beiden Aufführungen sind bereits ausverkauft, für die dritte Vorstellung am 09. Oktober sind bereits die Hälfte der Karten verkauft. Weitere Vorstellungen sind am 27. Oktober sowie am 04. und 12. November 2016. weitere Informationen unter www.theaterdo.de

Schauspiel bleibt länger MEGA

Der Megastore bleibt länger Heimat des Dortmudner Schauspiels. (Foto: © Dirk Baumann)
Der Megastore bleibt länger Heimat des Dortmunder Schauspiels. (Foto: © Dirk Baumann)

Eigentlich war geplant, dass das Schauspiel Dortmund im Dezember 2016 aus dem Provisorium „Megastore“ wieder zurück ins Schauspielhaus kommt. Aber wie so oft, die Umbauarbeiten verzögern sich und so muss das Schauspiel bis zum Ende der Spielzeit 2016/17 im Megastore bleiben. Dadurch verändert sich aber auch einiges im Spielplan.

Zunächst das Positive: Die als „beste Inszenierung“ ausgezeichnete Produktion „Die Borderline Prozession“ wird bis auf weiteres im Spielplan bleiben.

Unverändert blieben auch die ersten Premieren: Triumpf der Freiheit #1 (16.09.16), Kasimir und Karoline (19.09.16), die Simulanten (23.09.16) und Truck Tracks Ruhr #4 – Album Dortmund (06.10.16).

Das geplante Theaterfestival „Teatre 54“ entfällt, dafür gibt es am Wochenende vom 21.10. bis 23.10.16 drei Premieren. Den Anfang machen „Das Interview“ (21.10.16, 19:30 Uhr) und „Heimliche Helden“ (21.10.2016, 21 Uhr). Am 23.10.16 feiert „Die schwarze Flotte“ Premiere.

Da das Schauspielhaus und das Studio noch nicht wieder bespielbar sind finden die Premieren von „Furcht und Elend des Dritten Reiches“ (10.12.16) und „Furcht und Hoffnung in Deutschland: ich bin das Volk“ (17.12.16) im Megastore statt.

Für alle diejenigen, die sich Silvester schon auf die „Die Show“ gefreut haben, müssen enttäuscht werden, dafür wird die Produktion „Geächtet“ in der Regie von Kay Voges gezeigt. Der Intendant muss auch noch Ersatz für den gecancelten „Faust“ schaffen. Eine Stückentwicklung ist bereits in Arbeit.

Weitere Premieren, die ins Megastore umziehen müssen sind: „Über das Unerwartete“ (11.03.2017), „Flammende Köpfe“ (25.03.2017), „Die Wiedervereinigung der beiden Koreas“ (08.04.2017), „Mr. Vertigo“ (27.05.2017) und „Nach Manila. Ein Passionsspiel nach Ermittlungen auf den Philippinen“ (03.06.2017).

Enttäuschung für Punkfans, denn die Punkstelle mit den „Kassierern“ muss auf die Spielzeit 2017/18 verschoben werden.

Dafür werden die Studio-Produktionen „Endspiel“ und „4.48 Psychose“ in den Megastore übernommen. Die Reihen „The Mundorgel Project“, „Blackbox“ und „Spielbar“ werden ebenfalls dort fortgesetzt.

Abonnenten melden sich bei Fragen beim Aboservice unter 0231/50 22 442. bereits gekaufte Karten können an der jeweiligen Vorverkaufskasse zurückgegeben oder umgetauscht werden.