Voll Intensität und Leidenschaft

 Das „Quartet Hawniyaz“ : (v.l.n.r.)  Jazz-Pianist Salman Gambarov, Sängerin Aynur Doğan, Kamancheh-Legende Kayhan Kalhor (Iran) sowie dem kurdischen Tambur-Spieler Cemil Qocgiri. (Foto: © Bülent Kirschbaum)
Das „Quartet Hawniyaz“ : (v.l.n.r.) Jazz-Pianist Salman Gambarov, Sängerin Aynur Doğan, Kamancheh-Legende Kayhan Kalhor (Iran) sowie dem kurdischen Tambur-Spieler Cemil Qocgiri. (Foto: © Bülent Kirschbaum)

Am vorletzten Tag des Klangvokal Festivals bekam das Publikum mit „Songs of Kurdistan“ am 27. Juni 2015 im prall gefülltem Veranstaltungsraum im Dortmunder Jazz-Club Domicil einen besonderen Einblick in die für westliche Hörgewohnheiten ungewöhnliche kurdisch-arabische Weltmusik. Das „Quartet Hawniyaz“ mit der in der kurdischen Musiklandschaft bekannten Sängerin Aynur Doğan, Kamancheh-Legende Kayhan Kalhor (Iran), dem Jazz-Pianisten Salman Gambarov (Aserbaidschan) sowie dem kurdischen Tambur-Spieler Cemil Qocgiri führten die Zuhörerinnen und Zuhörer durch das kulturelle Erbe ihrer Heimatländer.

Erwartungsgemäß lockte das Programm viele Menschen aus der kurdischen Gemeinschaft ins domicil. Das zeigt die große Bekanntheit der Gruppe. Aber auch für die Besucher aus Dortmund, die nicht aus diesem Kulturkreis stammen, lohnte es sich, auf das musikalische Abenteuer einzulassen. Aynur Doğan bot mit ihrer starken Stimme Lieder voller Intensität, Leidenschaft und oft mit einer Portion Melancholie. Es war ein Klagegesang voller Schmerz.

Ihre drei exzellenten instrumentalen Begleiter zogen das Publikum mit in eine fremde Welt. Die Stücke hatten fast schon einen meditativen Sog und gingen fließend ineinander über. Interessant war es für das Publikum, Instrumente kennen zu lernen und akustisch zu erleben, die nicht aus unserem mitteleuropäischen Kulturkreis stammen. So zum Beispiel die Kamancheh, eine Stachelgeige in der iranischen Musik. Kayhan Kalhor spielte mit viel Gefühl auf der Stachelfidel mit einem kleinen einfachen Resonanzkörper und langem dünnen Hals. Wunderbare orientalische Klänge zaubert die von Cemil Qocgiri gespielte und im Orient verbreitete , seit zweitausend Jahren bekannte gezupfte Langhalslaute Tambur. Die Begleitung durch sich wiederholende Klavierklänge des Jazz-Pianisten Salman Gambarov passten gut in das künstlerische Gesamtgefüge.

Als Zugabe für das begeisterte Publikum gab es am Ende noch einen bei vielen kurdischen Gästen bekannten Song zum mitklatschen und mitsingen.




Traumhafte Melancholie

Das Ensemble "Concerto Italiano" spielte ind er Bonifatiuskirche Madrigale von Monteverdi und Zeitgenossen. (Foto: © Bülent Kirschbaum)
Das Ensemble „Concerto Italiano“ spielte ind er Bonifatiuskirche Madrigale von Monteverdi und Zeitgenossen. (Foto: © Bülent Kirschbaum)

Am 26. Juni 2015 war das Ensemble „Concerto Italiano“ unter der Leitung von Rinaldo Alessandrini im Rahmen des Festivals Klangvokal zu Gast in der Bonifatiuskirche. Sie spielten hauptsächlich Madrigale nach Texten von Battista Guarinis „Il pastor fido“ von Monteverdi und Zeitgenossen.

Neben der Liebe hat wohl kein Gefühl die Künstler so stimuliert wie die Melancholie. In England hat es beispielsweise der Barockkomponist John Dowland zur Perfektion gebracht, aber auch in anderen Ländern hat dieses Gefühl unendlich viel Literatur und Musik hervorgebracht. Im Mittelpunkt von „Il pastor fido“, der treue Hirte, steht eine Unterform der Melancholie: die des unglücklich Verliebtseins.

Die Tragikomödie „Il pastor fido“ von Guarini wurde Ende des 16. Jahrhunderts veröffentlicht und inspirierte viele Komponisten Madrigale zu komponieren. Neben Monteverdi auch Zeitgenossen wie Luca Marenzio, Marsillo Casentini, Sigismondo d’India, Antonio Cifra, Benedetto Pallavicino oder Giaches de Wert. Alle Komponisten fanden einen unterschiedlichen Zugang zu den Texten. Daher wurde es den Zuhörern in der vollen Bonifatiuskirche auch nicht langweilig, das gleiche Madrigal siebenmal zu hören. So war die Version von de Wert beispielsweise schneller, prononcierter als seine Kollegen.

Sie sechs Sängerinnen und Sänger zeigten eine hervorragende Leistung. Vor allem der Bass Marco Bellotto und der Countertenor Andrea Arrivabene, der den Alt-Part sang, überzeugten. Das Lob kann man getrost auch den Musikern übertragen. Vor allem die beiden Theorbe-Spielern Craig Marchetelli und Ugo di Giovanni, die ungewohnter Weise mit dem Rücken zum Publikum saßen, sorgten mit ihrem Basso continuo für einen vollen Klang.

Erneut zeigte das Festival Klangvokal, dass ihr die Pflege der Alten Musik am Herzen liegt. Vokalmusik aus der Renaissance und dem Barock versetzen die Zuhörer dank erstklassiger Interpreten mehrere Jahrhunderte in die Zeit zurück. Die Kirchen boten eine ideale Spielstätte, wobei glücklicherweise auch der weltlichen Vokalmusik gehuldigt werden konnte.




Erst geht Klopp, dann geht Wallfisch

Mit einem zweitägigen Festival am 25 und 26. Juni 2015 verabschiedete der ehemalige musikalische Leiter des Schauspielhauses, Paul Wallfisch, nach sechs Jahren aus Dortmund. Das „Big Small Beast“ zeigte nicht nur die Arbeiten, die Wallfisch für das Schauspielhaus geschrieben hatte, sondern Wallfisch lud auch in bekannter Manier Gäste ein. Am Donnerstag war Giant Sand der Stargast, während am Freitag Lydia Lunch der Hauptact war.

Pünktlichkeit und Small Beast. Zwei Dinge die nicht zusammen passen. Fingen die kleinen Konzerte statt um 22 Uhr gerne mal eine halbe Stunde später an, sollte sich diese schöne Tradition bei den „Big Small Beasts“ auch nicht ändern.

Der Donnerstag begann mit einer Retrospektive der Arbeiten von Paul Wallfisch für die unterschiedlichsten Theaterstücke. Von „Woyzeck“ über „Meister und Margarita“, „Republik der Wölfe“ bis hin zu „Drama Queens“ spielten und sangen seine musikalischen Weggefährten sowie das Dortmunder Ensemble Lieder, die regelmäßige Theatergänger sofort wiedererkannten. Hier zeichneten sich vor allem Bettina Lieder und Eva Verena Müller durch ihren Gesang aus. Zum Abschluss erhielt Wallfisch als Erinnerung ein Stück original Dortmunder Theaterboden sowie den weißen Mantel, den er bei der Produktion von „Woyzeck“ getragen hatte. Der Weggang von Wallfisch ist ein Verlust für Dortmund, konstatierte Schauspielleiter Kay Voges. „Erst geht Klopp, dann Wallfisch.“

Danach spielte John Parish mit Band. Er präsentierte das Beste aus seiner Filmmusik der letzten Jahrzehnte wie „Nowhere Man“, „Plein Sud“ oder „Rosie“. Vor allem mit der belgischen Regisseurin Patrice Toye scheint Parish eine künstlerische Verbindung zu haben. Auch wenn auf einer Leinwand Szenen aus den Filmen eingeblendet wurde, seine Songs oder Songstrukturen zauberten eine ähnliche Atmosphäre wie in den Filmen.

Der Freitag begann mit einem kurzen Konzert von „Solmn Diver“, dem Bühnenname von Wallfischs Sohn. Er entwickelte sich in die Singer/Songwriter-Richtung und erinnerte ein wenig an die ersten Alben von „The tallest man on earth“.Es bleibt abzuwarten, ob er sich in der ersten Liga der „Klampfenmänner und -frauen“ etablieren kann.

Danach kam ein alter Bekannter auf die Bühne. Thomas Truax, der auch schon für die Theaterproduktion „Peer Gynt“ die Musik gemacht hatte, begleitet durch den „Hornicator“ und „Mother Superior“. Truax ist einer der wenigen Musiker, die zwar alleine spielen, aber Dank ihrer Instrumente klingen, als wäre ein komplette Band auf der Bühne.

Danach war es wieder Zeit für Paul Wallfisch und seine Band Botanica. Paul Wallfisch an der Orgel, John Andrew an der Gitarre, Budgie am Schlagzeug und Christian Bongers am Bass, begleitet von Anne DeWolff an der Violine legten sich von der ersten Sekunde an so ins Zeug, dass man das Gefühl hatte, die Bühne des Schauspielhauses würde sofort danach geschreddert.

Zum Schluss betraten Lydia Lunch und ihre Band Retrovirus die Bühne des Schauspielhauses. Ihre energische „noise music“ ist laut, unangepasst, auch wenn ihr Gitarrist Weasel Walter sämtliche Rock-Gitarristen-Posen schon im ersten Song untergebracht hatte.