Das „Glitzern der Welt“ von kainkollektiv ist ein exklusives Vergnügen, denn pro Vorstellung können nur maximal sechs Personen teilnehmen. Das Spannende daran: Das Theater ist die Stadt. Das heißt, der Theaterbesucher muss sich bewegen oder wird bewegt. Bei der Pressevorführung des zweigeteilten Stückes bleibt mir ein Gefühl, als ob ich die erste Halbzeit bei einem Fußballspiel verbracht hätte und die zweite Halbzeit beim Billard.
Konsum, Flüchtlinge, Rassismus. Eigentlich Themen, über die eigene Stücke verfasst werden können (und auch verfasst wurden). Die drei Themen haben sicherlich auch eine Klammer, denn die Frage, warum dürfen Waren frei über die Grenzen, Menschen aber nicht, ist ständig präsent. Dennoch wird man aus der Verquickung nicht ganz glücklich.
Der erste Teil findet im öffentlichen Raum statt und ist der spannendste. Mit einem mp3-player und einem Kopfhörer verlässt man das Theater und lässt sich von einer Stimme führen. Man sei ein „Auserwählter“ und zur „Ausreise“ müsse man einen Weg absolvieren, der einem durch die Stadt führt.
Für den zweiten Teil wurde man mit einem Auto (mit schwarz verkleideten Fenstern) abgeholt und wurde in den Hafen gefahren, während ein Film auf dem Monitor lief. Hier wurde die Sechsergruppe von David Guy Kono aus Kamerun in Empfang genommen. Nach seinen Ausführungen über seine Heimat, in der sich auch ein Umschlagshafen für weltliche Waren befindet und die allgemeine Situation der Flüchtlinge, ging es, nach etwas Voodoo für die Toten, zum gemeinsamen Palmwein trinken. Für ein gemeinsames Essen und eine angeregte Diskussion blieb leider nicht soviel Zeit, aber spätere Besucher werden vermutlich in den Genuss einer Mahlzeit kommen. Danach ging es wieder zurück zum Schauspielhaus.
War der erste Teil wirklich bemerkenswert, da man sehr konzentriert durch die Gegend lief und immer darauf achtete, den Anweisungen der Stimme zu folgen, fand ich den zweiten Teil im Hafen etwas inkonsistent. Irgendwie passten beide nicht zusammen. Doch vielleicht sind meine Kritikpunkte für jemand anderen gerade die besonders spannenden Dinge.
Eine Zeitinselkonzert ohne die beiden Künstlerinnen, denen die Zeitinsel gewidmet ist? Eigentlich unvorstellbar, doch Katia und Marielle Labèque überließen am Donnerstag, dem 26. November 2015 die Bühne der Gruppe Kalakan, die schon am Mittwoch die beiden Künstlerinnen begleitet hatten.
Thierry Biscary, Jamixel Bereau und Xan Errotabehere machten da weiter, wo sie am Mittwoch aufgehört haben. Traditionelle baskische Lieder, entweder rein a capella oder mit baskischen Instrumenten wie der Txalaparta (einer Art Xylophon aus Holzbrettern) oder Txistu (Flöte, die man mit einer Hand spielen kann) begleitet, erklangen im Konzerthaus.
Die reinen Vokalstücke erinnerten ein wenig an Gruppen wie „A Filetta“ aus Korsika, deren Besonderheit ebenfalls ein reiner Männergesang ist. Laut einer Theorie ist diese Art von Gesang aus den gregorianischen Gesängen entstanden. Hört man genau hin, ist diese Theorie durchaus plausibel. Bei den eher rhythmusbetonten Liedern konnte man sich in die Zeit der Renaissance zurückversetzt fühlen.
Kalakan schaffte es auch am Donnerstag die Besucher wieder aktiv mitzumachen. Das hypnotische Summen klang so professionell, dass man das Gefühl hatte, es würde über einen Loop abgespielt. Kein Wunder, dass ein Weltstar wie Madonna, die Musiker von Kalakan auf ihre Tour 2012 mitnahm.
Wie jedes Jahr gastiert das Ensemble des Kinder-und Jugendtheaters auch 2015 mit einem Weihnachtsmärchen für die ganze Familie im Schauspiel Dortmund. Diesmal hat sich der Leiter des KJT, Andreas Gruhn, das „Gespenst von Canterville“ nach einer Erzählung von Oscar Wilde (1856 -1900) vorgenommen und bearbeitet. Am 26.11.2015 war die Premiere im Schauspielhaus.
Zur Geschichte: In den 60iger Jahren kauft der New Yorker Geschäftsmann Hiram Otis das englische Schloss Canterville. Als er dort mit seiner Frau Lucretia (Lucy) Otis, seinen jugendlichen Söhnen Washington und Buddy sowie der elfjährigen Virginia ankommt, erwartet sie die Verwalterin Mrs. Umney und warnt vor dem Geist von Sir Simon von Canterville, der dort nach seinem Tod vor 350 Jahren sein Unwesen treibt. Doch die rationalen, von der Fortschrittlichkeit ihrer Nation und materialistisch denkenden Amerikaner reagieren anders als erwartet. Ohne Angst bieten sie dem Geist die „Errungenschaften der neuen Zeit“ an, um zum Beispiel seine quietschenden Ketten mit einem speziellen Öl zu schmieren. Die Söhne attackieren ihn mit Wasserpistolen.
Mr. Otis plant, das alte Schloss und das Gespenst in einer Art „Disneyland“ zu verwandeln und zu vermarkten. Das Gespenst, versteht nicht, warum diese Menschen keine Angst vor ihm haben.
Nur die elfjährige Virginia begegnet ihm mit Empathie und kindlicher Offenheit. Ihr verrät er seinen sehnlichen Wunsch, nur zu „schlafen“ und in den „Garten des Todes“ hinüber zu gehen. Das kann er aber nur mit Hilfe des Mädchens…
Die Bühnenausstattung von Oliver Kostecka bot all das, wie sich viele Zuschauer/innen ein altes englisches Schloss vorstellen. Kronleuchter, dunkle Fassaden, alte Wendeltreppe, eine Ritterrüstung und einen ausgestopften Eisbären mit um Mitternacht rot funkelnden Augen. An der linken Seite eine schwarze Truhe. Nebel und Donnereffekte sorgten für eine schaurige Atmosphäre.
Mrs. Omney war bieder hochgeschlossen angezogen, während die Familie Otis in bunten Outfit der 60iger Jahre auftrat. Lustige Idee, dass alle in den gleichen leuchtend blauen Pyjama mit Aufdrucken auf die Bühne kamen.
Das Gespenst war weiß geschminkt und trug Halskrause und Pluderhosen aus der Renaissance-Zeit.
Es erinnerte ein wenig an den Poltergeist „Beetlejuice“ (Betelgeuse) aus dem gleichnamigen Film (1988) mit einer ähnlichen Thematik.
Wie bei einem Musical gab es eine Mischung aus Musik (Songs: unter anderem Swing, Rock und aus der Renaissance), Tanz und Schauspiel mit Slapstikelementen.
Im Stück prallen zwei Welten aufeinander. Die britisch-konservative, mit einer fast paranoiden Panik vor übernatürlichen Phänomene und dem materialistischen, rationalen Fortschrittsglaubens des amerikanischen Kapitalismus der 60iger Jahre des letzten Jahrhunderts. Oscar Wilde hat beides in seiner Erzählung ironisch Charakterisiert.
Die Schauspieler brachten die verschiedenen Typen sehr plastisch und gelungen auf die Bühne.
Bettina Zobel als spröde Mrs. Umney, die bei der kleinsten Störung in Ohnmacht fällt, aber dann kurz „auftaut“ und ein flottes Tänzchen mit Mr. Otis und den anderen auf der Bühne wagt. Joeri Burger (bekannt aus einem früheren Weihnachtsmärchen als „Pinocchio“) steuerte für das Stück einige schöne Choreographien bei. Johanna Weißert und Andreas Ksienzyk als Mr. Und Mrs. Otis spielen die fortschrittsgläubigen, geschäftstüchtigen Amerikaner mit großer Lust und Engagement. Mit Akribie preisen sie die Produkte der neuen Welt wie Fleckenentferner,Tropfen gegen Verdauungsprobleme oder gar Coca-Cola bei Ohnmacht an.
Die beiden Söhne Washington (Thosten Schmidt) und Buddy (Philip Pelzer) sind typische „New Yorker Boys“ ihrer Zeit. Sie spielen gerne Rockabilly-Musik und lieben die Annehmlichkeiten ihrer Zeit. Talisa Lara spielte die die Tochter Virginia, die mit ihren elf Jahren noch ein Kind ist und als einzige sensibel, offen und ohne Vorbehalte auf das Gespenst zugeht und ihm hilft. In der Sorge um ihr Kind, überdenken die Eltern ihre Pläne schließlich noch einmal. Talisa Lara meisterte die schwierige Aufgabe, eine Elfjährige zu spielen mit viel Einfühlungsvermögen.
Rainer Kleinespel spielt das Gespenst von Canterville in all seinen komischen und tragischen Facetten.
Ob das Stück für kleine Kinder zu gruselig ist? Ich denke nicht, denn Kleinespel bringt trotz unheimlicher Montur immer ein gewisses Augenzwinkern mit, selbst beim fürchterlichsten Kettenrasseln. Wer hat eigentlich Angst vor wem? Schnell bekommen die Zuschauer Mitleid mit Sir Simon, denn er will eigentlich nur seine Ruhe.
Fazit: Ein Besuch auf Schloss Canterville lohnt sich auf jeden Fall.