Abheben mit einem Lada

Zu einem Roadmovie gehört auch das passende Gefährt. (v.l.n.r.) Philip Pelzer, Talisa Lara und Thorsten Schmidt. (Foto: © Birgit Hupfeld)
Zu einem Roadmovie gehört auch das passende Gefährt. (v.l.n.r.) Philip Pelzer, Talisa Lara und Thorsten Schmidt. (Foto: © Birgit Hupfeld)

Es gab schon viele Road-Movies, auch schräge, aber „Tschick“, nach dem gleichnamigen Buch von Wolfgang Herrndorf, ist eine Art „Huckleberry Finn“ im 21. Jahrhundert. Damals konnte man Abenteuer am Fluss erleben, heute entlang der Autobahnen. Andreas Gruhn, der Leiter des Kinder- und Jugendtheaters, wird das Stück selbst inszenieren. Die Premiere ist am 20. Mai 2016 um 19 Uhr im KJT.

Die Geschichte zweier Außenseiter: Maik (14) wird in den großen Ferien von seinen Eltern alleingelassen. Aber sein Vater hat ihm 200 € dagelassen. Zu allem Überfluss wird er auch nicht zur Geburtstagsparty der Klassenschönheit Tatjana eingeladen. Da kommt sein Freund Tschick, der schon mal mit einer Alkoholfahne in den Unterricht kommt, um die Ecke mit einem geklauten Lada. Die Spritztour kann beginnen. Unterwegs treffen sie auf weitere seltsame Menschen.

„Tschick ist eine Geschichte mit Boden, die aber abhebt“, erklärt Gruhn. „Sie lässt uns mit den beiden Jungs treiben.“ Statt an einem Fluss entlang erleben Maik und Tschick die seltsamen Abenteuer in der brandenburgischen Provinz.

Mit dabei sind drei neue, junge Schauspieler des Ensembles. Thorsten Schmidt übernimmt den Part des Tschick, Philip Pelzer spielt Maik und Talisa Lara stellt Isa dar.

Auf der Bühne steht ein echter Lada und die Umgebung wird mit abfotografierten Filmsets silmuliert, so entstehen mehr naive als realistische Landschaften. Normalerweise spielt in solchen Roadmovies die Musik eine wichtige Rolle, aber für Andreas Gruhn sind die Geräusche von größerer Bedeutung. Da die Jungs auf ihrer Reise eine Kassette von Richard Clydermann finden, wird dessen „Ballade pour Adelaine“ zu hören sein.

Im Gegensatz dazu wird in dem Stück viel mit Video gearbeitet, da Tschick und Maik einen Videoblog über ihr Abenteuer machen.

Die Premiere ist bereits ausverkauft, aber es gibt noch Karten für den 28. und 29. Mai sowie den 18. und 19. Juni 2016.

Mehr Infos unter www.theaterdo.de




Songs aus einem multikulturellem Schmelztiegel

Am zweiten Tag des Festivals „klangvokal“ stand im domicil „Songs of Thessaloniki“, präsentiert von der charismatischen Sopranistin Savina Yannatou und „Primavera de Salonico“ (sechs Instrumentalisten), auf dem Programm. Das griechische Thessaloniki war in den letzten Jahrhunderten ein Schmelztiegel verschiedener Kulturen.

Jüdisch-spanische, türkische, griechische, armenische, orientalische oder arabische Kulturen sowie Einflüsse aus dem Balkan haben in dieser Stadt Spuren und ihr altes Liedgut hinterlassen.

Um diesen musikalischen Schatz zu neuem Leben zu erwecken, begleiten die Musiker Yannatou mit Kontrabass, Violine, Percussion, Akkordeon, aber auch mit traditionellen Instrumenten wie der Kurzhalslaute Oud, der Kastenzither Kanun, der arabischen Ney-Flöte oder der Rahmentrommel.

Dabei werden die alten Lieder unterschiedlicher Völker, angesiedelt in unterschiedlichen Epochen, auf eine respektvolle und sensible Art neu arrangiert.

Den meisten Songs handeln von Liebe, Leid und Sehnsucht auf ein besseres Leben. So wundert es nicht, das eine schwermütige Klangfarbe bei den Liedern vorherrscht. Auch wenn das Publikum die Texte in den verschiedenen Sprachen nicht wörtlich versteht, wird deren Aussagekraft durch die betörende Stimme und Gesten von Yannatou sowie der instrumentalen Begleitung und Umsetzung fühlbar. Manchmal ist da weniger mehr, wie zum Beispiel bei dem einem türkischen Bektaschi-Sufi. Es genügt hier eine sparsame Begleitung mit der arabischen Ney-Flöte und einer Rahmentrommel. Beeindruckend war die Interpretation des sephardischen Volksliedes „La Cantiga del Fuego“, Es handelt vom gewaltigen Feuer 1917 im jüdisch geprägten Stadtzentrum von Thessaloniki.

Ein besonderer kultureller Einfluss sei hier noch erwähnt: Das irische Lied „Salonika“ aus der bedrückenden Zeit des ersten Weltkriegs. Mit seinem bitteren Text erinnert die neuen Fassung der griechischen Musiker den Moritaten von Berthold Brecht.

Savina Yannatous Gesang überzeugt sowohl bei den leisen-sphärisch sakralen, wie auch bei den intensiv-kraftvollen Songs. Die sechs Instrumentalisten konnten ihr Können auch bei den Solo-Partien beweisen.Ohne Zugaben kamen die Künstler natürlich nicht von der Bühne.

Das Publikum bekam einen interessanten Einblick in den reichhaltigen Einfluss der unterschiedlichen Kulturen und deren besondere und oft positiven Wirkung auf das Leben in Thessaloniki.




Krimi in gespannter Atmosphäre

Grappa ermittelt zwischen Islamismus und rechter Gewalt. (Cover: © grafit-Verlag)
Grappa ermittelt zwischen Islamismus und rechter Gewalt. (Cover: © grafit-Verlag)

Schon ein Blick auf das Cover des neuen, nun schon 26., Krimis um die engagierte „Bierstädter“ (Dortmunder) Polizeireporterin Maria Grappa von Gabriella Wollenhaupt mit dem Titel „Grappa greift durch“ zeigt anschaulich, um welches aktuell brisante Thema es darin geht; Das Gesicht einer bis auf die geschlossenen Augen schwarz verschleierten Frau.

Ausgerechnet Anneliese Schmitz, als Bistro-Besitzerin und gute Bekannte von Polizeireporterin Maria Grappa, muss in der Nähe ihrer Wohnung auf einem Spielplatz eine schwarz verschleierte Frau entdecken, die ihr totes Kleinkind schaukelt. Die kleine Öslem ist keines natürlichen Todes gestorben, und die junge Mutter Duru Sahin ist geschockt und nicht ansprechbar. Es stellt sich heraus, das der Vater des Kindes ein gesuchter IS-Terrorist ist. In einem Klima der Verunsicherung, vor allem nach den Anschlägen in Paris und Brüssel verpasst Chef Berthold Schnack der Journalistin einen Maulkorb. Was darf den Lesern zugemutet werden? Da muss Maria mit etwas Druck durchgreifen.

Es stellen sich einige Fragen. Ist Durus Vater , ein bekannter Iman in Bierstadt wirklich so ein toleranter und gemäßigter Moslem, wie er tut? Schließlich hat er seiner Zuflucht suchenden Tochter samt Enkelin diesen nicht gewährt.Dann gibt es da noch die moderne, aufgeschlossene und freiheitsliebende Freundin PerihanTercanli. Die ist in großer Sorge wegen ihres jüngeren Bruders Erkan, der in den Sog der radikalen Salafisten geraten ist. Dazu kommen noch Konflikte zwischen den braunen Mob und Flüchtlingen.Zwei weitere Morde geschehen und sowohl Fotograf Wayne Pöppelbaum wie auch Grappa und Freund Friedemann Kleist (Anti-Terror-Task Force) geraten in ernste Gefahr….

Neben gewohnt humorvoll-ironischen Bemerkungen zeichnet sich der Kriminalroman durch eine nachdenkliche Stimmung aus. Wollenhaupt gelingt es gut, die Stimmung der Verunsicherung aufzufangen. Sie vermeidet ein einfaches schwarz-weiß Denken ohne zu verharmlosen. Es wird ganz klar: Es gibt weder „Sicherheit-Garantien“ noch einfache Lösungen für das Flüchtlingsproblem, den IS-Terror und braunen Populismus. Wichtig sind aber Offenheit, Aufmerksamkeit, Respekt und Achtsamkeit sowie keinen verschleierten Blick für die gesellschaftliche Problem.

Eine spannende Urlaubslektüre für die kommende Urlaubszeit.

Gabriella Wollenhaupt

Grappa greift durch

Taschenbuch: 220 Seiten

grafit verlag

ISBN 987-3-89425-468-1

10.00