Bilder, die Geschichten erzählen

kallert
Ulla Kallert neben ihrem Bild „Wintertage in der Nordstadt“

Fotos erzählen Geschichten. Familienfotos erzählen Familiengeschichten, sie zeigen aber auch den Zeitgeist der Zeit, in der sie aufgenommen wurden. Die Künstlerin Ulla Kallert ist einen Schritt weiter gegangen und hat einige Familienfotos malerisch neu interpretiert. Es sind keine 1:1 Kopien, sondern Sichtweisen der Malerin. Die Ausstellung „212 Schritte hinter’m Bahnhof“ im Torhaus Rombergpark ist vom 30. August bis zum 20. September 2015 zu sehen.

Wohin kommt man, wenn man 212 Schritte hinter’m Bahnhof geht? In die Lessingstraße 76. Nicht nur das Geburtshaus von Ulla Kallert, sondern auch ihres Vaters. Doch die Inspiration, eine Serie mit Bildern von Familienfotos zu machen, stammt von ganz woanders her. Von einem Horrorfilm. „Angefangen hat es mit dem Film „Die Vögel“ von Hitchcock. Die Spannung in den Szenen hat mich dermaßen angekickt, dass ich vor dem Fernseher fotografiert habe. Die ersten drei Bilder sind nach dem Film entstanden. Bei einem Bild habe ich gedacht: Das ist wie in einem Familienbild von mir. Und dann habe ich mir meine Familienfotos angesehen“, erzählt die Künstlerin.

Die Bilder zeigen überwiegend Familienszenen aus den 60er Jahren, nur eins ist älter und erzählt eine besondere Geschichte: Das Kommunionsbild von Kallerts Vater mit dem Titel „Das Oberhaupt war auch mal klein.“ Dieses Bild berührt die Künstlerin sehr: „Ich war sehr betroffen, als ich das Foto jetzt nochmal betrachtet habe, weil ich gesehen habe, was für liebe Züge in dem Jungengesicht sind. Mein Vater war im Weltkrieg in russischer Gefangenschaft und der Krieg hat ihn so verändert, dass die ganze Familie darunter zu leiden hatte. Er war natürlich schwer traumatisiert.“

Fotos aus dieser Zeit sind in der Regel Schwarz-Weiß. Doch Kallerts Bilder haben leuchtende Farben. „Das ist für mich überhaupt kein Problem, da ich seit 25 Jahren eher Farbmalerin bin. Ich mache auch Ausflüge ins Figürliche, aber mein Schwerpunkt war immer Farbe, Komposition und Farbstimmung“, so die Künstlerin über ihre Arbeitsweise. Zudem ist für Kallert die Atmosphäre eines Bildes wichtiger als die originalgetreue Wiedergabe. „Da habe ich manchmal ein wenig gemogelt. Beispielsweise in einem Bild, auf der meine Schwester mit ihren Freundinnen zu sehen ist, habe ich meiner Schwester Ernst ein-gehaucht. Auf dem Foto lacht sie wie die anderen, aber es war mir nicht möglich sie so zu malen. Das wäre für mich nicht stimmig gewesen“, verdeutlicht Kallert.

Zwei Jahre hat die Künstlerin an dieser Serie gearbeitet, von denen 16 Werke in der Ausstellung zu sehen sind. Dadurch, dass die Gesichter nicht fotografisch genau ausgemalt sind, sind die Personen auf den Bildern nicht mehr allein Familienmitglieder, sondern erzählen vom Zeitgeist der 60er Jahre wie den ersten Urlauben oder Familienfesten.

Ulla Kallert

212 Schritte hinter’m Bahnhof

30. August bis 20. September 2015

Torhaus Rombergpark

Öffnungszeiten;

dienstags bis samstags 14 bis 18 Uhr

sonntags und feiertags 10 bis 18 Uhr




Ausweglose Situationen im Künstlerhaus

Eine Arbeit von Christian Loenhoff.
Eine Arbeit von Christian Loenhoff.

Ein Schwitzkasten ist einerseits ein Holzkasten für Schwitzbäder, andererseits aber auch ein Würgegriff. Schwitzkasten steht für eine ausweglose Situation, aus der man nicht mehr hinauskommt. Zehn Künstlerinnen und Künstler zeigen vom 29. August bis zum 05. Oktober 2015 im Künstlerhaus Dortmund ihre Arbeiten zu diesem Thema. Kuratiert hat die Ausstellung Jörg Daniel mit Barbara Koch und Marco Wittkowski.

Zwangslage, Notlage, Gefängnis, Folter, Guantanamo. Das amerikanische Gefängnis in Kuba hat vor allem zwei Künstler zu ihren Arbeiten inspiriert. Die Installation von Frank Klöttgen heißt auch „Guantanamo“. Klöttgen hat das Gefängnis mit 1001 Büchern nachgebaut. Dazu benutzte er aber Exemplare seiner eigenen Werke.

Ein Problem in Guantanamo ist Folter. Kurt Fleckenstein hat sich künstlerisch damit auseinandergesetzt. In seiner Installation wird eine Person nackt hinter einer Glaswand anderthalb Stunden eingeklemmt. Durch die Aktion „No exit“ soll auf die Erniedrigung von Menschen hingewiesen werden. Jeden Sonntag findet eine Livepräsentation der Arbeit „No Exit“ statt.

Kate hers RHEE arbeitet in ihrer Performance, die per Video zu sehen ist, mit einer Maske, die im S/M-Bereich zu Hause ist. In dem Video dominiert ein schwarzer Darsteller seine asiatische Darstellerin und scheint ihr die Maske aufzunötigen und verlangt von ihr 10 Küsse. Der Künstlerin geht es hier und das Spiel mit Identitäten und wie Minderheiten gegeneinander ausgespielt werden.

Margund Smolka zeigt in ihrem Videoobjekt „Funnel“ (dt. Trichter) wie eine Bilderflut endlos in den Kopf hinein dringen. Dieser Bilderflut, die man nicht steuern kann, ist man hilflos ausgeliefert.

Fasziniert von Tanz und Theater ist Ilona Ottenbreit. In ihren teils großformatigen Arbeiten zeigt sie Bewegungsabläufe von Tänzern. Sie möchte in ihren Bildern zeigen wie Menschen sich verteilen, sich verschmelzen oder sich auf Zwangslagen lösen.

Hildegard Skowasch ist eines der Gründungsmitglieder des Dortmunder Künstlerhauses, lebt und arbeitet aber schon länger in Berlin. Sie zeigt figurative und abstrakte Elemente in ihren Installationen und anderen Arbeiten. Eine Faszination scheinen Münder auf die Künstlerin auszuüben. „Zähne sind natürliche Waffen“, so Skowasch. „Beim Lachen zeigt man die Zähne.“ Vielleicht kann man sich auch mit Zähnen aus so mancher Zwangslage befreien.

Mit der Spannung zwischen der Innen- und Außenwelt beschäftigt sich die Videoinstallation „Come to your Senses“ von Karin Kerkmann. Die Sinnesorgane sind in vier verschiedenen Monitoren zu sehen und alle in ungewöhnlicher Nahaufnahme.

Die Kunst der Augentäuscherei beherrscht die Pariser Künstlerin Dominique Ghesquiere. In ihrer Arbeit „Bios dormant“ (dt. Der schlafende Wald) präsentiert sie eine echte Efeupflanze. Doch der Efeu ist nicht mehr wiederzuerkennen. Er ist in seinem Wachstum gehemmt und wächst blattlos über zwei Etagen hinweg wie „im Schwitzkasten“.

Trotz seines Verstandes bringt sich der Mensch immer noch durch seine Entscheidungen in „Schwitzkästen“. Sei es im privaten Bereich oder auf globaler Ebene. Diese Widersprüchlichkeit behandelt Christian Loenhoff in seinen Arbeiten.

Die Videoarbeit „Outside Projection“ von Funda Özgünaydin behandelt das Thema Gentrifizierung. Das Video zeigt die Sprengung des Gebäudeturms der Goethe-Universität, die die Fachbereiche Pädagogik, Sozialwissenschaften und Psychologie beheimatete. Der Thinktank der „Frankfurter Schule“ musste einem Bau des Kapitalismus weichen.

Schwitzkästen – Ausweglosigkeiten und andere Zwangslagen
Künstlerhaus Dortmund
Sunderweg 1
Öffnungszeiten Donnerstag bis Sonntag 16 bis 19 Uhr